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Ein Geschenk von Shiva

Wortkrieger-Team
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09.12.2016
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Ein Geschenk von Shiva

Lilli kramte einen fünfzig Rupien-Schein aus ihrem Geldbeutel und drehte sich von ihrem Rucksack zu Ganga Ji um.
„Ganga Jiii? Holst du mir was zu trinken?“ Sie stülpte die Unterlippe vor.
Ganga Ji nickte knapp, nahm wie beiläufig das Geld und schlängelte sich an den klapprigen Bussen vorbei, die um uns herum durch die Schlaglöcher rumpelten. Die Motoren röchelten wie alte Männer mit Raucherhusten und hinterließen eine schwarze Wolke aus Abgasen, deren Gestank sich mit dem Duft nach exotischen Gewürzen und Nelkenzigaretten mischte.
Ich nagte an meinen Fingernägeln. In spätestens drei Tagen musste ich das Land verlassen haben, weil mein Visum auslief. Aber bei dem Zustand der Busse bekam ich Angst, dass wir es nicht mal bis zur Stadtgrenze schaffen. Lillis Blick flitzte amüsiert über den Busbahnhof. Ganga Ji und sie kamen nur mit, um sich Kathmandu anzusehen, deshalb waren ihre Sorgen etwas anderer Art als meine.
„Wenn meine Mutter mich hier mit dem Ganga Ji sehen würde – die würd 'nen Schlag kriegen“, feixte sie und äffte ihre Mutter nach: „Mein Gott, Kind, der sieht ja aus wie Bin Laden. Du lebst bestimmt in einem Gehirnwäschezentrum! Und ...“
In dem Moment hörten wir ein Stück vor uns eine aufgebrachte Männerstimme und reckten die Hälse. Ein Polizist in Khaki-Uniform stand neben einer Kuh, die zwischen den Bussen herumlag, und redete auf Ganga Ji ein. Er überragte ihn um mindestens zwei Köpfe und sein schwarzer Schnurrbart sah aus, als hätte er ihn in einem Faschingsladen erstanden. Hastig griff er Ganga Ji in die Brusttasche seines weißen Langhemdes und hielt dann etwas zwischen Daumen und Zeigefinger, das ich auf die Entfernung nicht erkennen konnte. Vorwurfsvoll fuchtelte er damit vor Ganga Jis Nase herum.
„Hat Ganga Ji Dope dabei, oder was?“, fragte ich und rutschte unruhig auf meinem Rucksack hin und her.
„Quatsch. Doch nicht, wenn er mit uns über die Grenze fährt! Mit zwei deutschen Frauen! Weißt doch, wie es ist, wo die Bullen Kohle wittern, kassieren die doch auch.“
„Gut. Das beruhigt mich.“
„Er hat es stattdessen mir gegeben.“
„Was?“
„Ja. Er meinte, mich kontrollieren die nicht, nur ihn.“
„Aber ...“
„Jetzt nimmt der den Ganga Ji mit!“, rief Lilli.
Der Polizist zog Ganga Ji am Ohr zu einer kleinen Holzbaracke am Rand des Busbahnhofs. Offenbar war das die Bahnhofswache. Ganga Ji zeigte keine Reaktion. Er schien willenlos wie eine Gummipuppe. Der Polizist stieß ihn in das Kabuff.
„Ich geh da jetzt hin!“ Lilli sprang auf.
„Lilli! Warte!“
Während ich mit unserem Gepäck hinter Lilli herstolperte, fragte ich mich, ob es vielleicht doch keine so gute Idee war, mit einer jungen, gutgläubigen Sekretärin von Indien nach Nepal zu reisen, die einen Sadhu, also einen Bettelmönch, als Fremdenführer engagiert hatte. Ich kannte die beiden erst ein paar Wochen und hatte Lillis unkomplizierte Art bisher recht unterhaltsam gefunden, aber zusammen zu reisen schien sich als schwierig zu erweisen.

„Dieser Mann ist kein echter Sadhu, Madam“, belehrte der Polizist Lilli im Ton des erhobenen Zeigefingers, als ich am Verschlag ankam. „Das ist nur ein Bettler, der Drogen mit sich geführt hat. Ein echter Sadhu reist nicht mit Touristinnen und ...“
„Das stimmt nicht!“ Lilli zitterte, als hätte sie den Lauf einer Pistole an der Schläfe.
„Doch, Madam. Wir haben Haschisch bei ihm gefunden und werden ihn einsperren. Der Mann ist gefährlich, Madam, und es ist meine Pflicht, Touristinnen zu schützen.“
„Dieser Sadhu ist mein Freund! Ich vertraue ihm! Und ich gehe nicht eher hier weg, bis sie ihn frei lassen!“ Sie setzte sich auf den vorderen Rand eines Plastikstuhls, der vor dem Verschlag stand. Ihr Atem ging in schnellen, kurzen Stößen. Wie ferngesteuert nahm ich auf dem Stuhl daneben Platz. Vor meinen Augen flimmerte es, als hätte ich seit Tagen nicht geschlafen. Krampfhaft überlegte ich, wie ich Lilli helfen könnte, aber ich hatte Angst, etwas Falsches zu sagen. Je mehr ich versuchte, mich auf die Situation zu konzentrieren, desto unwirklicher kam sie mir vor.
Der Polizist verschwand wieder in dem Verschlag und bellte irgendwas auf Hindi. Dann hörte ich das Klatschen einer Ohrfeige.
„Ich ruf jetzt Pinku an!" Lillis Stimme kippte. „Der soll uns helfen.“ Sie fischte ihr Handy aus der Umhängetasche und tippte die Nummer des Gästehausbesitzers ein, von dem wir uns am Nachmittag verabschiedet hatten.
Pinku war betrunken, wie jeden Abend. Er hatte zu unserer Misere nicht viel zu sagen, was in erster Linie daran lag, dass seine Zunge nicht mehr mitspielte. Vor uns verschwand eine orangefarbene Sonne hinter den Flachdächern der Stadt. Mir wurde kalt. Ich zog den Reißverschluss meines Fleecepullovers zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Polizist deutete mit dem Kinn auf Lillis bunt bestickte Umhängetasche. „Machen Sie die doch mal auf, Madam.“
Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich losgelacht, denn mir fiel zum ersten Mal auf, wie gegensätzlich das psychedelische Muster der Tasche zu Lillis bürgerlichem Gesicht mit den sorgsam gezupften Augenbrauen wirkte.
„Erst will ich Ihren Dienstgrad wissen.“ Lilli presste die Tasche an sich.
„Wozu, Madam?“ Der Polizist nahm die Barettmütze ab und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Dann ging er zurück in den Verschlag und sprach mit einem anderen Beamten.
Ich bewunderte Lilli für ihren Mut und ärgerte mich über meine Unfähigkeit, irgendetwas zur Situation beizutragen. Vor meinem inneren Auge sah ich uns bereits auf dem Revier unsere Rucksäcke auspacken und versuchte, mir nicht weiter auszumalen, was das für Konsequenzen haben könnte. Das hier ist real, hämmerte ich mir ein. Jetzt tu oder sag was. Aber mein Mund war so trocken, als hätte ich in ein Frotteehandtuch gebissen.
Ich hörte den Polizisten schreien. Dann fiel ein Stuhl um.
„Was machen wir denn jetzt?“, rief Lilli mir zu.
Im nächsten Augenblick kam der Polizist aus dem Verschlag marschiert, zerrte Ganga Ji hinter sich her und schubste ihn in unsere Richtung. Wie in einem Theaterstück, das plötzlich eine überraschende Wende nahm, sahen wir Ganga Ji an uns vorbeirauschen, als würden wir nicht existieren.
„Chalo – lasst uns abhauen“, sagte er mehr zu sich selbst und wurde kurz darauf von einer Großfamilie mit Übergepäck verdeckt.

Im Bus roch es nach nassem Hund. Weil wir spät kamen, mussten wir in der letzten Reihe sitzen. Das war das Schlimmste, was einem passieren konnte, denn der hintere Teil des Busses wurde jedes Mal in die Luft geschleudert, wenn er durch ein Schlagloch fuhr. Und das kam ziemlich oft vor. In den Sekunden, die ich oben war, musste ich mich geschickt drehen, um halbwegs sanft wieder auf dem durchgesessenen Sitzpolster zu landen, ohne mir das Rückgrat zu brechen. Als ich den Dreh raus hatte, machte es richtig Spaß. Fast hätte ich nach jedem Hopser gejauchzt, aber das schien mir dann doch etwas zu übertrieben.
„Alles okay?“, wandte ich mich nach einiger Zeit an Lilli, die zwischen Ganga Ji und mir saß. Sie ließ die Hüpfprozedur mit missmutigem Gesicht über sich ergehen. „Du hast seit der Abfahrt nichts mehr gesagt.“
„Ich ärgere mich immer noch über diesen Bullen“, gab Lilli zu, als wir gerade mal wieder auf unsere Sitze krachten. „Was bildet der sich ein, mir zu erzählen, dass Ganga Ji kein echter Sadhu ist! Er hat jahrelang mit seinem Guru Ji im Ashram gelebt und meditiert!“
„Ganga lebt aber von deinem Geld“, merkte ich vorsichtig an.
„Ja, na und?“ Lilli wurde lauter und ein paar Leute drehten sich zu uns um. „Ich hab's ihm angeboten, er hat mich nicht danach gefragt! Ein Bettler hätte sofort gefragt! Aber wir haben tagelang am Ganges gesessen und uns über Yoga unterhalten, ohne dass er irgendwas von mir wollte, weder Sex noch Geld. Und da hab' ich dann irgendwann halt gedacht, dass er ja auch mein Guide sein könnte. Natürlich bezahl ich ihn dafür. So what? Er hat ja nichts und er wollte das Geld erst auch gar nicht annehmen.“
„Aber dann hat er es doch getan.“
„Ja, aber das ist was anderes, als selbst danach zu fragen. Das wäre betteln. Aber so ist es ein Geschenk von Shiva.“
Es folgte eine Erklärung, wie viel glücklicher die Inder ihrer Meinung nach durch den Glauben seien, und überhaupt wäre in Indien alles viel besser als in Europa.
Ich sah aus dem Fenster. Die Straße wurde etwas ebener und Reisfelder flogen an uns vorüber. Aus den Boxen der Fahrerkabine schepperte Hindimusik.

Wir erreichten die Grenze gegen Mittag. Ich wankte aus dem Bus, als hätte ich eine lange Schifffahrt mit starkem Seegang hinter mir und blinzelte in das grelle Sonnenlicht. Bethelnusskauende Rikshafahrer umzingelten uns, noch bevor ich die Zeit fand, mich zu orientieren. Ganga Ji winkte uns fröhlich zu und meinte, dass er schon mal vorginge, denn er als Inder könne ohne Ausweis einfach rüberlaufen.
Das Gelände war so weitläufig, dass wir uns nach der Ausreise eine Riksha nehmen mussten, um auf die nepalesische Seite zu gelangen. Während wir den Fahrer bezahlten, lief Ganga Ji aus dem Grenzhäuschen, hüpfte wie ein Kobold auf und ab und winkte uns herein, als würde ihm das Haus gehören.
In dem kahlen engen Raum saßen drei zierliche Beamte an einem langen Tisch, den eine Tischdecke mit braunem Teddybärmuster zierte. Lilli und ich gaben ihnen unsere Reisepässe und warteten auf einem schmalen Holzbänkchen neben der offenen Tür.
„Ji?“, wandte sich der Beamte, der uns am Nächsten saß, an Ganga und hob das Kinn in Richtung der verhängnisvollen Hemdtasche.
Ganga Ji lachte und zog ein Piece von der Größe eines Männerdaumens aus der Tasche wie ein Zauberer ein Kaninchen aus dem Hut.
Ich hielt den Atem an. Was war das jetzt schon wieder? Woher hatte Ganga Ji plötzlich das Piece? Hatte der Polizist doch recht gehabt? Oder arbeitete Ganga Ji etwa für die Drogenfahndung?
Der Beamte sah uns mit hochgezogenen Augenbrauen an. Lilli und ich warfen uns einen kurzen Blick zu und starrten dann auf den Betonboden wie zwei Klosterschülerinnen, die von der Mutter Oberin beim Onanieren erwischt worden waren. Die Sekunden verstrichen.
Scheiße, das war's jetzt aber endgültig, kapitulierte ich innerlich. Wie konnte ich auch so blöd sein und mich auf diesen ganzen Mist hier einlassen.
„Blättchen?“, hörte ich den Beamten auf Englisch fragen.
Lilli zögerte eine Sekunde, zog ein Päckchen OCB-Blättchen aus dem vorderen Fach ihres Rucksacks und legte es vorsichtig auf den Tisch. Der Beamte strich sich mit Daumen und Zeigefinger über den dünnen Schnurrbart.
„Zigarette?“, fragte er weiter und hatte kurz darauf eine Schachtel Gold Flake vor sich liegen. Er bedankte sich höflich, zog ein Sturmfeuerzeug aus der Hosentasche, ließ es aufschnappen und fuhr mit der Flamme die Zigarette auf und ab. Dann begann er, auf dem Kugelbauch eines der Teddybären einen Joint zu rollen.
Lilli sah mich an und stieß einen hysterischen Lacher aus. Die Männer beachteten uns nicht weiter und plauderten mit Ganga wie mit einem gern gesehenen Stammgast. Meine Muskeln entspannten sich etwas, aber es irritierte mich nach wie vor, woher Ganga Ji plötzlich das Piece hatte. Der Beamte zündete den Joint an, zog ein paarmal daran, reichte ihn mit einem offenen Lächeln an Lilli weiter und rief: „Willkommen in Nepal!“

Zwanzig Minuten später saßen wir in einer kleinen Chaibude und aßen Reis mit Linsen. Lilli und ich hatten uns ausgekichert und schauten schweigend durch die offene Tür auf die Straße. Dutzende von Fahrradfahrern glitten an einem Bühnenbild mit einer perfekt gezeichneten Berglandschaft vorüber, als würden sie an einer Schnur gezogen. Ihr Klingeln war noch in weiter Ferne zu hören.
„Woher hattest du eigentlich das Piece?“, wandte ich mich nach einer Weile an Ganga Ji.
„Shiva Geschenk“, antwortete er.
„Magie“, behauptete Lilli mit einem Achselzucken, als wäre es das Natürlichste von der Welt, Dinge aus Hemdtaschen hervorzuzaubern.
„In Nepal sie haben Respekt für Sadhus“, fuhr Ganga Ji eindringlich fort. „Deshalb Beamte waren so nett. Aber in Indien ... Pfff.“ Mit dem Handrücken machte er eine wegwerfende Bewegung von unten nach oben. „Immer nur Geld, Geld, Geld, aber für Sadhus kein Respekt mehr.“
„Tja, put a Sadhu in your life.“ Lilli sah an mir vorbei und streckte sich ausgiebig, als wolle sie dadurch ihre Aussage unterstreichen. „Dann kann nichts mehr schief gehen.“
Sie fing an, mir auf die Nerven zu gehen.
Als wir kurz darauf im Bus nach Kathmandu saßen, schüttelte ich innerlich immer heftiger den Kopf über ihr Getue, aber ich spürte auch einen Stich von Neid. Ich neidete Lilli ihr Vertrauen, während ich immer alles in Frage stellen musste. Und obwohl alle heiklen Situationen auf dieser Reise glimpflich ausgegangen waren, wurde ich das Gefühl nicht los, dass mit Ganga Ji etwas nicht stimmte.
Vorsichtig spähte ich zu den beiden herüber. Sie saßen auf der anderen Seite vom Gang. Ganga Ji schlief und Lilli sah aus dem Fenster. Es war schwer zu sagen, was in ihrem Kopf vorging. Manchmal fragte ich mich, ob überhaupt etwas darin vorging.

Der Berufsverkehr tobte, als wir am nächsten Tag in Kathmandu ankamen. Ganga Ji stieg vor uns aus und steuerte zielstrebig auf den nächsten Bus zu, der uns nach Thamel bringen sollte, dem Touristenviertel. Er kannte da ein Gästehaus mit dem schrägen Namen Opium Guesthouse, in dem er vor Jahren mal gewesen war. Lilli maulte, weil ihr der Hintern weh tat und wollte eine Riksha anhalten, aber Ganga Ji ließ sich von seiner Mission nicht abbringen.
Wir trotteten gefühlte drei Stunden durch Thamel, vorbei an Läden mit Hippieklamotten, hippen Cafes, Banken und Gästehäusern, nur das Opium Guesthouse fanden wir nicht. Schließlich blieb Lilli abrupt stehen, setzte sich dann auf eine Stufe, die zu einem Laden mit traditionellen Nepalikappen führte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich gehe nicht eher hier weg, bis du mir sagst, wo dieses Guesthouse ist.“
Ganga Ji wackelte mit dem Kopf von rechts nach links und begutachtete die Nepalikappen. „Lilli. Guck mal. Hut sehr schön.“
Lilli stöhnte gespielt. „Der ist wirklich wie'n Baby“, sagte sie und lachte in einer Art, in der Mütter über ihre tolpatschigen Kinder lachen. Dann ging sie in den Laden und kaufte die Kappe.
Wow, dachte ich. Das ging jetzt aber schnell.
Nachdem er die Kappe aufgesetzt hatte, zeigte Ganga Ji auf das Gebäude gegenüber und rief: „Da! Opium Guesthouse!“
Ich folgte seinem Blick und sah ein dreistöckiges weißes Haus. Einige der Zimmer hatten Balkone. Auf dem Dach stand ein Schild mit der Aufschrift: Happy Home.

Am nächsten Morgen schlief ich lange. Als ich gegen elf in das Cafe auf der Dachterrasse kam, saß Lilli an einem der Bistrotische und blickte über die Dächer. Sie war der einzige Gast.
„Morgen,“ rief ich beschwingt.
„Morgen,“ antwortete sie und sah mich an, als hätte sie einen Trumpf im Ärmel.
„Hast du gut geschlafen?“, erkundigte ich mich.
„Naja. Geht so.“ Es war eine Weile still. „Ganga Ji und ich werden heiraten.“
„Was?“, entfuhr es mir. „Obwohl ... Ich hab' mir schon gedacht, dass da zwischen euch was läuft. Und die Inder kennen ja keine wilden Ehen, also ... Falls zwischen euch was läuft ... Das weiß ich ja nicht, aber es war mir schon klar, dass er dich irgendwann fragt.“
„Ich hab' ihn gefragt.“
Ungläubig sah ich sie an.
„Ich will in Indien bleiben, ich will nicht mehr zurück nach Deutschland. Ich hab' alles getan, damit Ganga Ji sich in mich verliebt. Ich hab' ihm auch das Piece in die Hemdtasche getan, weil ich wusste, dass die Bullen ihn kontrollieren, wenn sie ihn mit uns sehen.“
„Du hast was? Sag mal, spinnst du? Mit den ganzen Drogen in der Tasche? Du hast sie doch nicht mehr alle!“
„Ja, das mit den Drogen war heikel, deshalb hab ich auch so Angst gehabt. Aber ich wollte, dass er sieht, dass ich ihn nie im Stich lass'. Ich hätte ihn auch aus dem Knast geholt.“
Ich starrte sie an. „Und dass du mich da mit reingerissen hast, war dir völlig egal, oder was? Ich fass' es nicht! An der Grenze ...“
„Das war ich nicht!“, fuhr Lilli mir über den Mund. „Das war wirklich Shiva Geschenk. Wahrscheinlich hat der Bulle ihm einfach das Piece gelassen, als ich mit seinem Dienstgrad gedroht hab. Er kann ja nicht beweisen, dass Ganga Ji kein echter Sadhu ist. Und wie du weißt, dürfen Sadhus Dope besitzen, weil sie mit dem heiligen Rauch Shiva ehren. Mit allem anderen hättest du nichts zu tun gehabt, du hattest ja keine Drogen dabei.“
Ich starrte sie abermals an.
„Ich hätte dich nie da mit reingerissen, ehrlich.“
Ich wusste nicht mehr, was ich glauben sollte. Lilli plapperte munter weiter: „Gestern Nacht hat Ganga Ji mir dann erzählt, dass er wegen mir sein Sadhu-Leben aufgeben würde.“ Sie streckte sich auf die selbe Art wie in der Chaibude an der nepalesischen Grenze. „Und da hab' ich ihn halt gefragt. Mit meiner Abfindung aus'm Büro können wir uns ein Haus bauen und irgendwo in den Bergen leben.“ Sie blickte einem bunten Drachen nach, der an uns vorüber über die Dächer glitt.
„Und er hat sofort ja gesagt?“, erkundigte ich mich nicht ganz ohne Belustigung. „Immerhin ist er ja eigentlich Sadhu.“
„Naja, bisschen geschockt war er schon, weil das für ihn wie so'n Knall aus heiterem Himmel kam.“
Sie lachte gekünstelt.
„Ein Knall aus heiterem Himmel,“ wiederholte ich und nickte langsam. „Na, dann ist es bestimmt ein Geschenk von Shiva.“

 

Hallo Chai,

ich steige mal sofort ein ...

Lilli kramte einen fünfzig Rupien-Schein aus ihrem Geldbeutel und drehte sich auf ihrem Rucksack zu Ganga Ji um.
Der erste Satz, von dem viele sagen, er sei der wichtigste einer Kurzgeschichte, ist schon leider fehlerhaft und für mich schwer zu verstehen.
einen Fünfzig-Rupien-Schein
drehte sich auf ihrem Rucksack: Liegt/sitzt er/sie auf dem Boden? Davon lese ich aber (lange, lange Zeit) nichts.

In dem Moment hörten wir ein Stück vor uns eine zackige Männerstimme und reckten die Hälse. Ein Polizist in Khaki-Uniform stand neben einer Kuh, die zwischen den Bussen herumlag, und redete auf Ganga Ji ein.
Unter einer zackigen Männerstimme stelle ich mir etwas andres vor, als dass da jemand auf einen „einredet“. Eher etwas Befehlshaberisches.

und rutschte unruhig auf meinem Rucksack hin und her.
Ah, er oder sie sitzt auf dem Rucksack. Warum wird das erst so spät beschrieben/klargestellt?

Der Polizist zog Ganga Ji am Ohr zu einer kleinen Holzbaracke am Rand des Busbahnhofs. Offenbar war das die Bahnhofswache. Ganga Ji zeigte keine Reaktion. Er schien willenlos wie eine Gummipuppe. Der Polizist stieß ihn in den Kabuff.
als ich am Verschlag ankam
der vor dem Häuschen stand.
Fünf (!) verschiedene Begriffe für das gleiche. Ich würde mich für einen, maximal zwei entscheiden.

„Doch, Madam. Wir haben ein Stück Haschisch bei ihm gefunden und werden ihn einsperren. Der Mann ist gefährlich, Madam, und es ist meine Pflicht, Touristinnen zu schützen.“
Was ist das denn für eine Begründung? Die Touristen schützen? Einheimische dürfen also dealen, Haschisch kaufen, auf der Straße nehmen? Unglaubwürdig.
Außerdem würde ich nicht „ein Stück Haschisch“ sagen, sondern nur Haschisch.

„Erst will ich Ihren Dienstgrad wissen.“
Verstehe ich nicht. Wäre er Oberinspektor, würde sie ihre Tasche zeigen, bei einem normalen Inspektor nicht oder wie?

Das war das Schlimmste, was einem passieren konnte, denn der hintere Teil des Busses wurde jedes Mal in die Luft geschleudert, wenn er durch ein Schlagloch fuhr.
Das ist schon unfreiwillig komisch. Der hintere Teil des Busses wird geschleudert, während der vordere ganz starr bleibt? Ist der hintere Teil mit einem Seil am vorderen Teil gebunden oder wie kann man sich das vorstellen?

In den Sekunden, die ich in der Luft war, musste ich mich geschickt drehen, um halbwegs sanft wieder auf dem durchgesessenen Sitzpolster zu landen, ohne mir das Rückgrad zu brechen.
Also, ne. Möp.
Ich suche gerade das Stichwort „Humor“ …
„Sekunden“. Also z.B. drei Sekunden oder acht Sekunden war sie in der Luft …

und zog ein Piece von der Größe eines durchschnittlichen Männerdaumens aus der Hemdtasche
Männerdaumen alleine hätte gereicht. Wer weiß schon, wie groß der Durchschnitt ist? Wer misst das nach?

So, aus Zeitgründen muss ich leider abbrechen.
Hoffe aber, dass du mit meinen wenigen Anmerkungen schon etwas anfangen kannst.

Wünsche dir noch viel Spaß hier.
Beste Grüße,
GoMusic

 

Hallo@GoMusic,
vielen Dank fuer Deinen Kommentar. Na, dann steige ich mal auch gleich ein und bitte darum, mangelnde Umlaute und sz zu entschuldigen, da ich hier gerade in einem Internetcafe mit auslaendischer Tastatur sitze.
1) "Fuenfzig" gross. Danke fuer die Korrektur. Wird geaendert. Warum allerdings nicht aus dem Satz hervorgeht, dass Lilli auf dem Rucksack sitzt, leuchtet mir nicht so ganz ein. Wenn ich z.B. schreibe: "Drehte sich auf ihrem Stuhl zu ... um ..." ist klar, dass derjenige auf dem Stuhl sitzt und nicht liegt oder steht. Das ist eher selten. Er/sie? Lilli ist ein Maedchenname. Oder soll deutlich gemacht werden, ob Ganga Ji sitzt, liegt oder steht? Wenn das missverstaendlich ist, kann ich das gerne noch hinzufuegen, bzw. deutlicher machen. Dazu muesstest Du mir aber noch mal sagen, wen Du genau meinst.
2) Du stellst Dir unter einer "zackigen Maennerstimme" etwas anderes vor, als dass da jemand auf einen einredet. Da hast Du wohl recht. Werde mir ein anderes Wort ueberlegen.
3) Fuenf verschiedene Begriffe fuer den "Verschlag". Da hat mich wohl der Uebermut gepackt, weil ich mich nicht wiederholen wollte. Werde es auf zwei Begriffe reduzieren.
4) Du schreibst:" ... Was ist denn das fuer eine Begruendung? Die Touristen schuetzen ...?"
Zunaechst einmal sagt das der Polizist, nicht die Autorin. Wer schon mal in Indien unterwegs war, kennt die Sprueche der Polizei. Gut, damit mache ich mich jetzt natuerlich angreifbar, denn die Geschichte soll ja auch fuer Nicht-Reisende verstaendlich sein. Natuerlich ist es nicht in Ordnung, wenn Einheimische dealen ( wobei von "dealen" hier gar nicht die Rede war), aber Touristen wird ganz besonders ans Herz gelegt, auf sich zu achten, weil die sich in der Regel in dem Land nicht auskennen. Ein Einheimischer weiss ueber den landesueblichen Lug und Trug Bescheid. Ein Tourist meistens nicht. Und wenn es sich dann noch um Frauen handelt, wird besonders darauf geachtet, dass nichts passiert. Es ist fuer kein Land von Vorteil, wenn Touristen verschwinden, vergewaltigt oder ausgeraubt werden. ( Was nicht heissen soll, dass es in Ordnung ist, wenn Einheimische verschwinden, vergewaltigt oder ausgeraubt werden.) Es ist allgemein bekannt, dass gerade Indien sich da in den letzten Jahren einen sehr schlechten Ruf eingefangen hat. So wird es zumindest von den deutschen Medien dargestellt. Der Polizist gab also in erster Linie vor, behilflich sein zu wollen. Dass er nur "ein Stueck Haschisch" gefunden hat, sollte verdeutlichen, dass es eben nur wenig war, wobei "Stueck" auch wieder relativ ist und die genaue Grammzahl anzugeben, waere wohl unrealistisch. Mit nur "Haschisch" kann ich mich von daher also anfreunden.
5) Du fragst:" Waere er Oberinspektor, wuerde sie ihre Tasche zeigen, bei einem normalen Inspektor nicht oder wie? ..." Haette sich die Szene in einem "offiziellen" Polizeirevier unter den Augen dutzender Beamter und des Oberinspektors abgespielt, waere Lilli wohl nichts anderes uebrig geblieben. Die Tatsache, dass die ganze Geschichte recht willkuerlich daherkam, ( warum greift der Polizist einem Buerger einfach in die Tasche, nur weil der auf dem Weg ist, etwas zu trinken zu organisieren? Sowas ist ja nicht verboten) und eben in einer Baracke/Kabuff/Verschlag endete, hat Lilli den Mut verliehen, den Polizisten in Frage zu stellen, in der Hoffnung, dass alles eben nur reine Willkuer ist und vor den "oberen Reihen" im Zweifelsfall keinen Bestand hat. Zumal Sadhus eben Haschisch besitzen duerfen, wie im spaeteren Verlauf aus der Geschichte hervorgeht.
6) "Der hintere Teil des Busses wird geschleudert, waehrend der vordere ganz starr bleibt? ...", wolltest Du wissen. Die Antwort ist: Ja. Es war zwar nicht die Rede davon, dass der vordere Teil starr bleibt, aber Tatsache ist, dass man nur hinten so richtig in die Hoehe huepft. Warum das so ist, kann ich Dir leider nicht erklaeren, ich kenne mich da mit den physikalischen Gesetzen nicht so aus. Ist aber schon mehrmals als Anekdote in Geschichten ueber Indien geschrieben und auch veroeffentlicht worden. Man kann mir also durchaus vorwerfen, dass ich ein ausgelutschtes Thema aufgreife, aber unlogisch ist es ganz bestimmt nicht.
7) Du suchst nach dem Stichwort "Humor", weil sie mehrere Sekunden in der Luft war? Tja, das Leben schreibt doch immer wieder die witzigsten Geschichten, kann ich da nur sagen. Tatsache ist, dass man wirklich recht hoch fliegt und in den 1-2 Sekunden in der Luft versucht, wieder halbwegs sanft zu landen. Ist wahrscheinlich eine Art Ueberlebensstrategie, denn angenehm ist das weiss Gott nicht.
8) Der "durchschnittliche" Maennerdaumen. Ja, das koennte man weglassen, obwohl es sowas wie Durchschnittsgroessen durchaus gibt. Ist natuerlich in jeder Kultur anders. Aber wenn das verwirrend wirkt, lasse ich es weg.
Lieber GoMusic,
nochmals vielen Dank, dass Du Dich so intensiv mit der Geschichte auseinandergesetzt hast. Wie schon erwaehnt, kann ich mit Teilen Deiner Kritik durchaus etwas anfangen und werde sie bei der Ueberarbeitung beruecksichtigen. Viel Spass werde ich hier hoffentlich weiterhin haben.
Beste Gruesse zurueck,
Chai

 

Hallo Chai,

deine humorvolle Erzählung ist außerordentlich unterhaltsam und authentisch. Genau so hätte es sich abspielen können und ich habe das Gefühl, wieder ein Bruchstück indischen Lebens ergattert zu haben. Dass du dabei mit Klischees spielst, kann wohl nicht ausbleiben.

Dann nickte ich ein.

Erstaunlich. ;)

Von Ästen malträtiert, hatte ich gerade eine halbwegs annehmbare Hockstellung eingenommen, als ich sie neben mir fluchen hörte.

Zweigen?

Und? Ji?“, wandte sich der Beamte, der uns am Nächsten saß, an Ganga. „Hast du uns etwas Schönes mitgebracht?“
„Jaja“, lachte Ganga Ji und zog ein Piece von der Größe eines durchschnittlichen Männerdaumens aus der Hemdtasche wie ein Zauberer ein Kaninchen aus dem Hut.

Die sprachen nicht Hindi miteinander?

wegferfende

wegwerfende

Tja, put a Sadhu in your life.“ Lilli sah an mir vorbei und streckte sich ausgiebig, als wolle sie dadurch ihre Aussage unterstreichen. „Dann kann nichts mehr schief gehen.“

Das ist schon ne Marke, ich finde sie gut charakterisiert.

Ich neidete Lilli ihr Vertrauen, während mir die Fähigkeit zu vertrauen abhanden gekommen war. Warum musste ich immer alles in Frage stellen?

Hier hatte ich den Eindruck, es müsste noch ein dunkles Geheimnis aufgedeckt werden.

Und wie du weißt, dürfen Sadhus Dope besitzen, weil sie mit dem heiligen Rauch Shiva ehren.

Zack - wieder was gelernt.

Am Ende meinte ich, zuviel Bus gefahren zu sein, aber vermutlich ist das auch so während der Reise von Indien nach Nepal. Jedenfalls hat es Lust auf mehr Indien-Eindrücke gemacht und ich freue mich darauf.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Kanji,
herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Es freut mich sehr, dass Dir die Geschichte gefallen hat. Auch ich hatte den Eindruck, zu viel Bus gefahren zu sein ... Nee, jetzt mal im Ernst, ich hatte zwischendurch überlegt, ob ich die Sache mit den Ästen/Zweigen ( übrigens danke für den Tip, wird geändert) weg lasse, wollte aber klar machen, dass Lilli das Dope verliert, damit nicht die Erwartung geschürt wird, dass an der Grenze irgendwas damit passiert.
" ... Dann nickte ich ein ..." Ja, das ist erstaunlich, das geb ich zu. Ist wahrscheinlich eine Art Flucht- und Erschöpfungsschlaf, in den die Prot verfällt, denn sie ist ja endlos lange unterwegs.
Dass Ganga Ji mit den Beamten Hindi sprechen sollte, ist ein guter Einwand. Vielleicht sollte ich das Geschehen eher über die Gesten verdeutlichen.
"wegferfende" ... Egal, wie oft ich drüberlese, es schleichen sich doch immer wieder blöde Fehler ein. Oder vielleicht grad deshalb? Ist wahrscheinlich eine Art Betriebsblindheit.
Tja, Lilli ist ne Marke, schön, dass Du sie Dir so gut vorstellen konntest. Und ja, das dunkle Geheimnis sollte eigentlich die Tatsache sein, dass Lilli diejenige ist, die letztendlich nicht vertrauenswürdig ist und nicht Ganga Ji oder sonst jemand. Die Prot ist die ganze Zeit misstrauisch den Einheimischen gegenüber, nimmt Lilli nicht so wirklich ernst (... geht überhaupt irgendwas in ihrem Kopf vor ...) und zum Schluss stellt sich heraus, dass grade sie die Hinterhältige ist. Ist vielleicht nicht der Clou des Jahres, aber vielleicht fällt mir der ja noch ein oder irgendjemand hat einen besseren Vorschlag.
Super, dass Du dran geblieben bist und mehr Geschichten aus Indien kommen bestimmt. Hab nen ganzen Sack voll. Von Dir mal wieder was aus Japan? Würd mich freuen.
Liebe Grüße, Chai

 

Wow, Maria! Darüber freu ich mich total, dass Du meine Geschichte nicht zerfetzt hast! Ich gebe zu, als ich Deinen Namen gelesen hab, dachte ich: Oh nein, jetzt kommt Maria, die reißt meine Geschichte bestimmt in Stücke. Kann ich das jetzt ertragen, oder schau ich lieber erst morgen rein ...? Umso mehr freu ich mich also, dass sie Dir so gut gefallen hat. Komm hier immernoch nicht so ganz mit dem Zitierbutton klar, deshalb schreib ich mal alles aus. Bin nämlich auch ne Oma. 16 Jahre älter als Du.
1) "als" kann weg. Hast recht. Ist überflüssig.
2) Ja, Piece ist Mary Jane.
3) "wegferfend"... Scheiß-Flüchtigkeitsfehler
4) Ich hatte kurz angemerkt, dass ein Sadhu ein Bettelmönch ist. Hast Du vielleicht überlesen.
Schön, dass das Ende für Dich funktioniert hat. Ich wollte da eben auch ein wenig mit Vorurteilen aufräumen. Leider berichten die Medien ja nur noch Schlechtes, aber ich leb seit knapp zehn Jahren in Indien, bin auch mutterseelenallein durchs ganze Land gereist und glaub mir, man muss nicht mehr Angst haben als anderswo. Wenn man sich an ein paar Regeln hält und nicht total leichtsinnig unterwegs ist, ist das Reisen total entspannt, die Menschen i.d. Regel aufgeschlossen, freundlich und extrem hilfsbereit. Klar, gibts auch Idioten, die gibts überall, aber so, wie es von den deutschen Medien dargestellt wird, ist es ganz sicher nicht. Man hört zwar immer wieder von diesen Vergewaltigungen, und ich will das auch auf gar keinen Fall verharmlosen, sie passieren, aber es ist nicht an der Tagesordung. Indien ist so ein vielfältiges und tolles Land, es ist wirklich jammerschade, dass die Medien sich - wie so oft - nur auf das Schlechte stürzen und damit wieder mal Vorurteile schüren.
Nochmal vielen vielen Dank für Deine tolle Kritik.
Liebe Grüße aus Indien wünscht Chai

 

Hej Chai,

ich fand die Geschichte erstmal ganz unterhaltsam zu lesen. Gegen Ende wird mir das von der Handlung her zu beliebig. Für mich ergibt sich da nichts und mein Interesse hat eher ab als zu genommen.
Schade, weil ich es sonst gut geschrieben finde.

Vielleicht würde es helfen, die Figuren noch deutlicher zu zeigen, der sadhu z.B. bleibt in meinen Augen ziemlich blass und die beiden Frauen kann ich zwar vom Sinn ihrer Rede her auseinander halten, die könnten für meinen Geschmack aber schon mehr von sich preisgeben, nicht ihre tiefsten Geheimnisse, sondern etwas von ihrem Wesen. Beide wirken auf mich ganz unspezifisch mittelalt und sonst ist da nicht viel.

Vielleicht würde es auch helfen, diese eher unspezifische Überschrift zu verändern und damit einen anderen Focus zu bekommen. Möglicherweise würden dann bestimmte Teile der Geschichte nicht mehr so relevant sein und andere bekämen eine stärkere Wirkung.

Trotz meiner Kritikpunkte gern gelesen.

Gruss
Ane

 

Hola Chai in Goa (Ich weiß, das klingt nach Neid),

mit Deiner ersten Geschichte*) hast Du Dir viele Freunde gemacht, auch mit Deinen Kommentaren. Und jetzt der Knaller: Chai’s **) zweite!

Ich habe mich darauf gefreut, mental die Ärmel hochgekrempelt und losgelesen. Und gelesen ... und gelesen. Uff.
Was ich sagen / fragen will: Was gibt mir die Geschichte?
Mal angenommen, sie spielte in Hessen. Alles umgeschminkt, Menschen und Bühnenbild entsprechend verändert: Eine Frau reißt sich einen jüngeren Mann unter den Nagel und will mit ihm an der Weinstraße leben. Und das tut sie. Jawohl. Und das war’s.

Es gibt Berge von Deko und Nebensächlichkeiten, die die KG bunt und exotisch machen, aber wenn ich das beiseite räume, bleibt eine Handlung, die schlichter nicht sein kann und in einen wesentlich kürzeren Text gepasst hätte. Anders gesagt: Für die Länge des Textes passiert zu wenig (meine Privatmeinung).

Dass Deine Art zu schreiben gut ankommt, ist eh klar – sympathisch, gescheit, witzig. Nur bleibt das Tempo auf Bus-Niveau (lange Reise- bzw. Lesezeit), und das ist bei Deinem Talent zu wenig. Denn das glaube ich:

Chai: schrieb:
... mehr Geschichten aus Indien kommen bestimmt. Hab nen ganzen Sack voll.
Ich hoffe, dass Du nach Art der Goldwäscher die Nuggets rausfischst. Da würden uns die (Lese)augen übergehen! Wäre doch schade, wenn Dich das Klima von Goa ein bisschen bequem werden lässt und Du selbstzufrieden noch mehr Texte dieser Art einstelltest, statt Butter oder Ghee und Curry bei die Fische zu tun und uns das Staunen zu lehren!

Liebe Chai, eigentlich bin ich mit meinem Komm angetreten, Dich zu loben und zu preisen, aber ich muss mich für dieses Mal etwas zurückhalten.

Trotzdem meine besten Grüße Dir unter Palmen!
José

*) Die erste Geschichte hatte mehr Substanz. Religiöse Themen sind immer heikel, aber auch sehr interessant – mit jenem Text bist Du wie Jesus übers Wasser gegangen. Prädikat: weise!
**) Im Deutschen ohne Apostroph, eh klar. Aber diese falsche Schreibweise gefällt mir besser, insbesondere bei Namen.

... wieviel Menschen ...
wie viele
... tastete nach einem Blatt, um es als Klopapier zu benutzen.
Jeder erfahrene Reisende hat Klopapier bei sich, besonders in Ländern, wo es mit der Küchenhygiene nicht zum besten steht. Statt Montezumas Rache gibt es sicherlich auch Krishnas Rache.
Es war so voll geworden, dass er nur noch wie ein dahinsiechendes Hängebauchschwein über die Straße kroch.
Das ist mir echt zu witzig.

 

Hallo Bas,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Nun dachte ich, ich hätte die Kommaregeln endlich verinnerlicht, aber offensichtlich haben sich doch noch eine Menge Fehler eingeschlichen. Danke, dass Du Dir die Mühe gemacht hast, die fehlenden und überflüssigen Kommas herauszusuchen. Wird selbstverständlich geändert und ich arbeite weiter an mir. Auch die falschen Artikel (der/das Kabuff, deren/ dessen Gestank) werde ich bei der Überarbeitung berücksichtigen.
Du schreibst, dass Du Dir mehr Beobachtungen bei der Busfahrt gewünscht hättest. Tja, das ist so eine Sache. Einerseits stimme ich Dir zu, denn bei einem Setting aus einer anderen Welt wären ein paar zusätzliche Details sicher angebracht, andererseits haben sich ein paar andere Leser von der Deko überladen gefühlt, bzw. hatten sie den Eindruck, sie wären zu viel Bus gefahren. Muss mir noch überlegen, wie ich da mit umgehe.
Die "zackige Männerstimme " ist auch von GoMusic schon bemängelt worden, vor allem im Zusammenhang damit, zackig auf jemanden einzureden. Das wurde als unpassend empfunden und ich bin dabei, nach einem passenderen Wort zu suchen.
Du bemängelst das Wort "konträr", denn das würde nicht zum Rest des Stils passen. Auch da werde ich mir etwas anderes überlegen.
" Luft" doppelt. Fällt mir sicherlich auch noch was Besseres ein.
Bei "... was maßt der sich an ..." in Bezug auf Jane Austen musste ich lachen. Ich habe sie zwar nie gelesen, aber es klingt in der Tat ziemlich tantig.
"Ein Piece". Hier hast Du angemerkt, dass es eine regionale Sache sein könnte, das " ein" wegzulassen, oder stattdessen "das" zu sagen. Ich denke, das kommt auf den Zusammenhang an. Umgangssprachlich kenne ich es auch so wie Du sagst, niemand würde fragen:" Hast du ein Piece dabei?", sondern einfach:" Hast du Piece dabei." Aber auf die Geschichte bezogen, klingt es für mich komisch zu schreiben, er zog Piece hervor. In dem Zusammenhang klingt das für mich wie:" Hast du Zigarette?". Statt "ein Piece" "das Piece" zu schreiben wäre zu spezifisch und klingt, als wäre es ein bestimmtes Piece, das vorher schon mal erwähnt wurde. Ich werde hier "ein" also beibehalten.
"I love Nepal" kursiv. Hatte ich am PC eigentlich kursiv gesetzt, aber wahrscheinlich muss man das im Textfeld nochmal extra machen und beim Drüberlesen ist es mir entgangen.
Also nochmals vielen Dank für Deine Mühe.
Gruß, Chai


Hallo Ane,
auch Dir herzlichen Dank für Deine Meinung. Dass der Plot zu beliebig daherkommt, ist hier schon einige Male bemängelt worden, außer Maria kann offenbar keiner etwas damit anfangen. Für mich persönlich war er deshalb interessant, weil ich damit dem Klischee entgegenwirken wollte, das Menschen aus Ländern wie Indien oft anhaftet, nämlich, dass sie unbedingt in den Westen wollen, bzw. darauf aus sind, Touristen abzuzocken. Nicht, dass es das nicht gibt, aber ich fand es mal ganz spannend, das Ganze umgekehrt darzustellen, auch, um zu zeigen, dass die Menschen so verschieden eben doch nicht sind, egal, aus welcher Kultur sie kommen. Es ist schon erstaunlich, dass - gerade hier in Indien - den westlichen Touristen oft nachgesagt wird, sie wären allesamt absolut vertrauenswürdig, ein Inder wäre das aber nicht. Da habe ich versucht, gegenzusteuern, was mir bei dem Großteil der bisherigen Leserschaft offenbar misslungen ist. Schade. War einen Versuch wert.
Die Überschrift lautete ursprünglich:" Ein Geschenk von Shiva", aber dann dachte ich, dass das vielleicht die Erwartung schüren könnte, einen esoterisch/ spirituellen Text präsentiert zu bekommen. Die jetzige Überschrift klingt in der Tat recht allgemein. Mal schauen, was sich da noch machen lässt. An den Charakteren werde ich weiter feilen. Sie sind übrigens nicht in den mittleren Jahren angesiedelt, denn Lilli wird als junge, gutgläubige Sekretärin charakterisiert.
Nochmal danke, Ane, für Deine wirklich sehr hilfreiche konstruktive Kritik.
Gruß, Chai


Hola Jose,
ich fühle mich sehr geschmeichelt, dass Du mich bezüglich meiner ersten Geschichte mit Jesus vergleichst, hier bei der Zweiten, ist der Jesus wohl ins Wasser gefallen. Zumindest für Dich. Tut mir leid, dass ich Dich enttäuscht habe. Ich kann mich erinnern, dass Du an meinen ersten Text mit der Erwartung herangegangen bist, dass er Mist ist und angenehm enttäuscht warst. Hier ist es wohl umgekehrt. Das hat ja schon fast eine gewisse Komik. Aber nun zu Deiner Kritik:
"Was gibt mir die Geschichte?" Nun, offenbar nichts, wie ich Deinem Kommentar entnehme. Dass der Plot zu beliebig war, ist hier ja schon mehrfach angemerkt worden, was ich damit sagen wollte, weißt Du aus den vorangegangenen Kommentaren auch. Ich persönlich finde das Thema "Vorurteile" spannend, gerade eben auch in Bezug auf binationale Beziehungen. Weshalb es auch nicht gepasst hätte, die Geschichte in Hessen anzusiedeln. Klar, hätte es auch dort stattfinden können, da haben die Leute auch Vorurteile, aber ich persönlich finde es spannend, eben auch mal mit Klischees aufzuräumen, die gegen eine Kultur gehen, über die man in Deutschland wenig weiß. Schade, dass Dir das zu banal ist. Du sagst, es ginge einfach nur um eine ältere Frau, die sich einen jüngeren Mann schnappt und aus. Da hast Du wohl etwas in den Text interpretiert, was er nicht sagt, denn Lilli ist jung, das wurde auch erwähnt. Und selbst wenn, finde ich das Thema: Ältere Frau/ jüngerer Mann durchaus spannend, denn es ist selbst in unserer heutigen Zeit immernoch umstritten, während es von je her salonfähig war, wenn sich ein älterer Mann eine Jüngere schnappt.
Was das Klopapier angeht, möchte ich darum bitten, nicht zu verallgemeinern, nicht jeder Reisende ist bestens organisiert, ich gehe da mit gutem Beispiel voran und bin tatsächlich in all den Jahren von der Rache der Götter verschont geblieben, oder sagen wir mal, nicht über alle Maßen verflucht worden.
Selbstgefällig- und Bequemlichkeit liegen mir eigentlich weniger, trotz goanischer Schwüle, womit wir wieder bei den Vorurteilen wären. Außerdem ist hier grad Monsoon-Zeit, da ist es mit der Bequemlichkeit nicht so weit her.

Lieber Jose,
wie bereits erwähnt, schmeichelt es mir sehr, dass Du offenbar so große Stücke auf mich hältst. Leider kann ich Dir nicht versprechen, in Zukunft Deinen Erwartungen gerecht zu werden und nur noch Knaller zu produzieren. Ich probiere mich halt aus. Wie alle hier. In diesem Sinne nochmal vielen Dank für Deinen Kommentar und, auch wenn es vielleicht nicht in Deinem Sinne ist, bin ich jetzt tatsächlich am Überlegen, ob ich nicht mal eine Geschichte über das Verhältnis einer älteren Frau zu einem jüngeren Mann schreibe.
Verregnete Grüße nach Ungarn schickt Chai

 

Hey Bas,
Haschbrocken klingt wie:" Was maßt der sich an." Vielleicht sollte ich die ganze Geschichte im Jane Austen-Stil verfassen, wär auch ne Idee ... Nee, Scherz beiseite, ich lass das jetzt so. Aber danke, dass Du nochmal vorbeigeschaut hast.
Gruß, Chai

 
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"Turn off your mind
Relax and float down stream
It is not dying / It is not dying

Lay down all thought
Surrender to the void
It is shining / It is shining

That you may see
The meaning of within
It is being / It is being"*​


Sicherlich hatte es mit der langen Reise zu tun, aber ich spürte auch einen Stich von Neid. Ich neidete Lilli ihr Vertrauen, während mir die Fähigkeit zu vertrauen abhanden gekommen war. Warum musste ich immer alles in Frage stellen? Und obwohl alle heiklen Situationen auf dieser Reise glimpflich ausgegangen waren, wurde ich das Gefühl nicht los, dass mit Ganga Ji etwas nicht stimmte.

Na, kenn ich gar nicht, dass die verzaubernde maria.meerhabavon der Flusensuche auf'm Teppich sich ablenken lässt - muss ich'et halt tun. Wat mut, dat mut!, ebbe, ebbe, wie man hier so sacht.

Aber erst Mal nur's Wunder von Eschnapour, bei Pur sträubt sich mein Haar,

hi Chai!,

Die Motoren röchelten wie ein alter Mann mit Raucherhusten ...
Was mag das für ein (!) Greis oder auch nur Raucherhusten des Mannes sein, der gegen "die Motoren" anröcheln kann! Das nenn ich unfair ... von dem einen ... gegen alle ...

Aber bei dem Zustand der Busse, bekam ich Angst, dass wir es nicht mal bis zur Stadtgrenze schafften.
(Das Komma vorm Prädikat kann weg, nach "dass" besser Konjunktiv , schaffen (schwaches Verb) besser als würde-Konstruktion "bis zur Stadtgrenze schaffen würden" (bevorzugstu ja, wie's aussieht, ist ja auch ojay, lass ich mal stehn, im übernächsten Text weißtu, warum)

..., deshalb waren ihre Sorgen etwas anderer Art.
(der Nebensatz ruft eigentlich nach dem Vergleich "als wessen?")

Der Polizist stieß ihn in den Kabuff.
"... in das/in's Kabuff" (K. neutr.)

„Dieser Mann ist kein echter Sadhu, Madam“, belehrte der Polizist Lilli im Ton des erhobenen Zeigefingers, als ich am Verschlag ankam.
War ursprünglich für die Einleitung gedacht. So geht's halt, noch nicht das bessere Ende zu kennen. Was kein Beinbruch ist.)

Und ich gehe nicht eher hier weg, als bis sie ihn frei lassen!“
(Orientierungsfrage: Spricht sie nun allein mit dem Polizisten, besser Höflichkeitsform "Sie" - das engl. you ist ja mehr als unser du -, spricht sie zur Institution Polizei "sie" = die Polizei - da weht ein sanfter Hauch von der Arbeit eines Übersetzers.
Oder habt ihr viel dt. mit anderen sprechen können?
Eigentlich aber ist die Frage gleich überflüssig, wenn es heißt):
„Erst will ich Ihren Dienstgrad wissen.“

Wie in einem Theaterstück, das plötzlich eine überraschende Wende nahm, sahen wir Ganga Ji an uns vorbeirauschen[,] als würden wir nicht existieren.
(Komma, weil die vergleichende Konjunktion einen vollständigen Satz einleitet, im übernächsten Satz gelingt's - hastu ein bisschen mit Flüchtigkeit/Ablenkunge zu kämpfen? Wäre ja eher ein Wunder umgekehrt, gelle?)

Hier kütt'er schon. warum? Auf dass der zwote Abschlusspunkt eingefangen werde

... wollte ich wissen, als wir ihn eingeholt hatten..
..., ohne mir das Rückgrad zu brechen.
"Rückgrat", kommt vom Grat, nicht von der G(e)raden. Die"Gräte" ist übrigens der Plural des Grats. Freut Schuppentiere wie mich ungemein!

„Ich ärgere mich immer[...]noch über diesen Bullen“, ...
..., wie[...]viel Menschen wohl in einen Bus passten.
I. d. R. als unbestimmte Zahl auseinander ...

Also einfacher, immer auseinanderzuschreiben als drüber grübeln, zusammen oder auseinander, gilt ähnlich für so weit , so fern (zusammengeschrieben NUR als KOnjunktion!, soviel/soweit ich weiß ...)
Wäre ich kurz ausgestiegen[,] um aufs Klo zu gehen, ...
(das lausige "um" erzwingt beim Infinitiv das Komma ...)

Hier nun hab ich das Gefühl, dass ich mich wiederhol,eben immer noch immer noch auseinandergeschrieben wird.

"That love is all
And love is everyone
It is knowing / It is knowing

That ignorance and hate
May mourn the dead
It is believing / It is believing

But listen to the
Colour of your dreams
It is not living / It is not living"*​


Ich suchte in ihrem Gesicht nach Spuren, die mir verrieten, dass sie immer[...]noch sauer war.
(Wenn ich schon nachfragen muss - wenn auch mich selbst ... Schau'n mer m' wie weit's noch geht - mit mir, schaut ruhig zu, nennt man's Sturheit oder Geduld?)

..., kam Ganga Ji aus dem Grenzhäuschen gelaufen,...
Warum die Doppelung kommen - laufen? Ist ja an sich nicht falsch, zu Fuß zu kommen. Oder flog er geradezu? Soll "gelaufen" ein schnelles laufen" beschreiben?

„Magie“, behauptete Lilli mit einem Achselzucken, als wäre es das Natürlichste von der Welt, Dinge aus Hemdtaschen hervor zu zaubern.
"Hervorzuzaubern", hervorzaubern ein Wort - da kannstu nix für, mal lässt dei Dudenredaktion für ein und dasselbe an Beeutung zwo Schreibweisen, manchmal eben nicht zu. Aber eben auch gelegentlich nur eine. Ist fast wie das Steuerrecht. Nur eben ohne Buchgeld ... und die wegwerfende Bewegung - halt, bistu immer noch unterwegs? Kannst gar nicht? Dann bräuchte ich ... You know? A glass or two, hm, better a bottle of Bockbeer seems to be ... better a box ... But now,

keine bange, ich fang jetzt nicht an (obwohl's mir in den Fingern juckt, den Donovan zu geben und Hurdy Gurdy Man oder Tomorrow Never Knows Lennon's zu spielen, zitier ich's eben) sentimental zu werden, denn mit

Als wir kurz darauf im Bus nach Kathmandu saßen, fragte ich mich, ...
verlässtu die Beschreibungsliteratur, das für die eigene Erinnerung allemal wichtig ist und bleiben wird, aber - um ein Beispiel nur zu nennen - etwa an der mit kindlichen Motiven versehenen Tischdecke ihren Höhepunkt findet - Du diffamierst, ich vermut mal unbewusst die Leute, die die Tischdecke aufgelegt haben und - da gibt's ja keinen Zweifel dran - aber es passiert, wenn wir, pardon ich, nix weiteres über die Leute weiß -, dass ich sie für kindisch halte, das ist was anderes, als kindlich. Naivität ist sogar literarisches Mittel, also an sich legitim.

Meine Vorväterliche Linie war i. d. R., bis der Bergbau dazwischen funkte, in niederrheinischer Knechtschaft und naiv - bei Gott keine Schande, wenn man's nicht besser weiß. Da hieß es gelegentlich "ausmisten" - wobei Dir keiner diese Arbeit abnehmen kann, denn allein Du weißt, was Dir von Deinen Notizen und Erzählungen wichtig ist und - bleiben wird. Manchmal kommt einem die eigene Fantasie zu Hilfe - Karl May hat seine Reisen erst nach den Romanen vollzogen ... Da hastu einen unendlichen Vorteil!

"Or play the game
Existence to the end
Of the beginning / Of the beginning/
Of the beginning ..."​
*

Das Schwierigste zuletzt:

Lilli kramte einen fünfzig Rupien-Schein aus ihrem Geldbeutel und drehte sich auf ihrem Rucksack zu Ganga Ji um.

Vllt. wäre "Lilli kramte einen fünfzig Rupien-Schein aus ihrem Geldbeutel und drehte sich VON ihrem Rucksack zu Ganga Ji um.

Da dürfte sie nicht nur auf dem Sack sitzen, sondern auch stehen oder drüber schweben. Selbst wenn ich letztgenanntes seit den Zeiten des Maharashi nicht glaube. Aber "glauben" heißt nicht wissen, aber vertrauen.

Tchüss und schönes Wochenende vom

Freatle

*Lennon/(McCartney) Tomorrow Never Knows
(auf: Revolver, durch das der Rock 'n' Roll zur Kunstform wurde ...)

 

Hallo Freatle,
hab schon auf Deinen Kommentar gewartet, weil ich weiß, dass Du auch noch die kleinsten Fehler findest. Und da sind sie. Doch ne ganze Menge. Herzlichen Dank, dass Du Dir auch diesmal wieder so viel Mühe gemacht hast. Aber nu ma der Reihe nach:
- "... wie ein alter Mann mit Raucherhusten ..." Ja, so klang es für mich. Bei Frauen kann das auch übel klingen, aber Männer haben noch dieses abgrundtiefe Rasseln, dass dem Röcheln der Motoren noch näher kommt. Unfair, ich weiß. Auch den Bussen gegenüber.
- " ... bis zur Stadtgrenze schaffen würden ..." würden wird eingefügt.
- " ... etwas anderer Art ..." als meine wird auch eingefügt.
- "das" Kabuff. Auch geändert.
- "Sie" groß. Flüchtigkeitsfehler. Ja, der Polizist ist gemeint.
- wann ein Komma vor "als" und "um" kommt, hab ich, zugegebenermaßen, immer noch nicht kapiert, trotz wiederholtem Pauken der Kommaregeln. Aber ich werd mir jetzt endlich merken, dass immer noch auseinander geschrieben wird.
- "Rückgrat" werds mir merken.
"wie viel" auch auseinander. Hast recht, bei Unsicherheit immer auseinander schreiben.
- " aus dem Häuschen gelaufen" stimmt, is klar, kann weg.
-"hervorzuzaubern" dann wieder ein Wort. Aaargh - ich lerns noch.
Du meintest, ich würde mit der Teddybärtischdecke die Beamten diffamieren. Hm. Könnte man so sehen, da hast Du recht. Es ist nur so, dass einem in Indien solche Merkwürdigkeiten immer wieder begegnen. Sicherlich wirkt das kindisch/ naiv, charakterisiert aber auch ein Stück weit die Kultur, die sich in dieser Hinsicht tatsächlich eine Art kindlicher Unschuld bewahrt hat. Die Diskrepanz zwischen korrektem Beamtentum und eben diesen verspielten Details begegnet einem hier immer wieder.
- "von ihrem Rucksack" um klar zu machen, dass Lilli sitzt, ist ein guter Vorschlag. Aber wie sieht es denn nun mit der 50 aus? GoMusic meinte, die werde in dem Zusammenhang groß geschrieben.

Lieber Friedel, Deine amüsanten Kommentare erfreuen mich jedes Mal. Und Du kannst mir jeder Zeit (jederzeit? OMG, ich muss noch viel lernen ...) mit Donovan und den Beatles kommen. Hör ich immer wieder gerne. Bin ein großer Beatles-Fan. Aber das hast Du Dir sicher schon gedacht.
Grüße in den Pot von Chai

 

Hallo Chai,

sprachlich sehr schön, exotisch, bunt, und deine Geschichte wirkt authentisch. Hat mir über weite Strecken gefallen - allerdings finde ich, es gibt zu viele Schlenker, Nebensächlichkeiten, die den (an sich gelungenen) Text aufblähen. Ein paar Straffungen würden da meiner Ansicht nach den Flow verbessern. Aber interessant war es in jedem Fall, gedanklich nach Indien zu reisen. Und die Wendung am Schluss war nett.
Ich freue mich auf deine nächste Story,

viele Grüße,

Eva

P.S.

„Ich ruf jetzt Pinku an“, kiekste Lilli mir zu.
Das Wort 'kiekste' finde ich nicht so passend.

 

Liebe Eva,

es freut mich sehr, dass Dir die Geschichte über weite Strecken gefallen hat. Puh, da ist ja fast die ganze Fahrt geschafft.

Ja, die Schlenker wurden hier von einigen angemerkt, da muss ich wohl einiges entmüllen und straffen. Mal schauen, wie ich da weiter vorgehe.

"kiekste" hat Dir nicht gefallen. Ausgerechnet da habe ich ewig nach einem Wort gesucht, um zu beschreiben, dass Lilli fast die Stimme im Halse stecken bleibt. Werd' noch ein bisschen weitersuchen, vielleicht fällt mir ja noch was Treffenderes ein.

Hab Dank für Deinen Leseeindruck, dass Du es schön geschrieben findest und Dich auf mehr freust. Das geht runter wie Öl.

Liebe Grüße,

Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chai,

ich schreibe dir mal zu diesem Text, obwohl mir der Vorige auch besser gefallen hat. Insgesamt finde ich Geschichten aus Indien von einer, die sich da echt auskennt sehr interessant und hoffe auf mehr.
Auch die Idee mit westlichen Vorurteilen zu spielen finde ich gut. Du schreibst:

Und ja, das dunkle Geheimnis sollte eigentlich die Tatsache sein, dass Lilli diejenige ist, die letztendlich nicht vertrauenswürdig ist und nicht Ganga Ji oder sonst jemand. Die Prot ist die ganze Zeit misstrauisch den Einheimischen gegenüber, nimmt Lilli nicht so wirklich ernst (... geht überhaupt irgendwas in ihrem Kopf vor ...) und zum Schluss stellt sich heraus, dass grade sie die Hinterhältige ist.

Lilli kann ich auch am Ende nicht ernst nehmen, sie wirkt ziemlich dumm und dabei noch hinterhältig. Damit erfüllt sie natürlich ein anderes Cliché:

„Ganga Jiii? Holst du mir was zu trinken?“ Sie verzog die herzförmigen Lippen zu einem Schmollmund.

(rein sprachlich sind das schon recht abgegriffene Ausdrücke). Aber die Beziehung zwischen Lilli und Ganga Ji löst sehr schnell eine andere Vorstellung in mir aus, die der weißen, reichen Touristin, die sich einen armen Inder krallt.

„Tja, put a Sadhu in your life.“ Lilli sah an mir vorbei und streckte sich ausgiebig, als wolle sie dadurch ihre Aussage unterstreichen. „Dann kann nichts mehr schief gehen.“

Sie hat dem Ganga Ji gegenüber ein unerträglich abwertendes Gehabe. Ich glaube, an Stelle der Erzählerin würde ich mich eher dafür fremdschämen, als mir Sorgen um diese Tusse zu machen. Sie behandelt ihn wie Robinson den Freitag. Sein gebrochenes Deutsch verstärkt diesen Eindruck.


Ganga Ji wackelte mit dem Kopf von rechts nach links und begutachtete die Nepalikappen. „Lilli. Guck mal. Hut sehr schön.“
Lilli stöhnte gespielt. „Der ist wirklich wie'n Baby“, sagte sie und lachte in einer Art, in der Mütter über ihre tolpatschigen Kinder lachen. Dann ging sie in den Laden und kaufte die Kappe.

Hier ist es noch schlimmer. Und er verhält sich auch entsprechend. Mich würde interessieren, ob es für diese Art der Beziehung reale Vorbilder gibt.
Ihre Art ihm ihre Liebe zu beweisen, kommt mir, wie ja auch der Erzählerin, so dämlich vor, dass ich wirklich an eine Lernbehinderung denke, wenn das Alter wirklich Mitte zwanzig sein soll.

Ich neidete Lilli ihr Vertrauen, während mir die Fähigkeit zu vertrauen abhanden gekommen war.

Hier würde ich mir einen Hinweis wünschen, warum das so ist. Es klingt nicht nach Vorurteil, sondern nach Erfahrung.


„Wenn meine Mutter mich hier mit dem Ganga Ji sehen würde – die würd 'nen Schlag kriegen“, feixte sie und äffte ihre Mutter nach: „Mein Gott, Kind, der sieht ja aus wie Bin Laden. Du lebst bestimmt in einem Gehirnwäschezentrum! Und ...“

Der Satz mit Bin Laden ist ziemlich witzig. Der wird eher abgeschwächt, durch das Gehirnwäschezentrum, finde ich. Ich würde es dabei belassen.

Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich losgelacht, so konträr wirkte das psychedelische Muster der Tasche zu Lillis bürgerlich hübschem Gesicht mit den sorgsam gezupften Augenbrauen.

Aber die Tasche kennt sie doch schon?

Die Szene mit den Beamten in Nepal finde ich sehr gelungen und frage mich, ob das tatsächlich so läuft.

Dann begann er, auf dem Kugelbauch eines der Teddybären einen Joint zu rollen.
Lilli sah mich an und stieß einen hysterischen Lacher aus. Die Männer beachteten uns nicht weiter und plauderten mit Ganga wie mit einem gern gesehenen Stammgast. Meine Muskeln entspannten sich etwas, aber es irritierte mich nach wie vor, woher Ganga Ji plötzlich das Piece hatte. Der Beamte zündete den Joint an, zog ein paarmal daran, reichte ihn mit einem offenen Lächeln an Lilli weiter und rief: „Willkommen in Nepal!“

Sehr schön!

Bei der Busfahrt davor hat mich erstaunt, dass sie es später schafft einzuschlafen, obwohl sie immer wieder für mehrere Sekunden in die Luft geschleudert wird.

Ich mochte die kleinen Details in deinem Text, die Fahrradfahrer, der Drachen, die Taschen und Kartoffelsäcke in den Gängen, das macht alles sehr lebendig. Und diese Beziehung, die du da beschreibst, ist sehr skurril. Möglicherweise würde etwas mehr Ernsthaftigkeit die witzigen Stellen noch mehr zur Geltung bringen und dem Text mehr Tiefe geben.

Ich bin gespannt auf weitere Geschichten aus Indien.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo Chutney,

ich bin sehr froh, dass Du mir zu dieser Geschichte schreibst und nicht zu der anderen, denn an dieser hier muss ich noch sehr viel mehr arbeiten und weiß gar nicht so recht, wo ich anfangen soll.

Es hat mir sehr geholfen, dass mal jemand das Verhältnis zwischen Lilli und Ganga Ji analysiert hat, denn ich war mir bisher nicht sicher, wie das eigentlich auf den Leser wirkt und natürlich auch, welches Licht es auf die Prot wirft.

Leider muss ich Dir sagen, dass Verhältnisse dieser Art nicht unüblich sind. Alle Stellen, bei denen Du Dich gefragt hast, ob das tatsächlich jemand tun oder sagen würde, sind autobiographisch. (Wie auch fast der ganze Rest der Geschichte, und das ist das größte Problem, denke ich, denn dadurch ist sie nicht stringent. Da muss viel Nebensächliches raus und durch anderes ersetzt werden.) Aber genau so läuft es oft ab. Leider. Ich wollte Lilli bewusst dumm halten, wollte, dass man sich über sie aufregt. Was dabei wohl zu kurz kommt, ist der Grund, warum die Prota denn überhaupt mit so einer dummen Tusse unterwegs ist, denn das wirft natürlich auch auf die kein gutes Licht.

Ich habe versucht, durch die Szene mit dem Polizisten zu zeigen, wie mutig Lilli aber auch sein kann, aber das hat wohl nicht gereicht. Vielleicht sollte ich versuchen, sie zunächst etwas positiver darzustellen und erst im Laufe der story immer dumpfbackiger werden lassen. Weiss nur noch nicht, wie ich das hinkriege, ohne wieder zu sehr abzuschweifen.

Grundsätzlich lag mir aber schon das am Herzen, worauf Du angesprungen bist, dieses Machtverhältnis herauszustellen, das Lilli Liebe nennt. Das mag auf manchen klischeehaft wirken, vielleicht auch schon 1000x in anderer Form gelesen, aber weil solche Verhältnisse eben keine Seltenheit sind, und ich mich - genau wie Du - furchtbar darüber ärgere, brannte es mir auf der Seele, das in dieser Form mal los zu werden. Und in meiner Wut bin ich da wohl zu einseitig geblieben.

Dass die Prot die Tasche schon kennt, ist ein guter Hinweis. Wie Du Dir sicher denken kannst, wollte ich hier zeigen, dass Lilli eben kein typisches Hippiemädel ist, sondern eigentlich total bürgerlich - die reiche Touristen eben, die in ihrer Hippieklamotte wie verkleidet wirkt.

Die Szene mit den Grenzbeamten hat sich tatsächlich so abgespielt, wie sie da steht. Ich würde es gar nicht wagen, so eine überzogene Begebenheit frei zu erfinden. Ob das immer so ist, weiß ich nicht, es gibt ja genug Gegenbeispiele von Leuten, die im Knast gelandet sind. Aber Sadhus dürfen, wie gesagt, Dope besitzen, werden aber, zumindest im eigenen Land, schnell Probleme bekommen, wenn sie mit Touristen rumziehen. Und erst recht mit Touristinnen. Da ist ziemlich schnell klar, dass der Typ nicht echt ist, und es gibt da ziemlich oft Ärger.

Die Nepalesen sehen das insgesamt lockerer, vielleicht weil es kein Landsmann ist. Das, was da an der Grenze passiert ist, ist aber, denke ich, schon eine Ausnahme, zumindest hab' ich bisher von niemandem ähnliches gehört.

Ja, das mit dem Schlafen im Bus ist schon erstaunlich, das hat auch Kanji schon angesprochen. Die Fahrt ging über zwei Tage, und da nickt man wahrscheinlich irgendwann vor Erschöpfung weg.

Liebe Chutney,

Deine Anregungen haben mir sehr geholfen. Ich muss, wie gesagt, an dieser story noch sehr viel arbeiten, damit sie rund wird und bin für jeden Ratschlag dankbar.

Liebe Grüße,

Chai

 

Liebe Chai,
und wieder glaube ich dir jedes Wort!
Also ich bin in Indien ja auch Bus gefahren (gut, in Goa, das ist traditionell portugiesisch-indisch), doch nächstes Mal setze ich mich ganz hinten hin, um das mit dem Hopsen auszuprobieren. Das Geld für die Reise kann ich mir eigentlich sparen, wenn du weiter machst mit deinen Indien-Geschichten, hab ich Indien gratis. :D

Die Motoren röchelten wie ein alter Mann mit Raucherhusten und hinterließen eine schwarze Wolke aus Abgasen, dessen Gestank sich mit dem Duft nach exotischen Gewürzen und Nelkenzigaretten mischte.

... wie ein alter Mann mit Raucherlunge würde mir besser gefallen, sonst höre ich den Bus husten statt röcheln.

Aber mein Mund war so trocken, als hätte ich in ein Frotteehandtuch gebissen.

Sehr schönes Bild, davon hast du überhaupt sehr viele.

Danke für die Reise, äh, und Piece Damaris :herz:

 

Hallo Damaris,

schön, dass Du mir wieder jedes Wort glaubst! Und auch schön, dass Dir die Geschichte gefallen hat! Das mit der Raucherlunge muss ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen, ansonsten bin ich eh grad' dabei, die Geschichte nochmal in die Mangel zu nehmen. Bin gespannt, was dabei rauskommt.

Piece!
Chai

 

Halle @Chai,

die drei Figuren deiner Geschichte kamen gut bei mir an. Gespräche, die sie führten wirkten auf mich lebensecht und aufgrund der Beschreibungen vom Drumherum hatte ich ein richtig schönes Kopfkino.

Ein wenig Probleme hatte ich damit, wie das Dreier-Gespann untereinander funktionierte. Zuerst dachte ich, die beiden Frauen wären gute Freundinnen und habe mich gewundert, weil ich da so ein bisschen eine Distanz herausgelesen habe. Kein so endgültiges Vertrauen. Hat dann aber wieder gepasst, als ich davon las, dass sie sich erst seit ein paar Wochen kannten.
Die Beziehung zwischen Lilli und Ganga Ji dagegen fand ich von Anfang an seltsam. Wie sie ihm den Geldschein in die Hand drückt und mit Schmollmund fragt, ob er Getränke holt. Auch am Schluss, wo sie gespielt stöhnt und sagt, er wäre wie ein Baby. Na gut, für ihn hat sich das gelohnt, die Kappe kriegt er und siehe da, plötzlich ist auch das Gästehaus in Sicht. Da frage ich mich, ob der Sadhu nicht doch ein wenig berechnend war – die ganze Zeit womöglich schon? Wollte der sich eine Touristin schnappen?
Ja und hey, am Ende dreht sich der Spieß um und ich erfahre, dass Lilli berechnend ist. Ich finde das ja ganz schön krass und auch pubertär, erst jmd. in Schwierigkeiten zu bringen, ihm wieder rauszuhelfen und zu hoffen, er verliebt sich dann. Ja, diese Lilli kam nicht so gut weg bei mir, bisschen blöd fand ich die, da kann sie Dope über die Grenze tragen wie sie will.

Am Ende und wenn ich jetzt den Text so in Gedanken durchgehe, fällt mir auf, dass die Prota für mich immer ziemlich im Hintergrund geblieben ist. Seltsam, sie 'plappert' die ganze Zeit, bleibt aber doch nur blass. Liegt vermutlich zum einen an der allgegenwärtigen Lilli und zum anderen an ihrem zurückhaltenden Wesen; und schließlich ist sie ja nicht wirklich eine Akteurin, eher Weggefährtin und stille Beobachterin.

Während der langen Busfahrt habe ich Ganga Ji vermisst. Es heißt, sie mussten in der letzten Reihe sitzen, aber das 'sie' bezieht sich für mich nur auf die beiden Frauen, denn nur sie führen eine Unterhaltung und nur sie hüpfen auf dem Sitz herum. Da hätte ich eine kleine Info gebraucht, wo Ji während der Fahrt sitzt oder steht, so dachte ich nämlich, er wäre nicht dabei und habe ein paar mal hin- und herspulen müssen.

Nun etwas Textkram:


Weißt doch, wie es ist, wo die Bullen Kohle wittern, kassieren die doch auch.“

Musste den Satz einige Male lesen, weil er für mich bisschen holprig klingt. Ich fände es besser, wenn du zwei Sätze daraus machen würdest.
Das letzte 'doch' ist nicht nötig.

„Er hat es stattdessen mir gegeben.“
„Was?“

An dieser Stelle habe ich eine Reaktion der Prota vermisst. Ich meine, es stellt sich heraus, dass ihre Freundin Dope bei sich trägt und sie sagt nur »Was?« Kein Aufschrei, kein Augen- oder Mundaufreißen?


Ganga Ji schlich sich an einen schmerbäuchigen Touristen heran, der ein T-Shirt mit der Aufschrift I love Nepal trug.

Ist wahrscheinlich eine Geschmacksfrage aber ich fände es besser, die T-Shirt Aufschrift auch als solche im Text hervorzuheben. Kursiv geschrieben oder in Hochkomma gesetzt.

„Der ist wirklich wie'n Baby
weil das für ihn wie so'n Knall aus heiterem Himmel kam.

Leerzeichen vor dem Apostroph

„Ich hab ihn gefragt.“
Ich sah sie ungläubig an.
„Ich will in Indien bleiben, ich will nicht mehr zurück nach Deutschland. Ich hab alles getan, damit Ganga Ji sich in mich verliebt. Ich hab ihm auch das Piece in die Hemdtasche getan, weil ich wusste, dass die Bullen ihn kontrollieren, wenn sie ihn mit uns sehen.“

Bisschen viel 'Ich' am Satzanfang.

Richtig klasse fand ich deine Vergleiche wie zum Beispiel:

zitterte, als hätte sie den Lauf einer Pistole an der Schläfe.
im Ton des erhobenen Zeigefingers,
mein Mund war so trocken, als hätte ich in ein Frotteehandtuch gebissen.
Im Bus roch es nach nassem Hund.

Das ist es, was mir dabei hilft mich in einem Text wohlzufühlen.

Oben habe ich gelesen, dass du an dieser Geschichte noch viel arbeiten musst und nicht richtig weißt, wo du anfangen sollst. Jetzt hoffe ich nur, dass ich dich nicht vollends durcheinander gebracht habe.

Lieber Gruß
Tintenfass

 

Hallo Tintenfass,

vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Keine Angst, Du verwirrst mich nicht, im Gegenteil. Je mehr Anregungen desto besser und Deine Anmerkungen bezogen sich ja überwiegend auf Textkram.

Wenn ich mir die Kommentare so durchlese, stelle ich fest, dass mir Lilli's Charakterisierung doch recht gut gelungen ist. Genau so, wie sie von den meisten gesehen wird, wollte ich sie darstellen. Dass die Prota dadurch in den Hintergrund rückt, liegt wohl in der Natur der Dinge, sie stellt für mich einen guten Gegensatz zu Lilli's Präsenz dar, das zeigt sich ja gerade in der Szene mit dem Polizisten.

Aber nun zu Deinen Anmerkungen:

1) Ja, auch der Sadhu ist berechnend, sonst würde er gar nicht mit den beiden Damen reisen und sich von Lilli alles bezahlen lassen. Aber so berechnend wie Lilli ist er dann doch nicht, oder er stellt es einfach schlauer an. Seine Art ist zwar ziemlich offensichtlich, aber clever genug, um die zwar ebenfalls berechnende, aber dennoch recht naive Lilli dazu zu bringen, ihn heiraten zu wollen und damit eine (geld)sorgenfreie Zukunft und Sicherheit zu haben. Grundsätzlich kann ich ihm das nicht verübeln.
2) Stimmt, im Bus fällt Ganga Ji völlig weg. So wie es aussieht, taucht er erstmal auch nicht wieder auf, denn ich hab' einiges von der Busfahrt gestrichen. Aber danke für den Tip, vielleicht bringe ich ihn noch irgendwo unter.
3)"... Weißt doch wie es ist ... kassieren die doch auch ..." Das zweite "doch" ist gestrichen.
4)Bei der Szene, in der Lilli der Prot erzählt, dass sie Dope dabei hat, hast Du angemerkt, dass Dir ein einfaches "was?" nicht reicht und die Prot geschockter reagieren sollte. Ich persönlich fände es übertrieben, wenn sie die Augen aufrisse etc. So reagieren Menschen mMn in so einer Situation selten. Ein einfaches geschocktes "was", bevor überhaupt erstmal richtig ankommt, was da grad' gesagt wurde, habe ich hingegen schon öfter erlebt.
5) Die Szene mit dem schmerbäuchigen Touristen ist raus.
6) Ich ich ich. Stimmt, am Schluss wird das zu viel ( Da wollte sich die Prot auf die letzten Meter wohl doch noch in den Vordergrund spielen ...).

Insgesamt hat mir Dein Kommentar sehr geholfen und ich freue mich sehr, dass Dir die Vergleiche und Bilder ein tolles Kopfkino beschert haben. So soll es sein.

Also vielen Dank nochmal, Tintenfass, und noch ein schönes Restwochenende!

Liebe Grüße,

Chai

 

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