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Die Wölfe von Borski

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04.08.2002
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Die Wölfe von Borski

„Das kommt auf euch zurück“, fauchte der deutsche Leutnant.
„Nein!“, schrie Josip auf der anderen Seite des Zauns: “Jetzt kommt auf euch zurück, was ihr meinen Eltern angetan habt!“ Der Wachsoldat schlug mit den Fäusten gegen das reifbedeckte Metallgitter.
„Ich hab ihnen nichts getan. Ich war verdammt mal überhaupt nicht in Russland.“
Der Deutsche kletterte erneut am Gitter hoch. Neben Josip stieß der groß gewachsene Boris Jarolski mit dem Gewehrkolben zu, und der Gefangene fiel in den gefrorenen Schnee. Die grellen Scheinwerfer warfen harte Schatten auf sein abgemagertes Gesicht. Dampfschwaden waberten über seinen kurz geschnittenen blonden Haaren in die sibirische Nacht.
„Ihr seid um nichts besser als wir!“, rief er, „Gott wird euch dafür bestrafen!“
„Gott?“, lachte Komandant Woronov dröhnend hinter den beiden Soldaten in der Dunkelheit. Er wandte seinen massigen Körper zu den frierenden Gefangenen, die hinter dem Zaun in Dreierreihen angetreten waren, um Zeugen der Bestrafung zu werden.
„Es gibt keinen Gott.“
Die Wachhunde schlugen an, als sie die Witterung des Rudels aufnahmen. Der Leutnant drehte sich um und starrte in den dunklen Wald.
„Das dürft ihr nicht machen!“ Er nahm Anlauf und sprang am Zaun hoch. Der kleine Josip konnte mit seinem Gewehrkolben nicht mehr richtig zuschlagen und auch der größere Boris war zu klein, um jetzt den Deutschen vom Zaun zu werfen. Aus der Nase des Leutnants quoll ein dünnes Rinnsal Blut. Kleine Tropfen spritzten auf Boris und Josip, die nun beide hinter ihm her kletterten. Boris schlug auf seine Fußspitzen ein, doch der Gefangene hielt sich unnachgiebig am Zaun fest. Erst als Josip auch rauf geklettert war, konnten sie den Griff seiner Hände lösen und ihn runter werfen. Boris ließ sich fallen und starrte den Leutnant durch die Maschen an. Der Gefangene legte seinen langen Kopf schief und zeigte dabei seine Zähne, wobei er die rechte Seite seines Mundes weiter öffnete als die Linke. Als er sich umdrehte, flog ihm ein großer grauer Wolf entgegen und warf ihn um. Im nächsten Moment verschwand sein hagerer Körper unter zehn oder mehr Wölfen. Er brüllte und schützte seinen Hals, doch wo er einen Wolf abwehrte, rissen drei andere Fleischfetzen aus seinen Beinen und dem Unterleib. Mehrmals kam er kurz hoch, wurde jedoch sofort wieder niedergeworfen. Die Schnauzen der Wölfe hatten sich rot verfärbt, genauso wie der Schnee unter ihnen. Obwohl immer größere Fleischbrocken in den Rachen der Wölfe verschwanden, lebte der Deutsche noch und schrie. Boris drehte den Kopf zur Seite und starrte auf seine Stiefelspitzen, die mit feinen Blutspritzern bedeckt waren, doch den schrillen Schmerzensschreien konnte er nicht entkommen.
Die in langen Reihen angetretenen deutschen Strafgefangenen senkten die Köpfe und schwiegen. Niemand wiederholte den Fehler des jungen Leutnants, der bei Woronov gegen ihre Behandlung protestiert hatte.

Im darauf folgenden Frühjahr 1945 gelangten immer mehr deutsche Gefangene in das kleine Arbeitslager Borski II. Zuerst kamen sie in Gruppen zu 60 Mann, verteilt auf drei ZIS-Halbkettenfahrzeuge, weil die letzten 80 Kilometer der Straße aus Tschita in einem zu schlechten Zustand für die LKW waren. Als dieser letzte Teil von den Gefangenen endlich mühevoll zu einer befahrbaren Straße ausgebaut worden war, quälten sich im Mai plötzlich dreißig LKW zum ohnehin überfüllten Lager. Selbst beim besten Willen würden nicht alle einen Platz in den achtundzwanzig Baracken bekommen. Es war ein warmer Tag gewesen, doch der Abend wurde kühl und noch immer war keine Lösung für die letzten Deutschen gefunden.
„Verdammte Bürokraten. Die Kreisverwaltung weiß doch genau, dass wir hier nicht genug Platz haben“, schimpfte Lagerkommandant Woronov in seiner winzigen Kommandantur. Witali Somonjak, der glatzköpfigen Lagerarzt nickte und meinte:
„Ich hab dir schon immer gesagt, dass die ganze Verwaltungsabteilung in Tschita aus Idioten besteht. Wären sie nicht so weit entfernt, würde ich hinfahren und dem Oberst persönlich in den Arsch treten.“
„Und wir haben viel zu wenig Wachen.“
Plötzlich lächelte Somonjak und ein Goldzahn blitze auf.
„Die wissen doch gar nicht, dass die Gefangenen hierher gebracht wurden. Wenn sie verschwänden, wem würde es dort auffallen?“
„Wohin sollen sie den verschwinden?“
„Überlassen wir sie den Wölfen. Und wir haben keine Probleme mehr“, schlug der Arzt vor.
Woronov grinste zuerst und lachte dann, dass sein aufgezwirbelter Schnurrbart zitterte. „Die Wölfe den Wölfen. Das ist eine ausgezeichnete Idee.“
Er sprang auf und stürmte aus der Kommandantur.
„Boris Jarolski!“ Er winkte energisch nach dem abseitsstehenden jungen Soldaten. Dieser warf seine Zigarette weg und nahm Haltung an.
„Stell einen Trupp Wachen zusammen und bring die Gefangenen, die Doktor Somonjak auswählt, morgen einen Tagesmarsch nach Norden. Dort überlasst ihr sie den Wölfen.“
Boris starrte einen Moment stumm auf Woronovs blank polierte Stiefelspitzen.
„Gibt’s noch was, Gefreiter?“, schnauzte er ihn an.
„Was ist, wenn die Wölfe nicht alle fressen?“
„Machen Sie sich keine Sorgen. Wölfe können Menschen kilometerweit riechen und bis nach Tschita schaffen sie es nie.“
Boris salutierte und begab sich zum Lagerschreiber, damit er ihm einen Marschbefehl und die Liste der freien Wachen ausfertigte, welche den Zug begleiten sollten.
„So, jetzt kommst du auf deine Kosten“, rief Boris zu Josip. „Wir füttern morgen die Wölfe mit Deutschen.“
„Was, alle?“
„Josip, du Einfaltspinsel. Sieh dort rüber. Der Doktor wählt die Kränksten aus, und so müssen wir sie nicht durchfüttern und die Arbeitsleistung steigt auch.“
„Bravo“, sagte Josip und ein breites Grinsen erschien auf seinem runden Gesicht. „Ich tausche meinen Dienst. Dass lass ich mir nicht entgehen.“

Am nächsten Morgen stieg Nebel auf und kroch unangenehm unter die Sommeruniformen der Wachen. Boris verzog angeekelt das Gesicht. Es stank bestialisch nach Exkrementen, denn die Gefangenen hatten sich einfach neben ihrem Lagerplatz erleichtert. Verteilt zwischen niedergebrannten Kohlefeuern schliefen sie zusammengekauert unter schmutzigen Decken und selbst das Gebell der Hunde im Zwinger nebenan weckte keinen von ihnen auf.
„Alles aufstehen. Ihr werdet verlegt“, schrie Boris.
Die meisten wandten nur langsam den Kopf und starrten ihn verständnislos an.
„Die können kein Russisch“, sagte eine der Wachen hinter ihm. Josip schritt vor und trat dem nächsten Deutschen in den Magen.
„Und glaubst du, jetzt versteht er dich?“, fragte die gleiche Stimme. Sie gehörte zu dem fast zwei Meter großen Andrejewitsch.
Josip drehte sich um und legte seinen Kopf in den Nacken. „Misch dich nicht ein, Bohnenstange.“
Boris zog den geschlagenen Gefangenen hoch und sagte langsam: „Aufstehen. Jetzt marschieren.“
Josip brüllte und schlug mit dem Gewehrkolben zu, bis endlich alle standen. Boris zog und schob die ausgemergelten Deutschen zu einer verwackelten Reihe und nach einer Stunde war der Zug aus fast Hundert abgemagerten Gestalten soweit, dass sie ihn nach draußen treiben konnten.
„Wohin bringen wir sie? Die fallen uns doch nach ein paar Kilometer um“, fragte Andrejewitsch Boris.
„Weg von hier“, antwortete Boris nur. Sie zogen vorbei am kleinen Lagerplatz für die Kohle, folgten den Schienen zum Bergwerk und folgten dort einem Trampelpfad in die Berge. Andrejewitsch versuchte immer wieder ein Gespräch zu beginnen, doch Boris blieb stets einsilbig. Der Pfad hatte sich längst verloren und sie kämpften sich in einer langen Reihe durch dichtes Gebüsch. Gegen Mittag wanderten sie entlang eines breiten Talkessels durch einen urwüchsigen Wald mit hohen Bäumen und kamen schneller vorwärts. Nachdem am Ende des Zuges immer mehr Gefangene trotz Tritten liegen blieben, befahl Boris ihnen, hier zu warten und ging mit den restlichen Wachen zurück.
„Warum haben wir sie dort alleine zurückgelassen? Sie werden langsam sterben“, sagte Andrejewitsch nach einer Weile.
Josip lachte auf. „Nein, sie werden schnell sterben. In der Nacht kommen die Wölfe. Und schnapp: Weg sind sie.“
„Hat Woronov das befohlen? Ist das erlaubt?“
Keiner antwortete. Als sie schließlich durchs hölzerne Lagertor marschierten, fragte Andrejewitsch Boris leise: „Hast du kein schlechtes Gewissen? Josip kann ich verstehen. Aber du?“

Boris schlief ohne Gewissensbisse und keiner der Gefangenen kehrte zurück. Nächste Woche wiederholte sich die Prozedur und übernächste Woche, den ganzen Sommer lang. Anfang September bemerkte Josip, dass ihnen ein Rudel Wölfe kurz nach dem Lager folgten.
„Die sind aber ziemlich groß“, sagte er zu Boris. Dieser machte ein ernstes Gesicht und fasste nach seinem Gewehr. Die Gefangenen murmelten ängstlich.
„Ruhe!“, brüllte Boris „Das sind nur ein paar Wölfe!“
Neben ihm ging ein großer blonder Gefangener, der noch kräftig genug aussah, sich zu wehren.
Boris hob sein Gewehr und schoss auf einen der Wölfe. Er verfehlte ihn, und das Tier verschwand zwischen den Bäumen. Nach einigen Minuten war aber schon wieder ein Wolf zu sehen. Und dahinter noch drei, vier weitere Tiere. Ebenfalls außergewöhnlich groß.
Boris legte an, aber die Wölfe verschwanden zwischen den Bäumen, bevor er abdrücken konnte.
„Die gehen in Deckung, sobald ich das Gewehr angreife. Komm Josip. Wir legen uns hier auf die Lauer und erschießen ein paar.“ Sie ließen die Gefangenen passieren und spähten angestrengt in den Wald.
„Warum willst du sie erschießen?“, fragte Josip.
„Lassen wir die Gefangenen einfach frei und die Wölfe holen sie eben gleich.“
„Nein, das geht nicht gut“, erklärte Boris. “Wenn die anderen Gefangenen bemerkten, dass die Züge nicht verlegt werden, müssen wir sie rausprügeln. Das gibt einen Aufstand. Oder sie sind noch stark genug, um sich Waffen zu bauen und dann schlagen sie sich womöglich durch bis Tschita.“
„Aber du bekommst doch keinen Ärger“, sagte Josip. „Woronov hat dir alles befohlen.“
Boris schüttelte den Kopf. „Woronov hat mich befördert, weil er weiß, dass er sich auf mich verlassen kann.“
„Du darfst keinen Wolf erschießen.“
„Das sind doch nur Wölfe und hier gibt es Tausende. Was macht einer mehr oder weniger?“
„Sie sind unsere Freunde. Wenn du einen tötest, werden sie zu unseren Feinden.“
„Das sind Tiere, nicht unsere Freunde. Und sie fressen jeden, den sie erwischen.“
„Nein, nur die Deutschen. Sie holen sich ihre Seelen, weil sie ihresgleichen erkennen“, meinte Josip bestimmt.
Boris schüttelte nur stumm den Kopf und starrte weiter ins Dickicht.
„Die sind weg.“
Als sie wieder zu den Gefangenen aufschlossen, sagte der große Deutsche:
„Wir benötigen Waffen, sonst fallen die Wölfe über uns her.“
Josip hob das Gewehr und schrie:
„Still oder ich erschieß dich!“
Der große Deutsche schwieg, doch vor ihm murmelten die Gefangenen ärgerlich.
„Er hat recht“, sagte Andrejewitsch hinter Boris.
„Deine Meinung ist nicht gefragt, Bohnenstange“, fuhr ihn Josip an.
Andrejewitsch fixierte Josip.
„Das wird deine Familie nicht wieder lebendig machen.“
„Was kümmern dich diese verdammten Nazis?“
„Man darf keine Menschen an Tiere verfüttern.“
Boris bemerkte dunkle Ringe unter Andrejewitschs Augen und die wenigen Bartstoppeln zeichneten sich deutlich auf seiner blassen Haut ab. Josips Gesicht wurde knallrot, wie immer, bevor er explodierte. Boris trat vor, um sich zwischen die beiden zu stellen.
„Andrejewitsch hat recht“, sagte plötzlich ein weiterer Soldat. Der gesamte Zug kam langsam zum Stehen.
„Und was sollten wir deiner Meinung nach tun?“, fragte ihn Boris. „Immerhin haben wir einen Befehl.“
„Meldung nach Tschita machen?“
„Woronov wird dich selber den Wölfen vorwerfen, wenn du es wagst.“
Boris wandte sich zu dem Deutschen und sagte laut.
„Ein russischer Soldat hat auch ohne Gewehr keine Angst vor Wölfen. Wenn ihr euch fürchtet, klettert auf einen Baum. Und jetzt alle Mann weiter.“
Der Zug bewegte sich bis zum Nachmittag und rastete dann an einem kleinen Teich, über dem Millionen Mücken im Sonnenlicht tanzten.
„Wir gehen Essen organisieren“, sagte er, und schlug sich auf den nackten Hals. „Ihr wartet hier und keiner bewegt sich.“
„Jemand muss bei uns bleiben. Die Wölfe sind noch da!“, schrie der große Deutsche und sprang hinter den Soldaten her. Boris nahm sein Gewehr hoch, worauf sich der Deutsche hinter einem Baum versteckte. Josip schoss in die Luft. Der Knall echote von den umliegenden Felswänden und die Gefangenen rannten davon, so schnell sie konnten.
Andrejewitsch sah Josip böse an, doch der zog eine Grimasse, worauf der jüngere Soldat wegblickte. Dann marschierten sie zurück und dieses Mal hatte Boris kein gutes Gefühl dabei.
Das Heulen der Wölfe weckte Boris gegen Mitternacht und er konnte nicht mehr einschlafen. Um drei Uhr stand er auf und ging raus, eine Zigarette rauchen. Das Geheul klang jetzt näher und er bildete sich ein, dazwischen menschliche Schreie zu hören. Besorgt kletterte er auf einen Wachturm.
Die beiden Soldaten schliefen und schreckten hoch, als er die Tür öffnete.
„Keine Angst“, flüsterte Boris. „Da draußen ist nur ein Rudel Wölfe.“
„Die haben doch nicht etwa die Gefangenen gefressen?“, fragte einer der Soldaten und verriet damit, dass er mit dem neuen Zug letzte Woche hier angekommen war und noch nicht alle Gepflogenheiten kannte.
„Sie verdienen es nicht anders“, sagte Boris nur, und nahm den Feldstecher. Der Vollmond stand niedrig und zwischen den hohen Kiefern konnte er nichts erkennen. Dann begannen die Hunde zu knurren und schließlich kläfften sie, bis in den Baracken der Wachen die Lichter. Boris starrte unentwegt zu dem Punkt, wo er einen Wolf zu erkennen glaubte. Plötzlich ergoss sich daneben eine Meute von fünfzig oder mehr Tieren aus dem Wald. In ihrer Mitte kämpfte eine Gruppe von vielleicht zehn Menschen mit zugespitzten Stöcken ums Überleben. Der große Deutsche lief an der Spitze und teilte mit seiner Waffe kräftig nach rechts und links aus.
Die Gefangenen schafften es bis zum Zaun. Dort stellten sie sich im Halbkreis auf, und mit dem Rücken zum Zaun hielten sie die Wölfe weiterhin auf Distanz.
„Lasst uns hinein!“, rief der große Deutsche.
Plötzlich stand Woronov hinter Boris.
„Erschieß sie.“
Boris zögerte. Die beiden jungen Wachsoldaten ebenso.
„Erschieß sie!“
„Wir können zu wenig sehen. Es ist zu dunkel.“ Boris wich zurück in den letzten Winkel des Wachturms. Die beiden Wachen versuchten sich hinter dem Maschinengewehr zu verstecken. Woronovs Stimme zitterte, als er zum Sprechen ansetzte.
„Geht weg da.“
Er feuerte eine lange Salve auf die verzweifelten Gefangenen. Einige der Wölfe wurden ebenfalls getroffen, doch sie meisten verschwanden in der Dunkelheit. Als keiner der Deutschen mehr stand, hörte Woronov auf zu schießen. „So macht man das, Soldaten.“
Woronov sah alle drei noch einmal an und stieg dann hinunter. Boris gab den beiden Wachen Zigaretten. Still rauchten sie, während unter ihnen die Wölfe zurück kehrten und sich um die besten Bissen stritten.
Boris teilte aus, bis seine Schachtel leer war.
„Scheiße“, sagte einer der Soldaten schließlich. „Die sind riesig.“
Boris schwieg und starrte in die beginnende Morgendämmerung.
„Sie werden immer mehr“, antwortete er nach einer langen Pause.
Dann kletterte er langsam den Wachturm hinunter.
„Wölfe“, sagte eine Stimme aus der Dunkelheit, „ können Angst besser riechen als Hunde. Erschießen sie ein paar, Jarolski. Dann vergeht die Angst.“
Woronov hatte im Schatten einer Baracke gestanden und starrte in Richtung des dünnen Zaunes, der sie und die Wölfe trennte.
„Nächstes Mal befolgen sie meine Befehle ohne nachzudenken.“
„Jawohl“, krächzte Boris.
Nichts außer einigen abgenagten Schädeln zeugte noch vom nächtlichen Massaker.
„Machen sie draußen sauber. Vor dem Morgenappell muss die Schweinerei beseitigt sein.“

Als sie eine Woche später die Grenze zwischen dem gerodeten Streifen um das Lager und dem Dickicht des Waldes passierten, entsicherten alle vier Soldaten ihre Gewehre.
„Endlich tut Woronov was gegen die Plage“, sagte Boris. „Aber ich glaube nicht, dass sie gestern Nacht viel getroffen haben.“
„Ich für meinen Teil habe jedenfalls besser geschlafen. Zumindest hat danach das Heulen aufgehört“, erwiderte Andrejewitsch.
„Nur, weil das MG-Feuer lauter war. An Woronovs Stelle würde ich einfach neue Gefangene anfordern“, schimpfte Josip.
„Jetzt wo die Zentrale Wind davon bekommen hat, ist er erledigt. Ich hab dir immer gesagt, dass jemand dafür bezahlen wird.“
„Du hast mitgemacht, Andrejewitsch. Mitgefangen, mitgehangen.“
„Hört endlich auf zu streiten und sucht weiter“, zischte Boris, der einige Meter voraus durch dichte Büsche stapfte.
„Ich kann mir gut vorstellen, wer der Kreisverwaltung in Tschita einen Tipp gegeben hat“, fuhr Josip bissig fort. „Ein Nazi Freund.“
„Halts Maul, du Dreckskerl. Wenn die Deutschen weg sind, kannst du selber den Krampen im Bergwerk schwingen.“
„Schuld war nur eure blöde Schießerei von letzter Woche“, mischte sich Lobokov hinter ihnen ein.
„Da hättet ihr den Deutschen gleich erzählen können, dass wir sie den Wölfen verfüttern.“
„Ja“, sagte Josip. „Seit die Gefangenen Bescheid wissen, geht gar nichts mehr. Ich hab den verdammten Vorarbeiter halb tot gepeitscht, aber das dumme Schwein ging nicht raus.“
„Da ist einer!“, rief Andrejewitsch plötzlich, und zeigte auf einen toten Wolf, der neben einem umgestürzten Baum auf einer kleinen Lichtung lag.
„Vorsicht“, warnte ihn Boris. „Vielleicht lebt er noch.“
Die vier Soldaten hoben ihre Gewehre und sahen sich suchend um. Aus der Dunkelheit hinter den hellen Birkenzweigen drang nur das gleichmäßige Summen der Mücken.
„Ich kann nirgends Blut sehen“, meinte Lobokov und blieb in sicherer Entfernung stehen.
„Er ist tot.“ Josip ließ seine Waffe sinken und trat näher. Der Wolf lag auf der Seite und schien zu schlafen. „Ein schönes Tier.“
„Sieh dir diese Zähne an“, sagte Boris und deutete auf das geöffnete Maul mit den zentimeterlangen Reißzähnen.
„Warum sind nirgends Einschusslöcher?“ Lobokov legte an und schoss dem Wolf in den Kopf. Ein kleines Loch erschien über dem Auge, aber kein Blut rann aus dem Kadaver.
„Spinnst du?“, Josip drehte sich erbost um.
„Wen er nicht tot gewesen wäre, hätte er dich jetzt gehabt. Ich trau diesen Biestern alles zu.“
Boris strich über das Fell des Wolfes. Der Kadaver war eiskalt.
„Wir ziehen ihm das Fell ab.“ Lobokov drehte den Wolf auf den Rücken. Mit seinem Dolch begann er den Bauch vom Schwanz zum Kopf aufzuschneiden. „Ich hab noch nie so einen Großen gesehen.“
Boris und Josip hielten Wache, während Lobokov mit Hilfe von Andrejewitsch das Fell von den Beinen schnitt. Plötzlich tippte Boris Josip auf den Rücken und legte den Zeigefinger auf seinen Mund. Dann zog er Josip mit sich in die Hocke und zeigte über den umgestürzten Baum in den Wald. Josip blickte eine Weile ratlos dem ausgestreckten Zeigefinger nach.
Dann sah er es auch.
Zwei Wölfe sprangen vor, gingen hinter einem Baum in Deckung, zwei folgten, liefen weiter vor, suchten sich wieder Deckung und dann kamen von hinten noch zwei und liefen an den zwei Gruppen vorbei nach vorne.
Lobokov und Andrejewitsch hatten in ihrer Arbeit innegehalten und duckten sich zu Boris und Josip. Obwohl die Wölfe nicht auf sie zugelaufen waren, bekam Boris eine Gänsehaut und wurde bleich.
„Sofort weg hier“, zischte er.
Sie ließen den halb abgezogenen Wolf liegen, und rannten zurück ins Lager.
Erst als sie den Zaun erreichten, begannen sie wieder zu sprechen.
„Komisch, wie die sich angeschlichen haben“, sagte Lobokov. „Aber wir hätten trotzdem noch ein paar erschießen können.“
Boris blieb flüsterte:
„So bewegen sich keine Wölfe. Aber ich habe so eine Art des Anschleichens schon einmal gesehen. Wisst ihr, wo?“
Die drei Soldaten schüttelten den Kopf.
„Deutsche Panzertaktik. Ich war 1943 in einem Pak-Riegel bei Kursk und habe es selber gesehen: Zwei vor, dann sichern, zwei nach, wieder sichern, dann von hinten wieder zwei vor und so weiter.“

Während draußen die Wölfe heulten, schrieb Boris auf dem kleinen Tisch in ihrer Baracke sorgfältig einen langen Brief. Josip, dessen Tagdienst vorbei war, stapfte herein und wärmte seine kalten Hände über dem heißen Ofen. Hinter ihm trotteten die Gefangenen vorbei, zum Appellplatz.
„Heute wieder einer dran, wegen nicht erfülltem Plansoll?“, fragte Boris, ohne aufzublicken.
„Wie immer“, antwortete Josip. „Ein neuer Brief an die geliebte Katharina?“
Boris schrieb langsam eine weitere Zeile.
„Weißt du was ich gehört habe?“ Josip stellte sich vor ihm ins Licht der nackten Glühbirne.
„Hm?“
„Dass unser Lager im letzten Monat die höchste Quote abgeliefert hat und dass wir deswegen alle eine Sonderration Wodka bekommen.“
Boris starrte einen Moment auf die letzten Zeilen. Dann faltete er die beiden Bögen vorsichtig zusammen und steckte sie in ein graues Kuvert. Draußen fingen die Hunde an zu bellen.
„Ich habe was anderes gehört. Dass es mächtig Ärger gibt aus Tschita.“
„Warum. Die Bürokraten hat Woronov doch fest im Griff. Letzte Woche waren sie da und haben nichts gefunden.“
„Die Bürokraten waren da. Aber sie sind nicht mehr zurückgekehrt. Und ich weiß es aus erster Hand.“
„Gerüchte“, winkte Josip ab und zog sich ächzend seine Stiefel aus.
„Unser Freund Lobokov hat den Jeep, mit dem die Kommissare aus Tschita gekommen sind, weggebracht und ist kurze Zeit später mit einem frisch gestrichenen Militärjeep zurückgekommen.“
„Sicher war das ein anderer.“
„Nein, weil Lobokov hat mir alles erzählt: Zuerst ist er mit seinem Jeep Woronov und den Komissaren nachgefahren. Sie waren in den Bergen, wo es nur so von Wölfen wimmelt. Und dann ist Woronov alleine zurückgekommen. Sie sind zurückgefahren und am nächsten Tag haben sie gemeinsam den Jeep der Kommissare geholt. Und weil die Kommissare spurlos verschwunden sind, macht das Kreisamt mächtig Ärger. Lobokov hat aufgeschnappt, dass sie unser Lager dichtmachen wollen.“
„Glaub ich keinesfalls.“ Josip fiel in sein Bett. Draußen war es ruhig geworden.
„Interessant übrigens“, sagte Boris und stand mit dem Brief in der Hand auf: „Die Wölfe hören auf zu heulen, wenn sie nur einen einzigen Gefangenen bekommen.“

Am nächsten Morgen kam kein LKW mehr mit Lebensmitteln und am übernächsten Morgen verkündete Woronov beim Morgenapell, dass er Befehl erhalten habe, das Lager aufzulösen und dass alle Gefangenen verlegt würden.
„Psst“, flüsterte Andrejewitsch zu Boris:
„Da stimmt was nicht. Er hat gestern und vorgestern keine Post bekommen.“
„Du und deine Mutmaßungen. Vielleicht hat er das schon vorher gewusst.“
Als drei Tage später der Abmarsch erfolgen sollte, bedeckte eine dünne Schicht aus hart gefrorenem Schnee das Lager. Die Gefangenen trugen schwere Rucksäcke vollgestopft mit Verpflegung und die Wachen hatten ihre dicken Fellmützen tief ins Gesicht gezogen. An der Spitze des Zuges starrten Andrejewitsch und Boris verwirrt auf die Karte. Schneeflocken umtanzten sie.
„Komisch“, sagte Boris, „Hab nie gehört, dass dort ein Nordstrang der Transsibirischen Eisenbahn sein soll.“
„Den gibt’s auch nicht“, sagte Andrejewitsch. „Ich glaube kein Wort von dem, was Woronov erzählt. Und das Bergwerk liefert noch für Jahre genug Kohle.“
„Ich glaube“, flüsterte Josip, „Woronov will alle den …“
„Pst!“, Boris trat Josip auf den Fuß.
„Herr Komandant.“ Er salutierte vor Woronov, der fast unbemerkt hinzugetreten war.
„Auf der anderen Seite der Berge liegt das Lager Kirnsk mit über zehntausend Arbeitern. Wir werden dort die hohen Ausfälle der letzten Wochen ersetzen. Halten sie sich strikt an die Karte. Wenn sie keine Pause machen, schaffen sie es bis zum Sonnenuntergang die befestigte Straße zu erreichen. Dort stehen Lastwagen bereit, die sie bis zum Lager bringen. Ich werde zurück nach Tschita fahren und vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder.
Für Sie, Genosse Jarolski habe ich einen Sonderauftrag: Nehmen Sie sich die drei Leute auf der Liste und bewachen Sie das Lager. Ein Abrisskommando wird morgen mit Lastwagen eintreffen und alles abtransportieren, was nicht mitgenommen werden kann. Sie werden dafür sorgen, dass nichts Verwertbares zurückbleibt. Leben Sie wohl.“
Woronov drückte Boris den Marschbefehl in die Hand und salutierte. Dann stapfte er durch den dichter werdenden Schneefall davon und setzte sich auf den Beifahrersitz des Jeeps. Der Fahrer gab zu viel Gas und der Wagen schlitterte den schneebedeckten Weg entlang. Boris starrte auf die Liste. Josip sollte ebenfalls im Lager zurückbleiben.

Boris sah der davon marschierenden Kolonne finster nach.
„Niemand wird zurückkommen.“
Josip griff unter seine dicke Uniformjacke.
„Deine Schwarzmalerei geht mir gewaltig auf die Nerven. Hier, ich hab eine Flasche besten Wodka organisiert. Und Lobokov bringt Sliwowitz mit.“
Als Boris, Josip, Lobokov und Wassilitsch die erste Flasche Wodka kreisen ließen, war es bereits dunkel. „Hört ihr die Wölfe?“, fragte der dicke Wassilitsch ängstlich.
„Mach dir keine Sorgen, die kriegen heute sicher genug zu fressen“, meinte Josip beiläufig und mischte die Karten.
„Sie sind zu groß geworden. Ich bin nur froh, dass wir morgen hier weg sind.“
„Hört ihr das?“, fragte Lobokov, und klopfte Boris unsanft auf die Schulter.
„Die Hunde drehen wieder durch.“ Boris raffte sich auf, schnappte Mütze und Gewehr, und stapfte nach draußen. Im Zwinger sprangen die Hunde hysterisch gegen den Zaun.
„Ruhig doch“, sagte Boris, und marschierte zum Wachturm, um einen Scheinwerfer einzuschalten. Oben schwenkte er den Lichtkegel zum Hundezwinger, dessen Zaun just in dem Moment an einer zusammengefädelten Stelle nachgab und einen Hund nach dem anderen durchließ.
„Verdammt!“ Boris kletterte rasch den Wachturm hinunter. Als er unten angekommen war und sich suchend nach den Hunden umsah, bemerkte er die Wölfe, die durch ein offen gelassenes Tor ins Lager strömten.
„Josip!“, schrie Boris und nahm sein Gewehr hoch. Drei Wölfe liefen sofort auf ihn zu. Boris schoss, traf, doch der Wolf rannte weiter. Das Tier reichte ihm bis zur Brust. Er schoss eine ganze Salve und endlich ging das Tier zu Boden, doch dahinter war die Nacht voll von weiteren grauen Gestalten. Boris rannte zurück auf den Wachturm. Knurrend sprang ein Wolf hinter ihm hoch und Boris erkannte, dass er im Wachtrum gefangen war. Das Maschinengewehr hatte keine Munition und im Magazin seines Gewehres steckten vielleicht noch zwanzig Patronen. Er stellte sich oben auf die Leiter und legte auf den ersten Wolf an, der versuchte, die Leiter raufzuspringen. Er schoss und traf, doch der Wolf schüttelte sich nur unwillig, und dann zogen sich die Tiere aus dem Bereich des Scheinwerfers zurück. Boris hörte weitere Schüsse und dann ein Klirren, als die Wölfe durch die Fenster in die Mannschaftsbaracke eindrangen. Die Tür sprang auf, und das Wolfsrudel zerrte seine drei schreienden Freunde heraus.
Die Wölfe hatten sich in Füße und Hände verbissen und trugen so die drei Soldaten vor den Wachturm. Ein riesiger grauer Wolf sprang vor und sah ihn mit glühend roten Augen an. Als Boris seinem Blick nicht mehr standhalten konnte, drehte sich der Wolf um, deutete mit der Schnauze nach draußen in die Dunkelheit und bellte auffordernd. Boris war wie festgefroren.
„Hilf mir!“, jammerte Josip, der zwischen den Wölfen am Boden kauerte und kleiner wirkte als sie.
„Bitte!“ Tränen rannen über seine Wangen. Der Leitwolf knurrte und auf seine Kopfbewegung hin, biss ein Wolf in Josips Oberarm.
Josip heulte auf und versuchte sich los zu reißen, worauf weitere Wölfe nach seinen Armen und Beinen schnappten. Auf ein Knurren des Leitwolfes hin hörten sie wieder auf. Dann drehte sich der Wolf ein Stück um und lief durch eine Gasse vom Wachturm weg, kehrte um und setzte sich wie ein Hund vor die Leiter. Boris verstand. Mit zittrigen Beinen kam er nach unten. Der Leitwolf bellte ihn an und deutete mit einer Pfote auf sein Gewehr.
„Ist schon gut“, sagte Boris. „Ich lasse es oben.“
Unten angekommen war es, als stünde er nun nackt in der sibirischen Kälte. Der Leitwolf deutete mit der Pfote auf seine Kameraden und lief dann wieder ein Stück los. Boris folgte ihm unter den wachsamen Augen der unzähligen Wölfe, die ein Spalier bildeten. Er sah sich noch einmal um und bemerkte, dass hinter ihm seine drei Freunde langsam hochgekommen waren und ihm wankend folgten.
Die Wölfe waren doppelt so groß wie die Tiere, welche anfangs in den umliegenden Wäldern gelebt hatten. Sie führten ihn zum Bergwerk. Dort war das metallene Schiebetor der Lagerhalle vor dem Eingang zum Tunnel fest verschlossen. Der Wolf knurrte warnend und kratzte an der kleinen Holztür daneben. Boris hörte dahinter gedämpfte Stimmen. Er klopfte:
„Hallo, aufmachen bitte.“
Die Stimmen wurden lauter und dann ging die Tür einen Spalt auf. Der Lauf einer Maschinenpistole schob sich heraus.
„Nicht schießen. Ich bin's“, sagte Boris, und stellte sich neben den Lauf, hinter dem ihn Andrejewitsch überrascht anstarrte. Die Wölfe sprangen zurück in die Dunkelheit, nur ihr Anführer blieb sitzen und sah ruhig zu, wie die Tür weiter aufging und Boris hineinschlüpfte.
Ein lautes Heulen setzte ein und als Boris wieder zurück blickte, hatte der Wolf die Pfote erhoben und machte eine ungelenke Geste, als wolle er, dass jemand heraus kam. Als er schließlich hochsprang, schlug Andrejewitsch schnell die Tür zu.
„Die Wölfe haben Josip, Lobokov und Wassilitsch“, flüsterte Boris. „Ich glaube, sie wollen sie gegen die Gefangenen tauschen. Und warum seid ihr überhaupt hier. Ihr solltet doch den Pfad über die Berge nehmen.“
Mehrere Pfannen mit brennenden Kohlen warfen tanzende Schatten auf die nackten Wände der Halle. Boris bemerkte, dass sich die Gefangenen und ihre Bewacher in der Lagerhalle und den dahinterliegenden Stollen zusammengepfercht hatten. Zwanzig Mann, mehr als die Hälfte aller Wachen standen abgesondert direkt beim großen Schiebetor. Sie hatten zu den Gewehren gegriffen und wirkten angriffslustig. Andrejewitsch ignorierte Boris Frage und fuhr seine Gegner an:
„Wen glaubt ihr, fressen die Wölfe am Ende? Doch uns alle!“
Dann drehte er sich kurz zu Boris und erklärte.
„Wir haben beschlossen, dass wir keine Menschen mehr an Wölfe verfüttern werden. Und wir lassen uns die Befehle von Woronov aus Tschita bestätigen.“
„Sie haben sich ihren Befehlen widersetzt“, erwiderte der Anführer seiner Gegner. Topolin war klein und hatte ein hageres Gesicht mit einer großen Hakennase. „Ihr seid alle Kollaborateure und am Ende werdet ihr genauso enden wie sie.“
Er spuckte aus.
Ein unruhiges Gemurmel erhob sich, Beschimpfungen flogen hin und her und bald würde jemand schießen.
Boris bemerkte, dass ihn einige Wachen fragend ansahen. Er war der Ranghöchste im Raum. Für einen kurzen Moment drohte er in Panik zu verfallen. Die Gruppen waren ungefähr gleich stark, und wie immer er sich auch entscheiden würde, die Hälfte der Wachen wären nachher seine Feinde.
Boris sprang auf eine mit Kohlen gefüllte Lore und hob die Arme.
„Boris, bitte gib ihnen endlich die Deutschen, Boris!“, rief Josip direkt vor der der Tür.
Ein Knurren war zu hören und dann rüttelte jemand am Knauf.
Boris schlucke. Dann hob er die Stimme und rief:
„Bewaffnet alle Gefangene! Wir gehen raus und erschießen diese Wölfe. Wenn wir sie jetzt nicht stoppen, fressen sie am Ende unsere Frauen und Kinder. Woronov hat mich zu seinem Stellvertreter gemacht. Ich übernehme jetzt das Kommando.“
Darauf hin gingen einige aus Topolins Gruppe zu den Gefangenen hinüber und die restlichen legten demonstrativ die Gewehre zur Seite.
Boris benötigte eine Weile, bis er alle für den Ausfall eingeteilt hatte. Vier Deutsche positionierten sich sich mit Taschenlampen neben der Tür. Sie sollten die Geiseln draußen beleuchten, damit sie die Wachen nicht versehentlich erschossen.
Von draußen rief Josip immer wieder:
„Boris, so beeil dich doch. Boris!
„Bereit?“ fragte Boris ein letztes Mal. Dann riss er die Tür auf.
Die Lampen erhellten ein wogendes Meer aus grauen Leibern und dazwischen war kein Josip zu sehen. Boris feuerte mit seiner Maschinenpistole und die erste Reihe der Wölfe wurde niedergeworfen. Die Tiere dahinter zogen sich blitzschnell zurück und die schwachen Taschenlampen tasteten nur über huschende Schatten. Die Soldaten neben Boris schossen immer weiter und Pulverrauch hüllte alles ein. Einige der Wölfe lagen direkt vor ihnen und Blut strömte aus unzähligen Einschusslöchern. Boris stürmte an der Spitze der Soldaten vor. Jetzt sah er drei menschliche Gestalten am Boden liegen. Josip, der Hand an Pfote neben einem toten Wolf auf dem Rücken lag, bewegte sich langsam.
„Denen haben wirs gezeigt!“, rief Boris, doch Josip sprang nicht auf. Eine Blutlache breitete sich von seinem Hals aus und vermischte sich mit dem Blut des Wolfes neben ihm. Josips Hand zuckte unkontrolliert, während er seinen Freund aus großen Augen anstarrte. Boris ergriff seine kalten Finger und suchte nach beruhigenden Worten, doch im nächsten Augenblick wurde Josips Hand schlaff und seine Züge erstarrten.
Ab und zu erwischte eine Scheinwerferlanze einen Wolf und das Stakkato der Schüsse verstärkte sich augenblicklich. Boris erkannte nicht weit vor sich im Halbdunklen die reglosen Körper von Lobokov und Wassilitsch.
Immer mehr Soldaten sprangen aus dem Kohlelager und hinter ihm schien jemand zu fluchen. Boris war für einige Zeit versteinert und taub. Das erste, was er wieder verstand, war, wie Andrejewitsch dicht neben ihm sagte:
„Komm, wir tragen ihn rein.“
„Sind sie weg?“, fragte Topolin. Er und seine Männer waren ebenfalls heraus gekommen und leuchteten mit Fackeln über das Schlachtfeld. Bevor jemand antworten konnte, sprangen von allen Seiten Wölfe aus der Dunkelheit auf sie zu. Boris warf sein leeres Magazin weg und rammte das Reservemagazin in die Maschinenpistole. Der Wolf war nicht zu verfehlen, doch die Kugeln schienen durch ihn hindurchzugehen.
„Die Patronen tun ihnen nichts!“, schrie jemand panisch. Die Taschenlampen und Fackeln spendeten zu wenig Licht und im sich ausbreitenden Chaos wurde Boris von dem riesigen Leitwolf angesprungen. Das Tier grub seine Zähne in Boris rechte Hand, und augenblicklich war ihm, als würde sein ganzer Arm zu Eis. Der Wolf warf ihn nieder und Boris spürte, wie ein Knochen in seinem Unterarm zerbrach. Das Tier ließ Boris Arm los und setzte zu einem Biss auf seine Kehle an. Boris versuchte, ihn mit der linken Hand wegzudrücken. Für einen Augenblick sahen sie sich in die Augen. Das Maul des Wolfes verzog sich wie zu einem Lächeln, wobei die rechte Seite weiter geöffnet war, als die linke. Boris erinnerte sich an den deutschen Leutnant. Ihm wurde langsam schwarz vor Augen und das Letzte, was er sah, war, wie eine Spitzhacke von hinten in den Kopf des Wolfes fuhr.
Als er wieder aufwachte, war der Stumpen seiner rechten Hand verbunden, und er fühlte noch immer die Kälte, wo vorher seine Finger gewesen waren.
„Wir haben viele Leute verloren“, sagte Andrejewitsch zu Boris. „Irgendjemand hat unsere Reservemagazine mit Platzpatronen gefüllt. Topolin und ein Deutscher haben dich zurück gezerrt, du hattest Glück.“
Topolin kam näher. Er drückte ungelenk Boris gesunde Hand und sagte finster.
„Ihr hattet recht. Woronov wollte, dass wir alle sterben. Er hat unsere Reservemagazine mit Platzpatronen gefüllt.“
Boris war unendlich müde.
„Wie spät ist es?“
„Bald sechs Uhr. In einer Stunde wird es hell werden.“
„Wir müssen dann zurück ins Lager. Aus Tschita kommen die Lastwagen, um alles abzutransportieren.“
„Und wenn sie die Wölfe erwischt haben?“
Boris antwortete nicht. Mühsam stand er auf und ließ alle ihre Patronen untersuchen. Es stellte sich heraus, dass sie gerade noch hundert Schuss scharfe Munition hatten. Die Gefangenen ließ er mit Spitzhacken und selbst gemachten Holzspeeren antreten.
Als sie im roten Licht der Morgensonne vorsichtig die kleine Tür öffneten, lagen nur noch einige abgenagte menschliche Knochen im blutdurchzogenen Schnee.
Sie sahen sich um, und als kein Wolf zwischen den Bäumen hervorsprang, ließ Boris das große Schiebetor öffnen. Die Deutschen schlugen mit ihren Spitzhacken mühevoll einige Gräber in den gefrorenen Boden und legten die Knochen der Toten hinein. Die Wachen behielten währenddessen ständig den Wald im Auge. Auf dem Rückweg ins Lager erwartete Boris jederzeit einen Angriff der Wölfe, doch diese ließen sich nicht blicken.
Als die Lastwagen erschienen, stellte sich heraus, dass sie die Gefangenen zurück nach Tschita mitnehmen sollten und dass keiner etwas von einer Verlegung nach Kirnsk wusste. Am Ende des Zuges fuhren zwei Halbkettenfahrzeuge mit Soldaten. Ihr Anführer, ein grauhaariger Major, erklärte Boris, dass er nach Woronov suchte, der des Mordes an zwei Kommissaren beschuldigt wurde. Nach kurzer Beratung mit seinen Begleitern beschloss der Major, zuerst die Gefangenen zu evakuieren. Als Schutz gegen die Wölfe fuhren die beiden Halbkettenfahrzeuge voraus. Sie wollten die Nacht durchfahren und der Major befahl, zusätzliche Scheinwerfer auf die Halbkettenfahrzeuge zu montieren, damit die Wölfe sie nicht überraschten. Boris saß erhöht auf der Ladefläche des letzten LKW und blickte zurück auf das kleiner werdende Lagertor. Seine Wunde pochte heiß und gleichzeitig spürte er die Kälte in seinen verlorenen Fingern. Das Schwere MG von einem Wachturm war auf der Ladefläche montiert worden. Der Schütze, ein Soldat mit zerschlissener Pelzmütze, suchte den Waldsaum nach Wölfen ab.
„Pass gut auf“, warnte Boris ihn, „die Wölfe sind schnell.“
Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, als der Zug plötzlich stehen blieb. Rufe wurden laut. Boris, der in einen leichten Dämmerschlaf gefallen war, schreckte hoch und schleppte sich nach vorne. Im Scheinwerferlicht sahen sie zwischen den Bäumen einen vom Weg abgekommenen Jeep.
„Das ist Woronovs Wagen“, schrie jemand. Ängstlich trat Boris zu dem Jeep, der sich etwa zehn Meter vom Weg in einigen großen Büschen verfangen hatte. Unzählige Wolfsspuren übersäten den Schnee und dazwischen klebten gefrorene Blutstropfen. Uniformfetzen lagen verteilt und tiefer im Wald sah Boris einen abgenagten Schädel. Im Schein seiner Taschenlampe blitzte ein Goldzahn auf. Boris wandte sich ab und bemerkte ein paar glühende Augen in der Dunkelheit. Rasch rannte er zurück und warnte die Soldaten auf seinem Lastwagen, dass ihnen die Wölfe folgten. Der MG Schütze sprach eigenartig, als er die Leute des Lastwagens einteilte, auf der rechten oder der linken Seite Ausschau zu halten. Die Nacht zog sich in steter Anspannung, dahin und keiner konnte schlafen. Es wurde bitterkalt und Boris sah immer wieder die glühenden Augen der Wölfe, doch sie schienen stets gleichen Abstand zu halten. Als endlich die Sonne orange am Osthimmel hochstieg, umarmten sich alle und Boris realisierte, dass die Hälfte der Soldaten Deutsche waren. Zu Mittag kamen sie ohne weitere Zwischenfälle in Tschita an. Die Gefangenen wurden dort in Züge verladen, die sie nach Hause brachten. Boris Jarolski ging zurück in seine Heimatstadt Novosibirsk, wo er Geschichte studierte und Lehrer wurde. Er verließ die Stadt nie, denn jede Nacht träumte er, dass ihn die Wölfe von Borski draußen in den Wäldern erwarteten.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bernhard,
das ist ja ein umfangsreiches Opus!

Ich habe es mit Interesse gelesen, besonders die Anfangszene hat mir gefallen. Es war wie ein alter Schwarzweißfilm mit Schatten und grellen Lichtern und den grauen Wölfen.

Insgesamt auf die Dauer aber hatte ich beim Lesen Probleme. Die Geschichte blieb so ein Hin und Her von Wölfen und neuen Lagerauflagen für den Umgang mit Gefangenen und immer wieder den Szenen mit den Wölfen. Das schwamm alles so ein bisschen für mich vorbei, ich weiß selbst gar nicht genau, woran das liegt, aber ich glaube nicht, dass es nur an meiner mangelnden Lesekonzentration liegt.
Hab ein paar Ideen, aber ich bin wie gesagt unsicher.

- Ich fand, dass es ganz schön viel Personal war. Vielleicht könnte man da den einen oder anderen Namen weglassen, wenn beisielsweise nur die Funktion wichtig ist.

- Und vielleicht könntest du die Personen besser ausgestalten, so dass man als Leser auch Anteil nimmt, an dem, was ihnen passiert. Die große Menge ist für mich gesichtslos geblieben. Und auch die beiden Personen, die ich spontan namentlich benennen kann, Josip und Kommandant Woronov bleiben schemenhaft. Ich hätte es gut gefunden, wenn Josip, der ja offensichtlich von Rache getrieben wird, ein bisschen sympathischer gestaltet ist. Ich finde ihn momentan nur absolut revanchistisch und unangenehm. Du behauptest ja für ihn einen Hintergrund seines Hasses, das, was den Eltern angetan wurde. Wär einfach schön, wenn seine Getriebenheit, wenn das, was der Krieg aus ihm gemacht hat, ein bisschen besser raus käme.
Diese Wachsoldaten und so, das sind alles bloße Befehlsempfängerund Revanchisten, die einfach mal so ohne nachzudenken einen Haufen Kriegsgefangener den Wölfen überlassen. Auch Boris z. B., der ja durchgängig eine Rolle in der Geschichte spielt, bleibt auf dieser Ebene. Und da hat man dann später gar nicht so eine Anteilnahme an ihrem Schicksal, wenn sie selbst in die Bredouille kommen. Und der Typ, ich weiß leider seinen Namen nicht mehr, der dann die Wölfe nicht mehr füttern will, sondern Boris bittet, auf ihre Seite zu kommen, von dem habe ich vorher nichts wahrgenommen. Es wirkte ja so, als ob Boris, der für mich total blass blieb, zwischen seiner Freundschaft zu Josip und der Menschlichkeit entscheideen müsste. Oder? War das so gemeint? Und das ist für mich zu wenig ausgearbeitet.

-Auch den Wölfen hättest du noch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken können. Du schreibst ja, dass sie intelligenter wurden. Größer. Dass sie sich ändern. Aber wann, warum? Irgendann macht dieser große graue Wolf dann diese Halsbeißbewegungen. Also mir ist die Veränderung der Wölfe irgendwie nicht klar geworden. Das finde ich schade. Denn es gibt einige Stellen, wo die Wolfsbedrohung schon recht gruselig spürbar wird.

-Und da schließt sich gleich meine nächste Frage an. Warum machen die Soldaten das eigentlich, diese Wolfsfütterei? Um Gefangene loszuwerden und um sich an den Deutschen zu rächen? Oder haben sie selbst Angst vor den Wölfen und versuchen sie mit Menschenfleisch zu begütigen? Oder beides? Oder entwickelt es sich von a nach b? Das ist mir leider auch unklar geblieben.
An einer Stelle wird dieses gesag:

„Du darfst keinen Wolf erschießen.“
„Das sind doch nur Wölfe und hier gibt es Tausende. Was macht einer mehr oder weniger?“
„Sie sind unsere Freunde. Wenn du einen tötest, werden sie zu unseren Feinden.“
„Sie sind Tiere, nicht unsere Freunde. Und sie fressen jeden, der sich nicht verteidigen kann.“
„Nein, nur die Deutschen. Sie holen sich ihre Seelen, weil sie ihresgleichen erkennen“, meinte Josip bestimmt.

Dann habe ich mich aber gefragt, wo diese Sichtweise der Wölfe danach bleibt. Das auszuarbeiten das hätte ich interessant gefunden. Warum haben sie diese Kooperation? Was genau bricht sie wieder?
Ich hätte es ein cooles Motiv gefunden, wenn sie alle Angst vor den Wölfen hätten und sie mit der Fütterei der Gefangenen ruhig halten. Und die revanchistischen Sprüche nur vorgeschoben sind. Und dass sie vielleicht sogar einen der ihren opfern müssen, um die Wölfe freundlich zu stimmen.

-Und insgesamt hab ich mir überlegt, ob man nicht im Interesse der Idee und der Geschichte die Handlung mehr verdichten sollte. Also vielleicht so einige Wendungen weglassen könnte, wo sie den Anforderungen der Zentralregierung entgehen wollen und irgendwelche Ablenkungsmanöver machen, um doch an die Wölfe zu füttern.

-Und mein allerletztes Spiegelstrichlein: Guck mal auf deine Tippfehler, da sind leider noch etliche.

Hab dir den ersten Absatz mal durchgeguckt und auch so noch was dazugeschrieben. Aber Rest musst du alleine.

„Das kommt auf euch zurück“, fauchte der deutsche Leutnant.
„Nein,“ schrie der Soldat Josip: “Jetzt kommt auf euch zurück, was ihr meinen Eltern angetan habt.“
Fauchte fand ich ein gut gewähltes Verb. Auch Josips Rachetirade. Das hat mich gleich in die Geschichte gezerrt. :)Und wegen dieser Anfangsszene bin ich dann dabei geblieben.
Aber der Soldat das erschien mir so in bisschen plump eingeführt. Kann man das nicht anders machen?

„Ich hab ihnen nichts getan.“ Der Deutsche versuchte KOMMA wieder das Gitter hinaufzuklettern. Neben Josip stieß sein groß gewachsener Freund Boris Jarolski mit dem Gewehrkolben zu, und der Deutsche fiel in den gefrorenen Schnee. Die grellen Scheinwerfer warfen harte Schatten auf sein abgemagertes Gesicht.

Das meine ichmit dem Schwarzweißfilm. Hat mir gefallen, die grellen Scheinwerfer auf seinem Gesicht, obwahl man es schon oft in Filmen gesehen hat.
sein groß gewachsener Freund, das fand ich auch ungut eingeführt.

„Ihr seid um nichts besser als wir!“, rief er, „Gott wird euch dafür bestrafen!“
„Gott?“, lachte Komandant Woronov dröhnend hinter den beiden Soldaten in der Dunkelheit. Er wandte sich zu den Reihen der frierenden Gefangenen, die hinter dem Zaun in Dreierreihen angetreten waren, um Zeugen der Bestrafung zu werden.
„Es gibt keinen Gott.“
Auch diese Rede fand ich gut geschrieben. Ich hätte mir sogar vorstellen können, dass Woronov noch hinzufügt: "Jedenfalls nicht für euch"

Die Wachhunde schlugen an, als sie die Witterung des Rudels vernahmen.
Es muss aufnahmen heißen. Vernehmen kann man nur Töne.

Er warf sich immer wieder gegen das Gitter, dabei spritzen kleine Tropfen Blut auf Boris und Josip.
nicht spritzen, sondern spritzten

Der Leutnant verschwand im nächsten Moment unter zehn oder mehr Wölfen, die ihn vor den Augen der Wachen und Gefangenen zerfleischt.
zerfleischten

Keine wiederholte den Fehler des jungen Leutnants, der bei Woronov gegen ihre Behandlung protestiert hatte.
Keiner

So, das war es. Ich habe deine Geschichte gerne gelesen, und vor allem mit viel Interesse, auch wenn ich viel kritisiert und angemerkt habe. Vor allem war es für mich persönlich sehr interessant, wie du mit vielen Handlungssträngen umgehst, denn ich hab ja die gleichen Probleme. Kann man sich ja gegenseitig helfen.
Liebe Grüße
Novak

 

Tja, nun hab ich gedacht, ich hab Zeit, ich hab eine Geschichte, dann bin ich mal der Erste. Pustewitz!

Hallo Bernhard!
Mir geht es mit deiner Geschichte ähnlich wie Novak. Zunächst mal hat der Text noch ein gehöriges Stück Arbeit verdient, es muss in jedem Falle mindestens zweimal noch überarbeitet werden. Ich finde es schon außerordentlich ärgerlich, wenn ich schon im ersten Absatz soviele Tipp- und Rechtschreibfehler finde.

Der erste Absatz: Ich brauchte eine ganze Zeit um mich zurechtzufinden. In medias res ist schon ein Stilmittel, es muss jedoch gewisse Eckpunkte geben. Ich hätte mir gewünscht, dass du gleich im ersten oder im zweiten Satz etwas zur Location fallengelassen hättest. Keine Beschreibungen, um Gottes Willen! Eher so Beschreibungen im Geschehen.

„Stell einen Trupp Wachen zusammen und bringt die Gefangenen, die Doktor Somonjak auswählt, morgen einen Tagesmarsch nach Norden. Dort überlasst ihr sie den Wölfen.“
Boris starrte einen Moment stumm auf Woronovs blank polierte Stiefelspitzen.
„Gibt’s noch was, Gefreiter?“, schnauzte er ihn an.
„Was ist, wenn die Wölfe nicht alle fressen?“

Das fand ich nun sehr geil. Als Leser meine ich natürlich, dass sich Boris moralische Sorgen macht, aber das gewissenlose Schwein hat nur die Infrastruktur im Sinn.

Die Dialoge, die du lieferst, sind relativ nichtssagend. Du nutzt sie nicht dafür, wozu sie eigentlich da sind, nämlich um die Sprecher zu charakterisieren. Bei dir sind das in den meisten Fällen nur Informations-Vehikel. Aber gerade die Situationen, in denen Befehlsverweigerung in der Luft liegt, kann man dazu nutzen, zu zeigen, wie die einzelnen Figuren unter Stress reagieren.

Ein Beispiel, wie man das Stück überarbeiten kann:

Die meisten starrten ihn nur apathisch an. Josip trat vor und trat dem nächsten Deutschen in den Magen. Der grauhaarige Mann krümmte sich zusammen. „Nicht doch, nicht doch, ich mach ja schon“, murmelte er in gebrochenem Russisch.

Der erste Satz hat nun gar keinen Pep. Im Gegenteil, dröge und gewöhnlich kommt er daher, er unterstützt in keiner Form das Gesagte. Umändern!
Im nächsten Satz stört mich gewaltig diese Wortdoppelung (trat). Warum muss Josip vortreten, um zu treten. Das kann ich mir als Leser selbst denken.
Der grauhaarige Mann stört mich auch irgendwie. Das sind ja nun alles Kriegsgefangene, Soldaten. Das assoziiere ich nicht mit alten Männern, also schreibe ich hier keinen Grauhaarigen rein. (Obwohl es natürlich sein kann, dass in der Armee Grauhaarige dienen können, aber das lenkt viel zu sehr ab, das ist irgendwie wie die Pistolen, die, wenn sie erwähnt wurde, auch abgefeuert werden muss)
Und dann natürlich das gebrochene Russisch. Ich glaube nicht, dass jemand, der in den Bauch getreten wird (nicht in den Magen!), sich noch die Mühe macht, in einer Fremdsprache zu reden. Du wirst erwidern, er will den Russen besänftigen, aber nicht direkt nachdem er körperlichen Schmerz erlitten hat.

Bei mir würde sich der Absatz etwa so lesen:

Aphatische Blicke, die Meute regte sich, als Josip einem hageren Deutschen in den Unterleib trat. Der Mann rollte zur Seite, ein Stöhnen auf den Lippen.

Und da mir dieser Absatz noch immer nicht richtig gefällt, muss ich ihn später nochmal überarbeiten.
Hat jemand gesagt, dass Schreiben Spaß macht oder womöglich leicht ist?!

Nächstes:
Deine Geschichte leidet auch ganz doll unter Logikfehlern, über nachvollziehbare Sachen hast du dir kaum Gedanken gemacht:

Sie gingen in einer langen Reihe über einen schlammigen Fußpfad hinauf in Richtung der Berge.

Ein Fußpfad entsteht ja, wenn er viel benutzt wird. Warum aber sollte er viel benutzt werden, wenn er schlammig ist oder bei kleinster Gelegenheit schlammig wird? Du kannst mir wieder entgegenhalten, dass Schneeschmelze ist und da ist alles schlammig. Aber warum erst diesen Konflikt aufkommen lassen? Der schlammig Pfad ist nicht lebenswichtig (geschichtenwichtig), also lass ihn weg.

Das Wolfsrudel muss schon ziemlich riesig sein, wenn es diese Masse von Gefangenen fressen soll.

Außerdem ist es kaum möglich, dass die Deutschen von der Sitte, Gefangene den Wölfen vorzuwerfen, nichts gehört haben. Im Gegenteil, das wird das Erste sein, was sie von den anderen Gefangenen erfahren. Hier steckt auch eine Chance, die unheimliche Atmosphäre, die im Lager herrscht ("Wenn du nicht machst, was sie wollen, kommst du zu den Wölfen!") zu beschreiben. Allerdings werden sich die Kriegsgefangenen auch gleich zu Beginn wehren, wenn es in den Wald geht, weil sie wissen, wohin der Hase läuft( he-he, zum Wolf natürlich)

Einige Tausend stürzten sich auf Boris

Wer hat die gezählt?

...waren die Rudel rund um unser Lager in Stellung gegangen und heulten sich in den langen Winternächten ihre Seele aus dem Leib.

Erzählst du plötzlich aus der Ich-Perspektive?

Glagolew, der mit stechend dunklen Augen alles ohne ein Wort inspizierte, sagte die ganze Zeit nichts, während Titow die ganze Zeit schwatzte und von den verschwundenen Gefangenen erzählte.

Solche Sätze bringen einen völlig raus, wenn man es geschafft hat, sich halbwegs auf die Geschichte zu konzentrieren. Außerdem ist es ärgerlich, was du dem Leser damit zumutest, denn mit ein wenig Schweiß wäre das zu vermeiden gewesen.

Der Fahrer startete den Motor und mit aufheulendem Motor schlitterte der Wagen den schneebedeckten Weg davon.

Mir scheint, zum Ende hin wolltest du fertig werden und hast dir immer weniger Mühe gegeben.

Boris musste sich konzentrieren, nicht in die Hosen zu machen und dann lief er los, hinter dem Leitwolf und dahinter die Meute der riesigen Wölfe.

Das ist Umgangssprache und gehört so nicht in eine lesbare Geschichte.

...als er das Blut aus der aufgebissenen Halsschlagader in weitem Bogen in den Schnee spritzen sah.

Das ist natürlich Unsinn und darüber hinaus Klischee beladen.

Novak hat Recht: Das Personal zu zahlreich (ich hatte manchmal Schwierigkeiten, einzuordnen, wer wohin gehörte) und überhaupt nicht gezeichnet. Einige wenige, prägnante Charaktere.

Und die ganze Geschichte in Form bringen. Einzelne Szenen entwerfen, welche die Informationen, die notwendig sind, tragen.

Dazu eine Schlusspointe, die den Namen Schluss verdient und du hast eine recht hübsche, runde Geschichte.
Denn die Idee an sich ist ja nun wirklich nicht schlecht.

Schöne Grüße von meiner Seite!

 

Hallo Novak,
Herzlichen Dank für deine Anmerkungen:

- Ich fand, dass es ganz schön viel Personal war. Vielleicht könnte man da den einen oder anderen Namen weglassen, wenn beisielsweise nur die Funktion wichtig ist.
du hast recht- ein oder zwei werden drann glauben müssen ;)
- Und vielleicht könntest du die Personen besser ausgestalten, so dass man als Leser auch Anteil nimmt, an dem, was ihnen passiert. Die große Menge ist für mich gesichtslos geblieben. Und auch die beiden Personen, die ich spontan namentlich benennen kann, Josip und Kommandant Woronov bleiben schemenhaft. Ich hätte es gut gefunden, wenn Josip, der ja offensichtlich von Rache getrieben wird, ein bisschen sympathischer gestaltet ist.
ok, ich überlege mir etwas.
Generell war ich schon in Versuchung, den Mittelteil mit den Problemen mit der Zentralverwaltung zu löschen, aber ich denke, dass er wichtig ist, um die Entwicklung des ganzen zu verdeutlichen:
Zuerst ist es nur ein dummer Spaß, dann wird es eine Gewohnheit und zum Schluss entgleitet allen die Sache soweit, dass sie sogar gegen die eigenen Leute kämpfen.

@ Haniball

Auch dir vielen Danke für deine umfassende Analyse:

Die Dialoge, die du lieferst, sind relativ nichtssagend. Du nutzt sie nicht dafür, wozu sie eigentlich da sind, nämlich um die Sprecher zu charakterisieren.
danke für den Hinweis. werde ich mir vornehmen - Novak hat ja schon in die gleiche Kerbe geschlagen - und ich möchte auch versuchen, ein Ding besser herauszuarbeiten, dass mir wichtig war: nämlich das Boris seine Einstellung geändert hat.


Zitat:
Glagolew, der mit stechend dunklen Augen alles ohne ein Wort inspizierte, sagte die ganze Zeit nichts, während Titow die ganze Zeit schwatzte und von den verschwundenen Gefangenen erzählte.
Solche Sätze bringen einen völlig raus, wenn man es geschafft hat, sich halbwegs auf die Geschichte zu konzentrieren. Außerdem ist es ärgerlich, was du dem Leser damit zumutest, denn mit ein wenig Schweiß wäre das zu vermeiden gewesen.
ach du Schande, dass mir sowas passiert - kommt sofort weg.
Das Wolfsrudel muss schon ziemlich riesig sein, wenn es diese Masse von Gefangenen fressen soll.
ja, die werden immer mehr und größer ;) ok, ich muss es wohl klarer darstellen ...
Außerdem ist es kaum möglich, dass die Deutschen von der Sitte, Gefangene den Wölfen vorzuwerfen, nichts gehört haben. Im Gegenteil, das wird das Erste sein, was sie von den anderen Gefangenen erfahren. Hier steckt auch eine Chance, die unheimliche Atmosphäre, die im Lager herrscht ("Wenn du nicht machst, was sie wollen, kommst du zu den Wölfen!") zu beschreiben.
Ich denke schon, dass es verheimlicht werden kann, so lange keiner zurück kommt, weil Boris sagt ihnen ja, dass sie verlegt werden. Vollauf recht gebe ich dir bei der Idee, wie man, nachdem ja beim letzten Zug die Gefangenen zurück kamen und alles klar wurde, diese grässliche Atmosphäre besser darstellt.

Zur Schlusspointe, da möchte ich nichts versprechen, weil ich bin recht zufrieden, so wie es jetzt läuft.


lg
Bernhard

 

»Ich bin zu den Leuten freundlich. Ich setze
Einen steifen Hut auf nach ihrem Brauch.​
Und sage: Es sind ganz besonders riechende Tiere.
Und ich sage: Es macht nichts, ich bin es auch.«
Vom armen B. B., V. 9 ff.​

„Sie sind unsere Freunde. Wenn du einen tötest, werden sie zu unseren Feinden.“

Wölfe,

lieber Bernhard,

werden bei einer Schulterhöhe von höchstens 90 cm selten größer als eine Dogge (einer Züchtung des Menschen) und messen im Durchschnitt wie der Schäferhund um 65 cm. Während die Schulterhöhe etwa der des Tigers entspricht, so ist der Wolf in der Kopf-Rumpf-Länge nur halb so lang, um den mir allzu häufig verwendeten unbestimmten Ausdruck „riesig“ zu relativieren. Der Tiger ist eines der größten Landraubtiere.

Was nun mag den Wolf in Märchen und unter Hubertusjüngern so blutrünstig und gefährlich erscheinen lassen? Horkheimer und Adorno, die rechtzeitig vor den bissigen deutschen Schäferhunden geflohen sind, haben einiges zu unserm getrübten Verhältnis zum Wolf herausgefunden als Projektion, den eigenen Blutdurst zu stillen. Habe der Wolf ein Tier gerissen (wäre es nun Schaf oder Hirsch), so werde im Menschen die kaum überwundene Gier nach rohem Fleisch geweckt wie nach Überfall und Zerfleischen. Im Hass gegen die Bestie drücke sich auch die eigene grauenvolle Praxis aus, Tiere zu halten/züchten, um mit ihnen als Schlachtvieh zu handeln. Vieh sei dem Menschen vorbehalten. Das eigene bestialische Verhalten werde mit der Verurteilung und Bestrafung der hündischen Bestie (der Wolf zählt zur Familie der Hunde, dem besten Freund des Menschen) reingewaschen.

Tatsächlich meiden Wölfe i. d. R. den Menschen (was man inzwischen von Fuchs und Wildschwein nicht mehr behaupten kann, sie folgen der verschwenderischen und schon allein daher wenig ökonomischen Konsumgesellschaft, die sich ja verdammt viel auf ihre Ökonomie und Rationalität zu Gute hält.). In Krisenzeiten aber wird der Wolf zum Allesfresser – wie der Mensch. Und wer hätte nicht schon von gehört, dass der Mensch zum Kannibalen werde, wenn er nix zu fressen finde?

„Bewaffnet alle Gefangene. Wir gehen raus und verjagen die Wölfe. Wenn wir sie jetzt nicht stoppen, fressen sie am Ende unsere Frauen und Kinder.“
ist schlicht ein Gräuelmärchen!

Zum ersten Mal, dass ich mit gesenktem Haupt vor Dich trete und sag: Dat is’ nix!, wird auch nix. Ich hatte die gestrige Ausgabe aus dem Internetcafé hoffnungsfroh mitgenommen und kann deshalb nur von der ersten Fassung sprechen.

Das Auge um Auge Prinzip und Blutrache ist zwar nicht 451 abgeschafft,

lieber Bernhard,

aber sicherlich so wenig polnisch, russisch oder deutsch wie hebräisch. Darum frag ich mich, wie jemand, der manierlich ein „historisches“ Thema anfassen kann in den Horror sich verirrt. Als wäre Historie für sich genommen (incl. Zeitgeschichte) nicht Horror genug! Nun muss halt Rotkäppchen und der böse Wolf herhalten, wenn auch Rotkäppchen im Zeichen des Hakenkreuzes nicht nur über seine östlichen Nachbarn hergefallen ist. Aber selbst der Text in sich ist derart flüchtig, dass ich nur die formalen Fehler der ersten Seite (bei neun Seiten Manuskript engzeilig unter TNR 12 pt. wahrlich keine geringe Fehlerquote!). Es ist Flüchtigkeit, die sich m. E. bis hin ins Inhaltliche ausdrückt: seht, der Sowjetrusse ist nicht besser als der, der sein gerade zusammengeschustertes Land wieder zerschlagen will! Ja, es gibt hier in meiner Gegend Polen, die sind deutscher als ein Deutscher je sein könnte und verraten werden sie i. d. R. durch ihre Namen. Denn vom Aussehen her sind wir alle Europäer.

Fangen wir an mit dem Nachvollziehbaren:

Tschita
d. i. Sibirien!, keine Frage, aber
Borski
liegt meines Wissens in Ostbrandenburg - das frühere Soldin am Soldiner See. Nach dem 2. WK polnisch „Myślibórz“ am Jezioro Myśliborskie.
Fantasie durchgegangen???
Unwahrscheinlich, dass deutsche Kriegsgefangene statt nach Westen nach Osten fliehen. Also wären Borski und Tschita die fantastischen Orte Chicago und Mahagonny des armen BB?

Zeichensetzung

„Das kommt auf euch zurück“, fauchte der deutsche Leutnant.
„Nein,“ schrie der Soldat Josip:
Mit den Kommas am Ende der wörtlichen Rede bistu so recht nicht im Reinen. Muss alles durchgegangen werden!

Der Deutsche versuchte wieder das Gitter hinaufzuklettern.
Hier ist auf jeden Fall ein Komma zu setzen (muss-Regelung für Infinitivgruppen nach neuerer deutscher Rechtschreibung, K117 Ziffer 2 Duden Bd. 1). Aber es gibt zwo Möglichkeiten:
Der Deutsche versuchte[,] wieder das Gitter hinaufzuklettern.
Der Deutsche versuchte wieder[,] das Gitter hinaufzuklettern.

„Warum lassen wir sie nicht alle den Wölfen?“[,] schlug der Arzt vor.
Ohne Kommentar.

Hier nun mal zum Ausgleich ein entbehrliches Komma

Boris salutierte und begab sich zum Lagerschreiber Burlakov, damit er ihm einen Marschbefehl[…] und Liste der freien Wachen ausfertigte, welche den Zug begleiten sollten.

Gezeitenwechsel? Nee, t vergessen!
… gegen das Gitter, dabei spritz[t]en kleine Tropfen Blut auf …

Absurdes oder Verwirrung

Die Wachhunde schlugen an, als sie die Witterung des Rudels vernahmen.
Witterung geht immer durch die Nase, zumindest bei Hunden. Bei uns ist sie auf der Haut zu spüren, wenn auch etwas gänzlich anderes, wie jeder Kachelmann bestätigen wird. Statt ver-, besser "aufnahmen".

Reine Flüchtigkeit

Der Leutnant verschwand im nächsten Moment unter zehn oder mehr Wölfen, die ihn vor den Augen der Wachen und Gefangenen zerfleischt[en].

Keine[r] wiederholte den Fehler des jungen Leutnants, …

Am Ende des Tages blieben blieben mehrere Hundert …
Ich sag nix, außer, dass ich nix sag.

Schon an dieser Stelle kam mir Christian Morgenstern in den Sinn:

Die Wölfe, den Wölfen.
(Falls jemand fragt, verweis ich auf den Werwolf, der nach Christian Morgenstern gern gebeugt würde,)

Und zum Abschluss die Versammlung der Verben

… einzuschlafen, log Boris, dass er mit den anderen Wachen Essen holen gehen würden.

Das soll's dann erst mal gewesen sein - zur ersten Seite von gestern ...

Gruß

Friedel

 

Hallo Bernhard

In den ersten Sätzen hatte ich erst Mühe, zu erkennen, dass die Deutschen die Gefangenen sind, obwohl es korrekt abgefasst ist. Doch dann war ich im Stoff und wurde von der Handlung mitgerissen.

Boris schlug er ein forsches Marschtempo durch die Wälder an, damit die Gefangenen nicht am Ende soweit zu Kräften kamen, um einen Aufstand zu versuchen.

Hier ist noch ein überflüssiges er, das wohl bei der Überarbeitung hängen blieb.

„Aber du bekommst doch keinen Ärger“, sagte Josip.
„Woronov hat dir doch alles befohlen.“

Hier brauchte es m. E. keine Zeilenschaltung dazwischen, da beide Sätze von Josip gesprochen werden und ich nicht den Eindruck hatte, er mache eine Denkpause.

Mich du dich nicht ein, Bohnenstange“, fuhr in Josip an.

Misch

Als sie am Morgen das Tor öffneten, lagen nur noch einige abgenagte menschliche im blutroten Schnee.

Hier fehlen mir die Knochen.

Ich fand es spannend, wenngleich im letzten Drittel mir nicht alle Handlungen zwingend logisch erschienen. Auch war es mir im Zusammenhang mit den folgenden Abläufen etwas verwirrend, da nicht klar wurde, was im zweiten Schreiben der Zentrale an Woronov stand. Oder ich konnte es nicht rausfiltern. Am Ende bringen die letzten zwei Schlusssätze der Geschichte m. E. keinen Mehrwert, auch wenn mich der Ausklang an sich nicht stört.

Ich habe die Geschichte gerne gelesen, sie dünkte mich etwas abgewandt vom gängigen "Horror".

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Friedl,

Erst Mal ein ganz großer Dank, dass du so zuverlässig jede meiner Geschichten kommentierst.
Und auch ausdrücklichen Dank für deine deutliche Aussage.
Als Versuch einer rechtfertigung möchte ich geltend machen, dass ich nach einigem Nachdenken den Text explizit in Horror reingestellt habe, weil ich keinerlei geschichtlichen Anspruch darann habe. Die Russen haben einfach das Pech, dass sie das Land sind, wo man die Wölfe noch in Scharen findet. Und natürlich sind die Wölfe auf Grund ihres Rufes ausgewählt worden und nicht, weil sie wirklich menschen Fressen.
Es ging mir hier überhaupt nicht um das Thema Deutsche Gefangene, sondern um das Thema, was passiert, wenn Menschen andere Menschen an Wölfe verfüttern und was aus einer anfänglichen Bestrafung im Laufe der Zeit wird:
Ich nehme auf jeden Fall für mich mit, dass ich diese Aspekte stärker herausarbeiten muss.

Zitat:
„Bewaffnet alle Gefangene. Wir gehen raus und verjagen die Wölfe. Wenn wir sie jetzt nicht stoppen, fressen sie am Ende unsere Frauen und Kinder.“
ist schlicht ein Gräuelmärchen!
guter Hinweis. Ich denke, ich sollte deutlicher herausstreichen, dass die Wölfe gewachsen sind

Borsiki als Name war übrigens ein real existierendes Arbeitslager nördlich von Tschita im zweiten Weltkrieg. Der Rest ist erfunden.

Mich würde natürlich brennend interessieren, wie du die weiteren Seiten fandst.

@ Anakreon,

Auch dir vielen Dank für deine Anmerkungen.
Die Flüchtigkeitsfehler habe ich gleich ausgebessert.

In den ersten Sätzen hatte ich erst Mühe, zu erkennen, dass die Deutschen die Gefangenen sind,
und
Auch war es mir im Zusammenhang mit den folgenden Abläufen etwas verwirrend, da nicht klar wurde,
benötigt noch etwas Bedenkzeit.
Ich werde auf jeden Fall die Anzahl der Personen verkürzen und bin am Überlegen, wie ich das letzte Drittel anders erzähle.


lg
Bernhard

 
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Nix zu danken,

Bernhard,

ich komm drauf zurück, kann aber bis Freitag dauern.

Bis die Tage,

Friedel

Und da bin ich schon wieder!

Vor Jahren lief mal ein Horrorfilm, der in der zweiten Hälfte des 18. Jh. spielte. Hierin spielten gewaltige Wölfe aus den Pyrenäen ihr Unwesen. Ein Forschungsreisender mit indianischem Freund ging dem nach. Während der Indianer sich opferte, fand der Reisende die Ursache heraus: oppositionelle Kräfte (Kirche z. B.) wollten durch Verbreitung abergläubischen Zeugs Reformen verhindern und bedienten sich des Wolfs als Ausgeburt des Aberglaubens.
Beim Lesen Deiner Geschichte,

lieber Bernhard,

musste ich auch – geradezu zwanghaft – an Tom Rob Smith denken, von dessen Thrillern allein Kind 44 mich seinerzeit beeindruckt hatte. Alle Romane spielen zur Stalinära. Das Böse aber geht bei ihm aufrecht auf zwo Beinen und findet trotz verbreiteten Aberglaubens eine rationale Erklärung.

Nun, Deine Intention bleibt Dir unbenommen, aber mir geht es darum, dass es vor allem das Vorurteil des bösen Wolfs abzuschaffen gilt, ein Vorurteil, dass vielleicht daraus entstanden ist, dass Wölfe intelligenter sind als der klügste Hund. Hunde werden auf menschliche Bedürfnisse hin erzogen und darum mit acht Wochen von der Fähe getrennt. Sie dürfen nicht intelligenter als ein Vorschuldkind werden. Wolfswelpen bleiben fünf Monate (genauer 21 Wochen) bei ihrer Mutter, ungefähr die Zeit, die auch dem Hund als Welpenschutz gilt. Das macht sie selbständiger, als ein Hund je werden kann.
Zudem besteht zweifellos bei naiven Lesern die Tendenz, dass Vorurteile – bevorzugt gegen Leute mit slawischer Zunge – bestätigt oder gar verstärkt werden könnten.
Wer will dergleichen ausschließen?
Aber warum sollte man einen Popanz erfinden müssen? In einigen Derivaten des Wolfes kannstu doch den nackten Terror finden, eingedenk dessen, dass das eigentliche Problem immer am andern Ende der Leine steht.

Aber mir ist ein ganz anderer Gedanke gekommen: Ich weiß, dass schon Assyrer, Perser und Griechen Kampfhunde einsetzten, bevor die Römer sie nicht nur in Arenen zur Volksbelustigung, sondern in den Kriegen zum Schrecken des Gegners einsetzten. Die älteste Rasse wurde sogar nach den Molossern benannt, die von den Römern bevorzugten Kriegshunde waren Mastiffs.
Warum sollen da nicht welche in Germanien ausgebrochen sein wie anderthalb Jahrtausend später das Pferd den Spaniern in Amerika? Was hindert uns daran, von der Colonia Ulpia Traiana aus eine Strafexpedition ins finstere Rechtsrheinische zu unternehmen (etwa gegen die Brukterer) und dabei den ausgerissenen Mastiffs zu begegnen, die sich plötzlich ihres wölfischen Erbes erinnern? Wie sagt doch Josip (nennen wir ihn nun Josephus):

Sie holen sich ihre Seelen, weil sie ihresgleichen erkennen
eben das andere Ende der Dressur!

So viel oder wenig für heute. Wird bestimmt nicht die letzte Anmerkung sein.

Gruß

Friedel

 

Hi,

Das kommt auf euch zurück“, fauchte der deutsche Leutnant.
„Nein“, schrie der Soldat Josip: “Jetzt kommt auf euch zurück, was ihr meinen Eltern angetan habt.“
„Das kommt auf euch zurück“ – man könnte z.B.„Das fällt auf euch zurück“ schreiben -und das ist eine feste Wendung, die eigentlich harmloser gemeint ist. Das geht nicht so richtig.
Wie wäre es denn mit? „Dafür werdet ihr zahlen?“ „Das werdet ihr büßen/bereuen?“
Das kommt auf euch zurück – ist seltsam.
Vielleicht weil der andere Soldat das auch einfach so aufnimmt, als wäre es eine feste Wendung, wenn der Soldat sagen würde: Nein, jetzt bezahlst ihr dafür, was ihr meinen Eltern angetan habt“ usw.

Er versuchte wieder den Zaun hoch zu klettern. Erneut wurde er von den Gewehrkolben der Wachen vom Zaun gestoßen. Die Hunde zerrten wie verrückt an ihren Leinen und die Wachen hatten alle Mühe, sie zurückzuhalten
Das ist nicht gut hier.
„versuchte wieder, erneut wurde (Das Passiv)“ – und dann „wie verrückt, hatten alle Mühe“. Da hast du in den 3 Sätzen, die Spannung und Bewegung erzeugen wollen, genau diese Indikatoren für Passivität und Flachheit. Ich hab nicht das Gefühl du hattest richtig Bock, die Szene zu beschreiben. Du hast das nicht gesehen. Es ist zu viel Distanz da.
Diese Wiederholungsindikatoren: wieder/erneut: Das sind Spannungskiller.
„Die Hunde zerrten wie verrückt an ihren Leinen und die Wachen hatten alle Mühe, sie zurückzuhalten“ – das klingt wie aus 800 Metern und 60 Jahre Distanz beobachtet und schon geistig verarbeitet und in einen erzählerischen Kontext gebracht.
Neulich kam „The Manchurian Candidate“ – in der Denzel Washington-Version, ein Hammer-Film – da berichten die Soldaten alle einhellig von einem Überfall mit „Es war eine sternenklare Nacht. Mond war nicht zu sehen.“ – Da haben sie das Gesehene auch schon verarbeitet und in Reihenfolge gebracht. Eine Kurzgeschichte lebt auch davon, dass sie unmittelbar ist und frisch und neu.
Das sehe ich bei der Einführung nicht. Es klingt so blutleer.
Mehr Kribbeln bitte.

Die meisten starrten ihn nur apathisch an.
Hier kann man mal gut sehen, was King meint mit „Ich glaube der Weg zur Hölle ist mit Adverbien gepflastert.“ Was leistet das „apathisch“ hier? Es wertet ein Bild, das der Leser selbst werten müsste.
Die Leute starren in die Gegend? Wie soll man das interpretieren? Sie werden wohl nicht erstaunt sein? Also was bleibt dann noch? Wenn du statt „starren“ – das präzisere „stieren“ genommen hättest, (da sieht man immer noch so eine Kuh mit) oder vielleicht eine Metapher oder einen Vergleich – das wäre besser.Und auch hier. Die meisten: Machen andere was anderes? Dann das erklären. Du hast viel Handlung auf wenig Raum. Dann quetscht du das in die Absätze rein, und die Absätze gehen vorbei, ohne dass man Figuren näher sieht.
Das ist ein ganz klasisches Problem mit Kurzgeschichten: Du hast dir viel Stoff überlegt, willst aber alles in mundgerechten Absätzen haben.
Das ist echt schwierig. Es darf in einer Kurzgeschichte auch beim Leser nicht das Gefühl aufkommen: Der Autor hetzt durch den Stoff.
Ich hab da viel Sympathie für das Problem, weil ich das kenne. Man denkt sich im Vorfeld so viel aus und hat so viel im Kopf, was da geht und was da geht, und dann will man aber so: Pro Absatz vielleicht 20 Zeilen – urks. Das ist echt nicht gut.
Das Beste ist, was man erreichen will: Der Leser hat das Gefühl es ist eine ganze Welt da und ich sehe nur das, was ich sehen muss, aber der Autor könnte jederzeit den engen Pfad verlassen und noch viel mehr erzählen, weil er sich so gut in seiner Welt auskennt, aber er hat ausgewählt, was ich sehen muss und das zeigt er mir.
Der Leser darf aber nicht das Gefühl haben, er ist 20 Minuten vor Schluss in einem Museum mit einem Tour-Guide, der dringend aufs Klo muss. Und dann „Husch, husch, durch.“

Sie hoben eine Grube aus, warfen die Knochen hinein und zogen den toten Wölfen das Fell ab. Boris und Josip sahen sich die prächtigen Tiere aus der Nähe an.
Der Text hat ein Problem, die Zeit, die eine Handlung in der Realität dauern würde, steht in keiner Relation zu der Zeit, die im Text darauf verwendet wird, sie zu schildern.
Also: Es sind sehr viele Raffungen im Text. Und es gibt kaum auserzählte Situationen.
Dieses „Die heben die Grube aus“ – das ist normal eine ganze Szene, in der sie das machen, in der sie den Wölfen die Haut abziehen, in der sie sich unterhalten, in der Spannung aufkommt.
Eben auch die ganze Szene mit dem hageren Deutschen, das ist eine Figur, die nicht mal einen Namen kriegt, weil sie nur im Vorüberhuschen auftaucht usw.
Das sind in der Struktur der Geschichte erhebliche Probleme. Ich find die Geschiche an sich, diese Idee. Russland, nach dem 2. Weltkrieg, das ist eine geile Nummer.
Aber so erzählt haut’s nicht hin. Ich bin schon die ganze Zeit und denke mir, wie die Geschichte aussehen könnte, wenn Katla sie geschrieben hätte als slawophile. Oder jemand, der sich viel Zeit pro Szene nimmt, der szenisch denkt.
Wenn du dir die Geschichte als Strecke vorstellst, dann zeigst du ja nicht die ganze Strecke, wenn du sie erzählst, sondern einzelne entscheidende Abschnitte, die zeigst du aber ganz und gar. Ich denke du musst da wirklich dran arbeiten, die einzelnen Szenen für sich zu erzählen, die einzelnen Kapitel erlebbar zu machen.

Doch Titow war wie ein Bluthund und strich mit seinem schlammbespritzten Geländewagen rings um unser Lager.
„Unser?“ Wer ist denn der Erzähler? Ist das ein Relikt aus einer früheren Version, als du einen Insassen als Erzähler hattest?

Ich finde du hast guten Stoff hier, aber in der Bearbeitung seh ich echt Mängel. Also mit all den Figuren und den Wendungen, da bleibt kaum Zeit für Atmosphäre, Namen sind nur Namen hier, um Figuren zu werden braucht man Szenen.
Es geht ja als Autor nicht nur darum, sich eine Geschichte auszudenken, sondern man muss sich auch eine Geschichte ausdenken, der man habhaft werden kann, die „umsetzbar“ ist, in irgendeiner Form. Es bringt ja nichts, wenn ich mir ein kompliziertes Epos ausdenke und die Bilder in meinem Kopf sind alle da, und die Figuren in meinem Kopf sind alle da, aber ich kann das nicht an den Leser bringen. Man muss sich ja was ausdenken, was man auch beherrschen kann. Allein die ganze Passage mit „Titow“, die könnte man komplett rausstreichen, weil sie in der Geschichte überhaupt keinen Platz hat. Das wird nur runtererzählt, da gibt es gar keine Szene dazu. Dann ist das Fianle eine große, komplizierte Angelegenheit mit Intrigen und Finten, aber es wird gar nicht erzählt, es ist gar kein Platz dar.
Also wenn du die Geschichte ganz einfach erzählen möchtest, dann verringere um Gottes willen, den Zoom. Dann hast du nur EINE Figur in der ganzen Geschichte als Perspektivträger und die zeigst du dem Leser, und zwar richtig. Und der Leser weiß nicht, was alle da denken, und was der Chef denkt und gottweißwas, man identifiziert sich als Leser nur mit einer Figur und lernt durch den diese Welt da erlebbar kennen. Das ist der goldene Weg hier zu der Geschichte, dann hast du all deine Informationen im Hintergrund und du kennst die Geschichte, aber der Leser weiß nur das, was die eine Figur da weiß.
So ist das viel zu huschelig, die ganze Story, find ich.
Wenn man da nur eine Figur hätte: „Der Chef will, dass ich mit den Gefangenen nach draußen gehe. Er will, dass wir sie da zurücklassen? Aber dann sterben sie doch. Der erste Wolf. Mehr Gefangene. Es wird zur Routine. Müssen ja weg, sind ja viel zu viele. Mehr Wölfe. Werden immer größer. Wie verändert sich der Chef? Der wird ja immer düsterer. Moskau wird aufmerksam. Keine Gefangenen mehr? Die Wölfe kommen näher. Was machen wir? Usw.“ So könnte das aufgebaut sein, da wüsste man als Leser jederzeit: Was macht meine Figur? Was denkt die grade? Wie ist die Situation? Horror lebt von Identifikation und von Atmosphäre. Geschichtsbücher leben vom „großen Ganzen“.
Es gibt eine schöne Empfehlung, nicht nur für Autoren, für alle: Do simple things well.
Das würde der Geschichte hier echt gut tun. Verdichten, eindampfen, schrumpfen, die Perspektive beschränken.
Ich sag das selten, aber: Der Stoff hier ist sehr, sehr gut. Da kannst du auf jeden Fall was draus machen. Das ist ein toller Stoff, den du hier gefunden und ausgearbeitet hast. Das würde sich wirklich lohnen, hier dran zu arbeiten in irgendeiner Form.

Wenn du mit den „Ausführungen“ nichts anfangen kannst, weil du eben in einer ganz anderen Richtung schreiben möchtest, dann ist das natürlich auch okay. Ist nur meine Meinung zu der Geschichte.

Gruß
Quinn

 

Die Wölfe waren nirgend zu sehen,

wäre ein schöner Satz zum Abschluss dieses Albtraums, gegen dessen Ende hin arg bis zum Rande des gruseligen Kitsches übertrieben wird,
Beispiel:

Als wüssten sie genau, was lief*, waren die Rudel rund ums Lager in Stellung gegangen und heulten sich in den langen Winternächten ihre Seele aus dem Leib.
Psychologische Kriegsführung, die einen versuchen’s mit Propaganda, die Vierbeiner durch Heulen … Nachher heulen die Hinterbliebenen und die Vierbeiner werden ausgestopft ...

Wahrscheinlich geschieht dieses aus eigener Erschöpfung heraus (wofür dann die gegen Ende noch einmal zunehmende Fehlerquote spricht), was weniger für Überforderung als einer Überlastung des Autors infolge allzu schnellen Abschlusses sprechen kann. Man muss auch Geduld mit sich und seinem Werk haben. Wer inmitten eines Geschehens steht, der bekommt gar nicht alles mit - vor allem bei dem, was schief läuft.
Also: Abstand gewinnen und vor allem wahren.

Vielleicht bin ich nun auch überanstrengt, hab’s bis dahin nicht gemerkt, aber bis zu diesem Satz

Doch Titow war wie ein Bluthund und strich mit seinem schlammbespritzten Geländewagen rings um unser Lager
glaubte ich an einen auktorialen Erzähler, dass durch ein verkapptes wir („uns“) infrage gestellt wird,

lieber Bernhard.


Gehen wir zunächst die grammatischen Schnitzer in der Reihenfolge ihres Auftritts durch (so findestu die Stellen schneller, ohne dass ich mit Sicherheit sagen könnte, dass jetzt alles entdeckt wäre):

Der Deutsche versuchte wieder[,] das Gitter hinaufzuklettern.

Er wandte sich zu den Reihen der frierenden Gefangenen, die hinter dem Zaun in Dreierreihen angetreten waren, um Zeugen der Bestrafung zu werden.
Sparen wir doch eine Reihe:
Er wandte sich […] den frierenden Gefangenen [zu], die hinter dem Zaun in Dreierreihen angetreten waren, um Zeugen der Bestrafung zu werden.

Da haben Novak & ich schon mal drauf hingewiesen:
Die Wachhunde schlugen an, als sie die Witterung des Rudels vernahmen.
besser
Die Wachhunde schlugen an, als sie die Witterung des Rudels [auf]nahmen,
was auch wohl verschwiegen darauf hinweisen kann, dass selbst während der Reparaturarbeiten Schnitzer auftreten können …

Boris schlug ein forsches Marschtempo durch die Wälder an, damit die Gefangenen nicht am Ende soweit zu Kräften kamen, um einen Aufstand zu versuchen.
Hier wäre vielleicht der Konjunktiv irrealis anzuwenden, weiß doch keiner, ob das je geschehen wird:
Boris schlug ein forsches Marschtempo durch die Wälder an, damit die Gefangenen nicht am Ende soweit zu Kräften k[ä]men, um einen Aufstand zu versuchen.

In jedem Fall Kommas wg. der Infinitvgruppe
…, befahl Boris[,] ein Stück den Berghang rauf zu rasten[,] und beschloss für sich, die Tagesreise hier enden zu lassen.

„Was kümmern dich diese verdammten Nazis?“[,] fuhr i[h]n Boris an.
Ich les übrigens gerade über den Nazijargon, wie er sich in unser Sprachgebaren eingeschlichen hat, ohne dass es einer bemängele … Was muss da in den Köpfen auch von Würdenträgern und angeblichen Säulen der Gesellschaft abgehn?

„Das hat niemand verdient[,/alternativ: - ] auch sie nicht.“

„Und was sollten wir deiner Meinung nach tun?“[,] fragte Boris

„Die haben die Gefangenen gefressen, nicht wahr?“[,] sagte einer der Soldaten

Ein missglückter Infinitvsatz wäre zu reparieren incl. des Appells:
Beim Apell befahl er den anderen Gefangenen[,] alle Spuren des Massakers [zu] verwischen.

Unfreillig komische Höflich-, besser: Freundlichkeit, wozu sich entbehrlicher Punkt und verschollenes Komma gesellen:
„Sie[h] dir diese Zähne an[…]“[,] sagte Boris …

… die Wölfeplage …
Wolfsplage reicht doch an sich ...

Anfang Dezember erschien Titow mit Oberst Glagolew und einem Schreiben, das Glagolew Woronov ablöste.
Kann ein Schreiben jemand ablösen? Eher so wenig, als eine Horrorgeschichte mich um den Schlaf bringen kann. „Mit“ dem Schreiben können in dem geschilderten Fall T. und G. nachweislich autorisiert die Ablösung W.s durchführen.

Er erwähnte immer wieder, dass er auf einen Geheimbefehl aus der Zentrale so gehandelt hatte und dass es dort genug Silber gebe, …
Besser die Erwähnung vollständig in Konjunktiv fassen (das Ende ist es ja schon, wenn auch gemäßigt):
Er erwähnte immer wieder, dass er auf einen Geheimbefehl aus der Zentrale so gehandelt [habe; besser, weil wir ja um die Zweifelhaftigkeit wissen „hätte“; ich hab keine Ahnung, ob es in den Jablonowyjbergen Silberminen gibt/gab, dass der Konjunktiv I insgesamt durch Konj. II ersetzt werden müsste] und dass es dort genug Silber gebe, …

Hinter ihnen heulten Wölfe und Boris sah im Rückspielgel …
Ein Gel für ein Spiel ist das aber nicht …

„Was machen wir jetzt“, fragte Josip.
Gönn der wörtl. Rede doch bitte ein „?“!

Das lassen sie meine Sorge sein.
Anredepronomen „Sie“. Geschieht mehrmals.

Burlakov, der ein begnadeter Fälscher war, musste nicht nur eine Karte zeichnen, sondern auch neue Pässe sowie geheime Befehle der Zentrale, mit denen sie nach Sofia versetzt wurden.
Da fehlt was! Pässe und Befehle wird er nicht zeichnen!

„Komisch“, sagte Boris“, Hab nie gehört, dass …
Da ist was durcheinandergeraten:
„Komisch“, sagte Boris […],[„ hab] nie gehört, dass …
oder:
„Komisch“, sagte Boris[: „] Hab nie gehört, dass …

Woronov trat hinzu und sagte.
„Eine halbe Million Deutsche …
Besser:
Woronov trat hinzu und sagte[:] „Eine halbe Million Deutsche …
Halten sie sich immer genau an die Karte, dann kann ihnen nichts passieren.
Anredepronomen Sie + Ihnen!, wie in der gesamten nun folgenden wörtl. Rede …

„Hört hr das?“[,] fragte Wassilitsch …

Im Zwinger hüpften die Hunde hysterisch gegen den Zaun.
Hunde sind wie Wölfe keine Frösche, die hüpfen. Sie springen am Zaun hoch und dabei natürlich auch dagegen.

… Boris, und stapfte zum Wachturm[,] um einen Scheinwerfer einzuschalten.

…, doch dahinter war die Nacht voll von weiteren grauen Gestalten[.] Boris rannte zurück auf den Wachturm.

Verschieb das entbehrliche Komma um vier Stellen
Boris hörte weitere Schüsse[…] und dann ein Klirren[,] als die Wölfe durch die Fenster in die Mannschaftsbaracke eindrangen.

Hier besser zur Verstärkung ein Ausrufezeichen!
„Hilf mir[!]“, jammerte Josip, …

Der Leitwolf deutete auf seine Kameraden und dann lief dann wieder ein Stück los.
Das erste „dann“ ist wohl entbehrlich …

… am schlimmsten war die Stille, die nur durch das Leise tappen der Pfoten neben …
Hier ist die Substantivierung auszuwechseln: „das leise Tappen“ …

„Wenn glaubst du, fressen die Wölfe am Ende? Doch uns alle!“, erwiderte Andrejewitsch.
Wenn? Nee, ne?
Wen!

„Komm, wir tragen ihn rein“ sagte Andrejewitsch hinter Boris.
Da fehlt wenigstens ein abschließendes Satzzeichen („,“), wahrscheinlich aber auch ein „!“!

Verzweifelt versuchte er[,] den Wolf abzuschütteln, …

Abschließend ein winziger Beleg, dass es – wie gestern unter # 8 behauptet - mit der Versetzung um fast zwei Jahrtausende vom roten Zarenreich –
Caesar/ gotisch kaisar [wahrscheinlich gesprochen wie käsar], ahd. (ab zweiter Hälfte des achten Jh.) kaisur/kaisar, mhd. keiser, um auch mal Sprachwandel zu zeigen –
ins Sibirien des römischen Imperiums gelingen könnte:
Original
Titow allerdings hatte nur darauf gewartet. Er kam im Juli mit einer Gruppe von Inspektoren und sammelte einige Schädel in den umliegenden Wäldern ein.
Fälschung:
„Titus allerdings hatte nur darauf gewartet. Er kam im Juli –
dem houwimanod** der Eingeborenen –
mit einer Gruppe von Inspekteuren und sammelte einige Schädel in den umliegenden Wäldern ein.“

Genau das, was einige Jahre bei einer Erkundungs-/Strafexpidition geschehen sein kann in der Gegend östlich von Osnabrück …

Gruß

Friedel

* Beim Konjunktiv II (Präteritum), ich nenn’s in der Nachfolge von Karl Kraus allzu gern Konjunktiv irrealis, solltestu besser mit abschließendem –e oder Apostroph arbeiten (der dann anzeigt, das ein Buchstabe wie in unserm Fall das Endungs-e weggelassen wird:

Als wüssten sie genau, was lief[e], waren die Rudel …
doch zumindest
Als wüssten sie genau, was lief[’], waren die Rudel …
Den Fürsprechern des Denglishen „würde“ damit das Argument entzogen, Indikitav und Konjunktiv verwechseln zu können, wiewohl es auch dem Letzten nach dem „wüssten“ klar sein sollte, dass hier eh keine Verwechslungsgefahr bestehe …

** Erkennt man den Heumonat noch?
Ich schon!

Jetzt ist aber erst mal genug!

Bis dann!

 

Hallo Quinn,

Also mit all den Figuren und den Wendungen, da bleibt kaum Zeit für Atmosphäre, Namen sind nur Namen hier, um Figuren zu werden braucht man Szenen.
Allein die ganze Passage mit „Titow“, die könnte man komplett rausstreichen, weil sie in der Geschichte überhaupt keinen Platz hat.
Ja das stimmt.
Danke für diese Kommentare: Ich werde die Geschichte in diese Richtung überarbeiten.

„Das kommt auf euch zurück“ – man könnte z.B.„Das fällt auf euch zurück“ schreiben -und das ist eine feste Wendung, die eigentlich harmloser gemeint ist. Das geht nicht so richtig.
Wie wäre es denn mit? „Dafür werdet ihr zahlen?“ „Das werdet ihr büßen/bereuen?“
Das werdet ihr bereuen oder dafür werdet ihr büßen finde ich abgedroschen.
- ich habe bewusst diese Form gewählt, weil sie im Gegensatz zu "Das fällt auf euch zurück" bedrohlicher klingt, so wie: da ist definitiv etwas und das kommt wieder. Das ist fix. Es mag eine Formulierung sein, die in einem Deutschen Dialekt so gebraucht wird. Ich habe sie in einem Zeugenbericht über den beginn des zweiten Weltkrieges gelesen und der Satz ist mir im Gedächtnis geblieben.

@ Friedl
Wiederum Dank für deine genaue Aufarbeitung meines Texts:

Zitat:
Die Wölfe waren nirgend zu sehen,
wäre ein schöner Satz zum Abschluss dieses Albtraums, gegen dessen Ende hin arg bis zum Rande des gruseligen Kitsches übertrieben wird,

Ein schäner letzter Satz ja, aber er lässt doch zu viel offen und so wie die Geschichte jetzt da steht, gibt es keine Sicherheit, das sie nie wieder kommen. Eher könnte ich mir vorstellen: Die Wölfe wurden nie wieder gesehen.
Ich glaube, das nehme ich, aber Boris Jarolski will ich zuvor sein happy End als Lehrer in Novosibirk nichtwegnehmen.

„Hört hr das?
Hier möchte ich das Ihr ablehnen, weil das sind derbe Burschen, diese Soldaten und nicht nur das sie keine Höflichkeit kennen, ist ihr hier als Anrede aller zu verstehen.

hier

Zitat:
Als wüssten sie genau, was lief[e], waren die Rudel …
kann ich mich weder mit Apostroph nicht anfreunden. Die Stelle wird, genauso wie ein größerer Teil der Geschichte überarbeitet.

ins Sibirien des römischen Imperiums gelingen könnte:
Original
Zitat:
Titow allerdings hatte nur darauf gewartet. Er kam im Juli mit einer Gruppe von Inspektoren und sammelte einige Schädel in den umliegenden Wäldern ein.
Fälschung:
„Titus allerdings hatte nur darauf gewartet. Er kam im Juli –
dem houwimanod** der Eingeborenen –
mit einer Gruppe von Inspekteuren und sammelte einige Schädel in den umliegenden Wäldern ein.“
interessante Idee: Deine Hartnäckigkeit darüber gefällt mir ;)

lg
Bernhard

 

Hi Bernhard.

Jetzt sitze ich hier schon minutenlang rum und überlege, was ich zu deiner Story schreiben soll. Ach, ich leg einfach mal los: Ich bin zwar nicht mehr so oft hier, aber ich muss sagen: Eine der besten und spannendsten Geschichten, die ich hier gelesen habe. Ohne Scheiß, mich hattest du voll in deinem Bann.
Das außergewöhnliche Setting, eine zwar bekannte Story (Kriegsgeschichte) aber richtig geil aufgepimpt.
Du hast wirklich einen Spannungsbogen eingebaut, der bereits zu Anfang hoch anfängt, und sich dann ins schier Unerträgliche steigert. Der für mich alles übertreffende Höhepunkt war der Angriff des Leitwolfes und sein verzerrtes Gesicht. Hut ab!
Ich bin auch nicht der Meinung, dass die Personen zu wenig charakterisiert sind (vielleicht hast du aber auch schon ordentlich überarbeitet). Ich konnte mir jeden gut vorstellen und fand sie passend ausgewählt.
Besonders hervorheben möchte ich die Dialoge. Ich bin ja ein wahrer Fan solcher und ich finde, es gibt nichts Schlimmereres als schlechte, unrealistische Dialoge in einer Geschichte. Deine waren echt! Genauso würden die Leute reden. Nichts Wichtiges, nichts Hochtrabendes, einfach nur echte und einfache Gespräche.
Ich persönlich fand auch das Schnelle an deiner Geschichte gut, denn ich wollte unbedingt wissen, was es nun mit den Wölfen auf sich hatte.
Dennoch möchte ich Quinn Recht geben, ein bisschen weniger Raffung, dafür aber etwas ausgefeiltere Details an manchen Stellen, hätten der Geschichte bestimmt gut getan.
Hier möchte ich die Szene in der Höhle als Beispiel nehmen. Da hätte mich wirklich der Konflikt der Russen und Deutschen interessiert. Alle gemeinsam in der Höhle, draußen die Wölfe mit den Freunden. Da ein paar Gespräche, ein wenig Leben, bevor sie nach draußen gehen.
Das Ende ... naja, ich hätte es schöner gefunden, wenn du so wie am Anfang begonnen, auch einfach aufgehört hättest. Beispiel: Sie sehen am Horizont die rettende Stadt. Boris blickt noch einmal in den Wald, doch die Wölfe sieht er nicht. Ende :)
Ansonten möchte ich gerne diese Geschichte aufgrund der realistischen Charaktere und der enormen Spannung empfehlen.
Einfach super Unterhaltung!

Gruß! Salem

 

ng, dass die Personen zu wenig charakterisiert sind (vielleicht hast du aber auch schon ordentlich überarbeitet).
Jau, hat er.

Ich hab die Geschichte nochmal gelesen und hab sie kaum wiedererkannt, Bernhard. Also sie ist jetzt wesentlich besser, du hast viel überflüssiges rausgenommen. Du hast die Perspektive beschränkt, du hast die einzelnen Szenen mehr ausgeführt.
Mir gefällt das jetzt viel besser so.

Dennoch möchte ich Quinn Recht geben, ein bisschen weniger Raffung, dafür aber etwas ausgefeiltere Details an manchen Stellen, hätten der Geschichte bestimmt gut getan.
Den Kritikpunkt habe ich aber immer noch weiter. Es ist jetzt viel besser, so dass die Raffungen an manchen Stellen eben noch deutlicher auffallen.
Auch stilistisch fehlt vielleicht noch ein zweiter oder dritter Schritt Politur.
Da sind gerade manche sehr handlungsintensive Szenen doch arg abgefrühstückt: Da ist dann. Der macht das, worauf der das. Und das, worauf das.
Und er mäht Wölfe nieder.
Also der Text tut sich sehr schwer damit, in einen höheren Gang zu schalten, wenn es sprachlich angebracht wäre, sondern er bleibt sehr distanziert.
Deshalb sind die Dialoge der starke Teil des Textes, nicht die Szenen, wenn etwas vom Erzähler beschrieben wird.

Es ist auf jeden Fall schön zu sehen, wie umfangreich du die Geschichte bearbeitest hast. Es hat sich, in meinen Augen, gelohnt. Das war ein Schritt in die richtige Richtung, denke ich, vielleicht hätte man ihn noch konsequenter gehen können. Aber jetzt ist das eine sehr lesbare Geschichte, man verliert nicht den Faden, sie hat ordentlich Tempo und dieses "frische" Szenario im Arbeitslager des Nachkriegsrussland ist wirklich toll.

 

Hi Salem

Danke, erst Mal für deinen positiven Kommentar. :) Hat mich wirklich sehr gefreut.

Hier möchte ich die Szene in der Höhle als Beispiel nehmen. Da hätte mich wirklich der Konflikt der Russen und Deutschen interessiert. Alle gemeinsam in der Höhle, draußen die Wölfe mit den Freunden. Da ein paar Gespräche, ein wenig Leben, bevor sie nach draußen gehen.
Prinzipiell ja, aber ich sollte die Geschichte ja kürzen - wenn ich noch etwas eingebaut hätte, wär sich nicht mal mehr die gleiche Länge ausgegangen ;)
Und ehrlich gesagt, mir ist nix tolles mehr eingefallen ;)

Hi Quinn

Ich hab die Geschichte nochmal gelesen und hab sie kaum wiedererkannt, Bernhard. Also sie ist jetzt wesentlich besser, du hast viel überflüssiges rausgenommen. Du hast die Perspektive beschränkt, du hast die einzelnen Szenen mehr ausgeführt.
Mir gefällt das jetzt viel besser so.
da bin ich jetzt wirklich froh. Ich war mir nicht sicher, ob es ausreicht, das Verständnis noch da ist, etc. ich finde die Geschichte ist schon ganz schön gerafft.
Also der Text tut sich sehr schwer damit, in einen höheren Gang zu schalten, wenn es sprachlich angebracht wäre, sondern er bleibt sehr distanziert.
das sehe ich mir nochmals an
Jedenfalls habe ich die richtigen Hinweise für die Überarbeitung bekommen.
Danke nochmal

Bernhard

 

Hallo Bernhard,

toll, ich habe die Geschichte nicht wiedererkannt. Du hast da ja eine irre Arbeit reingesteckt. Und es hat der G. richtig gut getan. Sie ist klasse geworden und ich habe sie sehr gerne gelesen. Das Verständnis ist auf jeden Fall da, man kapiert die Abläufe.
Auch wenn es stimmen mag, dass an einigen Stellen Details fehlen mögen. Dazu kann ich aber wenig sagen.
Insgesamt finde ich: Da sieht man doch mal, was Überarbeitungen leisten können. Eine echt tolle Leistung. Fühl mich ein bisschen wie Halbmama deiner Geschichte, weil ich damals die erste Kommentatorin war, daher hier noch zwei Tipps, denn du wolltest ja noch ein wenig weiter überarbeiten, weil der Text distanziert sei.
Sind nur Kleinigkeiten.

1. Die Charakterisierungen von Josip und Boris empfinde ich als etwas eingleisig. Sie wirken beide so gefühllos und böse (am Anfang). Das ist, naja, so unecht und übertrieben. Josip kann ja ruhig rachsüchtig sein, aber so wie er sich verhält, das ist so plakativ. Wie in einem Comic. Ich kann mir vorstellen, dass es durch ein wenig abmildern schon besser wird. Ich nenn dir mal die beiden Stellen, an denen es mir besonders aufgefallen ist. Ich wundere mich auch ein bisschen, dass das nur mir auffällt.

„Josip, du Einfaltspinsel. Sieh dort rüber. Der Doktor wählt die Kränksten aus, und so müssen wir sie nicht durchfüttern und die Arbeitsleistung steigt auch.“
„Bravo“, sagte Josip und ein breites Grinsen erschien auf seinem runden Gesicht. „Ich tausche meinen Dienst. Dass lass ich mir nicht entgehen.

Als sie schließlich durchs hölzerne Lagertor marschierten, fragte Andrejewitsch Boris leise: „Hast du kein schlechtes Gewissen? Josip kann ich verstehen. Aber du?“

Boris schlief ohne Gewissensbisse und keiner der Gefangenen kehrte zurück.


Du kannst ja wenigstens mal überlegen oder ein anderer schreibt ja vielleicht noch mal was dazu. Also im zweiten Beispiel fände ich "tief und fest" besser, auch wenn das ein bisschen fad ist. Vielleicht fällt dir was Besseres ein. Das Gewissen wiederhol sih halt auch ohne zwingende Notwendigkeit.

2. Dann schrieb Quinn das hier:

Da sind gerade manche sehr handlungsintensive Szenen doch arg abgefrühstückt: Da ist dann. Der macht das, worauf der das. Und das, worauf das

Ich hatte seinen Kommentar nur überflogen und bin dann quasi unabhängig davon tatsächlich über eine Stelle gestolpert, die mir auffiel, weil sie so aufzählend war. Erst dann habe ich gemerkt, dass da tatsächlich mehrmals "worauf" steht. Es ist ja nicht nur so, dass es jedes Mal dieselbe Konjunktion ist, sondern der Satzbau ist dann ja ganz ähnlich, das bringt so was Aufzählendes zustande. Das lässt sich doch locker abwandeln.

He, aber ein paar müssen hier bleiben. Die Wölfe sind noch da!“, schrie der große Deutsche und sprang hinter den Soldaten her. Boris nahm sein Gewehr hoch, worauf sich der Deutsche hinter einem Baum versteckte. Josip schoss in die Luft, worauf hin alle davon rannten.
Andrejewitsch sah Josip böse an, doch der zog eine Grimmasse, worauf der jüngere Soldat wegblickte. Dann gingen sie schweigend zurück. In der Ferne sah Boris wieder die Wölfe von Baum zu Baum huschen.
Wenn mir noch was auffällt, schreibe ich es.
Aber jetzt freu ich mich mal für dich und deine Empfehlung und wünsch dir was ...
Liebe Grüße Novak

 

Hey Bernhard!

Deine Geschichte hat bei mir gemischte Gefühle hinterlassen.

Der Anfang ist stark, auch wenn er kurz davor bist, in dieses Rechtfertigungsgewäsch abzurutschen (du weisst schon "Ihr seid viel böser als wir!") - aber du bekommst die Kurve, und gibst der Geschichte einen interessanten Subtext.
Im Krieg sind schlimme Sachen passiert. Die Wärter sind grausam, aber sehen ihre Handlungen als gerecht, man ist nicht nur einer von den Guten, sondern auch ein Sieger. Doch erhebt einen das moralisch über den besiegten Feind? Dachte der nicht auch einst, er würde moralisch über einem stehen? Wirklich interessant, wirklich! Den Josip hast du aber ein bisschen zu offensichtlich zum Transportmedium dieser Message gemacht.

Gegen Ende, so ab dem letzten Drittel, häufen sich Grammatik-und Rechtschreibfehler. War da die Luft raus?

Dann gibt es einige Plotholes. Jemand ist da, dann ist er plötzlich woanders, man weiß nie, wo alle grade sind, bis plötzlich irgendein relevanter Gegenstand auftaucht.

Das Ende finde ich verschenkt, es ist ... enttäuschend. Keine Ahung, was ich erwartet habe, das war irgendwie zu wenig. Du hast die Handlung sehr langsam und sorgfältig eskalieren lassen, aber am Ende verpufft einfach alles. Schade!

Die Geschichte ist überdurchschnittlich gut, ich habe sie gern gelesen. Für eine Empfehlung reicht es meiner Meinung nach nicht, aber dennoch: Gratulation!


MfG
Tim

 

„Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale.
Wir kommen als Feinde!
Wie der Wolf in die Schafsherde einbricht,
so kommen wir!“
Joseph Goebbels am 4. April 1940​
„Das kommt auf euch zurück“, fauchte der deutsche Leutnant.
„Nein!“, schrie der Soldat Josip: “Jetzt kommt auf euch zurück, was ihr meinen Eltern angetan habt!“,
also gleich einem biblischen bis ins siebente Glied, beginnt – wie die vorangegangene Fassung - der nun vorliegende Text,

lieber Bernhard,

zu dessen Empfehlung ich Dir recht herzlich gratulier, obwohl ich dem Werk distanziert gegenüberstehe!

Wir müssen von einem ahistorischen Produkt ausgehen, sonst hättestu es nicht unter Horror eingestellt, die beiden konkurrierenden totalitären Systeme waren den eigenen Einwohnern Gräuel genug, dass es keines bösen Wolfs bedurft hätte. Gehen wir also getrost von einem fiktiven Fantasieprodukt aus. Wie der Traum eines Traumdeuters, so bedarf der fantastische Text der Deutung durch den Leser. Es ist so authentisch wie Rotkäppchen und die sieben Geißlein nur sein können. Authentisch waren allein die Sammler der Märchen und Mythen, die gewissenhaft das sammelten und aufschrieben, was das Volk sich erzählte und was es glaubte. In einer landwirtschaftlich bestimmten Welt gelten Räuber wie Wolf und Fuchs als schädlich und nach einer einfachen Ethik gilt heute noch als gut, was einem nützt, und als böse, was einem schadet. Dass man diese Faustregel auch für politische Zwecke missbrauchen kann, lässt sich in der Geschichte bis heut nachweisen und Deine Schauermär vom bösen Wolf nutzt dieses einfache Weltbild aus. Was ich darin sehe, wird vor allem nicht jenen Jüngern des Horrors gefallen, die Authentizität und Glaubwürdigkeit hineinfaseln, denn Du hast ja nicht grundlos diese Schauermär vom menschenfressenden bösen Wolf unter Horror gesetzt, dass ich sie für einen Alb Deiner schlaflosen Nächte halten darf.

Das Geschehen darin ist reine Fiktion und wäre die Geschichte ein Mantel, Du hättest ihn mit diesem Text auf links gedreht, aus dem gescheiterten Unternehmen Barbarossa und Weltherrschaft ein Geschichtsklitterung à la Pantoffelkino! Hinzu gesellen sich noch einige Schnitzer – zuvörderst der üblichen Art, Zeichensetzung und Flüchtigkeit. Da ich auch da nicht Vollständigkeit garantieren kann, sei nur je ein Beispiel aufgeführt:

„Warum lassen wir sie nicht alle den Wölfen?“[,] schlug der Arzt vor.

„Mach[en] Sie sich keine Sorgen. …“

„Verdammt, die gehen in Deckung, … und erschießen ein paar.[“]

„Deine Meinung ist nicht gefragt, Bohnenstange“, fuhr i[h]n Josip an.

Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten gab es in den totalitären Systemen Europas vor 70 Jahren zuhauf – und wären es nur Arbeits[erziehungs]lager, um kriminelle und politische Gegner, aber auch ganze, ungeliebte Bevölkerungsgruppen wegzusperren.

Und in ein solches entführstu uns am Jablonowyjgebirge im südlichen Sibirien.

Aber warum so weit weg?

Weil Sibirien sich weniger wegen des Horrors und der Verfilmung so weit die Füße tragen, als mit klappernden Zähnen schon allein wegen der Kälte verbindet, denn der Lagerleiter will die kranken, schlecht oder gar nicht mehr arbeitsfähigen Kriegsgefangenen in der Natur aussetzen –

was gegen die Haager Landkriegsordnung (1907) wie die Genfer Gefangenenkonvention (nur 1929, 1949 ist ja noch Einiges hin) verstößt und somit bis ins siebente Glied verfolgt würde und doch nicht das Wichtigste wäre –

denn die Aussetzung in Freier Wildbahn bedeutet im Winter dieser Geschichte den sicheren Tod, nicht durch Väterchen Frost (der auch bei bis dato gesund und kräftig erscheinenden Arbeitskräften durchdringen kann, sondern durch den Einsatz von (scheinbar mit Sowjets) befreundeten Wölfen. Da wird Lützows Wilde verwegene Jagd durch scheues Getier ersetzt, dass auch schon mal selbst bei Gefährdung macht, dass es wegkomme!

Nun haben wir schon die Stelle erreicht, die es zu erreichen gilt – dass wir jenseits des Urals einen großen Spiegel errichten, um die Ereignisse ins gemütliche Mitteleuropa zu transformieren, sie weit im Westen Eurasiens widerspiegeln zu lassen, denn hier im kuscheligen westlichen Eurasien verlässt man sich weder auf Frost noch Wolf, um mittels warmer Dusche und Chemikalie bei Reinigungsaktionen die Unzuverlässigkeit von natürlichen Ereignissen wie dem eher scheuen Wolf auszuschließen.

Die Spiegelung im Dachstübchen ist da verlässlicher als das Experiment in freier Natur.

Allein von Goebbels liegt der Vergleich mit dem – nun aber ganz, ganz bösen – Wolf aus dem Märchen vor (vgl. das einleitende Zitat)!, und die Nachkriegsverhältnisse waren für Wahrheit nicht geeignet: „Nach dem Krieg schufen sich die Deutschen eine neue Hierarchie der Opfer. Die prominentesten Opfer, die der Roten Armee, die sogenannten Vertriebenen und deutsche Kriegsgefangene, fanden in der Struktur des politischen Systems mehr als nur ihren symbolischen Niederschlag. […] Mit dem »Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte« hatten sie ferner eine handfeste Vertretung in der westdeutschen Regierung. Auch die kulturelle Trauerarbeit konzentrierte sich auf diese Gruppen . Ein Ministerium für die Überlebenden und Opfer des Holocaust wurde hingegen nie eingerichtet. In den öffentlichen Erinnerungsritualen verkam die Nennung der Juden von Beginn an zur bloßen Rhetorik, vorrangig um die Westmächte zu beschwichtigen. Andere rassistisch Verfolgte und Ermordete wie Roma und Sinti sowie 20 Millionen ermordete BürgerInnen der Sowjetunion und der systematische Mord an Menschen, die in den »Euthanasie«-Programmen umkamen, hat die deutsche Öffentlichkeit lange völlig verschwiegen. Statt dessen wurden die mit phantasievollen Details ausgeschmückten Geschichten über »den Russen«“ [*] um eine unterhaltsame Variante für den nach Schauer dürstenden Horrorgläubigen erweitert über verhinderte Eroberer, die als Mörder und Folterknechte in ein fremdes Land einfielen, und bestenfalls ihr Revier mit ihrem Unflat und Sperma markierten. Und was die Geschichte weit in den Osten verschiebt geschieht mitten im christlichen Abendland, denn „m Frühjahr 1940 wurde nahe der polnischen Stadt Oswiecim auf Befehl des Reichsführers SS Heinrich Himmler mit der Umgestaltung der dort vorhandenen Kasernen zum Konzentrationslager Auschwitz begonnen. Die Bewohner der umliegenden Ortschaften wurden zwangsweise ausgesiedelt. Auf dem Gebiet des benachbarten Ortes Brzezinka (Birkenau) wurde im Herbst 1941 auf Befehl Himmlers mit der Errichtung des zweiten Teiles des Lagers Auschwitz (Auschwitz II bzw. Auschwitz-Birkenau) begonnen, der ursprünglich zur Aufnahme von 100.000 sowjetischen Kriegsgefangenen bestimmt war. Statt dessen war Birkenau ab dem Frühjahr 1942 Schauplatz des Massenmordes. […] Die erstmalige Verwendung von Cyanwasserstoffgas als Mordmittel erfolgte im KZ Auschwitz. Da dieses Giftgas damals zur Ungeziefervertilgung in Verwendung und daher in ausreichender Menge vorhanden war, kam Schutzhaftlagerführer Karl Fritzsch in Abwesenheit des Kommandanten Höß auf die Idee, dieses Gas zur Ermordung von Menschen einzusetzen. Die erste Vergasung fand am 3. September 1941 in den zuvor abgedichteten Arrestzellen des Blocks 11 im KZ Auschwitz statt. Zeugenaussagen zufolge dauerte der Todeskampf der in die Zellen gedrängten rund 600 russischen Kriegsgefangenen eine ganze Nacht; einmal wurde sogar Gas nachgeschüttet. Ehe Anfang 1942 die ersten großen Judentransporte im KZ Auschwitz eintrafen, fiel vor allem eine große Zahl russischer Kriegsgefangener den Morden mittels Giftgas zum Opfer. Doch der Keller von Block 11 war für Giftgasmorde wenig geeignet. Daher wurde der Leichenraum des Krematoriums I im Stammlager, der bereits über eine Lüftung verfügte, zur Durchführung der Morde adaptiert und ab Jänner 1942 als Mordstätte benutzt.“ [**] Insgesamt wurden allein in Auschwitz 11.700 russische Kriegsgefangene, die nicht mehr arbeitsfähig waren, umgebracht. [***]

Die Namen Goebbels, Himmler und Höß sollten heute nicht vergessen werden, sowenig als der Kriegsgefangene im Althochdeutschen noch „gisal“ geheißen wurde, aus dessen Bezeichnung uns noch aus dem dunkelsten und frühen Mittelalter die Geisel entgegenlacht aus der Sagenwelt, die sich aus der Völkerwanderung entwickelte, die dem Gegner / Feind wechselseitig als Pfand überlassen wurde, dass die je andere Seite ihre Verträge einhalte - vom großen Theoderich (* 451) ist bekannt, dass die nicht einmal zehnjährige gotische Geisel am Hof zu Konstantinopel eine „klassische“ und vollständige Ausbildung während seiner ca. zehn Jahre währenden Geiselhaft genoss ...

Blieben noch wenige sprachliche Ungereimtheiten anzuzeigen wie

„Ich hab ihnen nichts getan.“
Sollte das Anredepronomen unter Fremden nicht großgeschrieben werden – oder hält der Sprecher sich immer noch für einen Eroberer?

Die grellen Scheinwerfer warfen harte Schatten auf sein abgemagertes Gesicht.
Harte Schatten, gibt’s die? Schatten / Silhouetten können – wie der Scherenschnitt – scharf geschnitten sein, aber dass sie Härte verbreiten, ist sehr poetisch …

„Was kümmern dich diese verdammten Nazis?“
„Das sind auch Menschen.“
Scheint mir ein versöhnlicher Abschluss, der freilich keine Geschichtsklitterung korrigieren kann.
Die Wölfe von Borski wurden nie wieder gesehen.
Die mörderischen Gedanken, die Auschwitz und dergleichen ermöglichten, gibt’s immer noch. Die chemischen und biologischen Methoden, Unkraut zu verändern und / oder zu vernichten sind in zwei Generationen durchaus verbessert worden.

Gruß

Friedel

Zum Trost stelle ich die Einleitung Jean Pauls Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei, hintan:

„Das Ziel dieser Dichtung ist die Entschuldigung ihrer Kühnheit.“

Zitiert wurden

* Brigitta Huhnke: Geteilte – zerteilte Erinnerung. Der Vermeidungsdiskurs zum Holocaust, in: Medien in Konflikten. Holocaust – Krieg – Ausgrenzung, hgg. v. Adi Grewenig und Margret Jäger, DISS Duisburg 2000, S. 29 ff., Zitat S. 31 f.

**Brigitte Bailer-Galanda: DIE VERBRECHEN VON AUSCHWITZ , in: Brigitte Bailer / Wolfgang Benz / Wolfgang Neugebauer (Hg.): Wahrheit und "Auschwitzlüge". Zur Bekämpfung "revisionistischer" Propaganda, Wien 1995, S. 68 ff. hier: S. 68 f.

*** aaO, S. 72

 

Hej Bernhard,

die Überarbeitung ist klasse geworden. Ich hatte die erste Version angefangen zu lesen, war nicht durchgekommen und hatte das letzte Drittel nur noch überflogen, konnte mir nicht ganz erklären, warum es nicht töfte, denn die Idee und das setting fand ich sofort gut und dachte, auch sonst hätte das alles Potential ... und gestern hab ich's nochmal gelesen, gespannt und in einem Rutsch - soooo viel besser jetzt! :)
(Danke auch an meine Vorkommentatoren!)

Eigentlich finde ich es immer ein bisschen lächerlich, wenn ausgerechnet Wölfe zu Menschenjägern aufgebauscht werden (der einzige Autor, der mir mal Wolfsattacken so verkauft hat, dass ich sie glaubwürdig fand, war Jack London).
Aber du hast hier keine "echten" Wölfe sondern irgendwelche mystischen Biester mit roten Augen, die das Wissen ihrer Fraßopfer absorbieren - jaaaa, dann kauf ich das. Von mir aus hättest du das phantastische Element noch ausbauen können.

Er nahm Anlauf und sprang am Zaun hoch. Der kleine Josip konnte mit seinem Gewehrkolben nicht mehr richtig zuschlagen und auch der größere Boris war zu klein, um den Deutschen vom Zaun zu werfen. Aus der Nase des Leutnants quoll ein dünnes Rinnsal Blut. Kleine Tropfen spritzten auf Boris und Josip, die nun beide hinter ihm her kletterten. Boris fasste mit den Händen nach seinem Fuß und zerrte daran, doch der Gefangene hielt sich unnachgiebig am Zaun fest.
Kannst du in dem Absatz deutlich sagen, dass die da auf unterschiedlichen Seiten des Gitters stehen? Also, als die Stelle kam, wo Josip und Boris dem Deutschen hinterherkletterten, da hatte ich automatisch so ein Bild, wo die alle auf derselben Seite des Zauns nach oben klettern ... ich musste das dann später korrigieren.

Unklar fand ich das hier:

Nach drei Tagen erreichten sie Tschita, ohne das sie angegriffen worden wären. Als Boris abstieg, sah er in das Gesicht des MG Schützen und erkannte, dass er ein deutscher Gefangener war.
Erstens, was soll mir das sagen? Ist das so eine "ehemalige Feinde verbünden sich" Botschaft? Hm.
Zweitens, wichtiger: Nach DREI TAGEN guckt der zum ersten Mal ins Gesicht des Schützen? Hä? Die hocken doch die ganze Zeit nebeneinander im Auto?

Also so allgemein, setting find ich spannend, die Wölfe fand ich gut (was in meinem Fall was heißen will, kannst dir was drauf einbilden), die Figuren find ich in Ordnung, auch die Konstellation (Woronov als Bösewicht, Josip als Bösewicht-mit-Motivation, Andrejewitsch als der Gute, Boris als derjenige, der die Entwicklung durchmacht).
Als Horrortext ist die Geschichte für den Leser sehr/zu bequem, weil ausschließlich die Bösen (Woronov, Josip) und Statisten sterben (die Gefangenen), aber kein Sympathieträger. Würde ich überdenken. Also, fürs Horror-Genre sowieso, aber auch nicht-Horrortexte. Wenn in dem Text den Bösen Böses und den Guten Gutes wiederfährt, dann sind das Wohlfühltexte - manchmal will man das, manchmal will man das nicht.
Das hier ist eine Geschichte, in die könnte man auch gut was sehr Bitteres stecken (Woronov kommt davon, Andrejewitsch wird zerfetzt - aus Sicht der Wölfe sogar "logisch", Woronov wollte sie immer füttern, Andrejewitsch war dagegen). Ich weiß nicht, ob du so einen Effekt willst, aber mal so als Denkanstoß.

LG,
MG

 
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Hallo Novak,

toll, ich habe die Geschichte nicht wiedererkannt. Du hast da ja eine irre Arbeit reingesteckt.
Ich hab die Änderungen gar nicht so gravierend empfunden. Im Prinzip hab ich nur einige Dinge aus anderer Sicht erzählt.
1. Die Charakterisierungen von Josip und Boris empfinde ich als etwas eingleisig. Sie wirken beide so gefühllos und böse (am Anfang).
Im Prinzip hast du recht. Josip habe ich explizit so angelegt und ich denke, es passt auch so. Was Boris betrifft, so denke ich, macht er ja durchaus eine Entwicklung durch. Dieses Gefühllose Verhalten dem Feind gegenüber ist ja durachaus auf allen Seiten auch heute noch verbreitet.


He, aber ein paar müssen hier bleiben. Die Wölfe sind noch da!“, schrie der große Deutsche und sprang hinter den Soldaten her. Boris nahm sein Gewehr hoch, worauf sich der Deutsche hinter einem Baum versteckte. Josip schoss in die Luft, worauf hin alle davon rannten.
Andrejewitsch sah Josip böse an, doch der zog eine Grimmasse, worauf der jüngere Soldat wegblickte. Dann gingen sie schweigend zurück. In der Ferne sah Boris wieder die Wölfe von Baum zu Baum huschen.
Hab ich geändert. Hast du völlig recht.
Vielen Dank noch mal

Hallo Badrabbit,
Danke für deinen Kommentar: Die klare Aussage hilft mir sehr:

Das Ende finde ich verschenkt, es ist ... enttäuschend. Keine Ahung, was ich erwartet habe, das war irgendwie zu wenig. Du hast die Handlung sehr langsam und sorgfältig eskalieren lassen, aber am Ende verpufft einfach alles. Schade
Mit dem Ende bin ich selbst auch noch nicht ganz zufrieden und werde weiter darüber nachdenken

Hallo Friedl,

Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten gab es in den totalitären Systemen Europas vor 70 Jahren zuhauf – und wären es nur Arbeits[erziehungs]lager, um kriminelle und politische Gegner, aber auch ganze, ungeliebte Bevölkerungsgruppen wegzusperren.

Und in ein solches entführstu uns am Jablonowyjgebirge im südlichen Sibirien.

Aber warum so weit weg?

Das Böse ist so nah, da hab ich es lieber weit weg und vielleicht ist das böse weit weg auch viel besser annehm- und verstehbar, als wenn sic auf einem Hügel die alten Kameraden jedes Jahr treffen und feiern und das Märchen vom sauberen Krieg hochhalten. Da ist mir das Böse weit weg lieber und in Form der Wölfe auch plakativer und leichter vorstellbar als in den Gehirnen unserer lieber Nachbarn, die dann den Gashahn aufgedreht haben, nachdem alles abgedichtet wurde.
Deine Umfangreiche Erklärung dazu ist wichtig und richtig, aber der Schrecken dieser Größenordnung ist auch mir schriftstellerisch noch um einiges zu groß insbesonders, weil er derartig unfassbar ist, das es sich ein ansehnlicher Prozentsatz unserer Mitmenschen einfach nicht vorstellen kann, dass es wirklich so war.

Die mörderischen Gedanken, die Auschwitz und dergleichen ermöglichten, gibt’s immer noch. Die chemischen und biologischen Methoden, Unkraut zu verändern und / oder zu vernichten sind in zwei Generationen durchaus verbessert worden
leider wahr:
Mit meiner Geschichte wollte ich mich nicht an dieses große Thema wagen, aber durchaus so etwas über Versöhnung und den Kampf gegen das Böse schreiben, der nur gemeinsam gewonnen werden kann.

Zitat:
„Was kümmern dich diese verdammten Nazis?“
„Das sind auch Menschen.“
Scheint mir ein versöhnlicher Abschluss, der freilich keine Geschichtsklitterung korrigieren kann.
das war mir dann doch wieder zu sehr Moralkeule. Ich habs abgeschwächt.
Zitat:
„Ich hab ihnen nichts getan.“
Sollte das Anredepronomen unter Fremden nicht großgeschrieben werden – oder hält der Sprecher sich immer noch für einen Eroberer?
mit ihnen sind die Eltern gemeint, nicht der Soldat
Zitat:
Die grellen Scheinwerfer warfen harte Schatten auf sein abgemagertes Gesicht.
Harte Schatten, gibt’s die? Schatten / Silhouetten können – wie der Scherenschnitt – scharf geschnitten sein, aber dass sie Härte verbreiten, ist sehr poetisch …
nun ja, ich denke, hier passts

Hallo möchtegern

... und gestern hab ich's nochmal gelesen, gespannt und in einem Rutsch - soooo viel besser jetzt!
vielen Dank, interessant nochmals, dass ich die Änderungen an meinem Text gar nicht so gravierend empfand.
Kannst du in dem Absatz deutlich sagen, dass die da auf unterschiedlichen Seiten des Gitters stehen?
wird gemacht
Erstens, was soll mir das sagen? Ist das so eine "ehemalige Feinde verbünden sich" Botschaft? Hm.
Zweitens, wichtiger: Nach DREI TAGEN guckt der zum ersten Mal ins Gesicht des Schützen? Hä? Die hocken doch die ganze Zeit nebeneinander im Auto?
erstens: ja genau,
zweitens. hast du natürlich recht, ich werds ändern.
Als Horrortext ist die Geschichte für den Leser sehr/zu bequem, weil ausschließlich die Bösen (Woronov, Josip) und Statisten sterben (die Gefangenen), aber kein Sympathieträger. Würde ich überdenken. Also, fürs Horror-Genre sowieso, aber auch nicht-Horrortexte. Wenn in dem Text den Bösen Böses und den Guten Gutes wiederfährt, dann sind das Wohlfühltexte - manchmal will man das, manchmal will man das nicht.
Eine interessante und gute Beobachtung. Es gab absichtlich in dieser Geschichte am Ende Gerechtigkeit. Dadurch wird der Horror abgemildert. Nachdem ich und auch andere mit dem Ende noch nicht ganz zufrieden sind, stehen die Chancen für eine andere Variante gut

lg
Bernhard

# # #

Hallo Friedl,

Ein Nachtrag zum letzten Satz:

Die Wölfe von Borski wurden nie wieder gesehen.
Nach der Diskussion mit dir habe ich nochmals nachgedacht und das Ganze geändert, weil es so gesehen nicht vorbei ist und damit sind wir in der Gegenwart und bei den Menschen angelangt, was zwar nicht beabsichtigt war, aber andererseits: jede gute Geschichte sollte am Ende bei den Menschen angelangen.

Lg
Bernhard

 

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