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Ein Ganzes

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Ein Ganzes

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Ein Ganzes


Da war dieses Puzzlespiel vor mir. Es sollte ein duftendes Lavendelfeld in der Provence ergeben. Ich sah die Photographie deutlich vor mir. Beides lag da: das fertige, perfekte und nicht komponierte Bild und die hundert Puzzlestücke, die ich zusammenfügen musste, um schließlich ein nur halb so schönes Bild zu erhalten.

Es klappte alles wunderbar; relativ schnell konnte ich die einzelnen, sich minimal unterscheidenden Teile zusammenfügen. Der Glanz einer Pflanze setzte sich langsam zu einer Quelle gleichaussehender Geschwister zusammen. Eine Fliege kontrollierte ab und an meine Arbeit und schien zufrieden zu sein. Nun hatte ich fast das Bild vervollständigt. Das einfachste lag vor mir: ich musste das hundertste Stück in seine Welt einfügen. Mich schon auf einen Traubensaft freuend versuchte ich es hineinzudrücken. Es blieb an meinem Finger kleben und ich drückte es noch einmal ins Ganze. Doch es ließ sich nicht in die für es gebildete Lücke pressen. Nun untersuchte ich die runden Ausbeulungen, die nicht besonders auffielen. Sie waren sogar ganz richtig geformt und mussten in die Lücke passen; aber es wollte mir nicht gelingen. Immer wieder widersetzte es sich mir und rutschte nicht an seinen Platz. Ich legte das Stück neben das fast fertige Puzzlespiel und schaute mir das Bild intensiv an. Alles schien mir richtig zu sein, perfekt zu passen. Die Puzzleteile glichen sich zwar sehr, aber ich hatte keinen Fehler gemacht. Dann betrachtete ich die Lücke langsam, so als ob ich jeden Punkt untersuchen wollte. Ich tastete sie sogar ab und suchte nach Unebenheiten. Manchmal schien mir etwas aufzufallen; einige Male dachte ich wirklich etwas gefunden zu haben. Doch das lag wohl eher an meinen langsam müde werdenden Augen. Ich nahm noch einmal das lose Puzzlestück in die Hand, legte es aber schnell wieder zurück und legte mich auf meinen Rücken, die Decke anstarrend. Weiß war sie und verlor man sich in ihr, so erschien das Weiß unendlich.. Ich betrachtete die Verfärbungen, die kleinen Anhaltspunkte, dass Spinnen sie oft bekrabbelten. Dann verwandelte sie sich in ein riesiges Puzzelspiel, und das besondere war, dass es wirklich nur auf die Formen der Puzzlestücke ankam. Jedes Stück trug nichts neues zum Bild bei, vergrößerte es nur.

Ich richtete mich auf, schüttelte den Kopf und rieb mir die Augen, so dass sich das Bild der Decke verlor. Auf die Hände gestützt sah ich das Puzzle vor mir, sah, dass es wie ein Lavendelfeld aussah, brachte es aber trotzdem ganz durcheinander, löste die Puzzleteile heftig voneinander. Ich schmiss das Problemstück in die nun gleiche Menge und mischte sie noch ein wenig. Und dann versuchte ich es noch einmal: ich vergaß meine Augen, versuchte nicht ein Bild aufzubauen, sondern Formen anzupassen und ineinander gleiten zu lassen. Sicherlich war es schwierig, doch eigentlich nur gewöhnungsbedürftig. Es ging langsamer voran, aber ich kam voran. Das Fühlen und Abtasten hatte seinen eigenen Geschmack, machte auch irgendwie Spaß. Erstaunlich war, dass ich mich ganz in der Arbeit verlor, ganz das Sehen vergaß. Ich sah zwar das Puzzle, die zusammengesetzten Puzzlestücke, nahm es aber nicht als Ganzes wahr, sah kein Bild. Es lagen einfach Formen da, die ineinander passten und zusammen wuchsen. Schließlich bemerkte ich, dass es nun wieder daran war, ein letztes Stück einzufügen, um eine ineinanderfließende begrenzte Fläche, ein Quadrat zu erhalten. Es passte nicht hinein, wollte nicht ergänzen. Ich realisierte, dass es dasselbe Stück war. Keinen Schritt weiter war ich also gekommen. Vor mir dasselbe unvollständige Bild und ein widerspenstiges Puzzleteil, das sich über das Wort Teil mokierte. Wütend nahm ich das Miststück in die Hand und versuchte es förmlich in das Bild zu hämmern. Wie irr sprang es mir ein jedes Mal entgegen. Endgültig von Sinnen stand ich auf, um mir eine Schere zu holen. Mit einem siegessicheren Grinsen näherte ich mich dem Puzzlestück und wollte es gnadenlos klein schneiden. Dann aber fiel mir ein, dass ich besser daran täte, das Miststück so zu formen, dass es hineinpasste. Würde ich das Bild aufhängen, so fiele es doch kaum auf, dass ein Teil eines Teiles des Ganzen fehlte. So sah ich mir das Stück genau an, drehte es und spielte damit. Es ließ alles still über sich ergehen und ich hatte das Gefühl, dass es fast reuevoll um Gnade flehte. Doch auch wenn es nun gefügig angedockt hätte, es musste eine Strafe geben: ich entschied mich für eine Ausbeulung, schnitt sie ab und drückte das Stück ins Bild. Es passte! Perfekt lag das Bild da, musste nur noch eingerahmt werden. Nun war es ein Ganzes, vollständig. Wem fällt die kleine Unvollkommenheit auf? Die Zwangsanpassung eines winzigen Teiles?

Ich hatte ein Lavendelfeld aus der Provence, das ich stolz über meinen Schreibtisch hängen würde.

 

Ich denke (Versteht ihr? Ich!), es hängt alles mit den letzten beiden in den Raum geworfenen Fragen zusammen...

Wem fällt die kleine Unvollkommenheit auf? Die Zwangsanpassung eines winzigen Teiles?

Ich weiß nicht, aber das hat mich irgendwie an "1984" erinnert. Etwas paßt nicht ins System. Und garantiert wird das jemandem auffallen. Und um das System zu wahren, wird das "winzige Teil" angepaßt. Hmpf. Big Brother is watching you!

Naja...

 

Hallo Zaza,

Ein Ganzes war die erste Geschichte, die ich auf kg.de gelesen hab, als es noch gar nicht dieses Forumssystem gab. Ich hab sie sogar nachher mal im Archiv gesucht, aber nicht gefunden. Also danke, daß Du sie wieder reingepostet hast, denn ich finde sie wirklich ziemlich gut.

Ich meine, daß das letzte Puzzelstück eigentlich ins Puzzel passen muss, wie Alpha erwähnte, aber nicht passt, ist doch gerade das, was die Geschichte ausmacht.

Übrigens finde ich eine gesellschaftliche Interpretation der Geschichte viel zu langweilig. Ich denke, man könnte sie auch auf Erkenntnistheorie beziehen. Daß wir die Welt nur als unfertiges Puzzel sehen, in dem der Rest einfach hineingequetscht wird, ob's passt oder nicht, usw.
Die Wahl dieser Rubrik war wahrscheinlich nicht ganz vorteilhaft.

Ausserdem ist es witzig, daß Du Dich gerade mit dem Kritiker streitest. Ihr zwei seit ja eh immer knochentrocken, aber nach dem hier brauch ich echt ein Bier. :D ;)

 

Könnt Ihr eigentlich mal aufhören, Euch ständig in Streitereien anderer einzumischen? Das geht an Dich, Armelle!
An Kritikers letzter Kritik kann ich auch nichts finden, was zu beanstanden wäre, alles im Rahmen und im Lot. Vielleicht sollte sich der eine oder andere Autor ein etwas dickeres Fell zulegen. Ist echt wie im Kindergarten hier, manchmal. :rolleyes:

 

Vielleicht sollte der Webmaster aber auch seine Klappe halten und erst einmal dreimal um sein eigenes Haus gehen.
Wenn jemand sich im Ton vergreift, dann sollte man ihn darauf hinweisen. Das läuft nicht unter "Einmischen", sondern unter Schlichten. Und wer das nicht unterscheiden kann, und dazu noch meint seine Vorstellung über Kommunikation und verbaler Provokation anderen aufzwingen zu müssen, sollte sich nicht so künstlich aufblasen.
Noch überflüssiger wird es dadurch, dass die Sache längst schon gegessen war, Herr Webmaster!

 

Uups, habe ich mich jetzt in eine Sache zwischen Dir und Armelle eingemischt, Herr Webmaster?

 

Das ist doch schon die zweite Zaza-Geschichte, bei der die Diskussion völlig ausartet, oder? Bei der legendären "Kette" war es auch nicht anders.
Hmmm...

 

Hast Recht, ich wollte ja auch nichts mehr veröffentlichen. Auf Armelles Wunsch hin tat ich es. Und das war wohl auch das letzte Mal.

 

Ich will jetzt nicht noch etwas neues starten, deswegen werde ich nur noch auf Kritiken zu meiner Geschichte antworten.
Danke übrigens für alle Bemühungen bei denen, die sich Mühe gegeben haben. Und nach Armelles Kritik werde ich mich dann noch einmal äussern.

 

Hast Recht, ich wollte ja auch nichts mehr veröffentlichen. [...] Und das war wohl auch das letzte Mal.

So ein Blödsinn.

 

@Zaza:

Hm, ich meinte jetzt nicht, dass es an allein dir liegt, dass es ausartet.
Das war nur eine nicht zu bestreitende Beobachtung.

 

Da hat sich der Bock zum Kindergärtner gemacht. :cool:

Na gut, back to business.
"Ein Ganzes" hat mir unter anderem deshalb gut gefallen, weil mich der Text an ein Sprachspiel erinnert. Aber mal der Reihe nach.

Die gesellschaftliche Komponente in Zazas Geschichte haben itschi und Alpha ja bereits herausgestellt; das brauche ich nicht noch einmal zu wiederholen. (Das Ganze - das Kollektiv, das Teil - das Individuum, dann: die Beschneidung des Individuums zum Wohle des Kollektivs.)
Die Metaphorik bietet es aber an, auch andere Ansätze zu versuchen. Ausgangspunkt soll einmal das Lavendelfeld sein.

"Es sollte ein duftigaussehendes Lavendelfeld in der Provence ergeben. Ich sah die Photographie deutlich vor mir."

Die Protagonistin hat ein ideales Bild der Welt (die Photographie), das konkret (das Puzzle) aus vielen kleinen einzelnen Bildern besteht, die aneinander angeschlossen werden sollen.
Sie setzt die einzelnen Phänomene, Erfahrungen, Vorkommnisse oder Puzzleteile, die ihr begegnen, aufgrund des bereits bestehenden Deutungsmusters zusammen, in der freudigen Erwartung, zuletzt das perfekt komponierte Bild zu erhalten.
Beim Versuch, das letzte Teil an die anderen Teile anzuschließen, scheitert sie. Das Teilchen lässt sich nicht in das Lavendelfeld einfügen; sie trifft auf ein Phänomen, das nicht in ihr Bild passt, das sich nicht über ein bereits vorhandenes Deutungsmuster konstruieren lässt. Es passt nicht in ihre Theorie der Welt.
Was also bleibt zu tun? Die Protagonistin versucht eine Re-Interpretation der einzelnen Teile, der einzelnen Gedanken, die zusammengenommen ihre Weltanschauung abbilden. Ohne auf das Ganze zu achten setzt sie Teil an Teil zusammen, Erfahrung an Erfahrung, Gedanke an Gedanke, strukturiert das Ganze neu, um letztendlich wieder dasselbe Bild zu erhalten. Und wieder lässt sich das letzte Teil nicht harmonisch in das Gesamtbild einpassen.
Dafür fallen mir verschiedene Erklärungen ein. Am besten gefällt mir die Idee, dass das Puzzleteil ausgetauscht wurde (auch wenn die nicht explizit im Text steckt): Das Teil gehört zu einem anderen Lavendelfeldpuzzle, zu einem Bild des Lavendelfeldes, das aus einer anderen Perspektive aufgenommen wurde. Die Protagonistin müsste ein anderes Puzzle puzzeln, damit das letzte Teil passt.
Sie hat aber nur ihr eigenes Puzzle, deshalb beschneidet sie das letzte Teil und fügt es verkürzt in ihr bestehendes Bild ein. Wenn das Teil ein Gedanke wäre, dann wäre es einer, aus dem sie nicht die erforderten Konsequenzen zieht, einer, den sie nicht zu Ende gedacht hat.
Die Idee, sich die Welt als duftiges Lavendelfeld vorzustellen, finde ich wunderbar. Das Feld geht über den Ausschnitt, den die Protagonistin von ihm besitzt, hinaus. Ihre Aufnahme bildet eine mögliche Perspektive ab, aus der man das Lavendelfeld sehen kann.
Wenn man Teile der unterschiedlich perspektivierenden Puzzles austauscht, passen sie nicht von selbst, sondern müssen eingepasst werden. Dabei geht etwas verloren.

 

Uups, habe ich mich jetzt in eine Sache zwischen Dir und Armelle eingemischt, Herr Webmaster?
Ja. Und bevor Du anderen irgendwas über Diskussionsarten erzählen willst, solltest Du Dir an die eigene Nase packen und jeden sein Ding selber regeln lassen. Und genau das war meine Aussage des Postings, sonst nix. Und abgesehen davon - ich als Webmaster hab die PFLICHT, hier ab und zu mal dien Faust auf den Tisch zu schlagen, sonst läuft hier alles aus dem Ruder. Wenn Du Probleme damit hast *schulterzuck*

 

Jaa, wir schenken uns alle nix.
Mal streiten die einen, dann schreien die andern: Kindergarten! - beim nächsten Mal ist es wieder umgekehrt. Besser wird dadurch auch nix.

Was ich allerdigns schlimm finde, und weshalb ich mich überhaupt nur noch einmal dazu äußere, ist, dass Zaza uns weitere Geschichten vorenthalten will. Wenn sich alle Autoren so viel Mühe mit ihrem Kram gäben wie sie, dann bräuchten wir diese blöde "Geschichten löschen oder nicht?"-Diskussion nämlich nicht zu führen.

Also Zaza, mehr von Dir!

 

Danke, Danke, für die Blumen, Armelle. Ich werde am Wochenende Stellung zu den ganzen Äusserungen nehmen; jetzt lasst mich erst über eure Sachen nachdenken. Abgesehen davon muss ich sagen, dass ich mich von Fjodor nicht losreissen kann. "Der Spieler" bringt mich in erster Linie nicht zum Nachdenken, aber dafür zum Träumen. Und das hat schon lange kein Schriftsteller mehr geschafft. Busfahren mit Dostojewskij ist voll geil.

 

Dann musst du mal Tom Robbins in der U-Bahn probieren. Aber rechtzeitig losfahren! Man verpasst immer die Station, wo man hätte aussteigen müssen...

Armelles Analyse war exzellent und auch kompetent erläutert. Chapeau!

Fazit:

Zaza ist die Königin des Borg-Kollektivs! <IMG SRC="smilies/smilewinkgrin_ron.gif" border="0">

 

Borg-Kollektiv? Borg? Alpha, mir sagt das nichts. Und wehe, Du hast mich wieder veräppelt!

 

"Ich bin Leonard da Borg. Dies ist meine neue Erfindung. Ich nenne sie Assimiliere-alle-ins-Kollektiv-wobei-Wiederstand-zwecklos-ist-Maschine."

Entnommen von we are borg


Gruß.....Ingrid

 

Twosixteen of Ninehundred, secundary attribute of Unimatrix KG.de

Schalte heute um 20.15 mal Sat 1 an, Zaza!

 

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