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Durchdachte Entscheidung
Er war sich unsicher.
Der Stift glitt ihm immer wieder aus seinen verschwitzten Wurstfingern.
Sein Atmen erinnerte an einen röchelnden, verschnupften Asthmatiker.
Oder an einen Mops.
So oder so, als Außenstehender würde man ihm am liebsten ein Taschentuch reichen.
Seine Fettleibigkeit machte ihm grade bei warmen Wetter oft zu schaffen.
Und heute war es verdammt heiß!
Die Nervosität darüber, eine falsche Entscheidung zu treffen, ließ seine Körpertemperatur noch zusätzlich ansteigen.
Er tupfte sich die Stirn mit einem Stofftaschentuch ab.
‘Dass es hier aber auch keine Klimaanlage gibt!’ dachte er noch bei sich.
Er schweifte schon wieder mit den Gedanken ab, da ihm die Entscheidung so schwer fiel.
Er hätte sich ja sehr gerne auf sein Bauchgefühl verlassen, womit er meistens sehr gut fuhr, aber von seinem Magen kam nur ein lautes Grummeln.
Hungrig fiel es ihm sehr schwer, einen durchdachten Entschluß zu fassen.
Warum musste es auch nur so derart viel Auswahl geben?
Zumal die Unterschiede zwischen den meisten einzelnen Auswahlmöglichkeiten nun auch nicht so riesig waren.
Er las die Liste erneut und noch etwas eingehender.
‘Mit dem Koch hier hatte ich mich mal unterhalten. Das klang alles sehr vernünftig, was der mir so erzählte’ erinnerte er sich.
Seine Augen schritten jeden Unterpunkt der Liste ab.
‘Hm... Ich glaube, ich wähle den Karpfen! Den hatte ich vorhin auch erst noch gesehen. Auch wenn er etwas dürr und unscheinbar wirkte, so machte er insgesamt doch noch eine recht gute Figur.’
Um sicher zu gehen las er aber noch weiter und er ließ sich doch noch wieder verunsichern.
‘Hmmm... oder nehme ich Lamm?!?’
Er hätte nie damit gerechnet, dass er sich jemals mit einer solchen Entscheidung so schwer tun würde.
Er wählte sonst einfach immer das Gleiche.
Nun jedoch, wo er arbeitslos war, seine Geldreserven immer knapper wurden und die Aussicht auf einen neuen Job auch nicht grade rosig waren, musste er umdenken.
‘Pils, ja dafür entscheide ich mich schon mal in jedem Fall! … … wobei.... ein Krefelder?
… ich weiß ja nicht....
und....hinsichtlich Lamm … hmm.. gab es um Lamm nicht auch erst letztens noch einen Skandal?’
Irgendwie hatte er an allem irgendetwas auszusetzen.
Obwohl die Auswahl riesig war, fand er sie absolut nicht berauschend.
Er hatte keinerlei Schimmer, wofür er sich nun entscheiden sollte.
Er fühlte sich in diesem Lokal hier einfach nicht wohl.
Das lag aber wohl auch daran, dass er mit der Lage und den ihm gebotenen Perspektiven unzufrieden war.
Es war eigentlich offensichtlich, dass ihm die Aussichten nicht zusagten, aber es war auch niemand in Sichtweite, der hätte etwas daran ändern können.
Er fühlte sich im Stich gelassen.
Seine Entscheidung jetzt konnte ihm aber auch niemand abnehmen.
Er versuchte, sich heimlich umzublicken.
In nächster Nähe konnte er einen Mann mittleren Alters ausmachen.
‘Wofür er sich wohl entscheiden mag?’
Er versuchte vorsichtige, einen Hinweis erhaschen zu können, aber dafür war die Sicht einfach zu schlecht.
Er gab den Versuch auf.
Selbst wenn er etwas hätte sehen können, hätte ihm das hinsichtlich seiner Entschlußfreudigkeit nun auch nicht weitergeholfen.
Seine Stirn warf tiefe Falten, als er ins Grübeln geriet.
‘Eigentlich war meine Wahl noch nie gut gewesen. Ich bekam irgendwie nie das, was ich wollte, nur damals ging es mir insgesamt so gut, dass es mir egal war.’
Sein Magen gab schon wieder Geräusche des Hungers von sich.
So laut diesmal sogar, dass nun der Mann, bei dem er spicken wollte, schon zu ihm rüberguckte.
Etwas beschämt verkroch er sich tiefer in die vor ihm liegende Liste.
Er musste nun endlich mal einen Entschluß fassen, damit er auch schnell zu seinem Essen kam!
Er fasste also nochmals den engeren Kreis der Kandidaten zusammen:
Dr. Ralf Koch von den Konservativen,
Dr. Egon-Anton Karpfen von der linken Seite,
Klaus Lamm von den Umweltaktivisten
und Erwin Pils ohne Partei.
Er traute eigentlich keinem von denen so recht was zu.
Zudem erzählten sie alle irgendwie ähnliche Dinge, so dass es augenscheinlich eh keinen Unterschied machen würde, wer nun die Mehrheit erhält.
Desweiteren ging es ja auch “nur” um eine lokale Wahl.
Und jetzt grade konnte er eh nur an das Steak mit Bratkartoffeln denken, welches auf ihn wartete.
Er entschloß sich also, die Wahlliste demonstrativ zu zerknüllen und verließ das Wahllokal, um rechtzeitig zum Mittagessen daheim zu sein.