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Dienstagmorgen, elf vielleicht

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16.02.2012
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Dienstagmorgen, elf vielleicht

Zu lange schon, und ich will das nicht, weil ich es jetzt sowieso nicht kapieren werde und sie mir einfach die Unterlagen geben sollen und ich hier raus kann, und ich brauch das auch nicht, und wenn doch, ist es dann immer noch früh genug. Alle paar Minuten klicke ich den Bildschirmschoner weg, 'es gibt im Anschluss eine praktische Übung'. Der Laptop zischt und ich stelle keine Fragen und trinke ein Glas Wasser und noch eins, und ich gehe nicht zum Klo. Ich weiß genau, wenn ich nicht gehe, kriege ich einen Ständer und dann kommen die richtigen Gedanken von allein und ich bin erlöst und weit weg und dann sollen sie ruhig weitermachen und es ist mir egal.

Ich schaue meine Kollegen an. Die fragen auch nichts und keiner geht raus und ich weiß, jetzt wird es nichts mehr, weil sie in mich hineinsehen können, wie ich in sie, und so kann ich nicht und sie auch nicht, und wir wissen genau, was vorgeht, und keiner würde etwas sagen, aber wir wissen es jetzt und es geht nicht mehr. Nächste Folie, wusch, und wieder eine und ich will nicht mehr, jetzt bestimmt nicht mehr, und den Laptop klappe ich auch zu und male mit dem Kugelschreiber auf dem Seminarblock. Ein Quadrat, Unterteilungen, schräge Linien, die es zu einem Würfel machen, Schachbrettmuster auf die Seiten, schön abwechselnd, und nicht zu lange auf einer Stelle bleiben, sonst gibt es ein Loch und das Papier zerreißt.

Ich schaue dem Laserpointer hinterher, und er ist eine Fliege, die mich auslacht, weil sie genau weiß, dass ich nur mit einem Kugelschreiber auf sie ziele und sie nicht treffen kann und es niemals tun würde, niemals, nicht mal bei einer Fliege. Sie scheißt Buchstaben an die Wand und bleibt frech sitzen und zittert mit den Flügeln und fliegt ein Stück weiter und sitzt wieder und scheißt Zahlen und Buchstaben und fliegt und lacht.

Ich will rauchen, und ich könnte auch, weil ich ja zum Klo muss, und da könnte ich ja stattdessen auch rauchen, in der Zeit, ist ja das gleiche und meine Sache, ob ich pinkeln gehe oder rauchen, wenn ich doch muss. Kann keiner was sagen, sonst hätten sie das Wasser nicht hinstellen sollen, ich bin doch kein Pferd und es sind schon drei Stunden, auch wenn sonst keiner geht und es gab ja auch keine Agenda mit Pausen, und ich stehe auf und gehe.

Auf dem Flur, um die Ecke und ein Stück den Gang hinunter, da, wo man die Fenster aufmachen kann, stehen zwei Tische, und an dem einen stehen Leute, eine Frau und zwei Typen, und sie rauchen und ich kenne hier keinen und stelle mich an den anderen Tisch und hole eine Zigarette heraus und rauche auch und schaue zu ihnen hinüber und habe etwas zu tun, weil ich rauche, und darf deshalb hier stehen und hinübersehen, und es wäre unhöflich, ihnen den Rücken zuzudrehen, als würde ich sie kennen und ihnen den Rücken zudrehen, weil ich nichts mit ihnen zu tun haben will.

Sie erzählt und bewegt ihre Hände dabei und zieht nicht an ihrer Zigarette, und die Typen hören zu, und sie lachen manchmal, sagen aber nichts, und sie spricht und macht ihre kleinen Gesten. Die Typen sehe ich nur von hinten und ihre Schultern bewegen sich, wenn sie lachen, und sie sind grau und gleich. Sie, sie sehe ich genau, und sie ist dünn und hat keine Titten und erzählt die ganze Zeit, und hat gar nicht geraucht und drückt ihre Zigarette aus und redet weiter. Ihre Bluse hat einen weißen Kragen und sie hat sich diese Hose und diese Schuhe nicht ausgesucht und sie ist nicht schön, und wieder lachen sie und ich verstehe nicht, was sie sagt.

Ich lächle, und sie sieht mich lächeln und schaut gleich wieder zu den Typen, und hat schwarze Haare, glatt und weich, und sie schimmern im Licht, wenn sie sich bewegt. Ich verstehe sie immer noch nicht und ihre Nasenspitze bewegt sich, wenn sie spricht, und wird dabei etwas heller, und sie schaut die Typen noch ein einziges mal an und spricht nur noch für mich und weiß dabei, dass ich sie nicht höre und weiß überhaupt alles, und sie hat einen schönen Mund und ihre Augen glänzen und sie haben kleine Fältchen und sie spricht weiter und es ist ihr egal, ob die Typen etwas merken, und sie fickt mich mit ihren Augen und ihrem Mund und ihren Haaren und lässt sich von den Typen begaffen, wie sie mich fickt und ich sie auch ficke und wir nach dieser Zigarette auseinandergehen und uns nicht kennen werden.

 

Hej veermouth,

ich würde das Ganze gerne mal ohne die vielen und's lesen.
Ich kenne das von mir, wenn ich einfach so herunter schreibe, was mir gerade in den Sinn kommt, schleichen sich auch viele davon ein, womit ich Dir nicht unterstellen will, dass Du das getan hast, vielleicht sind sie auch Absicht - wenn ja, was glaubst Du damit zu erreichen?.
Nimm nur mal den ersten Absatz:

Zu lange schon, und ich will das nicht, weil ich es jetzt sowieso nicht kapieren werde und sie mir einfach die Unterlagen geben sollen und ich hier raus kann, und ich brauch das auch nicht, und wenn doch, ist es dann immer noch früh genug.

Oder:
Zu lange schon ... was genau und in Bezug zu was? die Konferenz, der Monolog des Abteilungsleiters, die Schulung zur Handhabung von PiPaPo-Software? Die Sonne, die blendet, der letzte Fick, das Leben?

Ich will das nicht, weil ich es jetzt sowieso nicht kapieren werde. Sie sollen mir einfach die Unterlagen geben, dann kann ich hier raus. Ich brauch das (auch) nicht und wenn doch, ist es dann ...wann? wenn er dann doch die Unterlagen bekommt, wennn er merkt dass er es trotzdem nicht schnalt, wenn die hilfsbereite Arbeitskollegin, die immer nur karierte Hemden trägt ihm wie üblich erklärt, was er verpennt hat?
immer noch früh genug.

Ich würde aussortieren und mehr Punkte machen.

Ich lächle, und sie sieht mich lächeln und schaut gleich wieder zu den Typen, und hat schwarze Haare,
Hier noch mal, weil es da so schön deutlich ist: "Sie sieht ... und hat schwarze Haare ... "
Warum setzt Du das in einen Zusammenhang? Die schwarzen Haare hat sie, ganz egal was sie sonst tut.

LG
Ane

 

Ich finde das passt - der Text erinnert mich an meine Gedanken, die, wenn sie aufgeschrieben würden, ganz ähnlich klingen.
ich glaube, dass hier ein innerer Monolog dargestellt wird und mir gefällt das Ziellose, das Leicht-Abgelenkte daran.

Das mit der scheißenden Fliege gefällt mir, ein nettes Bild - Sachen, die einem in den Kopf kommen, wenn man gelangweilt bei einem Vortrag sitzt.
"sie hat sich diese Hose und diese Schuhe nicht ausgesucht" - wir alle werden gezwungen, auf der Arbeit anders zu sein, als wir privat wären, und will ausreißen - Abenteuer erleben, die man dann in seiner Fantasie auslebt.

Ich glaube, wenn die Gedanken mit einzelnen, kurzen, abgehakten Sätzen dargestellt würden, nervte es mich mehr. So ist jeder Satz ein Absatz, eine Gedankenfolge, ein Abspulen von Eindrücken.

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LG Dea

 

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