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Die Truhe
Die Truhe.
Manchmal habe ich das Gefühl, als beobachte sie mich.
In Mexiko, in einer geheimen Höhle, wurde sie von uns gefunden. Grabstätte oder nicht, es fällt dem Professor schwer es gegenüber den Anderen einzugestehen; nicht er selbst, sondern einer seiner Studenten hat den Hohlraum unter dem Hügel ausgemacht und das Loch gegraben.
Keine Grabkammer, oder doch? Die üblichen Verzierungen, Schätze; vielleicht woanders, doch nicht in dieser Höhle. Da stand nur sie, die Truhe.
Drei Meter lang, zwei breit und einen hoch, auf den Zentimeter genau.
Die Musik spielte den ganzen Abend, als wir zurück ins Lager kehrten. Alkohol floss in Strömen. Was für ein Fund!
Ob goldener Reichtum, vielleicht sogar ein Leichnam in ihr liegt? Die Scanner sagen nein. In Anbetracht des fremden Materials lügen sie womöglich und die Verriegelung ist zu kompliziert, um sie ohne nachhaltige Blessuren zu hinterlassen aufzubrechen .
"Wir könnten ja das gesamte Ding in die Luft sprengen", witzelte Frederick. Er hat das Loch gegraben. Der Professor ist daraufhin ausgerastet. Alleine die Überführungskosten - ein Lufttransport am Mitwissen der mexikanischen Regierung vorbei - haben das Institut ein Vermögen gekostet und dann bekommt man die vermeintliche Sensation des jungen Jahrhunderts nicht geöffnet, ohne den unbekannten Inhalt zu beschädigen.
Was das für eine Verriegelung ist? Eine verdammt alte, da sind sich die modernen Geräte der ausgereiften Archäologie einig. Welche Leute solche Sachen damals entwerfen konnten, ist die logischerweise folgende Frage. Überhaupt keine, die Antwort.
Gelegentlich glaube ich, den Deckel der Truhe leicht vibrieren zu sehen, wenn ich nachts alleine im Labor bin und auf den Monitoren nach Hinweisen suche, die uns weiterbringen könnten.
Aber das bilde ich mir bloß ein, weil ich es mir einbilden soll. Die Truhe spielt ihr Spiel mit mir. Was immer sich in ihrem Inneren befindet, ist nicht für menschliche Augen bestimmt; unter Umständen für überhaupt keine Augen.
"Ganz einfach", hauche ich triumphierend dem mitternächtlichen Zwielicht entgegen, das sich seinen Weg durch die Schlitze der heruntergelassenen Jalousien bahnt.
Dann betätige ich einen der kleinen Schalter, die sich an dem Schloss mit seinen seltsamen Symbolen befinden. Anschließend den nächsten und wieder einen. Solange, bis der Deckel der Truhe knirschend hochschwingt; schnell wende ich meinen Blick ab.
Ich habe das Rätsel gelöst und keiner ist hier, um diesen Triumph mit mir zu feiern.
Die Augenbinde ist rasch übergezogen und mit meinen Händen taste ich nach dem verborgenen Mysterium. Mein Herz bebt vor Erregung. Kalter Schweiss bildet sich auf meiner Stirn.
Es fühlt sich weich und warm und pochend an, und...