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Thema des Monats Eheringe

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21.12.2015
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Eheringe

Eheringe

Nach zwanzig Ehejahren hatten Karla und Paul sich nichts mehr zu sagen. Halt! Das heißt, reden mussten sie schon noch miteinander, was es eben so zu bereden gibt, wenn man ein Haus, eine Tochter und vor allem ein Konto gemeinsam hat. Erst letzte Woche hatte Karla versucht, den Dialog zu beleben, indem sie – direkt in Pauls Blickfeld auf der Windschutzscheibe - einen Aufkleber platziert hatte mit dem Text „Ich steige aus“. Paul allerdings hatte ihn kommentarlos abgerubbelt. Dabei hatte sie sich so gewünscht, dass er irgendwas dazu gesagt hätte. Zum Beispiel:
" Was meinst du mit 'aussteigen'?" Oder:
"Ziemlich kindisch, die Idee. Stammt sie von deiner Freundin oder hast du das in deiner Daily Soap gesehen?" Oder wenigstens:
"Den nächsten Aufkleber bitte an die Heckscheibe. Ich sehe ihn ja dann im Rückspiegel."

Karla verbrachte viel Zeit mit Grübeln. Sie versuchte gelegentlich, bei ihrer Tochter Verständnis zu finden. Die hatte dafür so gut wie nie Zeit und schien überhaupt eher auf Papis Seite zu stehen. Außerdem hatte sie genug damit zu tun, ihre eigene Beziehungskiste in Ordnung zu halten.

'Früher haben wir Spaß gehabt an Wortgefechten', dachte Karla des Öfteren, 'und ich war nicht immer der Verlierer. Wann haben wir aufgehört, uns dabei in die Augen zu sehen? Wenn wir jetzt streiten, geht es allenfalls darum, dass er das Geld heimbringt. Was kann ich darauf noch sagen? Er hat ja Recht. Und wenn wir schon einmal miteinander schlafen, dann denkt er bestimmt an die Steuererklärung.'

In ihren Augen war Paul nun ein hartgesottener Verweigerer. Nur ganz selten ließ er sich provozieren. Meistens blieb er unnahbar, schweigsam, die Augen an ihr vorbei gerichtet. Nur wenige Male hatte er ihr einen Blick hinter den eisernen Vorhang seines Pflichtbewusstseins erlaubt; aber da war sie zurückgeschreckt vor dem Überdruss und der Kälte in seinen Worten.

Karla rührte abwesend in ihrer vierten Tasse Kaffee an diesem Morgen, während sie lustlos in einem Frauenmagazin blätterte. Sie wusste genau, was an ihrer Ehe nicht stimmte. Sie spürte die wachsende Verdrossenheit ihres Mannes. Immer häufiger übernahm er nebenberufliche Aufträge, jetzt wo die Tochter meistens eigene Wege ging und nur noch selten zuhause übernachtete. Karla fühlte immer weniger Lust, das Heim durch alle möglichen Dekorationskünste gemütlicher zu gestalten. Es nahm ja doch niemand Notiz davon. Der Haushalt forderte sie nicht mehr heraus wie in den ersten Jahren, als sie sich – erleichtert darüber, dass ihr die Verantwortung für ein eigenes Berufsleben erspart blieb – begeistert darauf gestürzt hatte. Eine falsche Entscheidung damals, eine Entscheidung gegen den Willen ihres Mannes, der es lieber gesehen hätte, wenn sie ihren Beruf nicht einfach aufgegeben hätte. Na klar, sie war schwanger gewesen, aber hätte eine Babypause von ein paar Jahren nicht genügt? Aber wie sollte sie sich jetzt, mit fünfundvierzig, wieder in eine Arbeit als Chemielaborantin stürzen? Heiße Wellen der Angst überfluteten sie bei dieser Vorstellung.
'Ich habe alles verlernt', dachte sie, 'ich kann einfach nicht mehr nach der Uhr leben und gleichzeitig an Laboranalysen und Einkaufslisten denken. Verdammt, ich kann ja nicht einmal mehr ein vernünftiges Gespräch führen, das sich nicht um Rezepte und Kinder dreht! Wie soll ich da einem Personalchef klar machen, dass er schon immer auf mich gewartet hat!'
Es gab ihr einen ordentlichen Stich, als sie im Magazin auf ihr Wochenhoroskop stieß. Hier stand: „Was immer Sie tun müssen, tun Sie es jetzt! Es könnte Ihre letzte Chance sein!“

Sie fing an, die Bügelwäsche einzusprühen. Wieder einmal zerrte sie vergeblich an ihrem Ehering. Ihre Hände waren nicht nur von der Hausarbeit geschwollen. In ihre alte Kleidergröße passte sie längst nicht mehr. Zu Hause reichten ja Schlabberhosen und zeltartige Oberteile, aber als Berufstätige müsste sie schon etwas mehr für ihr Äußeres tun. Paul trug seinen Ring schon seit Monaten nicht mehr, er lag im hintersten Winkel der Nachttischschublade. Ob er fremdging? Immer öfter kam er spät in der Nacht nach Hause, häufig mit einer Fahne. „Vorstandssitzung“, murmelte er mit abgewandtem Gesicht, während er sich im Dunkeln auszog, oder „Geschäftsessen“. Wie ein Stein lag er dann auf einer Seite, die Ohren fest mit Stöpseln verschlossen, so dass er ihr ruheloses Umherwälzen, ihre häufigen Gänge ins Badezimmer oder an den Kühlschrank wohl kaum mitbekam.

Nach dem Abendessen saßen sie vor dem Fernseher. Paul hatte stumm und zielstrebig mehrere Gläser Wein in sich hineingeschüttet. Karla dachte an ihr Horoskop. Unvermittelt schaltete sie den Apparat aus und versteckte die Fernbedienung hinter ihrem Rücken.
„Ich will jetzt mit dir reden!“, begann sie forsch.
„Worüber?“ Paul klang absolut unbeteiligt.
„Ich will wissen, warum du deinen Ring nicht mehr trägst.“
„Warum willst du das wissen?“
Da war er wieder, der typische Dialog. Statt einer Antwort kam sofort eine Gegenfrage. Und darin blitzte das Warnlicht auf: Halt! Nicht weiter fragen!
Trotz erfasste sie. „Und dann will ich noch wissen, warum du in letzter Zeit so viel trinkst. Hast du eine Freundin?“
„Der Ring passt mir nicht mehr, aus verschiedenen Gründen.“
„Ist das alles, was dir dazu einfällt?“ In hilflosem Zorn sprang sie auf und fuhr Paul mit der rechten Hand vors Gesicht. „Da, da, mir passt er auch nicht mehr. Was glaubst du, wie gern ich den Ring los wäre, wenn ich nur könnte. Aber das verdammte Ding geht ja nicht mehr ab!“
„Hör auf zu schreien.“ Paul blieb ganz ruhig. "Zeig mal her." Er nahm ihre rechte Hand und betrachtete aufmerksam den Finger, wo der Ring tief im Fleisch saß. „Ich könnte ihn dir aufsägen“, fügte er nachdenklich hinzu.
„Ist das dein Ernst?“ Vor lauter Verblüffung musste Karla sich wieder setzen. Es stimmte ja, Paul hatte sehr geschickte Hände, feingliedrig und sensibel. Sie deutete auf die leere Weinflasche: „Willst du das wirklich riskieren?“
Wortlos erhob sich Paul und ging zur Kellertreppe, Karla folgte ihm misstrauisch und in Alarmbereitschaft. Im Hobbyraum schaltete er die Lampe über der Werkbank an und schob einen Hocker heran. Aus dem Erste-Hilfe-Kasten legte er ein Päckchen Verbandsmaterial bereit.
„Leg die Hand gespreizt auf die Bank.“ Ohne zu zögern, ergriff er die elektrische Säge, spannte ein Blatt für extra feine Metallarbeiten ein und drückte auf den Schalter. „Also dann los“, sagte er gedehnt und presste mit seiner Linken Karlas Handgelenk auf die Arbeitsplatte. In seinem Blick lag ein Hauch Spott und noch etwas anderes, das sie nicht deuten konnte.
'Ich muss verrückt sein! O Gott, er sägt mir bestimmt den Finger ab.' Das hohe Sirren fuhr ihr schmerzhaft in die Schläfen. Sie schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Ihre Hand fing an zu vibrieren, ihr Finger wurde heiß. 'Jetzt', dachte sie, 'jetzt!'
Das Sirren erstarb. Sie öffnete die Augen. Paul hatte die Säge beiseitegelegt. Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.
"Mensch, Karla, kannst du die Hand nicht ruhig halten? Oder hast du vielleicht Angst vor mir?"
Karla gab keine Antwort. Ja, sie hatte Angst! Und gleichzeitig wollte sie ihrem Ehemann vertrauen. Aber durfte sie das? Sie wusste es nicht. Ihr Blick richtete sich auf den dunkelsten Winkel des Kellers.
'Mach weiter, mach einfach weiter. Bring es zu Ende.' Sie hatte keine Kraft mehr, sich gegen das Unausweichliche, was immer es auch sein würde, zu wehren. Sie verlor jedes Gefühl für Zeit und Raum.

Vorsichtig bog Paul den aufgeschnittenen Ring auseinander. Matt glänzend, auf der Innenseite abgewetzt, lag er vor ihnen.
„Und wo soll er jetzt hin? Vielleicht in deine Nachttischschublade?“ Karla schüttelte heftig den Kopf, floh die Treppe hinauf und schloss sich im Zimmer ihrer abwesenden Tochter ein. Sie musste unbedingt ihre Gedanken sortieren. Den Ring war sie ja nun los, aber das war wohl kaum schon die Lösung ihrer Ehekrise. Gegen Morgen fasste sie den Entschluss, der schon längst fällig war.

Als Paul am nächsten Abend ins Wohnzimmer trat, fand er Karla auf dem Teppichboden hockend, um sich herum Zeitungen verstreut. Einige Stellenangebote daraus hatte sie ausgeschnitten und auf dem Esstisch ausgebreitet. Ihr halb zerstörter Ehering lag in einem Schälchen daneben. Paul stellte seine Aktentasche ab und beugte sich aufmerksam und eine ganze Weile über das Arrangement. Schließlich öffnete er seine Aktentasche und zog ein paar Blätter heraus. „Es gibt da Umschulungsmaßnahmen vom Arbeitsamt, extra für Frauen, die schon länger aus dem Beruf sind“, sagte Paul nicht unfreundlich, „ich habe dir das Angebot mitgebracht.“ Und Karlas Herz fing an zu klopfen, als sie die lange vermissten Lachfältchen in seinen Augenwinkeln entdeckte.

 

Liebe wieselmaus,

das ist eine gute Geschichte, die ich gerne gelesen habe. Besonders auch deshalb, weil der Schluss (wie auch andere Stellen) zeigt, dass du nicht schwarz-weiß zeichnest. Du beschreibst eine typische Ehesituation, wie sie sich über die Zeit eingestellt hat. Auch wenn du im Wesentlichen aus der Perspektive der Frau schreibst, beleuchtet der letzte Satz doch sehr schön die Person des Mannes. Auch er hat ihre Verdrossenheit gespürt und sich Gedanken über ihre Ehe gemacht. Und sie sind beide zum selben Ergebnis gekommen: Die Probleme der Frau liegen in ihr selber: Sie hat sich am Anfang der Ehe für den einfacheren Weg entschieden und ist dann in ihre eigene Falle gelaufen. Aber zum Schluss ist die Lösung eine gemeinsame Erkenntnis, und das lässt für die Ehe der beiden hoffen.

Mir gefällt, wie du den Mann zeichnest und in der Reflexion der Frau über sich selber auch erkennen lässt, wie der Mann sie sieht und wie er sich zumacht vor ihr, und auch – warum.

Ich habe ein paar kleine Anmerkungen, die ich mir beim Lesen notiert habe:

Nach zwanzig Ehejahre(n)

er (er)schaffe ja das Familieneinkommen heran.

das Heim durch allen möglichen Firlefanz gemütlicher zu gestalten.
‚Firlefanz’ scheint mir die Sicht des Mannes widerzugeben. Ich glaube nicht, dass die Frau ihre Dekoration als ‚Firlefanz’ bezeichnen würde.

mehrere Gläser Wein in sich hinein geschüttet.
hineingeschüttet

fuhr Paul mit der rechten Faust vors Gesicht.
Die Faust erscheint mit hier übertrieben.

Hebammenhände
Ich kenne füllige und schlanke Hebammen, ihre Hände unterscheiden sich. Deshalb kann hier kein eindeutiges Bild entstehen.

Ohne Verzögerung ergriff er die elektrische Stichsäge …
Ohne zu zögern, … gefiele mir hier besser. Und ist das wirklich eine Stichsäge?

Liebe wieselmaus, ich wünsche dir weiterhin schöne Festtage.
barnhelm

 

Ich sehe das ähnlich wie Maria. Die Geschichte ist ein Anfang. Gut geschrieben, ohne Frage, aber am Ende bleibt es etwas farblos. An den Stellen, wo ein Konflikt aufflammt, sorgst du recht schnell für eine Entkräfigung der Situation, sodass nie wirklich Spannung aufkommen kann. Dabei schaffst du dir selbst so viele Nebenwege, die leider unergründet bleiben: Ist er fremdgegangen? Was hat er Nachts wirklich gemacht?

Am Ende schließt die Geschichte mit einem vermeintlichen Happy End ab, lässt mich jedoch nicht zufrieden zurück. Als hätte ich eine Karte für ne Achterbahnfahrt gekauft, die sich am Ende als Riesenrad entpuppt hat: Man ist nie wirklich in Gefahr, aber es kann einem schon mal im Bauch herumgehen.

Handwerklich astrein, aber vom Plot her mittelmaß.

 

Danke an Maria.meerhaba, barnhelm und NWZed für die sehr freundlichen Kommentare. Ich möchte eure Anregungen aufgreifen, soweit ich sie nachvollziehen kann. Wahrscheinlich muss ich stärker herausarbeiten, dass es in der Kellerszene um das grundsätzliche Vertrauen in einer Beziehung geht - immerhin geht der Ehemann ja mit einer Säge an die Ehefrau heran. Das soll ja schon manchmal blutig geendet haben. Und dass beide tatsächlich auf die gleiche Lösung ihrer Ehekrise gekommen sind, ist vielleicht vordergründig nicht spektakulär, von den Folgen aber gewaltig. Wie gewaltig möchte ich durchaus den Lesern überlassen - ganz im Sinne eines "offenen Schlusses".

Also nochmals danke, es hat Spaß gemacht!

Gruß wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,

ich fand Deine Geschichte gar nicht schlecht, mit wiederholtem Lesen sogar immer besser. Mir hat vor allem der Charakter des Mannes gefallen, mit dem konnte ich mich gut identifizieren. :D Sachlich, pragmatisch („Ich könnte ihn dir aufsägen“) - eigentlich das totale Klischee, aber auf eine Weise umgesetzt, die für mich einfach passt. Und die Probleme, die die beiden - jeder für sich und miteinander - haben, sind so alltäglich und realistisch, darin findet man sich unmittelbar wieder. Ich hatte auch kein Problem mit den Unklarheiten (Affäre oder nicht; ich glaube, nein), das ist ja der Protagonistin genauso unklar, und man kann sich dann gut in sie hineinfühlen.

Etwas störend fand ich, dass Du einige Dinge zu sehr erklärst, die auch auf subtilere Weise übermittelt werden können oder sogar schon übermittelt wurden. Das hat manchmal etwas Holzhammerartiges, das schlicht nicht erforderlich wäre. Da solltest Du Deinen Lesern und Deinen eigenen Worten etwas mehr zutrauen. Hier mal ein paar exemplarische Stellen, aber wirklich nur exemplarisch:

Immer häufiger übernahm er nebenberufliche Aufträge, angeblich, weil ihnen das Geld nicht reichte, in Wirklichkeit aber, - so argwöhnte Karla – um das Alleinsein mit seiner Frau zu vermeiden, jetzt wo die Tochter meistens eigene Wege ging.
Die fetten Teile würde ich weglassen, damit sich das der Leser selber erschließt. (Keine Sorge, das schafft der. ;)) Das Übriggebliebene muss dann ein bisschen umformuliert werden, damit der Anschluss passt, also etwa so: Immer häufiger übernahm er nebenberufliche Aufträge, um zusätzliches Geld zu verdienen, jetzt, da ihre Tochter älter wurde und bald studieren würde. Muss ja nicht genau der Wortlaut sein.

Eine falsche Entscheidung damals, das wusste sie schon lange.
Mir scheint der ganze Satz überflüssig. Die ganzen Grübeleien davor machen das schon ziemlich klar, allenfalls würde ich die noch um irgendeine kleine Facette erweitern. Aber diesen zusammenfassenden Satz braucht es nicht.

„Der Ring passt mir nicht mehr, aus verschiedenen Gründen.“ Eine knappe, vieldeutige Antwort.
Den Nachsatz einfach weglassen - die Knappheit und Mehrdeutigkeit hat der Leser schon erfasst. Ansonsten übrigens eine sehr gelungene Stelle!

Sie deutete auf die leere Weinflasche: „Willst du das wirklich riskieren? In deinem Zustand?
Den fetten Satz weglassen, der Hinweis auf die Weinflasche reicht völlig aus.

„Ich muss verrückt sein! O Gott, er sägt mir bestimmt den Finger ab.“ Karlas Nerven flatterten.
Nachsatz weglassen - wir merken es an ihren Gedanken.

Gegen Morgen fasste sie einen Entschluss, einen, der – wie sie nun begriff – schon längst fällig war.
Fettes weg - aus den bekannten Gründen.

Von der Hausarbeit waren ihre Hände geschwollen, aber nicht nur davon.
Kann man prägnanter formulieren, z.B.: Ihre Hände waren nicht nur von der Hausarbeit geschwollen.

Nur Beispiele, wie gesagt. Wenn Du Deinen Text dahingehend überarbeitest, kann er noch viel besser werden. (Das war übrigens eines der ersten Dinge, die ich hier im Forum gelernt habe. Die Leute hatten ja sooo recht ...)

Dann noch ein paar vermischte Punkte, die mir aufgefallen sind:

wies allenfalls sachlich darauf hin, erschaffe ja das Familieneinkommen heran
Auch nach Korrektur noch nicht richtig. ;)

Karla fühlte immer weniger Lust, das Heim durch allen möglichen Dekorations gemütlicher zu gestalten.

Es gab ihr einen ordentlichen Ruck, als sie im Magazin auf ihr Wochenhoroskop stieß. Hier stand: „Was immer Sie tun müssen, tun Sie es jetzt! Es könnte Ihre letzte Chance sein!“

Einen "Ruck" verstehe ich als etwas, das tatsächlich etwas bewirkt und sie in Aktion versetzt. Deshalb hat es mich verwirrt, dass sie in der nächsten Szene einfach bügelt (das Horoskop wirkt dann erst in der übernächsten Szene). Vielleicht war es eher ein "Stoß" oder ein "Stich"?

Zu Hause reichten ja Schlabberhosen und zeltartige Oberteile, aber als Berufstätige müsste sie schon etwas mehr für ihr Äußeres tun.
Noch eine sehr gelungene Stelle: Für den Beruf sieht sie eine Notwendigkeit, auf ihr Äußeres zu achten - für ihr sonstiges Leben, geschweige denn ihren Mann, schon lange nicht mehr ...

Paul trug übrigens seinen Ring schon seit Monaten nicht mehr
"Übrigens" weglassen, das klingt so erzählerisch an den Leser gewandt.

sehr geschickte Hände, schmalKomma feingliedrig und sensibel

Als Paul am nächsten Abend ins Wohnzimmer trat
Vor diesem Satz würde ich einen Absatz (im Sinne von Leerzeile) machen wg. Szenenwechsel.

„Es gibt da eine Umschulungsmaßnahme vom Arbeitsamt, extra für Frauen, die schon länger aus dem Beruf sind“
Nur ein winziges Detail, aber - es gibt vermutlich mehr als eine solche Maßnahme, ich würde den Plural nehmen.

Übrigens würde ich an Deiner Stelle Gedanken anders darstellen als wörtliche Rede, z.B. durch einfache statt doppelte Anführungsstriche oder durch Kursivschrift. Das ist für den Leser einfacher, ohne dass Du Dinge wie "sagte er" oder "dachte sie" zur Verdeutlichung benutzen musst.

Gerne gelesen!

Grüße vom Holg ...

 
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Hallo Holg,
allerbesten Dnk für deine Vorschläge. Ich habe, bis auf Winzigkeiten, alle befolgt und bin überrascht, wie unglaublich wirkungsvoll solch kleine Korrekturen sind. Du machst also deinem Namen alle Ehre. Worin ich immer noch unsicher bin und auch nicht ganz überzeugt, wieviel Hilfestellung man dem Leser geben muss. Ich habe bei meinen anderen Geschichten auch Kommentare bekommen, wo sich Leser beschwert haben über mangelnde Hinweise. Prinzipiell bin ich aber deiner Auffassung, dass der Leser ruhig auch etwas für das Textverständnis tun soll; wo bleibt denn sonst das Lesevergnügen?.

Also nochmals vielen Dank und freundliche Grüße

wieselmaus

 
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Servus wieselmaus

Es ist immer wieder angenehm, einen Text zu lesen, nachdem ihn sich z.B. barnhelm oder Holg vorgenommen haben, weil die in aller Regel dann schon alle Fehlerchen entdeckt haben.
Und apropos barnhelm:

barnhelm schrieb:
Ohne Verzögerung ergriff er die elektrische Stichsäge …
[....] ist das wirklich eine Stichsäge?
Als Handwerker teile ich barnhelms Bedenken. Meinst du tatsächlich eine Stichsäge, oder nicht eher ein “oszillierendes Multifunktionselektrowerkzeug“?
Allerdings muss ich einräumen, dass dieser Begriff in einem literarischen Text schon sehr technoid und entsprechend deplatziert klingt.
Weißt du was, wieselmaus? Lass den Mann doch einfach eine herkömmliche, altmodische Eisensäge verwenden. Da fiele es ihm auch leichter, auf eventuelle Schmerzensschreie seiner Frau zu reagieren.:D

Na ja, und

die wachsende Verdrossenheit ihres Mannes
kann ich insofern nachvollziehen, weil ich persönlich spätestens dann den Kontakt zu meiner Freundin abbrechen würde, wenn ich sie dabei ertappte:

Es gab ihr einen ordentlichen Stich, als sie im Magazin auf ihr Wochenhoroskop stieß. Hier stand: „Was immer Sie tun müssen, tun Sie es jetzt! Es könnte Ihre letzte Chance sein!“

Aber darüber hinaus ist das für mich eine - wenn auch nicht rasend spannende Geschichte - so doch eine, die sich sehr angenehm lesen lässt und in der das Dilemma einer langjährigen Ehe, die in Gewohnheit erstarrt und in der die gegenseitige Zuneigung längst auf der Strecke geblieben ist, sehr authentisch eingefangen ist. Natürlich könnte man da noch weit mehr herausholen, den Konflikt noch etwas mehr zuspitzen und bei der Lösung dieses Konflikts die Figuren noch etwas intensiver interagieren lassen, aber im Grunde könnte man natürlich jede Geschichte bis in alle Ewigkeiten fortschreiben. Nein, für mich passt das schon so.
Und das Ende, auch wenn es einigermaßen offen ist, bietet zumindest einen leisen Hoffnungsschimmer für die beiden und deshalb wird die ganze Geschichte in meinen Augen auch dem Thema des Monats mehr als gerecht.

Gut gemacht, wieselmaus.

offshore

 

Hallo Offshore, da ist mir aber ein Stein vom Herzen gefallen! Denn das Wichtigste für mich war zunächst, das Thema zu treffen. Ich glaube nicht, dass es mir schwer fallen würde, die Handlung auszubauen. Ich dachte, lange Texte seien nicht unbedingt beliebt. Schließlich gibt es hier reichlich zu lesen. Allerdings neige ich wohl dazu, mich kurz zu fassen. Schon meine Deutschlehrein befand einmal, meine Aufsätze verkämen allmählich zu Aphorismen-Sammlungen...
Etwas verwundert bin ich allerdings darüber, dass der Act mit der Säge nicht spannend sein soll. Oder hätte unbedingt Blut fließen sollen, Rettungswagen, Blaulicht...?. Ich jedenfalls würde niemanden ohne Narkose mit einer Säge an mich heran lassen.
Aber ich bin wirklich hoch zufrieden mit allen Hilfestellungen.

Nochmals vielen Dank
wieselmaus

 

Hallo,
erinnert mich mit der Thematik und an manchen Stellen (z.B. der Aufkleber) an "San Salvador" von Bichsel, zumal der Mann auch Paul heißt. Ich würde es auch stilistisch in diese Richtung biegen. Also lakonischer, kürzer, alles, was über die eigentlichen Szene hinaus geht, wegstreichen.
Gruß
T.

 

Hallo Wieselmaus, ein herzliches Willkommen auch von mir.
Hab deine Geschichte gerne gelesen, und - da ich eigentlich unterwegs bin - nur kurz: Doch, die Kellerszene ist außerordentlich spannend, wenn du mehr draus machst. Und zwar direkt aus dieser Situation. Du hast ja eigentlich schon alles drin, ihre Ängste, das Doppelbödige zwischen beiden, die Kommunikationslosigkeit, die in unmittelbaRE Gewalt münden könnte, aber du deutest es immer nur kurz an und verlässt dann gleich wieder die Ebene des geschaffenen Konfliktfeldes. Deswegen wirkt das dann harmlos, obwohl es das null ist.
Auch die letzte Szene würde ich ein bisschen stärker hinauszögern.
Viel Spaß noch hier wünscht dir Novak

 

Hey Wieselmaus

Ich habe den Text gerne gelesen und zwar ab der Kellerszene. Das sehe ich ähnlich wie Novak. Der erste Teil des Textes versorgt uns mit Informationen, so dass die Kellerszene funktionieren kann. Da musste ich mich etwas hindurchkämpfen, das war mit zu erklärend und auch zu vertraut. Aber halt! Braucht es das alles wirklich, damit die Kellerszene funktioniert? Ich bin mir nicht sicher. „Befreie deine Bilder“ hat mir mal jemand geraten. Wäre ein Experiment, gleich mit dieser Szene einzusteigen und die allernötigsten Informationen so nebenbei einfliessen zu lassen. Vielleicht in den Einstiegssätzen eine leicht unheimliche Stimmung schaffen. Nur so als Idee.
Denn, das soll noch mal gesagt sein, die Idee finde ich wirklich gut. Du hast auf der einen Seite die Symbolik, die aber dank der ganz praktischen Tätigkeit des Aufsägens überhaupt nicht plump wirkt.
Zwei Dinge sind mir noch aufgefallen - ansonsten liest sich dein Text sehr flüssig:

Das heißt, reden mussten sie schon noch miteinander, was es eben so zu bereden gibt, wenn man ein Haus, eine Tochter und vor allem ein Konto gemeinsam besitzt.

Der Satz kommt etwas umständlich daher. Wahrscheinlich wolltest du den Begriff „besitzt“ drin haben, was ich gut verstehe (eine Tochter besitzen!). Dennoch fände ich: „… und vor allem ein gemeinsames Konto hat“ eleganter.


„Ich will wissen, warum du deinen Ring nicht mehr trägst.“
„Warum willst du das wissen?“
Da war er wieder, der typische Dialog. Statt einer Antwort kam sofort eine Gegenfrage. Und darin blitzte das Warnlicht auf: Halt! Nicht weiter fragen!

Holg hat ja auf einige erklärende Stellen hingewiesen. Diese ist mir noch aufgefallen. Zeige den Lesern einfach diese Art von Dialog und habe Vertrauen.

Liebe Grüsse
Peeperkorn

 

Hallo wieselmaus

ich glaube Peeperkorn und Novak haben es auf den Punkt gebracht. Der Anfang, so wie du ihn machst, ist zu erklärend, will die Situation erzählen, in der die beiden sich befinden. Und das liest sich dann mühsam.
Die Kellerszene jedoch ist sehr, sehr pointiert, erschreckend, echter Horror, nicht so gekünstelt, wie es in anderen Geschichten gelegentlich zu lesen ist. Echter, realer Horror. (dahingehend könntest du auch den Tag ändern). Das ist so Hitchcock-mäßig. Die Bedrohung ist spürbar, wird immer stärker und verschwindet dann. So solltest du beginnen und die restlichen Infos aus den ersten beiden Absätzen dazwischen als Gedankensplitter einbauen, Sätze, vielleicht sogar nur Halbsätze daraus machen. Das wäre dann ein sehr sehr starker Text.

Mal sehen ob ich sonst noch was finde:

Erst letzte Woche hatte Karla versucht, den Dialog zu beleben, indem sie – direkt in Pauls Blickfeld auf der Windschutzscheibe - einen Aufkleber platziert hatte mit dem Text „Ich steige aus“.
klingt etwas gewollt witzig...

Nur wenige Male hatte er Karla einen Blick hinter den eisernen Vorhang seines Pflichtbewusstseins erlaubt; aber da war sie zurückgeschreckt vor dem Überdruss und der Kälte in seinen Worten.
#du erzählst und urteilst, aber du lässt uns nicht teilhaben an dem geschehen... wann lässt er hinter den vorhang blicken?

Karla fühlte immer weniger Lust, das Heim durch allen möglichen Dekorationskünste gemütlicher zu gestalten.
jetzt beschreibst du sie ausufernd genau... das braucht es nicht ... und he: sie hätte doch anfangen können Kunst zu machen :)

ihre häufigen Gänge ins Badezimmer oder in die Küche wohl kaum mitbekam.
keine ahnung, was die im bad macht...

Nach dem Abendessen saßen sie vor dem Fernseher. Paul hatte stumm und zielstrebig mehrere Gläser Wein in sich hineingeschüttet.
jetzt fängt die geschichte an; hier solltest du einsteigen...

Da war er wieder, der typische Dialog. Statt einer Antwort kam sofort eine Gegenfrage. Und darin blitzte das Warnlicht auf: Halt! Nicht weiter fragen!
das kann weg, schwingt doch alles mit

fügte er nachdenklich hinzu.
kann weg

Es stimmte ja, Paul hatte sehr geschickte Hände, feingliedrig und sensibel.
hier so eine stelle, wo du noch etwas info nachschieben kannst, die du in den ersten beiden absätzen bündelst

Den Ring war sie ja nun los, aber das war wohl kaum schon die Lösung ihrer Probleme.
das klingt merkwürdig, auch das wort problem hat generell einen schlechten sound

Schließlich öffnete er seine Tasche und zog ein paar Blätter heraus. „Es gibt da Umschulungsmaßnahmen vom Arbeitsamt, extra für Frauen, die schon länger aus dem Beruf sind“, sagte Paul nicht unfreundlich, „ich habe dir das Angebot mitgebracht.“
da bin ich mir nicht sicher: aber ich glaube die ganzen sätze brauchst du gar nicht, wäre wuchtiger ohne...

ach: willkommen hier :)
viele Grüße
Isegrims

 

Hallo an alle, die so bereitwillig sich auf meinen Text einlassen!

Jetzt wird es schwierig, alle Ratschläge gleichzeitig zu befolgen. Da geht es auch um meine Identität als Autorin. Gut aufgehoben fühle ich mich in der Akzeptanz meines lakonischen Stils. Ja, das bin ich. Durch die Verknappung wird es für den Leser möglicherweise mühsam. In dieser Geschichte sollte dadurch auch vermittelt werden, wie scheinbar zementiert diese Ehe ist, die nur durch "Aufsägen" zu retten ist, wenn überhaupt. Die Idee mit dem Aufkleber stammt aus der Realität, ebenso die Namen der Protagonisten. Überhaupt beruht die Story auf einer wahren Begebenheit, wenn auch natürlich literarisch verarbeitet. Unmittelbare Spannung zu erzielen - also weniger deskriptiv zu schreiben - ist wahrscheinlich mein Schwachpunkt. Aber ich arbeite daran! Die Kellerszene werde ich mir unter diesem Aspekt nochmals vornehmen. Ich weiß aber nicht, ob es mir gelingen wird. Letzter Versuch, ganz im Sinne des Themas des Monats.
Allen ein ehrliches Dankeschön und freundliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,

Jetzt wird es schwierig, alle Ratschläge gleichzeitig zu befolgen. Da geht es auch um meine Identität als Autorin.

Nur nicht irremachen lassen! Ich bin ja selbst noch nicht lange hier und habe dieses Gefühl noch sehr präsent, zwischen teils widersprüchlichen Ratschlägen hin- und hergerissen zu sein und nicht recht zu wissen, wie man dem Anspruch gerecht werden kann, der hier bisweilen schon sehr hoch ist.

Mach Dir immer bewusst, dass es letzten Endes Deine Geschichte ist und nicht die der anderen. Du kannst und musst nur das schreiben, was Dir entspricht, was Du selber kannst und willst. Und auch wenn die Hinweise, die man hier bekommt, sehr, sehr kompetent und fundiert sind, bleiben es doch immer Meinungen, denen Du folgen kannst, aber nicht musst. Ich denke, solange man sieht, dass Du Dich ernsthaft mit ihnen auseinandersetzt, wird Dir keiner übelnehmen, wenn Du Dich am Ende gegen manche Ratschläge entscheidest.

Grüße vom Holg ...

 

Hallo,

die ersten drei Absätze sind ein klassischer Fall für "show, don't tell." Nicht die Zweifel einfach in der Figur implementieren, sondern zeigen: Beim Aufräumen findet sie ein Hemd mit Lippenstiftrand. In seiner Hosentasche ein Mentholspray. Dieses Wissen sollte durch die Figur vermittelt werden, nicht der Autor sollte das vermitteln, so wird alles viel nahbarer, die Figuren plastischer.

Die Dialoge. Elmore Leonard hat in seinen 10 Regeln ja mal gesagt, man solle nie etwas anderes benutzen als "sagen", wenn man auch sagen meint, und dies auch nicht kombinieren.

flüsterte, raunte, zwitscherte - das sind Einmischungen des Autoren. Ein guter Autor bekommt den Dialog so hin, dass der Leser weiß: Oh, jetzt flüstert er aber.

Die letzten beiden Absätze wären mein Anfang, dann kannst du mehr draus machen, da passiert etwas, da ist Leben drin.

Gruss, Jimmy

 

Hallo wieselmaus,

ich finde Deine Geschichte so, wie sie ist, gut. Sie ist nichts außergewöhnliches, zeigt keine tiefgreifenden Konflikte und unerwartete Entwicklungen auf, sondern sie beschreibt genau das, was überall geschieht: Der Ehealltag eines Paares, das durchgehalten hat, bis das Kind erwachsen und ausgeflogen ist. Aber jetzt ist die Luft raus, das Leben zur Routine erstarrt. Gerade weil nichts besonderes geschieht, rührt mich Deine Geschichte so an. Und dann kriegen die beiden doch die Kurve, Auch hier muss ich sagenm, ich brauche nicht mehr Dramatik in der Kellerszene, die ist mir aufregend genug. Und der Schluss bringt noch das Stückchen rosarot: Eine neue Chance für die Ehe und das eigene Leben.

Also ich habe Deine Geschichte sehr gerne gelesen.

Jobär  

 

Hallo wieselmaus,

bevor ich meine Stimmen abgebe, gehe ich noch mal alle (naja, fast alle) Geschichten durch. Deine hat sich durch die Überarbeitungen deutlich verbessert, der Stil ist sicherer geworden, Du erklärst weniger, die Kellerszene ist etwas verschärft - gefällt mir! Ansonsten hatte ich ja früher schon meine Meinung abgegeben.

Einen kleinen Fehler habe ich noch gefunden, der sich wohl bei den Korrekturen eingeschlichen hat:

Karla fühlte immer weniger Lust, das Heim durch allen möglichen Dekorationskünste gemütlicher zu gestalten.
"alle".

Grüße vom Holg ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Wieselmaus,

deine Geschichte las sich so mal eben in einem Guss und sie kam flott geschrieben daher. Gut so.
An manchen Stellen hätte ich mir allerdings gewünscht, dass mir nicht vorgeschrieben wird, was in der Prota so alles an Seelenleben vor sich geht, sondern ich selbst entdecke, was mit ihr los ist.
Zum Beispiel ihre sich steigernde Furcht vor der nahen Zukunft, die möchte ich an ihr erleben, nicht erzählt bekommen. Mal ehrlich, du würdest doch erbost sein, wenn ich behauptete, deine Geschichte ist in einem Satz erzählt: Frau begreift, dass sie ihr Leben ändern muss.
Klar, das ist der Inhalt der Geschichte, aber das Lesen hat doch seinen Reiz gerade darin, dass man sich genau den Kernsatz erschließen muss wie ein kleiner Detektiv, der mit seiner eigenen lebenserfahrenen Spürnase den Zeilen folgt. Mit anderen Worten, ich hätte gern mehr Suchfutter gehabt und nicht so viel schon Zettel mit den Hinweisen. Der Ring des Ehemannes ist eines von vielen Beispielen: Wieso beschreibst du nicht eine Szene, in der sie die Schublade aufzieht, weil sie was sucht, saubermachen will oder was hineintun möchte und in der Ecke liegt der Ring. Was macht sie danach, ein paar Sekunden später. Ruft sie die Freundin an und beklagt sich, setzt sich sich erst Mal auf einen Stuhl und atmet tief durch, wirft sie vor Wut was an die Wand. Mein Leserpart ist es, an dieser Szene demonstriert, nun herauszufinden, wie diese Frau gestrickt ist. Ich will das aufspüren. Nicht so gut finde ich, wenn du es mir als Autorin mitteilst. Ich hoffe, du verstehst, wie ich es meine. Von diesen Szenen fehlt es noch in deiner Geschichte. Schreiben kannst du ohne Frage, daher erlaub ich mir diesen kräftigen Hinweis auf deine Möglichkeiten, sich deutlich zu verbessern.

Die Idee, den Ring sich vom Finger sägen zu lassen, finde ich übrigens bestens. Das ist wirklich mal was Neues zum Thema Trennung. Und nun kommt leider wieder ein Aber: Einerseits ist es dir verdammt gut gelungen, Spannung zu erzeugen, ich habe mit der Frau im Keller ein bisschen gezittert, ob das mit dem Aufsägen gut geht oder er abrutscht oder sonstwas anderes Schlimmes passiert, da war ich direkt neben deiner Prota und wollte keine Sekunde verpassen, ABER ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie sie denn nun veranlagt ist: vertraut sie ihm, vertraut sie ihm nicht und wieso ist das so oder so und wo finde ich Anhaltspunkte für das eine oder das andere. Da fehlt ein großes Stück Miterleben gerade in der super spannenden Szene im Keller.
Ein Kompliment möchte ich dir zu dieser Szene nicht vorenthalten: Ich habe da an Stelle der Frau im Keller gestanden und es war mein Finger, der vom Ring befreit werden sollte und ich habe echt eine immense Unsicherheit verspürt, so gut hast du mich in die Szene reingezogen. Und das, obwohl ich nie einen Ehering besessen habe. Das hatte ich während ich da anstelle deiner Prota stand völlig verdrängt. :D

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo wieselmaus,

eine schöne, wahre und alltägliche Geschichte. Flüssig und gut zu lesen. Hat mit gut gefallen, vor allem die Stellen, in denen mitschwingt, was im Laufe der Jahrzehnte passiert ist, ohne das plakativ zu beschreiben. Z.B.

Sie fing an, die Bügelwäsche einzusprühen. Wieder einmal zerrte sie vergeblich an ihrem Ehering. Ihre Hände waren nicht nur von der Hausarbeit geschwollen.

Gern gelesen,
Grüße,

Eva

 

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