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Die Wanderung des Malers Georges de la Foire

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10.09.2014
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Die Wanderung des Malers Georges de la Foire

„Selbstverständlich habe ich einen Zweitschlüssel, aber wenn Monsieur seinen Schlüssel von innen stecken lässt, nützt der mir nichts!“, zürnt Madame Brunier und fügt patzig hinzu: „Und Ihnen wohl auch nicht.“
„Ich muss das Schloss ausbauen, anders geht es nicht“, sagt der Mann in der blauen Latzhose und durchsucht seinen Werkzeugkasten.
„Ach, was Sie nicht sagen!“, spielt Madame ihre Rolle vor wachsendem Publikum etwas lauter und bissiger als nötig, denn sie möchte bei dieser Gelegenheit klarstellen, dass mit ihr nicht zu spaßen ist. Mittlerweile steht ein Dutzend Mieter im Treppenhaus. Die Leute sind neugierig, weil die Concierge nach ersten zaghaften Klopfversuchen dann kräftiger, beinahe brutal an die Tür des Künstlers gehämmert hat – ein Sakrileg in dieser geheiligten Zone der obersten Etage.
Der Mann in Blau versteht sein Handwerk und nach wenigen Minuten kann Madame Brunier die Räumlichkeiten betreten. Sie schiebt sich an ihm vorbei und schließt die Tür hinter sich.
Das metallische Schnappen und ihr markerschütternder Schrei fallen in die gleiche Sekunde.

Ein Portraitmaler, der Geld verdienen muss, ist meist verhandlungsbereit. Er weiß, wo die verehrte Kundschaft der Schuh drückt: das Doppel- oder Dreifachkinn verkleinern, die Krähenfüße um die Augen retuschieren, die Schlapplider straffen; mehr Feuer, mehr Esprit in den Blick – schließlich ist man in Frankreich, in Paris! Ginge das?
An manchen Tagen ginge das, an anderen nicht. Da würde Georges lieber die Staffelei zusammenklappen und sich seinem Lieblingsgetränk zuwenden – obwohl es gleichermaßen sein Hassgetränk ist. Dann schnauzt er seine überwiegend weibliche Kundschaft an, dass er mit Farbe male und nicht mit Schminke. Seine Pinsel seien nicht bestechlich und ohnehin könne er nur malen, was er sehe.
Laufkundschaft, Touristen. Morgen wollen andere ihrer Eitelkeit frönen, sind bereit, einen Zehner draufzulegen, in schwierigen Fällen auch einen Zwanziger. Doch trotz einiger künstlerischer Zugeständnisse nimmt die Kundschaft meist ohne ein Wort des Dankes, geschweige denn des Lobes, Georges' Werk entgegen. Insgeheim hofften sie, dass ein geschickter Maler sie vorteilhafter abbilden würde, als es ein Fotograf vermag. Und so geht leider ein Riss durch die Place du Tertre, weil Zufriedenheit auf beiden Seiten Zauberei wäre.

Georges de la Foire ist schlank und hochgewachsen. Starke Augenbrauen und eine schwarz gerahmte Brille markieren sein Gesicht; es wirkt streng, fast herrisch. Über die Jahre ist die Stirn höher geworden, im Nacken kräuselt sich Künstlerhaar und bedeckt den Kragen. Die winzigen weißen Flöckchen werden vom Schleifen der getrockneten Farbe herrühren.
Georges weiß, dass er begnadet ist und die Welt sich noch vor ihm verneigen wird. Das sollte auch die undankbare Kundschaft tun. Denn gleich, wie viel sie zahlt – es wird immer ein lächerlicher Preis sein für ein signiertes Werk von einem der größten Maler dieser Zeit, irgendwann das Hundertfache, gar das Tausendfache wert.

Jetzt im Oktober verlieren die Bäume ihre bunten Blätter - und die Maler ihre Kunden. Portraitmalen ist Saisongeschäft. Der Maler und Stadtmensch Georges ist von der Saison so abhängig wie Winzer, Gärtner, Bauer.
Montmartre kann zu dieser Zeit Le Havre sein, unsympathisch nördlich, mit Klatschregen und Eissplittern – der Tod für jedes Freiluft-Geschäft. An solchen Tagen bleibt die Kundschaft aus, die Staffelei zusammengeklappt und der Maler im Bett. Aber auch herrliche Tage kann es geben, wie im Süden, mit stiller, wärmender Sonne, die hineingeht in den Brustkorb und für großes Wohlbehagen sorgt.
Georges muss auf dieses gute Gefühl verzichten. Die grüne Fee macht ihm das Leben schwer, auch wenn Dichter behaupten, das Leben bekäme vom Absinth eine feierliche Färbung. Poetenschwätzer, ohne Ahnung von den Leiden der Betroffenen. Oder selbst Absinthsäufer, die ihre Krankheit rosa färben wollen.
Von der ‚feierlichen Färbung’ hat Georges noch nie etwas gespürt. Er ist Maler und empfindet eher ein Verbleichen der einst leuchtenden Farben seines Lebens und seiner Werke. Er nimmt nur den steten Druck wahr, mit dem ihm dieser Höllenfusel einen jeden seiner Tage peinigt. Wie lange sein Körper dieses Martyrium ertragen wird, wissen die Götter. Er steht auf, weil er trinken muss, er muss trinken, wenn er schlafen will. Und er trinkt, statt zu essen.
An einem vermeintlich südlichen Tag, der durch abrupten Nordwind zu einem Le-Havre-Tag umschlägt, steuert er durchfroren und unterzuckert - wie Georges das steil anwachsende Bedürfnis nach einem Schuss grünen Alkohols nennt - das „L'Argonaute“ an, diese unsägliche Kneipe mit den skurrilen Gästen.
Das Lokal ist berstend voll; das sieht er schon von außen. Dennoch drängt er sich hinein.
Ein sommersprossiger Feuerkopf erhebt sich, um an der Theke zu zahlen, und Georges lässt sich geschwind auf dessen Stuhl fallen.
„Hat ja gut geklappt“, meint sein Nachbar. Georges macht einen mächtigen Schnaufer: „Ja, kann man sagen. Ehm – ich glaube, wir kennen uns, so vom Ansehen?“
Der Kellner bringt das Übliche, der andere streckt Georges die Hand hin:
„Ich bin Hervé, ein etwas weniger begabter Kollege, wenn ich das so sagen darf. Ich hab dir mal über die Schulter geschaut: Ganz ordentliche Sachen, die du machst ... eigentlich zu gut für diese Idioten.“
„Ach, red’ kein Blech – wir malen doch alle nur Scheiße.“ Georges wischt sich den Mund und sagt etwas leiser: „Aber ich denke, wir könnten mehr. Wenn wir uns nicht jeden Tag aufs Neue verkaufen müssten, um über die Runden zu kommen ... Endlich mal das malen, was einen bewegt, wozu man sich berufen fühlt ...“.
Hervé schaut ihn mit seinen braunen Knopfaugen erstaunt an: „Berufen fühlst du dich? Wozu?“
Georges holt tief Luft und will das ‚Sich-berufen-Fühlen’ erklären, lässt es dann, sucht einfachere Themen und die zwei reden und reden, als ob sie nur darauf gewartet hätten, sich einmal richtig auszusprechen.
Der Kellner bringt die nächste Lage. Hervé wischt mit dem Taschentuch über seinen haarlosen Schädel und fragt: „Hast du Familie?“
Überraschend knapp kommt Georges Antwort: „Nein“.
„Dann wohnst du in einer Pension?“
„Ja, so ähnlich. Hotel Blanche, Rue Blanche. Aber sie wollen mehr Geld; ich werde mir was anderes suchen müssen.“
Hervé reibt sich die Augen: „Soll ich dir mal was sagen? Du brauchst ein neues Dach übern Kopf? Ich hab eins! Also fast. Wenn du `n bisschen mithilfst, ist die Hütte vorm Winter fertig.“

Wie Tiere in der Umtriebigkeit der Wintervorsorge rackern die beiden, trinken nur das Nötigste, um nicht verrückt zu werden. Die nackte Existenz drillt sie und die grüne Fee verliert vorübergehend die Befehlsgewalt.
Die Stammzelle von Hervés Residenz ist eine Mansarde, die er mit einem Anbau erweitert hat. Der gleicht einem Hühnerstall – auf dem flachen Dach eines fünfstöckigen Gebäudes. Statt die Maurer zu bestellen, hat er die Front im Rahmen seiner handwerklichen Fähigkeiten verglast, ganz im Sinne der Malerei, mit viel Licht, Transparenz, Freiheit und Raum. Ein schlimmes Provisorium, doch zum Malen ideal. Zum Wohnen eher schwierig, aber billig.

An einem Dezembertag steigt die Einweihungsparty.
Die beiden Herren haben ihren besten Zwirn angelegt, die Konturen ihrer Bärte geschärft und Georges hat allzu wilde Locken mit etwas Pomade gebändigt. Sie genehmigen sich einen kleinen Grünen; wie Jungens sind sie ein bisschen aufgeregt, weil gleich ihr Ehrengast erscheinen wird – Madame Brunier. Sie ist die Concierge, und ihr haben sie es zu verdanken, dass sie ihr ‚Atelier’ fertigstellen konnten.
Die beiden haben das Gefühl, dass ‚ihre Madame’ auch ein bisschen ihre Mutter ist. Die Baubehörde hat nichts erfahren vom Taubenschlag der Kunst hochdroben.
Eine Freude wollen sie ihr machen, indem sie ein samtenes Band quer gespannt haben, das ihre Gönnerin durchschneiden soll. Das ist bei wichtigen Projekten allgemein üblich – in Paris und anderswo.

Madame hat sich schön gemacht. Das letzte Konzert liegt so weit zurück, und der letzte Opernbesuch, damals mit Emile, ist fast vergessen. Doch heute rauscht Chiffon, sie ist immer noch eine ansehnliche Frau. Die grauen Ansätze ihres vollen Haares gehen in Tizianrot über, sie legt etwas Rouge auf, übermalt die Lippen ein wenig. Ihre Rundungen lassen darauf schließen, dass sie sahnige Ragouts und Süßes mag. Doch sie bringt anderes mit: Kartoffel-Gemüsesalat mit Rindfleisch und selbsteingelegte Anchovis mit harten Eiern und Kapern. Schön altmodisch, doch beinahe exklusiv bei einer Party für drei Personen.
Georges und Hervé nehmen ihr dankend die Schüsseln ab und reichen ihr stattdessen auf einem Damastkissen eine ausgeliehene Riesenschere. Hervé holt seine Kamera, um diesen historischen Moment für immer festzuhalten. Leider spielt das Blitzlicht nicht mit und die drei müssen diesen großen Augenblick in ihrem Gedächtnis bewahren.

Madame Brunier ist verwitwet, bekleidet ihr Amt mit Würde und ist bei allem, was sie tut, ein Beispiel für Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit. Eine Concierge ist Manager, Vertrauensperson, Babysitter, Ehevermittler, Friedensrichter, Sorgentante und Rezeptfundus.
Wenn die beiden Maler ihre Loge passieren, grüßen sie ihre Wohltäterin mit leichter Verbeugung und weit ausholender Armbewegung vom Herzen hin zu ihr: „Bonjour, Madame!“, sagt der eine, und der andere „Bonjour, maman!“ Da muss Madame an ihre beiden Jungen denken und würde am liebsten die ganze Flasche Lillet austrinken. Doch das kann dem Krieg nicht das Gottlose nehmen – auch wenn die Kanonen mit Weihwasser besprengt waren.

Irgendwann jedoch ist es vorbei mit dem Lachen, dem Herumalbern. Hervé baut entsetzlich ab. Der Doktor nuschelt etwas von einem Virus, vielleicht aus Höflichkeit. Georges besucht seinen Freund noch einmal im Krankenhaus – Zirrhose im Endstadium.

Hervés Tod nimmt ihn furchtbar mit. Er weiß, dass es auch ihn hätte treffen können. Georges brütet vor sich hin, verflucht die grünen Teufel und Feen. Würde geloben und schwören, nie mehr dieses Gift anzurühren, doch weiß er, dass er diese Kraft nicht aufbringen könnte.
Er kann an nichts anderes mehr denken als an seine Misere; die Stimmen in ihm werden lauter, drängender.
Georges zieht sich zurück von der Welt, igelt sich ein, lebt von seinen Ersparnissen. Er verbringt seine Zeit nur noch im Glashaus, lässt sich alles bringen und konzentriert sich auf seine Kunst. Er verspürt eine Flut in sich, nach langer Ebbe.
Etwas strömt in ihm, bewegt ihn mit aller Kraft, mit Schub und Sog. Endlich hat er sich befreit von dieser deprimierenden Auftragsmalerei; eine Visage nach der anderen ist einfach furchtbar.
Die Weite seiner normannischen Heimat tritt ihm vor Augen; er malt Meeresbilder – das abweisende Eisgrau von Le Havre, das blaue Traummeer von Cassis, mit all den Pinien und Zypressen. Unzufrieden mit den Ergebnissen, weiß er, dass er an Ort und Stelle den Elementen ins Auge blicken sollte.
Bleibt der Himmel. Und er spürt dessen Nähe, hört Stimmen in einer Sprache, die nur aus Vokalen besteht, die ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen ...
Georges de la Foire befindet sich schon geraume Zeit auf seiner Wanderung. Das Atelier ist nur Zwischenstation auf seiner langen Reise.
Er lebt in Welten jenseits dieser Erde, hat Visionen mit anderen Maßstäben. Seine Bilder werden größer; vier oder fünf Meter breit und drei in der Höhe. Sternenwelten, kosmische Themen – alles Herkömmliche sprengend.
Was schon gibt ihm dieser Planet? Klein lässt nur klein zu, für Großes ist kein Raum. Zwar ist Georges noch zugegen, doch gedanklich hat er dieses niedere Terrain schon längst verlassen.
Es widert ihn an – der ganze Tand und Schund, das Bornierte, allzu Menschliche. Angeekelt steigt er über all das hinweg: Engstirnigkeit, Geltungssucht, die Beschränktheit und den um sich greifenden Egoismus.
Hier oben, in dieser fast schon in die Stratosphäre ragenden Kanzel der Kunst kommen andere Maße mit anderen Bedeutungen ins Spiel – hier herrscht das Hehre, das Erhabene. Diese lächerlichen Glasscheiben können vor Wind und Regen schützen, doch nicht den Kontakt zwischen Mensch und All verhindern.
Georges' Bilder machen sprachlos. Sichtbar zwar, doch unbegreiflich, der atemnehmenden Tiefe wegen. Mit ihrem ätherischen Licht, nur mit Pinsel, Farbe und Georges' Genius kreiert, könnten sie als Vorlage dienen für Gottvaters Schöpfungen.

Der Zyklus ist vollendet. Das letzte Bild des Georges de la Foire ist die Krönung all seiner vorausgegangenen Werke: Ein geborstener Himmel liegt schwer auf dunklem Land; brutales, unwirkliches Licht zerteilt schwarze Wolkenballen. Der Künstler könnte nicht deutlicher die Schäbigkeit und Zerrissenheit der Erde und ihrer gierigen Bewohner darstellen.
Doch darüber gleißt die Verheißung! Blendend weiß, stärker als alle Sonnen, bändigt sie das Rumoren der Urkräfte. Es ist vollbracht, der kosmische Auftrag erfüllt.
Und tatsächlich, jetzt schreitet er daher – der größte Maler seiner Zeit, im Astrallicht der eigenen Schöpferkraft. Eine gewaltige Hintergrundmusik steigert sich zur Hymne auf die Kunst. Oboen fallen ein, Hornisten und Streicher komprimieren die Atmosphäre. Fanfaren verkünden den Sieg des Edlen und Schönen. Der Hocker kippt, seine Sandalen berühren nun nicht mehr den Boden, den schlüpfrigen, Basis aller irdischen Händel. Er gewinnt an Höhe, seine Konturen werden weich und zerfließen im Großen Licht.

 

Hej josefelipe,

dein Text ist schnell. Ich lese ihn auch so und vielleicht ist mir deshalb das Große, Schöne entgangen. Natürlich denke ich unentwegt an impressionistische Künstler, die sich während dieser Epoche in Paris tümmelten und durch dein Tempo und den auf mich nüchtern wirkenden Stil, wird die Geschichte um das verkannte Genie tatsächlich bunt. Dein Vokabular (Botox, Einweihungsparty, Babysitter) ist verwirrend, dachte ich doch wegen des Krieges und des Absinths an das frühe 20. Jahrhundert. Aber vielleicht spielst du damit und überträgst die Handlung ins Zeitlose.
Die Dialoge sind nötig, doch unpersönlich, auch stecken sehr viele Informationen und Andeutungen im Text, die ich gar nicht zuordnen kann. Alles läuft sehr schnell darauf hinaus, dem kursiven Beginn eine Bedeutung zu geben.
Es ist ein großes Unterfangen, die Psyche eines verkanntes Malers, seine weltliche Abneigung, resultierend wohl auch durch den Alkoholabusus, mit Sprache seine überdimensionierten Bilder darzustellen.

Er lebt in Welten jenseits dieser Erde, hat Visionen mit anderen Maßstäben. Seine Bilder werden größer; vier oder fünf Meter breit und drei in der Höhe. Sternenwelten, kosmische Themen – alles Herkömmliche sprengend.
Was schon gibt ihm dieser Planet? Klein lässt nur klein zu, für Großes ist kein Raum. Zwar ist Georges noch zugegen, doch gedanklich hat er dieses niedere Terrain schon längst verlassen.
Es widert ihn an – der ganze Tand und Schund, das Bornierte, allzu Menschliche. Angeekelt steigt er über all das hinweg: Engstirnigkeit, Geltungssucht, die Beschränktheit und den um sich greifenden Egoismus.
Hier oben, in dieser fast schon in die Stratosphäre ragenden Kanzel der Kunst kommen andere Maße mit anderen Bedeutungen ins Spiel – hier herrscht das Hehre, das Erhabene. Diese lächerlichen Glasscheiben können vor Wind und Regen schützen, doch nicht den Kontakt zwischen Mensch und All verhindern.
Georges Bilder machen sprachlos. Sichtbar zwar, doch unbegreiflich, der atemnehmenden Tiefe wegen. Mit ihrem ätherischen Licht, nur mit Pinsel, Farbe und Georges' Genius kreiert, könnten sie als Vorlage dienen für Gottvaters Schöpfungen.

Das ist schon passend, doch ich spüre die Unzulänglichkeit des Möglichen, was Sprache hier leisten kann. Ich könnte mir vorstellen, dass du sehr konzentriert gearbeitet hast und der gesamte Text darauf hinauslief.

Das ist nur ein Leseeindruck und nicht sonderlich fundiert. Entschuldige, wenn ich daneben liege.

Ich hätte mir, wie so oft, mehr Zeit und Raum für deine Sicht auf diese Maler gewünscht.

Freundlicher Gruß und vielen Dank, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Guten Morgen, José,

das Bild von Paris, das du beschreibst, habe ich noch in meiner Jugend erlebt, als ich als Au-pair-Mädchen für zwei Monate dort lebte. Nicht dass ich etwa in dem Milieu verkehrte, aber die Maler an den Seinebrücken sahen genau so aus, wie du sie hier auftreten lässt;) und ohne die Institution der Concierge wäre das Paris-Bild nicht komplett.

Ich habe meine Zweifel, ob das Paris von heute so noch existiert, vielleicht als malerische Kulisse für unverdrossene Pilger in die 'Hauptstadt der Liebe'.
Aber ich glaube auch gar nicht, dass es dir in erster Linie darum geht. Ich sehe eine Künstlerseele, die sich zu Höherem berufen fühlte und ihre Begabung im Absinth ertränkt hat. Immerhin behält Georges seine Visionen bis zum Schluss, macht sogar eine Anstrengung, ihnen ein solides bürgerliches Fundament zu schaffen. Eine solche Figur könnte ich mir auch in Wien vorstellen, dort wären es halt die Musiker.

Ich finde, es gibt einen schlimmeren Tod, als im Allmachts- und Schöpferwahn zu sterben. Es sind grandiose Bilder, die er zuletzt erschafft. Auch wenn du scheinbar distanziert deinem Protagonisten gegenüber erscheinst, als ein leicht ironischer Chronist, so spüre ich doch Sympathie, vielleicht auch Wahlverwandtschaft mit (d)einem verkannten Genie.

Wie immer ein Lesevergnügen und Anregung zum (Nach-)denken.

Herzlichst wieselmaus

 

Hallo José,

du scheinst ja in einer sehr produktiven Phase zu sein. Acht Geschichten schon dieses Jahr - beneidenswert! Ideen hätte ich ja auch genug, aber meine Zeit, sie aufzuschreiben, ist begrenzt.

Dein neues Werk ist sprachlich wieder mal über alle Zweifel erhaben (Winzigkeiten wie immer am Schluss), und auch die Idee gefällt mir gut. Ich merke allerdings an deiner Geschichte, was mal andere an einer der meinen angemerkt haben: dass es schwierig ist, ein Geschehen über lange Zeiträume in einer kurzen Geschichte erfolgreich zu vermitteln. In diesem Fall ist es vor allem das, was sich nach dem Einzug der beiden Künstler in ihr Mansardenatelier abspielt, was mir sehr gerafft vorkommt. Kaum sind sie drin, stirbt Hervé; kaum ist Hervé tot, verfällt Georges. Beides spielt sich im Grunde nur in je drei Sätzen ab. Ich hätte mir gewünscht, dass du auch dieses so bildhaft geschildert hättest wie das Geschehen zum Beginn und zum Ende. Aber natürlich hätte das den Text wesentlich länger gemacht und von deinen eigentlichen Schwerpunkten abgelenkt. Genau wie mein eigenes Problem damals.

Vom vorhandenen Text gefiel mir am besten der Beginn. Sehr bildhaft (haha) und einfühlsam. Am Ende hast du zwar den sich langsam steigernden Wahn gut dargestellt, aber von Georges' Werken habe ich keine Vorstellung entwickeln können, weil du zwar ihre Eigenschaften beschreibst, aber nicht ihr Motiv (bis auf das allerletzte). Kanji hat ja Ähnliches angemerkt. Der allerletzte Schluss hingegen war wieder sehr ergreifend: Abflug ins Unendliche mit einer Schlinge um den Hals? Das ist wohl folgerichtig, wenn man in seiner Kunst alles irdisch Mögliche bereits erreicht hat. Und das, ohne von den Zeitgenossen als das Genie (an)erkannt zu werden, das man ist oder für das man sich hält (der Unterschied verschwimmt, in deiner Geschichte wie in der Realität). Tragisch.

Die besagten Winzigkeiten:

zürnt Madame Brunier, und fügt patzig hinzu
Komma raus.

weil die Consièrge nach ersten zaghaften Klopfversuchen
Concierge (mit zwei C und ohne Akzent)

die Krähenfüße um die Augen retuschieren
Kein Fehler, aber der Stimmung zuliebe würde ich "retouchieren" vorschlagen. :)
Der Duden meidet diese Form zwar, aber geben tut es sie.

weil Zufriedenheit auf beiden Seiten Zauberei wäre.
.
Georges de la Foire ist schlank und hochgewachsen.
Warum der Punkt in der Leerzeile?

Oder selbst Absinthsäufer, die ihre Krankheit rosa färben wollen.
Die grüne Krankheit rosa färben? Nun ja ...

Er steht auf, weil er trinken muss, er muss trinken, wenn er schlafen will. Und er trinkt, statt zu essen.
Sehr prägnant. :thumbsup:

An einem vermeintlich südlichen Tag, der durch abrupten Nordwind zu einem Le Havre-Tag umschlägt
Le-Havre-Tag (durchkoppeln)

das „L`Argonaute“
L'Argonaute (der Apostroph ist dir auch an ein paar anderen Stellen verrutscht)

Georges macht einen mächtigen Schnaufer: „Ja, kann man sagen. Ehm – ich glaube, wir kennen uns, so vom Ansehen?“.
Schließender Punkt kann weg.

Kartoffel-Gemüsesalat mit Rindfleisch und selbsteingelegte Anchovis mit harten Eiern und Kapern.
War ja klar: Irgendwo musste etwas Essbares vorkommen ... :lol:

Er kann an nichts anderes mehr denken, als an seine Misere
Komma raus.

hört Stimmen in einer Sprache, die nur aus Vokalen besteht
Gefällt mir sehr gut, ich hör's fast selbst.

Georges Bilder machen sprachlos.
Georges' Bilder.

Wie immer sehr gern gelesen!

Grüße vom Holg ...

 

Hola Kanji,

herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar! Ein Schreibender fühlt sich geehrt, wenn sich ein lieber Mensch seines Textes annimmt.

... dein Text ist schnell.
Stimmt, kommt vom Kürzen und Verdichten. Von Haus aus bin ich eher beredt als zu knapp, doch diese Neigung beißt sich mit den Vorgaben für eine Kurzgeschichte. Was tun?

Dein Vokabular (Botox, Einweihungsparty, Babysitter) ist verwirrend, dachte ich doch wegen des Krieges und des Absinths an das frühe 20. Jahrhundert.
Oh ja – das ist wirklich verwirrend. Statt des Botox sagt er jetzt: „Ich male mit Farbe, nicht mit Schminke“. Hab’s gleich geändert, danke.
Bei ‚Party’ und ‚Babysitter’ hatte ich im Hinterkopf, dass die Franzosen gern englische Bezeichnungen übernehmen – ich glaube, das begann schon nach Kriegsende. Es gab ja auch schon einigen Ärger wegen der befürchteten Anglisierung der frz. Sprache.
‚Absinth’ halte ich für ein allgegenwärtiges, zeitloses Getränk – immer verfügbar, schlimmstenfalls auch für die künftigen Generationen.
Und die Erwähnung der zwei im Krieg gefallenen Söhne: Da geht’s bei mir bunt durcheinander, weil in jeder Geschichte etwas Persönliches steckt. Als ich mit Paris flirtete, war das in den Siebzigern / Achtzigern, und ich meine, dass ich beim Schreiben (unbewusst) die damalige Stadt vor Augen hatte.
Aber vielleicht spielst du damit und überträgst die Handlung ins Zeitlose.
Danke, sehr freundlich formuliert. Andrerseits, Paris als Ewige Stadt mit den immer gleichen Eigenschaften – warum nicht?
Alles läuft sehr schnell darauf hinaus, dem kursiven Beginn eine Bedeutung zu geben.
Ich wusste mir keinen anderen Rat: KG = KG:D.
Das ist nur ein Leseeindruck und nicht sonderlich fundiert. Entschuldige, wenn ich daneben liege.
Du liegst keinesfalls daneben, ganz im Gegenteil!

Ich hätte mir, wie so oft, mehr Zeit und Raum für deine Sicht auf diese Maler gewünscht.
Ich mir auch, wirklich. Vielleicht war es unklug, zu viel in eine (dafür) zu kurze Geschichte packen zu wollen. Soll mir eine Lehre sein!

Kanji, vielen Dank für die Hinweise und Tipps – das sind gute Vorgaben für die Kopfarbeit.

Beste Grüße
José

 

Hallo josefelipe

wieder ist es dir gelungen, mich in eine andere Welt zu entführen. Du hast mich am Arm gepackt und hineingezogen in die Welt der brotlosen Kunst.
Ich sah mich als Madames dreizehnter Mieter neugierig im Treppenhaus stehen, war mit Georges und Hervé im „L'Argonaute“ und hörte ihren Gesprächen zu und ich sah den grünlich schimmernden Absinth und roch seine Kräuter.

Ich fühlte mit dem Künstler, der sich als verkanntes Genie betrachtet und zitterte um ihn, da ich mir sein Ende bereits nach dem ersten Absatz ausmalen konnte. Allein der Weg zu diesem Ende kam mir zu plötzlich, hat mich zu wenig berührt. Gerade noch feiern Georges und Hervé mit Madame Einweihung, schon erkrankt Herve, stirbt und auch Georges steuert schon auf sein letztes Stündlein zu. Nach der langsamen Einführung in den Text, war mir das zu abrupt.

Der letzte schöpferischen Wahn des Georges hast du zwar gut beschrieben, doch hier hat es nicht funktioniert, dass ich seine Werke vor Augen hatte. Du beschreibst mehr den Weltschmerz und Ekel deines Protagonisten, als seine Bilder. Doch das ist vielleicht von dir so gewollt.

Hier noch Anmerkungen zum Text:

Das erste, was ich im Forum gelernt habe war, dass man Ausrufezeichen sparsam verwenden und nur dann setzt, wenn der Satz einen anschreien soll. Du hast in deinem Text einige dieser Zeichen an Stellen gesetzt, die dem nicht zutreffen.

Jetzt im Oktober verlieren die Bäume ihre bunten Blätter - und die Maler verlieren ihre Kunden.
Auf das hintere "verlieren" könnte man verzichten.

Der Maler und Stadtmensch Georges ist von der Saison so abhängig wie Winzer, Gärtner, Bauern?
Das ? verstehe ich nicht.

… steuert er durchfroren und unterzuckert (wie Georges das steil anwachsende Bedürfnis nach einem Schuss grünen Alkohols nennt) das „L'Argonaute“ an, diese unsägliche Kneipe mit den skurrilen Gästen.
ich weiß nicht, ob es hierfür auch Regeln gibt aber ich finde es unschön in einer Geschichte Klammern zu benutzen. Es gibt andere Möglichkeiten, den Gedankenstrich zum Beispiel.

… und Georges hat allzu wilde Locken mit etwas Pomade gebändigt.
hier stimmt was nicht. Entweder "hat" raus nehmen oder ein "hat seine" draus machen.

Lieber josefelipe, ich wünsche dir einen schönen Tag und sende viele Grüße
Tintenfass

 

Hola wieselmaus,

mit Deinem Kommentar zeigst Du, wie Klasse und Stil im Alltag aussehen:

... und ohne die Institution der Concierge wäre das Paris-Bild nicht komplett.

Du hast vornehm darauf verzichtet, über meine Unkenntnis zu triumphieren, sondern die vermaledeite Consièrge schlicht und einfach richtig geschrieben. Danke schön.

... das Bild von Paris, das du beschreibst, habe ich noch in meiner Jugend erlebt, als ich als Au-pair-Mädchen für zwei Monate dort lebte.
Das imponiert mir. Raus aus der Versorgtheit – hinein ins Leben. Könnte mir gut vorstellen, dass Du Dich damals infiziert und seitdem Paris nie aus den Augen verloren hast. Das ist eine wertvolle Sache.

... die Maler an den Seinebrücken sahen genau so aus, wie du sie hier auftreten lässt
Ich habe meine Zweifel, ob das Paris von heute so noch existiert, vielleicht als malerische Kulisse ...
Oh mei, seit fast zwanzig Jahren war ich nicht mehr in Paris – und hab’s auch gar nicht so schmerzlich vermisst. Ich hatte bei meinen letzten Besuchen eher an die Hauptstadt der Autos als an die der Liebe gedacht. Aber als jungen Mann hat es mich schwer beeindruckt.
Auch wenn du scheinbar distanziert deinem Protagonisten gegenüber erscheinst, als ein leicht ironischer Chronist, so spüre ich doch Sympathie, vielleicht auch Wahlverwandtschaft mit (d)einem verkannten Genie.
Hihi, das hast Du fabelhaft gesagt! In schwachen Momenten könnte ich alle Sonderlinge an mein großes Herz drücken. Eigentlich bin ich auch ein Traumtänzer, der nur immer unglaublichen Massel gehabt hat.

Wieselmaus, vielen Dank für Deinen – wie immer – ins Schwarze treffenden Kommentar.
Ich wünsche Dir prächtige Sommertage!

José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola@The Incredible Holg,

besten Dank für Dein Investment an Aufmerksamkeit und Zeit.

... du scheinst ja in einer sehr produktiven Phase zu sein.
Sieht nur so aus. Ich hab einen ganzen Überseekoffer voller Geschichten, da muss ich nur eine rausziehen. (Es ist allerdings so, dass die Überarbeitung mehr Zeit in Anspruch nimmt als das Neuschreiben – und dann hat die fertige Geschichte auch nicht mehr viel mit der ursprünglichen zu tun.)
Ideen hätte ich ja auch genug, aber meine Zeit, sie aufzuschreiben, ist begrenzt.
Sei nicht so ungeduldig! Eines hoffentlich noch fernen Tages bist Du so alt wie ich und dann kriegst Du auch Dein Zeitmanagement auf die Reihe.
... dass es schwierig ist, ein Geschehen über lange Zeiträume in einer kurzen Geschichte erfolgreich zu vermitteln.
Schwierig ist gar kein Ausdruck. Meine Geschichten sind eigentlich länger – und dann fließt meist (mein Herz-)Blut beim Amputieren. Aber ich erbringe dieses Opfer, damit ich nicht der Redundanz geziehen werde. Leider gibt’s dann andere Probleme.
Ich hätte mir gewünscht, dass du auch dieses so bildhaft geschildert hättest wie das Geschehen zum Beginn und zum Ende. Aber natürlich hätte das den Text wesentlich länger gemacht und von deinen eigentlichen Schwerpunkten abgelenkt.
Das ist der Punkt; es bleibt bei ‚schwierig’.
Auch wenn uns unsere Kurzgeschichten nicht wie angestrebt gelingen, so denke ich doch, dass wir uns ehrenhaft und ernsthaft bemühen, den bestmöglichen Text zu finden. Und die Unzufriedenheit wegen des verfehlten Ziels ist Ansporn für den nächsten Start.
... von Georges' Werken habe ich keine Vorstellung entwickeln können, weil du zwar ihre Eigenschaften beschreibst, aber nicht ihr Motiv (bis auf das allerletzte).
Tja, siehe oben – da bin ich machtlos. Im ursprünglichen Text könnte man das nachlesen, aber der ist teilweise verblutet. Soll aber nicht dramatisch klingen, denn je länger ich bei den WKs bin, desto mehr gefällt mir die Kurzgeschichte. Und ich denke, dass mir schon bei der Grundidee klar sein sollte, dass ich eine KG schreibe – und eben keine Erzählung.
... (der Unterschied verschwimmt, in deiner Geschichte wie in der Realität). Tragisch.
Haste fein gesagt. Bei Philosophischem gehe ich gern auf Tauchstation – und doch fasziniert es mich (wenn nicht allzu sehr geschwurbelt wird).

So, und jetzt hab ich lang genug um meine Peinlichkeit des Jahres herumgeredet:

Concierge (mit zwei C und ohne Akzent)
Da ist mir, als ob ich ohne Hose über den Marktplatz laufe.
Aber ich mach’s mal so: Hosen sind out, vorgestrig. Habt Ihr nicht gehört?
‚Consièrge’ ist demnach die weibliche Form von Concierge, denn es kann nicht angehen, dass sich moderne Frauen unter der männlichen Bezeichnung ihres Berufsstandes ducken, und ich habe bereits eine Petition an diedendas - besser 'de' - UNO-Beauftragte für Gender & Gender geschickt.
Mann eh – das ist mir echt durchgegangen. Hab mich schon früh mit franz. Sprache (durch Anstoß meiner Mutter, deren Ehrgeiz ich leider nicht geerbt habe) beschäftigen müssen, aber dieses Wort habe ich noch nie schreiben müssen – und es wäre ja auch unsinnig, dass ich mal die Gugls befrage, wie es denn richtig wäre, schließlich ‚kann’ ich französisch.
... die Krähenfüße um die Augen retuschieren
Kein Fehler, aber der Stimmung zuliebe würde ich "retouchieren" vorschlagen
Ei nee, obwohl Du recht hast. Ich will immer aufpassen, dass mir meine minimalen Fremdsprachenkenntnisse und ein paar angelesene Fremdwörter nicht den Text kaputtmachen. Ich und andere haben die Neigung, unsere fremdsprachlichen Brillanten ganz zwanglos unter unsere Texte zu streuen, bedenken aber nicht, dass es unbedarfte Leser verprellen könnte.

Die grüne Krankheit rosa färben? Nun ja ...
Ich sag’s mal mit Rüdiger Hoffmann: Ich weiß ja nicht, ob Du es weißt ... Jedenfalls hab ich mich mehr um Wein als um Killergetränke gekümmert. Doch hier in Ungarn steht gleichberechtigt Absinth Rosa neben Giftgrün in den Regalen – demnach wäre es denkbar, dass ...
Kartoffel-Gemüsesalat mit Rindfleisch und selbsteingelegte Anchovis mit harten Eiern und Kapern.
War ja klar: Irgendwo musste etwas Essbares vorkommen ...
Ja schon, doch minimaler ging’s nicht. Scheint ein Fluch zu sein.
... hört Stimmen in einer Sprache, die nur aus Vokalen besteht
Gefällt mir sehr gut, ich hör's fast selbst.
Tatsächlich, da muss ich mich selbst loben, denn mir geht es ebenso. Aber manchmal hab ich so Ideen – und dann zweifle ich: Ist das wirklich deine Idee oder hast du das irgendwo aufgeschnappt, zwanzig Jahre auf Halde gelegt und jetzt ...?

Die von Dir so bezeichneten „besagten Winzigkeiten“ hatte ich gleich nach Empfang Deines Posts verbessert, vielen Dank dafür.

Holg, habe auch dieses Mal die Ehre – bleiben wir stark und lassen wir es uns gut gehen!
José
PS: Kleines technisches Problem - erst hat's gehakelt, dann kommt's doppelt. Schade um das schöne Papier!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola@The Incredible Holg,

besten Dank für Dein Investment an Aufmerksamkeit und Zeit.

... du scheinst ja in einer sehr produktiven Phase zu sein.
Sieht nur so aus. Ich hab einen ganzen Überseekoffer voller Geschichten, da muss ich nur eine rausziehen. (Es ist allerdings so, dass die Überarbeitung mehr Zeit in Anspruch nimmt als das Neuschreiben – und dann hat die fertige Geschichte auch nicht mehr viel mit der ursprünglichen zu tun.)
Ideen hätte ich ja auch genug, aber meine Zeit, sie aufzuschreiben, ist begrenzt.
Sei nicht so ungeduldig! Eines hoffentlich noch fernen Tages bist Du so alt wie ich und dann kriegst Du auch Dein Zeitmanagement auf die Reihe.
... dass es schwierig ist, ein Geschehen über lange Zeiträume in einer kurzen Geschichte erfolgreich zu vermitteln.
Schwierig ist gar kein Ausdruck. Meine Geschichten sind eigentlich länger – und dann fließt meist (mein Herz-)Blut beim Amputieren. Aber ich erbringe dieses Opfer, damit ich nicht der Redundanz geziehen werde. Leider gibt’s dann andere Probleme.
Ich hätte mir gewünscht, dass du auch dieses so bildhaft geschildert hättest wie das Geschehen zum Beginn und zum Ende. Aber natürlich hätte das den Text wesentlich länger gemacht und von deinen eigentlichen Schwerpunkten abgelenkt.
Das ist der Punkt; es bleibt bei ‚schwierig’.
Auch wenn uns unsere Kurzgeschichten nicht wie angestrebt gelingen, so denke ich doch, dass wir uns ehrenhaft und ernsthaft bemühen, den bestmöglichen Text zu finden. Und die Unzufriedenheit wegen des verfehlten Ziels ist Ansporn für den nächsten Start.
... von Georges' Werken habe ich keine Vorstellung entwickeln können, weil du zwar ihre Eigenschaften beschreibst, aber nicht ihr Motiv (bis auf das allerletzte).
Tja, siehe oben – da bin ich machtlos. Im ursprünglichen Text könnte man das nachlesen, aber der ist teilweise verblutet. Soll aber nicht dramatisch klingen, denn je länger ich bei den WKs bin, desto mehr gefällt mir die Kurzgeschichte. Und ich denke, dass mir schon bei der Grundidee klar sein sollte, dass ich eine KG schreibe – und eben keine Erzählung.
... (der Unterschied verschwimmt, in deiner Geschichte wie in der Realität). Tragisch.
Haste fein gesagt. Bei Philosophischem gehe ich gern auf Tauchstation – und doch fasziniert es mich (wenn nicht allzu sehr geschwurbelt wird).

So, und jetzt hab ich lang genug um meine Peinlichkeit des Jahres herumgeredet:

Concierge (mit zwei C und ohne Akzent)
Da ist mir, als ob ich ohne Hose über den Marktplatz laufe.
Aber ich mach’s mal so: Hosen sind out, vorgestrig. Habt Ihr nicht gehört?
‚Consièrge’ ist demnach die weibliche Form von Concierge, denn es kann nicht angehen, dass sich moderne Frauen unter der männlichen Bezeichnung ihres Berufsstandes ducken, und ich habe bereits eine Petition an diedendas - besser 'de' - UNO-Beauftragte für Gender & Gender geschickt.
Mann eh – das ist mir echt durchgegangen. Hab mich schon früh mit franz. Sprache (durch Anstoß meiner Mutter, deren Ehrgeiz ich leider nicht geerbt habe) beschäftigen müssen, aber dieses Wort habe ich noch nie schreiben müssen – und es wäre ja auch unsinnig, dass ich mal die Gugls befrage, wie es denn richtig wäre, schließlich ‚kann’ ich französisch.
... die Krähenfüße um die Augen retuschieren
Kein Fehler, aber der Stimmung zuliebe würde ich "retouchieren" vorschlagen
Ei nee, obwohl Du recht hast. Ich will immer aufpassen, dass mir meine minimalen Fremdsprachenkenntnisse und ein paar angelesene Fremdwörter nicht den Text kaputtmachen. Ich und andere haben die Neigung, unsere fremdsprachlichen Brillanten ganz zwanglos unter unsere Texte zu streuen, bedenken aber nicht, dass es unbedarfte Leser verprellen könnte.

Die grüne Krankheit rosa färben? Nun ja ...
Ich sag’s mal mit Rüdiger Hoffmann: Ich weiß ja nicht, ob Du es weißt ... Jedenfalls hab ich mich mehr um Wein als um Killergetränke gekümmert. Doch hier in Ungarn steht gleichberechtigt Absinth Rosa neben Giftgrün in den Regalen – demnach wäre es denkbar, dass ...
Kartoffel-Gemüsesalat mit Rindfleisch und selbsteingelegte Anchovis mit harten Eiern und Kapern.
War ja klar: Irgendwo musste etwas Essbares vorkommen ...
Ja schon, doch minimaler ging’s nicht. Scheint ein Fluch zu sein.
... hört Stimmen in einer Sprache, die nur aus Vokalen besteht
Gefällt mir sehr gut, ich hör's fast selbst.
Tatsächlich, da muss ich mich selbst loben, denn mir geht es ebenso. Aber manchmal hab ich so Ideen – und dann zweifle ich: Ist das wirklich deine Idee oder hast du das irgendwo aufgeschnappt, zwanzig Jahre auf Halde gelegt und jetzt ...?

Die von Dir so bezeichneten „besagten Winzigkeiten“ hatte ich gleich nach Empfang Deines Posts verbessert, vielen Dank dafür.

Holg, habe auch dieses Mal die Ehre – bleiben wir stark und lassen wir es uns gut gehen!
José

 

Hallo josefelipe,

mit vielen kleinen Floskeln und Umschreibungen beschreibst du den Alltag eines Pariser Malers, dessen Leben und finanzielles Überleben du in einen schönen Zusammenhang mit den Problemen der jeweiligen Kundschaft stellst. Teilweise kommen mir die Formulierungen und Ausarbeitung der Sätze bekannt vor, und doch schaffst du es, eine einmalige Atmosphäre zu erschaffen. Schön - soetwas gefällt mir! Ich glaube am Anfang dieser Reihe an Kommentaren und Antworten wurde irgendwo einmal das Wort "zeitlos" verwendet. Es ist, bezogen auf deinen Text, sicher das passendste, was mir in diesem Zusammenhang einfällt. Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen!

SCFuchs

 

Hola Tintenfass,

gute Nachrichten kommen von Dir. Es freut mich sehr, wenn ich lese:

Ich sah mich als Madames dreizehnter Mieter ...
Ich fühlte mit dem Künstler, ...
Da hab ich wohl die richtige Tonlage erwischt. Allerdings empfindest Du wie andere Kommentatoren ebenfalls:

Allein der Weg zu diesem Ende kam mir zu plötzlich, ...
Ja, ich habe dieses Problem erkannt – leider sehe ich nicht die Lösung, denn es wird so herauskommen, wie es The Incredible Holg beschreibt:
Aber natürlich hätte das den Text wesentlich länger gemacht und von deinen eigentlichen Schwerpunkten abgelenkt.

Auch hier hakelt es:
Du beschreibst mehr den Weltschmerz und Ekel deines Protagonisten, als seine Bilder.
Ich will mich nicht hinter Ausreden verstecken, doch bei den (für eine KG notwendigen) Kürzungen des ursprünglichen Textes ist nur dies übriggeblieben:
Seine Bilder werden größer; vier oder fünf Meter breit und drei in der Höhe. Sternenwelten, kosmische Themen – alles Herkömmliche sprengend.
Ich hielt es für vorteilhafter, mich auf den Prot zu konzentrieren.

... Ausrufezeichen sparsam verwenden und nur dann setzt, wenn der Satz einen anschreien soll.
(Hier fehlt eigentlich ein Ausrufezeichen:D.) Aber ernsthaft: Die verwende ich wirklich zu großzügig; habe sie durch Punkte ersetzt – hier hast Du uneingeschränkt recht. Auch in Zukunft will ich das lassen, danke.
Jetzt im Oktober verlieren die Bäume ihre bunten Blätter - und die Maler verlieren ihre Kunden.
Auf das hintere "verlieren" könnte man verzichten.
Stimmt - hab’s geändert.
Der Maler und Stadtmensch Georges ist von der Saison so abhängig wie Winzer, Gärtner, Bauern?
Das ? verstehe ich nicht.
Vielleicht wirkt es nicht so merkwürdig mit der Antwort im nächsten Satz:
Der Maler und Stadtmensch Georges ist von der Saison so abhängig wie Winzer, Gärtner, Bauern? Ja - verrückt, aber nicht zu ändern.
... ich weiß nicht, ob es hierfür auch Regeln gibt aber ich finde es unschön in einer Geschichte Klammern zu benutzen. Es gibt andere Möglichkeiten, den Gedankenstrich zum Beispiel.
Das war blöd von mir. Schon beim Schreiben fiel mir das auf; keine Ahnung, warum ich das so gelassen habe.
Die beiden Herren haben ihren besten Zwirn angelegt, die Konturen ihrer Bärte geschärft und Georges hat allzu wilde Locken mit etwas Pomade gebändigt.
hier stimmt was nicht. Entweder "hat" raus nehmen oder ein "hat seine" draus machen.
Ich folge Deinen Anweisungen, zweite Variante:
Die beiden Herren haben ihren besten Zwirn angelegt, die Konturen ihrer Bärte geschärft und Georges hat seine allzu wilden Locken mit etwas Pomade gebändigt.
Jawohl, so ist es besser (kein Ausrufezeichen!).

Tintenfass – ich danke Dir für das Beschäftigen mit meinem Text, das hat mir was gebracht.
Ich wünsche Dir weiterhin tolle Sommertage und schicke Grüße
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo josefelipe

du hast gestern Abend geschrieben:

Ich will mich nicht hinter Ausreden verstecken, doch bei den (für eine KG notwendigen) Kürzungen des ursprünglichen Textes ist nur dies übriggeblieben …

Was sind für eine KG notwendige Kürzungen? Was weiß man über die Länge einer KG? Im Internet bin ich nicht fündig geworden. Mal heißt es so, mal so. Eine KG scheint nicht an einer tatsächlichen Länge ausgemacht zu werden. Keine Vorgabe für Höchstanzahl von Worten, Zeichen oder Normseiten.

Kürzungen nehme ich daher nur dann vor, wenn ich die Frage: "Ist das wirklich für die Geschichte von Bedeutung?", mit "Nein" beantworten kann. Die Entscheidung spiegelt mein Empfinden wider. Manchen Lesern mag das zusagen, andere vermissen etwas. Aber so ist es halt - man kann es nicht jedem recht machen. Im Leben nicht und in der Kurzgeschichte auch nicht.
Ich habe für mich beschlossen, Darlings zu killen - aber nur, wenn ich damit auch leben kann. Ich würde nichts kürzen, was mir persönlich am Herzen liegt.
Ich weiß nicht, wie es bei dir war, als du dich für deine Kürzungen entschieden hast. Aber wenn dir dein Herz blutet, dann nimm es wieder rein.

Lieber Gruß
Tintenfass

 

Hola@SCFuchs,

das Wichtigste zuerst:

Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen!
Ist schon verbucht, auf der ‚Haben’-Seite. Danke schön.

Ich glaube am Anfang dieser Reihe an Kommentaren und Antworten wurde irgendwo einmal das Wort "zeitlos" verwendet. Es ist, bezogen auf deinen Text, sicher das passendste, was mir in diesem Zusammenhang einfällt.
Das trifft wohl auch den Nagel auf den Kopf: Ich bin nicht mehr ganz frisch, und meine Paris-Erinnerungen auch nicht, andrerseits sind die Maler heute genau so emsig wie seinerzeit und wohl auch in aller Zukunft. Die leben wie auf einer Zeit-Insel, müssen eine Lizenz haben und sollten aus geschäftlichen Gründen auch ihr Äußeres beibehalten. Paris musste ja schon einige Zugeständnisse an die moderne Zeit machen, desto wichtiger ist die Pflege dieser alten Künstler-Kultur.
Beim heutigen Tempo hat ‚zeitlos’ den Wert eines Adelstitels – und selbstverständlich passt das zu meiner Absicht, durch diese Kurzgeschichte ebenfalls zeitlos, um nicht zu sagen unsterblich zu werden. Aber das ist nur so ein Nebengedanke:D.

Schöne Grüße!
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola@Tintenfass noch einmal!

Was sind für eine KG notwendige Kürzungen? Was weiß man über die Länge einer KG?
Eine KG scheint nicht an einer tatsächlichen Länge ausgemacht zu werden. Keine Vorgabe für Höchstanzahl von Worten, Zeichen oder Normseiten.

Das würde den Spaß am und beim Schreiben mächtig dämpfen. Wollen wir hoffen, dass Brüssel nichts davon erfährt – sonst ... kommt ein amtliches Schreiben: Sehr geehrte Frau Tintenfass, leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Ihre KG 16 Zentimeter zu lang ist.
Wir haben uns erlaubt, besagte 16 Zentimeter zu schwärzen.
Ich weiß nicht, wie es bei dir war, als du dich für deine Kürzungen entschieden hast.
Ziemlich einfach. Bin eine alte Schwatztante, könnte beim Thema Paris noch tausend Nebensächlichkeiten einflechten, ohne es beim Schreiben zu bemerken. Im Nachhinein sehe ich dann selbst, wo ich gelandet bin – da hilft nur Kürzen (Aber im Tagebuch würde ich es stehen lassen, leider schreib ich keins).
Aber wenn dir dein Herz blutet, dann nimm es wieder rein.
Jou, da sind wir bei den Tschiwahwahs (schreibe ich immer so):
Ich habe für mich beschlossen, Darlings zu killen - aber nur, wenn ich damit auch leben kann.
Da bin ich ganz bei Dir:)- mit kleinen Einschränkungen. Wenn ich für mich etwas beschließe, weiß ich nach zehn Minuten nichts mehr davon. Mein Bauch ist mein Hirn. Furchtbar und gefährlich, kann aber auch amüsant und überraschend sein. Jedenfalls würde ich mir nicht so arg in meinen Text hineinreden lassen, was Du ja auch sagst:
Ich würde nichts kürzen, was mir persönlich am Herzen liegt.
Wäre ja auch merkwürdig, wenn man sich verleugnen würde, oder gar müsste. Ich versuche immer, eine Prise Ernsthaftigkeit im Text unterzubringen – diesmal waren es die gesegneten Kanonen. Jedoch will ich nicht penetrant sein; das Lesevergnügen steht oben an.

Liebe Tintenfass, Deinen Zeilen entnehme ich, dass Du ein ganz netter und nachdenklicher – und deshalb von mir hochgeschätzter – Mensch bist. Ich hoffe, dass wir uns wieder mal über den Weg laufen.

Sommerliche Grüße!
José

 

Hallo @josefelipe,

Deine letzte Nachricht kann ich nicht unkommentiert lassen – zu sehr hat sie mich erfreut.

Kommentare von Dir lesen ich ebenso gerne wie Deine Geschichten. Immer schreibst Du sehr respektvoll und bildhaft. Dabei bist Du witzig und obendrein sehr charmant.

Es hat mich erleichtert zu hören, dass Du in puncto Kürzungen eine Lösung für Dich gefunden hast. Ich meinte Dich schon haareraufend und verzweifelt in meinem Computer gesehen zu haben. (Ist übrigens interessant, wie man sich die Menschen vorstellt, von denen man nur den Nutzernamen kennt. Gottseidank äh Leider kann ich nicht gut zeichnen. Sonst ... :Pfeif:

Eine Schwatztante zu sein ist nicht unbedingt das Schlechteste – wenn solch schöne Geschichten dabei herauskommen.

Lieber José, es hat mich gefreut nochmal von Dir zu hören und ich bin gespannt, was Du als Nächstes aus Deinem Überseekoffer zaubern wirst.

Ich wünsche Dir einen schönen Abend und sende herzliche Grüße

Tintenfass

 

Ich habe den Text jetzt mit dem ursprünglichen Schlusssatz versehen. Es ist nur ein Satz, doch der nimmt der Geschichte das pompöse Ende. Vielleicht hätte ich ihn gar nicht erst weglassen sollen.

José

 

Hej josefelipe,

gab's den Satz jetzt echt vorher? Vor was? Habe ich den lesen können? Ich erinnere mich gar nicht.:hmm:

Er erschüttert mich. Ist brutal und reißt mich aus der Zeit. Aber 'so what'. Ist eine Ansage und ändert so ziemlich alles.
Mir hätte es dann schon besser gefallen, wenn es sich herausgestellt hätte, dass es sich um die aktuelle Zeit handeln würde. Das hätte aber vermutlich einiges an Arbeit bedeutet.

Freundlicher Gruß, Kanji

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hola josefelipe

Ich habe vor allem den Anfang des Textes sehr gerne gelesen, fühlte mich in Frankreich, sah Georges vor mir, spürte sein Leiden als Künstler, der einen Job macht. Danach zieht das Tempo der Geschichte merklich an, sie wird fast im Zeitraffer erzählt. Das ist zwar gut gemacht, dennoch hatte ich an einigen Stellen den Eindruck, ich lese eine Zusammenfassung eines Textes und wurde etwas wehmütig, weil ich doch gerne den Text dahinter auch gelesen hätte. Am deutlichsten war dieser Eindruck hier:

Irgendwann jedoch ist es vorbei mit dem Lachen, dem Herumalbern. Hervé baut entsetzlich ab. Der Doktor nuschelt etwas von einem Virus, vielleicht aus Höflichkeit. Georges besucht seinen Freund noch einmal im Krankenhaus – Zirrhose im Endstadium.
Hervés Tod nimmt ihn furchtbar mit. Er weiß, dass es auch ihn hätte treffen können. Georges brütet vor sich hin, verflucht die grünen Teufel und Feen. Würde geloben und schwören, nie mehr dieses Gift anzurühren, doch weiß er, dass er diese Kraft nicht aufbringen könnte.
Er kann an nichts anderes mehr denken als an seine Misere; die Stimmen in ihm werden lauter, drängender.
Georges zieht sich zurück von der Welt, igelt sich ein, lebt von seinen Ersparnissen. Er verbringt seine Zeit nur noch im Glashaus, lässt sich alles bringen und konzentriert sich auf seine Kunst.

Also ich denke, der Text könnte noch mehr Raum vertragen, da steckt doch noch so viel drin, in dieser Lebensgeschichte. Du merkst, diese Kritik ist eigentlich ein Kompliment.

Jetzt im Oktober verlieren die Bäume ihre bunten Blätter - und die Maler ihre Kunden. Portraitmalen ist Saisongeschäft. Der Maler und Stadtmensch Georges ist von der Saison so abhängig wie Winzer, Gärtner, Bauern? Ja - verrückt, aber nicht zu ändern.
Montmartre kann zu dieser Zeit Le Havre sein, unsympathisch nördlich, mit Klatschregen und Eissplittern – der Tod für jedes Freiluft-Geschäft. An solchen Tagen bleibt die Kundschaft aus, die Staffelei zusammengeklappt und der Maler im Bett.

Das ist mir zu redundant, vielleicht kannst du hier noch etwas ausmisten.

Georges muss auf dieses gute Gefühl verzichten. Die grüne Fee aus den Absinthflaschen macht ihm das Leben schwer, auch wenn Dichter behaupten, das Leben bekäme vom Absinth eine feierliche Färbung.

Kann weg, du erklärst ja anschliessend, was die grüne Fee ist.

Die grüne Fee aus den Absinthflaschen macht ihm das Leben schwer, auch wenn Dichter behaupten, das Leben bekäme vom Absinth eine feierliche Färbung. Poetenschwätzer, ohne Ahnung von den Leiden der Betroffenen. Oder selbst Absinthsäufer, die ihre Krankheit rosa färben wollen.

Mir würde „schön reden wollen“ besser gefallen, denn die Färbung hast du schon und das rosa beisst sich mit dem grün – zumindest für mich.

Der Zyklus ist vollendet. Das letzte Bild des Georges de la Foire ist die Krönung all seiner vorausgegangenen Werke

Die letzte Schaffensphase, die Apotheose des Künstlers, hat mir ausgesprochen gut gefallen. Für mich ein Beispiel dafür, dass schwärmerischer Stil eben auch funktionieren kann – wenn man’s kann.

Ich nehme den letzten Schluck und ziehe den Stecker aus der Wand, weil die Fernbedienung kaputt ist.

Der letzte Satz. Ich habe ihn sofort wieder aus meinem Gedächtnis gestrichen. Ich finde, er macht die Geschichte kaputt, er relativiert die Geschichte, von der wir ja alle bereits wissen, dass sie Fiktion ist. Ich habe mich verschaukelt gefühlt.

Dennoch, du hast es gemerkt, habe ich die Geschichte gern gelesen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jose,
ich bin noch neu hier und versuche mich mal an einem Kommentar. Ausgerechnet deinen Text hab ich mir ausgesucht, zu dem schon sooo viele was gesagt haben;)
Aber ich kann nicht anders, so sehr gefällt mir deine Geschichte!

Schon der Anfang, der erste Satz tut, was er tun soll, er zieht den Leser sofort in die Geschichte. Ich stehe unten auf dem Treppenabsatz bei den Gaffern und sehe und höre den Herrn mit dem Blaumann und die rundliche Consierge, die in meiner Vorstellung eben rundlich ist, weil das dem Klischee entspricht, aber das macht gar nichts.
Wie so vieles, was in deiner Geschichte vorkommt dem Klischee entspricht und ich denke, genau das ist die Kunst: Das macht nichts! Die Geschichte ist trotzdem toll!!!
Ich freue mich immer so, wenn ich solche Sachen lese. Sätze, die ich einfach lieben muss, die den Inhalt der Geschichte in den Hintergrund drängen, weil sie einfach so schön sind und mit wenigen Worten so viel beschreiben.
Mein Highlight ist:

"An solchen Tagen bleibt die Kundschaft aus, die Staffelei zusammengeklappt und der Maler im Bett."

Lapidar, treffend, wohlklingend.
Da brauche ich eigentlich gar nicht mehr lesen, dass der Gute ein Trinker ist, weiß ich schon. Oder depressiv...oder beides.

Aufgefallen ist mir auch:

"Über die Jahre ist die Stirn höher geworden, im Nacken kräuselt sich Künstlerhaar und bedeckt den Kragen. Die winzigen weißen Flöckchen werden vom Schleifen der getrockneten Farbe herrühren."

Ich mag das "Künstlerhaar";) obwohl ich zuerst dacht...hm, was soll das sein, Künstlerhaar....aber das passt einfach dahin...
Nur im nächsten Satz kommt der Künstler wieder vor, da könnte er eigentlich weg. Wäre vielleicht noch eindringlicher, "er weiß, dass er begnadet ist"??

Dass die Geschichte sehr schnell ist, wurde ja schon gesagt, ich war auch etwas ausser Atem nach dem lesen. Du sagst ja selbst, du neigst eher zu langen Geschichten. Vielleicht solltest du dich lassen, ich kann mir gut vorstellen, einen dicken Wälzer in diesem Stil zu verschlingen. So viele Bilder, ich liebe es einfach, wenn Leute so schreiben, wie Georges seine letzen Gemälde malte.

Aber ich soll hier ja kritisieren und nicht schwärmen. Also:

"Der Maler und Stadtmensch Georges ist von der Saison so abhängig wie Winzer, Gärtner, Bauern? Ja - verrückt, aber nicht zu ändern."

Ich finde hier könntest du das Fragezeichen und den wertenden Satz hintendran weglassen.

Der Maler und Stadtmensch Georges ist von der Saison so abhängig wie Winzer, Gärtner, Bauer.
Reicht. Sagt alles. Find ich.

Das Grüne rosa färben wurde hier kritisiert...ich finds gut. Passt zum malen. Aber ich bin kein Maler und es ist natürlich möglich, dass es sich eher beißt.

Was mich sehr gestört hat ist:

"Die beiden Männer mögen sich auf Anhieb."

Ich finde, das kannst du ersatzlos streichen, diese Geschichte hat so eine schnöde Anmerkung nicht nötig, das beleidigt mich ja fast als Leser, bin doch nicht blöd, krieg ich schon mit, dass die zwei sich da grade anfreunden. Zwei saufende Maler oder malende Säufer in der Kneipe, die sich die Hand reichen und einen zusammen nehmen. Und dann so´n blöder Satz wie aus dem ersten Schulaufsatz.:(

"Leider spielt das Blitzlicht nicht mit und die drei müssen diesen großen Augenblick in ihrem Gedächtnis bewahren."

Das sind diese Sache mit den Kurzgeschichten. Eigentlich ist dieser Satz gar nicht nötig, aber ich finde ihn sooo wichtig...weil er nochmal unterstreicht, dass es nicht so läuft bei den Jungs;)

Und dann dein letzter Satz, auf den hier komischerweise noch keiner eingegangen ist...oder hab ich was überlesen?

"Ich nehme den letzten Schluck und ziehe den Stecker aus der Wand, weil die Fernbedienung kaputt ist."
HÄ???
Wer ist "Ich"? War das ein Film? Muss das ? Das raff ich nicht, was ist da passiert?
Der Georges springt vom Höckerchen, wir kriegen eine wundervolle gemäldehafte Darstellung s(eines) Sterbens geliefert und dann? War das alles nur ein Film?
Das erinnert an die ersten Schreibversuche, bei denen sich viele (auch ich) als "unerwartete" Wendung am Ende mit "war alles nur ein Traum" herauswinden.
Stört mich. Ich war beim malen, beim saufen und beim sterben, da wird mir ein plötzlich auftauchender Fernseher zu viel!;)
So, jetzt hab ich viel geschrieben. Ich hoffe, das war einigermaßen verständlich und:
wie zum Teufel macht ihr diese Zitate in der Sprechblase???

Ganz viele Grüße von der wilden Ente

 

Hallo José,

warum der neue, alte Satz? Glaubst du deinen Lesern nicht, dass die Geschichte ohne die kalte Dusche wunderbar ist und ruhig noch ein bisschen länger sein darf?

Gruß wieselmaus

 

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