- Beitritt
- 09.12.2016
- Beiträge
- 946
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 32
Ein Geschenk von Shiva
Lilli kramte einen fünfzig Rupien-Schein aus ihrem Geldbeutel und drehte sich von ihrem Rucksack zu Ganga Ji um.
„Ganga Jiii? Holst du mir was zu trinken?“ Sie stülpte die Unterlippe vor.
Ganga Ji nickte knapp, nahm wie beiläufig das Geld und schlängelte sich an den klapprigen Bussen vorbei, die um uns herum durch die Schlaglöcher rumpelten. Die Motoren röchelten wie alte Männer mit Raucherhusten und hinterließen eine schwarze Wolke aus Abgasen, deren Gestank sich mit dem Duft nach exotischen Gewürzen und Nelkenzigaretten mischte.
Ich nagte an meinen Fingernägeln. In spätestens drei Tagen musste ich das Land verlassen haben, weil mein Visum auslief. Aber bei dem Zustand der Busse bekam ich Angst, dass wir es nicht mal bis zur Stadtgrenze schaffen. Lillis Blick flitzte amüsiert über den Busbahnhof. Ganga Ji und sie kamen nur mit, um sich Kathmandu anzusehen, deshalb waren ihre Sorgen etwas anderer Art als meine.
„Wenn meine Mutter mich hier mit dem Ganga Ji sehen würde – die würd 'nen Schlag kriegen“, feixte sie und äffte ihre Mutter nach: „Mein Gott, Kind, der sieht ja aus wie Bin Laden. Du lebst bestimmt in einem Gehirnwäschezentrum! Und ...“
In dem Moment hörten wir ein Stück vor uns eine aufgebrachte Männerstimme und reckten die Hälse. Ein Polizist in Khaki-Uniform stand neben einer Kuh, die zwischen den Bussen herumlag, und redete auf Ganga Ji ein. Er überragte ihn um mindestens zwei Köpfe und sein schwarzer Schnurrbart sah aus, als hätte er ihn in einem Faschingsladen erstanden. Hastig griff er Ganga Ji in die Brusttasche seines weißen Langhemdes und hielt dann etwas zwischen Daumen und Zeigefinger, das ich auf die Entfernung nicht erkennen konnte. Vorwurfsvoll fuchtelte er damit vor Ganga Jis Nase herum.
„Hat Ganga Ji Dope dabei, oder was?“, fragte ich und rutschte unruhig auf meinem Rucksack hin und her.
„Quatsch. Doch nicht, wenn er mit uns über die Grenze fährt! Mit zwei deutschen Frauen! Weißt doch, wie es ist, wo die Bullen Kohle wittern, kassieren die doch auch.“
„Gut. Das beruhigt mich.“
„Er hat es stattdessen mir gegeben.“
„Was?“
„Ja. Er meinte, mich kontrollieren die nicht, nur ihn.“
„Aber ...“
„Jetzt nimmt der den Ganga Ji mit!“, rief Lilli.
Der Polizist zog Ganga Ji am Ohr zu einer kleinen Holzbaracke am Rand des Busbahnhofs. Offenbar war das die Bahnhofswache. Ganga Ji zeigte keine Reaktion. Er schien willenlos wie eine Gummipuppe. Der Polizist stieß ihn in das Kabuff.
„Ich geh da jetzt hin!“ Lilli sprang auf.
„Lilli! Warte!“
Während ich mit unserem Gepäck hinter Lilli herstolperte, fragte ich mich, ob es vielleicht doch keine so gute Idee war, mit einer jungen, gutgläubigen Sekretärin von Indien nach Nepal zu reisen, die einen Sadhu, also einen Bettelmönch, als Fremdenführer engagiert hatte. Ich kannte die beiden erst ein paar Wochen und hatte Lillis unkomplizierte Art bisher recht unterhaltsam gefunden, aber zusammen zu reisen schien sich als schwierig zu erweisen.
„Dieser Mann ist kein echter Sadhu, Madam“, belehrte der Polizist Lilli im Ton des erhobenen Zeigefingers, als ich am Verschlag ankam. „Das ist nur ein Bettler, der Drogen mit sich geführt hat. Ein echter Sadhu reist nicht mit Touristinnen und ...“
„Das stimmt nicht!“ Lilli zitterte, als hätte sie den Lauf einer Pistole an der Schläfe.
„Doch, Madam. Wir haben Haschisch bei ihm gefunden und werden ihn einsperren. Der Mann ist gefährlich, Madam, und es ist meine Pflicht, Touristinnen zu schützen.“
„Dieser Sadhu ist mein Freund! Ich vertraue ihm! Und ich gehe nicht eher hier weg, bis sie ihn frei lassen!“ Sie setzte sich auf den vorderen Rand eines Plastikstuhls, der vor dem Verschlag stand. Ihr Atem ging in schnellen, kurzen Stößen. Wie ferngesteuert nahm ich auf dem Stuhl daneben Platz. Vor meinen Augen flimmerte es, als hätte ich seit Tagen nicht geschlafen. Krampfhaft überlegte ich, wie ich Lilli helfen könnte, aber ich hatte Angst, etwas Falsches zu sagen. Je mehr ich versuchte, mich auf die Situation zu konzentrieren, desto unwirklicher kam sie mir vor.
Der Polizist verschwand wieder in dem Verschlag und bellte irgendwas auf Hindi. Dann hörte ich das Klatschen einer Ohrfeige.
„Ich ruf jetzt Pinku an!" Lillis Stimme kippte. „Der soll uns helfen.“ Sie fischte ihr Handy aus der Umhängetasche und tippte die Nummer des Gästehausbesitzers ein, von dem wir uns am Nachmittag verabschiedet hatten.
Pinku war betrunken, wie jeden Abend. Er hatte zu unserer Misere nicht viel zu sagen, was in erster Linie daran lag, dass seine Zunge nicht mehr mitspielte. Vor uns verschwand eine orangefarbene Sonne hinter den Flachdächern der Stadt. Mir wurde kalt. Ich zog den Reißverschluss meines Fleecepullovers zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Polizist deutete mit dem Kinn auf Lillis bunt bestickte Umhängetasche. „Machen Sie die doch mal auf, Madam.“
Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich losgelacht, denn mir fiel zum ersten Mal auf, wie gegensätzlich das psychedelische Muster der Tasche zu Lillis bürgerlichem Gesicht mit den sorgsam gezupften Augenbrauen wirkte.
„Erst will ich Ihren Dienstgrad wissen.“ Lilli presste die Tasche an sich.
„Wozu, Madam?“ Der Polizist nahm die Barettmütze ab und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Dann ging er zurück in den Verschlag und sprach mit einem anderen Beamten.
Ich bewunderte Lilli für ihren Mut und ärgerte mich über meine Unfähigkeit, irgendetwas zur Situation beizutragen. Vor meinem inneren Auge sah ich uns bereits auf dem Revier unsere Rucksäcke auspacken und versuchte, mir nicht weiter auszumalen, was das für Konsequenzen haben könnte. Das hier ist real, hämmerte ich mir ein. Jetzt tu oder sag was. Aber mein Mund war so trocken, als hätte ich in ein Frotteehandtuch gebissen.
Ich hörte den Polizisten schreien. Dann fiel ein Stuhl um.
„Was machen wir denn jetzt?“, rief Lilli mir zu.
Im nächsten Augenblick kam der Polizist aus dem Verschlag marschiert, zerrte Ganga Ji hinter sich her und schubste ihn in unsere Richtung. Wie in einem Theaterstück, das plötzlich eine überraschende Wende nahm, sahen wir Ganga Ji an uns vorbeirauschen, als würden wir nicht existieren.
„Chalo – lasst uns abhauen“, sagte er mehr zu sich selbst und wurde kurz darauf von einer Großfamilie mit Übergepäck verdeckt.
Im Bus roch es nach nassem Hund. Weil wir spät kamen, mussten wir in der letzten Reihe sitzen. Das war das Schlimmste, was einem passieren konnte, denn der hintere Teil des Busses wurde jedes Mal in die Luft geschleudert, wenn er durch ein Schlagloch fuhr. Und das kam ziemlich oft vor. In den Sekunden, die ich oben war, musste ich mich geschickt drehen, um halbwegs sanft wieder auf dem durchgesessenen Sitzpolster zu landen, ohne mir das Rückgrat zu brechen. Als ich den Dreh raus hatte, machte es richtig Spaß. Fast hätte ich nach jedem Hopser gejauchzt, aber das schien mir dann doch etwas zu übertrieben.
„Alles okay?“, wandte ich mich nach einiger Zeit an Lilli, die zwischen Ganga Ji und mir saß. Sie ließ die Hüpfprozedur mit missmutigem Gesicht über sich ergehen. „Du hast seit der Abfahrt nichts mehr gesagt.“
„Ich ärgere mich immer noch über diesen Bullen“, gab Lilli zu, als wir gerade mal wieder auf unsere Sitze krachten. „Was bildet der sich ein, mir zu erzählen, dass Ganga Ji kein echter Sadhu ist! Er hat jahrelang mit seinem Guru Ji im Ashram gelebt und meditiert!“
„Ganga lebt aber von deinem Geld“, merkte ich vorsichtig an.
„Ja, na und?“ Lilli wurde lauter und ein paar Leute drehten sich zu uns um. „Ich hab's ihm angeboten, er hat mich nicht danach gefragt! Ein Bettler hätte sofort gefragt! Aber wir haben tagelang am Ganges gesessen und uns über Yoga unterhalten, ohne dass er irgendwas von mir wollte, weder Sex noch Geld. Und da hab' ich dann irgendwann halt gedacht, dass er ja auch mein Guide sein könnte. Natürlich bezahl ich ihn dafür. So what? Er hat ja nichts und er wollte das Geld erst auch gar nicht annehmen.“
„Aber dann hat er es doch getan.“
„Ja, aber das ist was anderes, als selbst danach zu fragen. Das wäre betteln. Aber so ist es ein Geschenk von Shiva.“
Es folgte eine Erklärung, wie viel glücklicher die Inder ihrer Meinung nach durch den Glauben seien, und überhaupt wäre in Indien alles viel besser als in Europa.
Ich sah aus dem Fenster. Die Straße wurde etwas ebener und Reisfelder flogen an uns vorüber. Aus den Boxen der Fahrerkabine schepperte Hindimusik.
Wir erreichten die Grenze gegen Mittag. Ich wankte aus dem Bus, als hätte ich eine lange Schifffahrt mit starkem Seegang hinter mir und blinzelte in das grelle Sonnenlicht. Bethelnusskauende Rikshafahrer umzingelten uns, noch bevor ich die Zeit fand, mich zu orientieren. Ganga Ji winkte uns fröhlich zu und meinte, dass er schon mal vorginge, denn er als Inder könne ohne Ausweis einfach rüberlaufen.
Das Gelände war so weitläufig, dass wir uns nach der Ausreise eine Riksha nehmen mussten, um auf die nepalesische Seite zu gelangen. Während wir den Fahrer bezahlten, lief Ganga Ji aus dem Grenzhäuschen, hüpfte wie ein Kobold auf und ab und winkte uns herein, als würde ihm das Haus gehören.
In dem kahlen engen Raum saßen drei zierliche Beamte an einem langen Tisch, den eine Tischdecke mit braunem Teddybärmuster zierte. Lilli und ich gaben ihnen unsere Reisepässe und warteten auf einem schmalen Holzbänkchen neben der offenen Tür.
„Ji?“, wandte sich der Beamte, der uns am Nächsten saß, an Ganga und hob das Kinn in Richtung der verhängnisvollen Hemdtasche.
Ganga Ji lachte und zog ein Piece von der Größe eines Männerdaumens aus der Tasche wie ein Zauberer ein Kaninchen aus dem Hut.
Ich hielt den Atem an. Was war das jetzt schon wieder? Woher hatte Ganga Ji plötzlich das Piece? Hatte der Polizist doch recht gehabt? Oder arbeitete Ganga Ji etwa für die Drogenfahndung?
Der Beamte sah uns mit hochgezogenen Augenbrauen an. Lilli und ich warfen uns einen kurzen Blick zu und starrten dann auf den Betonboden wie zwei Klosterschülerinnen, die von der Mutter Oberin beim Onanieren erwischt worden waren. Die Sekunden verstrichen.
Scheiße, das war's jetzt aber endgültig, kapitulierte ich innerlich. Wie konnte ich auch so blöd sein und mich auf diesen ganzen Mist hier einlassen.
„Blättchen?“, hörte ich den Beamten auf Englisch fragen.
Lilli zögerte eine Sekunde, zog ein Päckchen OCB-Blättchen aus dem vorderen Fach ihres Rucksacks und legte es vorsichtig auf den Tisch. Der Beamte strich sich mit Daumen und Zeigefinger über den dünnen Schnurrbart.
„Zigarette?“, fragte er weiter und hatte kurz darauf eine Schachtel Gold Flake vor sich liegen. Er bedankte sich höflich, zog ein Sturmfeuerzeug aus der Hosentasche, ließ es aufschnappen und fuhr mit der Flamme die Zigarette auf und ab. Dann begann er, auf dem Kugelbauch eines der Teddybären einen Joint zu rollen.
Lilli sah mich an und stieß einen hysterischen Lacher aus. Die Männer beachteten uns nicht weiter und plauderten mit Ganga wie mit einem gern gesehenen Stammgast. Meine Muskeln entspannten sich etwas, aber es irritierte mich nach wie vor, woher Ganga Ji plötzlich das Piece hatte. Der Beamte zündete den Joint an, zog ein paarmal daran, reichte ihn mit einem offenen Lächeln an Lilli weiter und rief: „Willkommen in Nepal!“
Zwanzig Minuten später saßen wir in einer kleinen Chaibude und aßen Reis mit Linsen. Lilli und ich hatten uns ausgekichert und schauten schweigend durch die offene Tür auf die Straße. Dutzende von Fahrradfahrern glitten an einem Bühnenbild mit einer perfekt gezeichneten Berglandschaft vorüber, als würden sie an einer Schnur gezogen. Ihr Klingeln war noch in weiter Ferne zu hören.
„Woher hattest du eigentlich das Piece?“, wandte ich mich nach einer Weile an Ganga Ji.
„Shiva Geschenk“, antwortete er.
„Magie“, behauptete Lilli mit einem Achselzucken, als wäre es das Natürlichste von der Welt, Dinge aus Hemdtaschen hervorzuzaubern.
„In Nepal sie haben Respekt für Sadhus“, fuhr Ganga Ji eindringlich fort. „Deshalb Beamte waren so nett. Aber in Indien ... Pfff.“ Mit dem Handrücken machte er eine wegwerfende Bewegung von unten nach oben. „Immer nur Geld, Geld, Geld, aber für Sadhus kein Respekt mehr.“
„Tja, put a Sadhu in your life.“ Lilli sah an mir vorbei und streckte sich ausgiebig, als wolle sie dadurch ihre Aussage unterstreichen. „Dann kann nichts mehr schief gehen.“
Sie fing an, mir auf die Nerven zu gehen.
Als wir kurz darauf im Bus nach Kathmandu saßen, schüttelte ich innerlich immer heftiger den Kopf über ihr Getue, aber ich spürte auch einen Stich von Neid. Ich neidete Lilli ihr Vertrauen, während ich immer alles in Frage stellen musste. Und obwohl alle heiklen Situationen auf dieser Reise glimpflich ausgegangen waren, wurde ich das Gefühl nicht los, dass mit Ganga Ji etwas nicht stimmte.
Vorsichtig spähte ich zu den beiden herüber. Sie saßen auf der anderen Seite vom Gang. Ganga Ji schlief und Lilli sah aus dem Fenster. Es war schwer zu sagen, was in ihrem Kopf vorging. Manchmal fragte ich mich, ob überhaupt etwas darin vorging.
Der Berufsverkehr tobte, als wir am nächsten Tag in Kathmandu ankamen. Ganga Ji stieg vor uns aus und steuerte zielstrebig auf den nächsten Bus zu, der uns nach Thamel bringen sollte, dem Touristenviertel. Er kannte da ein Gästehaus mit dem schrägen Namen Opium Guesthouse, in dem er vor Jahren mal gewesen war. Lilli maulte, weil ihr der Hintern weh tat und wollte eine Riksha anhalten, aber Ganga Ji ließ sich von seiner Mission nicht abbringen.
Wir trotteten gefühlte drei Stunden durch Thamel, vorbei an Läden mit Hippieklamotten, hippen Cafes, Banken und Gästehäusern, nur das Opium Guesthouse fanden wir nicht. Schließlich blieb Lilli abrupt stehen, setzte sich dann auf eine Stufe, die zu einem Laden mit traditionellen Nepalikappen führte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich gehe nicht eher hier weg, bis du mir sagst, wo dieses Guesthouse ist.“
Ganga Ji wackelte mit dem Kopf von rechts nach links und begutachtete die Nepalikappen. „Lilli. Guck mal. Hut sehr schön.“
Lilli stöhnte gespielt. „Der ist wirklich wie'n Baby“, sagte sie und lachte in einer Art, in der Mütter über ihre tolpatschigen Kinder lachen. Dann ging sie in den Laden und kaufte die Kappe.
Wow, dachte ich. Das ging jetzt aber schnell.
Nachdem er die Kappe aufgesetzt hatte, zeigte Ganga Ji auf das Gebäude gegenüber und rief: „Da! Opium Guesthouse!“
Ich folgte seinem Blick und sah ein dreistöckiges weißes Haus. Einige der Zimmer hatten Balkone. Auf dem Dach stand ein Schild mit der Aufschrift: Happy Home.
Am nächsten Morgen schlief ich lange. Als ich gegen elf in das Cafe auf der Dachterrasse kam, saß Lilli an einem der Bistrotische und blickte über die Dächer. Sie war der einzige Gast.
„Morgen,“ rief ich beschwingt.
„Morgen,“ antwortete sie und sah mich an, als hätte sie einen Trumpf im Ärmel.
„Hast du gut geschlafen?“, erkundigte ich mich.
„Naja. Geht so.“ Es war eine Weile still. „Ganga Ji und ich werden heiraten.“
„Was?“, entfuhr es mir. „Obwohl ... Ich hab' mir schon gedacht, dass da zwischen euch was läuft. Und die Inder kennen ja keine wilden Ehen, also ... Falls zwischen euch was läuft ... Das weiß ich ja nicht, aber es war mir schon klar, dass er dich irgendwann fragt.“
„Ich hab' ihn gefragt.“
Ungläubig sah ich sie an.
„Ich will in Indien bleiben, ich will nicht mehr zurück nach Deutschland. Ich hab' alles getan, damit Ganga Ji sich in mich verliebt. Ich hab' ihm auch das Piece in die Hemdtasche getan, weil ich wusste, dass die Bullen ihn kontrollieren, wenn sie ihn mit uns sehen.“
„Du hast was? Sag mal, spinnst du? Mit den ganzen Drogen in der Tasche? Du hast sie doch nicht mehr alle!“
„Ja, das mit den Drogen war heikel, deshalb hab ich auch so Angst gehabt. Aber ich wollte, dass er sieht, dass ich ihn nie im Stich lass'. Ich hätte ihn auch aus dem Knast geholt.“
Ich starrte sie an. „Und dass du mich da mit reingerissen hast, war dir völlig egal, oder was? Ich fass' es nicht! An der Grenze ...“
„Das war ich nicht!“, fuhr Lilli mir über den Mund. „Das war wirklich Shiva Geschenk. Wahrscheinlich hat der Bulle ihm einfach das Piece gelassen, als ich mit seinem Dienstgrad gedroht hab. Er kann ja nicht beweisen, dass Ganga Ji kein echter Sadhu ist. Und wie du weißt, dürfen Sadhus Dope besitzen, weil sie mit dem heiligen Rauch Shiva ehren. Mit allem anderen hättest du nichts zu tun gehabt, du hattest ja keine Drogen dabei.“
Ich starrte sie abermals an.
„Ich hätte dich nie da mit reingerissen, ehrlich.“
Ich wusste nicht mehr, was ich glauben sollte. Lilli plapperte munter weiter: „Gestern Nacht hat Ganga Ji mir dann erzählt, dass er wegen mir sein Sadhu-Leben aufgeben würde.“ Sie streckte sich auf die selbe Art wie in der Chaibude an der nepalesischen Grenze. „Und da hab' ich ihn halt gefragt. Mit meiner Abfindung aus'm Büro können wir uns ein Haus bauen und irgendwo in den Bergen leben.“ Sie blickte einem bunten Drachen nach, der an uns vorüber über die Dächer glitt.
„Und er hat sofort ja gesagt?“, erkundigte ich mich nicht ganz ohne Belustigung. „Immerhin ist er ja eigentlich Sadhu.“
„Naja, bisschen geschockt war er schon, weil das für ihn wie so'n Knall aus heiterem Himmel kam.“
Sie lachte gekünstelt.
„Ein Knall aus heiterem Himmel,“ wiederholte ich und nickte langsam. „Na, dann ist es bestimmt ein Geschenk von Shiva.“