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Thema des Monats Ein Freund ist jemand, für den man sorgt

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01.06.2005
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Ein Freund ist jemand, für den man sorgt

Als Marion noch ein Kind war, hatte sie einen Hund. Einen echten, keinen von Wilcon. Sie nannte ihn Mickey.
Ihr Vater kam oft tagelang nicht nach Hause, deshalb legte sich ihre Mutter irgendwann in die Badewanne und kam nicht mehr heraus.
Marion hatte genug zu essen in der Wohnung, getaute Pizza schmeckte zwar beschissen, aber alles war besser, als vor die Tür zu gehen. Nur für Mickey war nicht genug da, deshalb biss er nach einer Woche ein Stück aus Mutters Arm, der aus der Wanne hing.
Als ihr Vater am Wochenende wiederkam erschlug er Mickey mit einem Klavierhocker.

Fisch schwimmt. Adler fliegt. Wilcon denkt.
(Werbeslogan der Wilcon International Think Friends)

Sie entschloss sich schließlich, sich für einen der Jobs bei Wilcon zu bewerben. Zwar hatte sie genug, um sich Essen zu kaufen, aber gerade in letzter Zeit konnte sie etwas mehr Geld immer brauchen.
»Sie haben eine halbe Stunde Zeit, den Test auszufüllen. Dort oben an der Wand sehen Sie eine Uhr, für diejenigen, die die Zeit lesen können. Für die anderen werde ich alle zehn Minuten eine Durchsage machen, und dann noch mal fünf Minuten vor Schluss.
Bitte betrachten Sie die Bilder genau und kreuzen Sie jeweils an, welches nicht in die Reihe passt.
Und nun« - die Personalangestellte schlug die Hände zusammen, als gelte es, die Bewerber aufzuwecken - »viel Glück!«
Marion nahm den Filzstift zur Hand und versuchte, die Kappe zu entfernen. Sie brauchte einen Moment, bis sie begriff, dass es sich um einen Drehverschluss handelte.
Schaß!, dachte sie. Zeit vaschwendet.
Sie stierte auf die erste Bildreihe: Ein Bus, ein Auto, ein Kind, ein Lastwagen.
Was passte nicht?
Da Kind fahrt mit da Bus. Nich mit da Auto: Zu klein. Nich mit da Lastwagen, is ja kein Schwein. Bus passt nich. Aba fährt da Auto mit da Lastwagen?
Ihre Gedanken schweiften ab, und die Bildreihe verschwamm vor ihren Augen. Sie begann, einen Rahmen um das Bild des Kindes zu zeichnen, dann malte sie eine Blume auf den Lastwagen.
Bessa so!
Warum wollte sie eigentlich die Arbeit hier? Sie bekam doch Geld, um sich Essen zu kaufen. Und ihre Dachwohnung war schön, auch wenn es neuerdings etwas hereinregnete.
Ein erneutes Klatschen ließ sie zusammenzucken. Sie hatte sich mit dem Filzstift einen schwarzen Kasten auf den Handrücken gemalt.
»Wenn Sie jetzt bitte nicht mehr schreiben würden?« Die Personalangestellte lief in ihrem grauen Kostüm durch die Reihen und sammelte Bögen ein.
Die andern ham bessa gemacht. Sicha.
Marion sah sich die Gesichter an. Alte Gesichter, auch die ganz jungen. Papierkleidung, wie ihre. Sehr schön und bunt, und nicht so teuer.
Als die Angestellte Marions Bogen aufnahm, zögerte sie kurz und schüttelte den Kopf. Dann trat sie noch einmal vor die Arbeitssuchenden.
»Wir werten die Tests aus und melden uns dann bei Ihnen. Vorerst, vielen Dank für Ihr Kommen!«
Marion war schon aus dem Zimmer gelaufen. Sie musste nach Hause, sich um Mickey kümmern.

»Direktor Gabeler! Darf ich Ihnen meine Frau vorstellen? Ja, das ist Doktor Gabeler, er ist der Personaldirektor bei Wilcon.«
»Freut mich sehr.«
»Mich auch. Sie entschuldigen mich sicher? Ich muss noch zu einer Pressekonferenz ... das Wohnprojekt.«
»Oh, Sie meinen, mit diesen Arbeitslosen, die Sie auf dem alten Werksgelände wohnen lassen?«
»Ja, genau. Sie sind gut informiert, meine Liebe!«
»Ich war bis letztes Jahr im Rathaus beschäftigt. Amt für Soziales, Sie wissen schon. Die Schmarotzer.«
»Hähä! Wir hatten letzte Woche einen Test, weil wir dachten, wenn die schon bei uns wohnen, können sie ja vielleicht einfache Arbeiten erledigen, Müll wegräumen und so. Sie werden's nicht glauben, was dabei ... oh! Ich muss los!«
»Jaha, die Pflicht ruft. Schönen Tag noch!«

Sie fuhr mit der U-Bahn zurück. Am Bahnsteig herrschte das übliche Gedränge. Meist Leute in Papierkleidung: Teenager, Arbeitslose. Zwei Jugendliche in ballonartigen roten Jacken. Sie starrten sie an.
Marion griff in ihre Jackentasche und umfasste den Taser.
Dann dröhnte die Bahn wie Godzilla aus dem Tunnel.
Die Plexiglasscheiben, die den Bahnsteig vom Gleis trennten gingen erst auf, als der Zug stand. Sofort drängten die Leute zu den Türen als gäbe es dort Arbeit oder Freibier. Gleichzeitig quollen andere Menschen aus der Bahn heraus.
Eine Frau trat einem Mann in einem langen Mantel in den Bauch, weil er nicht schnell genug auswich. Er krümmte sich.
Selba schuld, dachte Marion.
Sie quetschte sich an der Trennwand entlang in den Wagen, dabei rammte sie einen der Teenager mit der Ballonjacke.
»Eyo Schlampe!«, zischte der. »Passo auf!«
Sie achtete nicht auf ihn und drängelte sich vorbei. Ein Schlag traf sie zwischen den Schulterblättern. Marion taumelte vorwärts und schlug sich die Lippe an einer Haltestange auf.
Inzwischen waren die meisten Leute in der Bahn. Die Türen schlossen sich und zerschnitten das Band der nachströmenden Passagiere. Einer sprang hoch und verpasste der Bahn eine Art Ving-Chun-Tritt.
Der Zug fuhr los.
Manche Leute hatten einen Sitzplatz erwischt, zum Beispiel eine junge Mutter, die ein Kleinkind mit der linken Hand auf dem Schoß festhielt. Ihre Rechte umklammerte etwas Schweres in der Manteltasche, während ihr Blick umherzuckte.
Knarre, dachte Marion. Sie schwamm durch die Menge auf die Ballon-Boys zu.
»Hey«, sagte sie. Der erste hatte sich kaum umgedreht, da hatte sie ihm schon eine Ladung aus dem Taser verpasst. Er klappte zusammen wie von Gummibändern gezogen. Der zweite zog ein Messer, ließ es aber sofort fallen, als Marion ihm 20 000 Volt in den Arm jagte.
Außer dem Wimmern des zweiten Boys und dem Schleifen der Bahn war nichts zu hören. Die Leute sahen in andere Richtungen, betrachteten die defekten Werbe-LCDs.
Die Mutter saß mit aufgerissenen Augen da und hielt eine Pistole in der Hand.
Marion ging zu ihrem Platz zurück. Für den Rest der Fahrt dachte sie darüber nach, welches Bild nicht in die Reihe passte: Bus, Kind, Lastwagen oder ... was war das letzte?

Explosion in Wilcon-Labors!
Fünf Schwerverletzte! Was ist passiert? Firmensprecher: »Eine Treibstoffverpuffung.«
Werkschutz durchsuchen Stadtteil am Firmengelände. Was ist der Zusammenhang?
Anwohner: »Sie hatten große Knarren!«
Klick hier für mehr Details!

Sie öffnete die Tür, indem sie ihren Daumen auf das Schloss drückte. Am Rand hatte sich eine gelbliche Schicht abgesetzt: Fett und Schweiß der Vorbewohner.
Eklich!
Die Wohnung stank feucht, was nicht verwunderlich war, weil ein Loch im Dach klaffte. Das Loch, durch das Mickey gefallen war.
»Hallo! Bin wida da!«, rief sie.
Sie ging in die Küche und nahm einen Beutel Kunstmilch aus dem Kühlschrank. Mickey mochte das Zeug. Mit den Zähnen biss sie die Plastikhülle auf und betrat das Wohnzimmer. Da lag Mickey, wie immer. Er konnte ja nicht weg.
Während sie ihm die Milch in die Öffnung goss, die sie für seinen Mund hielt, wunderte sie sich wieder, wie komisch Mickey aussah. Anders als die Leute. Auch kein Hund.
Was weißich, dachte sie.
Mickey war eine Art Würfel, so groß wie der Couchtisch, aber eindeutig ein Lebewesen, als hätte man versucht, eine quadratische Kartoffel zu züchten. Er atmete und hatte einen Mund an der Oberseite. An einer Seite hatte jemand eine Art Steckdose eingebaut, aber sie war etwas zerschmolzen von seinem Fall durchs Dach. Außerdem passte kein Stecker: Sie hatte am ersten Morgen alle ausprobiert, sogar den von der elektrischen Zahnbürste.
Jetzt grunzte er.
»Das schmecktier, ne? Is gut.« Sie tätschelte seine ledrige Seite. »Mein Freund.«
Den leeren Milchbeutel warf sie in eine Ecke, in der schon ein Haufen Plastikmüll lag. Dann ließ sie sich auf die Knie nieder und tastete unter dem Sofa nach der abgesägten Schrotflinte, die sie gestern hinter der Arbeitsagentur gekauft hatte.
Wenn der Werkschutz kamen, um ihr Mickey wegzunehmen, war sie bereit.

 

Ving-Chun-Tritt
wasnds?

Hi Naut,
komplex, komplex ...komplex isn cooles Wort, ge? Aber zu deiner Geschichte:
Schon gut. Also,sehr gut geschrieben schon mal.

Der Inhalt ist ein bisschen ... hm. Erst mal seh ich es als persönlichen Angriff an, dass du eine psychisch Labile wie meine neue Sprechweise reden lässt ;)

Das Ende ist ein einziges "Hä?", auf der Straße auch "Was zur Hölle?" genannt.

Also, ich habs net gecheckt: Was is dieser Mickey denn nun? Und was ist mit ihrem Vater passiert? Der is einfahc mal so weg, ohne dass irgendwas näheres erwähnt wird? Hm? Rechtfertige dich!! ;)

Hau rein

Tserk

P.S: Fehlerliste kommt per PN.

 

Hi Megab.,

hast Dir ja wieder viel Mühe gegeben. Danke schonmal, auch wenn ich den Eindruck habe, dass Du einige Stellen nicht ganz aufmerksam gelesen hast.

Megabjörnie schrieb:
Es gibt eine psychisch geschädigte Protagonistin ( die deinen Posts zufolge unfreiwillig geistig minderbemittelt wirkt ), es gibt eine sozial gespaltene Welt, und dann kommt noch ein merkwürdiges Artefakt - aber das steht alles überhaupt nicht miteinander in Verbindung. Es ist mir überhaupt nicht klar, wozu du die Handlung gebraucht hast, um am Ende das komische Gerät vorzustellen, dessen Sinn sich mir nicht im Entferntesten erschließt.
Marion ist nicht geistig minderbemittelt, sondern sozial deformiert. Wenn man sich z.B. heutige Hauptschüler ansieht, dann haben die meist eigentlich eine normale "Intelligenz", sie wissen nur nicht das damit anzufangen, was "wir" von ihnen erwarten. Anderer "soziale Schichten" leben buchstäblich in anderen Welten mit eigener Sprache, eigener Kultur usw.
Wie gesagt muss ich einen Weg finden, das stärker herauszustellen.

Bei der Beschreibung des Settings begehst du einen mittelschlimmen Stilbruch, indem du einen Schlenker zu irgend so einem Upperclass-Meeting machst, obwohl du ansonsten ausschließlich aus Marions Perspektive erzählst - und das innerhalb der Geschichte zudem völlig in der Luft hängt. Deshalb würde ich das ersatzlos streichen.
Das In-der-Luft-hängen trifft auf die Werbeslogans übrigens auch zu.
Verzeihung, aber das ist ein Missverständnis, das aus der wörtlichen Fehlinterpretation von Schreibseminar-Regeln erwächst: Perspektivwechsel sind erlaubt, wenn sie einen Zweck erfüllen. Hier erfüllen sie den Zweck, die beiden Welten einander gegenüber zu stellen, die Tatsache, dass Dir der Kontrast auffällt, ist gewollt.
Außerdem sind ihre Gedanken sehr abgehackt und wirken stumpf.
Auch der erste Abschnitt trägt bei zu dem Bild, Marion sei dumm: Sie scheint auf das grausige Ableben ihrer Mutter überhaupt nicht zu reagieren.
Dummheit und soziale Deformation sind zwei verschiedene Dinge: Geistig Behinderte sind oft sehr mitfühlende Menschen, das hat nichts mit Intelligenz zu tun.

Du erzählst aus Marions Sicht. Aber bist du sicher, dass Marion auch die Kausalität erkennt?
Stimmt, werde ich überarbeiten.
Jetzt übertreibst du's ein wenig. Die Uhr zu lesen dürfte keinem schwerfallen, der sich einmal gemerkt hat, wo die Zahlen und wieviel zehn Minuten sind.
Ich muss mich manchmal sehr konzentrieren, um die Uhrzeit festzustellen. Angenommen, ich lebte in einer Welt, in der Uhren nicht so wichtig sind. Wie gut wäre ich dann wohl darin?
Sie rammt einen mit ihrer Ballonjacke? Ist das Ding so hart geworden, weil sie es nie gewaschen hat? :D
Außerdem denke ich an dieser Stelle, dass einer von denen gemeint ist, die sie angestarrt haben. Dann erscheint es merkwürdig, dass sie extra noch mal zu denen rüber geht.
Lies nochmal: Das passiert alles während des Einsteigens.
Was für ein Ding? Und meinst du, dass Marion davon ne Ahnung hat?
Ja. Das ist Street-Fighter-Zeug.
Hatte sie denn schon einen gefunden?
Hast Recht, überarbeite ich.
Vorher hat man den Eindruck, sie hätte gerade genug Geld, um sich was zu Essen zu kaufen. Sind Schrotflinten so billig in der Zukunft?
Ja.

Hi Tserk,

danke auch Dir. VC solltest Du eigentlich kennen, ist doch Ghetto-Alltag ;)

Erst mal seh ich es als persönlichen Angriff an, dass du eine psychisch Labile wie meine neue Sprechweise reden lässt
Sorry, keine Absicht. :)
Der is einfahc mal so weg, ohne dass irgendwas näheres erwähnt wird?
Das hab ich nun davon, dass ich den Plusquam-Perfekt gestrichen habe: Der erste Absatz ist eine Rückblende. Marion ist erwachsen, ihr Vater ist da, wo die Väter der meisten Erwachsenen sind: Nicht da.
Elendes Dilemma!

Danke auch Dir, Fehlerliste hab ich erhalten.

Beste Grüße,
Naut

 

VC solltest Du eigentlich kennen, ist doch Ghetto-Alltag
ich verteil die Scheiße - ich muss ihren Namen net kennen! Aber danke, dem nächsten werde ichs agen: "Ach ja - du wurdest gerade von einem VC dahingerafft!"

Sorry, keine Absicht.
:)

Das hab ich nun davon, dass ich den Plusquam-Perfekt gestrichen habe: Der erste Absatz ist eine Rückblende. Marion ist erwachsen, ihr Vater ist da, wo die Väter der meisten Erwachsenen sind: Nicht da.
Elendes Dilemma!
Aha! Alles klar, danke.

Danke auch Dir, Fehlerliste hab ich erhalten.
kei Problem :)

Hau rein, wenn möglich jedoch nicht mit nem VC

Tserk

 

@Tserk
Wing Chun ist eine Form von Kung Fu. Hatte mal die Ehre, dank Ferienpass exklusiv zwei Wochen lang trainiert zu werden.:D
Der Kampfsport ist ziemlich steif, ich fand's nicht sehr anregend (kann auch nicht verstehen, warum trotzdem immer mehr Wing Chun-Schulen aufmachen), aber Karate ist auch nicht viel besser...

Gruß,
HienTau

 

Hi Naut,
Der erste Absatz gefällt mir am Besten. Kurz, knapp, böse, prägnant. Der Rest ist auch ganz ok, aber da wurde ja schon alles gesagt. Allerdings finde ich Huxleys Definition besser: Ein Freund ist jemand, dem man in milder Form das antut, wozu man bei seinen Feinden nicht den Mut aufbringt.
Proxi

 

Proproxilator schrieb:
Ein Freund ist jemand, dem man in milder Form das antut, wozu man bei seinen Feinden nicht den Mut aufbringt.
Z.B. sie in seinem Wohnzimmer zu halten und mit Sytho-Milch zu päppeln.

Danke!
Naut

 

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