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Die Türkin in mir

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21.12.2015
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Die Türkin in mir

Meine Freundin Leyla ist mir abhanden gekommen. Erst war sie in einem anderen Land, dann in einer fremden Welt, zuletzt im Nirgendwo. Leyla ist nicht nur meine beste Freundin, sondern die einzige. Und auch meine Schwester, weil Leylas Familie mein Zuhause war. Die Wohnung, in der ich mit meiner Mutter bis vor kurzem gelebt habe, war meistens nur eine ganz angenehme Frühstückspension.
Einen Vater habe ich nie kennengelernt. Angeblich ist er vor meiner Geburt gestorben. Später behauptete meine Mutter, er sei ausgewandert. Irgendwann erwähnte sie, er sei ein hohes Tier gewesen.
„Mama, was meinst du damit, ein hohes Tier?“
„Halt so ein Großkopfeter, Wichtigtuer, ach, was weiß ich. Katrin, ich muss jetzt los. Tschüss. Und sag nicht Mama zu mir. Ich bin Anna, Anna! Hörst du?“
„Ja. Lebt der Wichtigtuer noch, Mama, vielleicht in Amerika oder Australien, hat er Geld? Ist er ein berühmter Star oder so was?“
Mit dreizehn liebte ich es, meine Mutter mit solchen Fragen in die Enge zu treiben. Ich glaubte ihr sowieso nicht, egal, was sie erzählte. Mit sechzehn akzeptierte ich Anna, wie sie war, und wir kamen einigermaßen miteinander aus. Aber da kannte ich ja auch schon Leyla.

Leyla saß in der Fotoklasse neben mir an einem Vierertisch. Die Klassenlehrerin hatte mich gefragt, ob ich Leyla ein wenig unterstützen wolle, so ein türkisches Mädchen habe es ja nicht leicht. Ich wollte. Denn es war Leyla, die Schöne mit der schwarzen, langen Haarmähne, der schmalen Taille, den engen Jeans, die ihre leicht gebogene Nase selbstbewusst in die Höhe reckte. Nicht nur die Mädchen glotzten und tuschelten. Leyla strahlte mich an, als sie ihre Glitzertasche an den Stuhl hängte. Da schmolz ich sofort hin.

Heute kann ich nicht sagen, wer wen mehr unterstützt hat. Wenn ich wegen meiner Brille und den mausgrauen Haaren mit Gott und der Welt haderte, legte sie schnell den Arm um meine Schultern und schob mich vor einen Spiegel.
„Guck doch, Katrin, bloß ein bisschen Kajal und Lipgloss. Und die Haare kriegen eine rötliche Tönung, Kastanie oder Honig. Lass mich mal machen.“
Leyla war ganz verrückt nach Kosmetiksachen. Sie hatte immer ein Mäppchen mit Lippenstiften, Lidschatten, Wimperntusche, Make-up und so weiter in der Schulmappe. Lauter Pröbchen von Kusine Hüsnye, die gerade eine Lehre als Friseurin machte. Wir hatten da so ein Ritual: Auf dem Weg zur Schule sprang sie die vier Treppen hoch zu mir, packte den Schminkkram in meinem Zimmer aus und kam, perfekt gestylt, zu mir in die Küche, wo ich gerade das Frühstücksgeschirr in die Spüle stellte.
„Was meinst du, Katrin, ist es zu viel oder kann ich so gehen?“
„Bei dir sieht alles super aus, ehrlich. Für mich wär das nichts.“
„Ach was! Du musst halt mal was riskieren. No risk, no fun.“ Das war ihr Lieblingsspruch.

Anna hatte nichts dagegen, dass Leyla und ich stundenlang in meiner Dachkammer hockten. Sie wunderte sich bloß über ihr perfektes Deutsch. Darüber konnte ich sie aufklären. Leyla war in Böblingen geboren. Ihr Vater, zweite Generation Gastarbeiter, ein gelernter Maschinenbauer, arbeitete bei Daimler in Sindelfingen. Für einen Türken hatte er es weit gebracht, sogar bis in den Betriebsrat.
„Bin ich jetzt deswegen ein deutscher Türke oder ein türkischer Deutscher, was meint ihr?“, scherzte er öfter. "Die Arbeitskollegen grinsen, klopfen mir auf den Rücken und sagen: 'Du bischt halt e Schwob, Gündogan!'“
Ohne sein Einverständnis wäre es nichts mit Leylas Fotolehre geworden. Sein Traum war die deutsche Staatsbürgerschaft, wenigstens für seine Tochter. Kemal Gündogan setzte ganz auf Integration. Oder fast ganz, wie sich später noch zeigen sollte.

Kürzlich bin ich wieder einmal an Leylas früherem Zuhause vorbei geradelt. Griechen oder Menschen vom Balkan leben jetzt hier. Ich schaute zu Leylas Fenster hinauf. Wie gerne hätte ich mich nochmals in ihrem kleinem Zimmer auf das runde orangene Sitzkissen gehockt, ans Bett gelehnt und ihre neuesten Fotos begutachtet. Im kritischen Hinschauen war ich gut. Gruppenaufnahmen von unserer Klasse, Portraits.
„Ein bisschen too much, zu viel Inszenierung, überhaupt zu viel Farbe. Du musst dich entscheiden, Mädchen, worauf der Fokus liegen soll.“
„Aber das Leben ist bunt und vielfältig, und das will ich zeigen.“
„Sicher, es passt zu dir. Wahrscheinlich bin ich nur neidisch. Ich weiß ja, solche Bilder werden von den Kunden verlangt. Und den meisten Lehrern gefällt's auch.“
„Du machst aber auch super Aufnahmen. 'Schattenspiele' hängt ja wohl nicht zufällig im Schaukasten. Schwarz-weiß ist absolut deins."
„Zufallstreffer.“
„Überhaupt nicht. Zieh dich doch nicht immer selber so runter.“
„Tu ich gar nicht.“
„Doch!“
„Rechthaberin!“
Und dann flogen die Kissen.


Unsere Ausbildung erfolgte im Blocksystem. Abwechselnd vierzehn Tage im Geschäft, vierzehn Tage in der Berufsschule. Während der Betriebsphase traf ich mich mit Leyla nur am Wochenende. An das viele Stehen und den späten Feierabend mussten wir uns erst noch gewöhnen. Außerdem sah es Herr Gündogan nicht gerne, wenn Leyla nach acht außer Haus war.
„Aber ich kann sie doch heimbringen, es sind ja nur ein paar Meter von mir aus.“
„Und wie kommst du dann nach Hause, liebe Katrin? Wie könnte ich zulassen, dass ein junges Mädchen wie du allein durch die Nacht irrt? So etwas tut ein Vater nicht.“
Das mit dem Vater freute mich. Ich war solche Sorge um meine Sicherheit von Anna nicht gewohnt. Über diesen Punkt diskutierte Leyla zu Hause nicht, sie wusste, bei diesem Thema würde sie auf Granit beißen.
„Ich bin ja schon froh, dass er mich nicht vom Geschäft abholen kann. Bei Hüsnye ist das ganz anders. Die hat zwei ältere Brüder. Einer steht abends immer vor der Ladentür. Grässlich!“
„Ja, die Bruderrolle hat dein Vater mir zugeschoben. Ich darf dich beschützen.“
„Spinnerin! Obwohl, wenn ich es mir so recht überlege, da ist was dran. Also, was soll's! Dann telefonieren wir halt. Wir haben den ganzen Sonntag. Lass uns lieber überlegen, was wir damit anfangen.“
Sie hatte das Lesen für sich entdeckt. Wir lasen uns auch gegenseitig vor. In Annas Bücherschrank entdeckte ich Dorothy Sayers Gentleman-Detektiv Lord Peter, meine heimliche Liebe. Leyla schwärmte für historische Frauengestalten wie die Kaiserin Theophano. Und natürlich holten wir uns zahlreiche Fotobände aus der Schulbibliothek. Später fand ich beim Stöbern auch 'Das goldene Notizbuch' von Doris Lessing. Darin stand eine längere Widmung für Anna von einer Ruth. Diese Lektüre beschäftigte uns sehr lange. Leyla meinte, da ich ein Jahr älter sei als sie, könne ich sicher was dazu erzählen. Eigene Erfahrungen und so. Aber woher denn? Mein Sternbild ist nun mal Jungfrau. Zum Geburtstag schenkte mir Leyla einen Druck von Botticelli 'Die Geburt der Venus'. Heute weiß ich, Leyla kannte mich besser als jeder andere Mensch in meinem Leben.
In der Klasse waren wir Außenseiter, sie hielten uns für Lesben, die man am besten in Ruhe ließ. Keine offene Anfeindung, höchstens kleine Sticheleien, aber keine direkten Fragen. Die hätte Leyla mit ihrem strahlenden Lächeln einfach weggewischt. An Themen über Sex, so häufig und beliebt sie auch waren, beteiligte sie sich weder im Unterricht, noch in den Pausen. Meine Meinung dazu interessierte ohnehin niemanden.

Schließlich wurden wir ins Berufsleben entlassen. Leylas Abschlusszeugnis war das beste des ganzen Jahrgangs. Dafür gab es reichlich Lob und einen Bildband über die Türkei. Die Klassenlehrerin hielt eine Rede über den Gewinn, den das Miteinander verschiedener Kulturen mit sich brächte.
„Es ist eine Win-Win-Situation. Haben Sie ruhig den Mut, auch mal im Ausland zu arbeiten. Bilder werden viel eher verstanden als Worte. Und heute gibt es so viele Möglichkeiten für gut ausgebildete junge Erwachsene wie Sie.“ Auch wenn wir manches für Geschwafel hielten, so machten wir uns doch hochgestimmt auf den Heimweg. Leyla wusste schon, dass ihr Chef sie übernehmen würde. Ich hatte bereits mehrere Bewerbungsschreiben losgeschickt und wartete auf Einladungen zum Vorstellungsgespräch.
„Dein Vater wird sich freuen, erst recht, wenn er dieses teure Buch sieht. Vielleicht muntert es ihn etwas auf. Ich habe ihn seit dem Tod deiner Mutter nur selten fröhlich gesehen. Es tut mir so leid, dass sie deinen Erfolg nicht mehr mitfeiern kann. Ihre Tochter, eine hochbegabte Fotografin! Das hätte ihr bestimmt gefallen."
„Kann schon sein. Ich weiß nicht recht, seit Mama gestorben ist, hat er sich total verändert. Jetzt spricht er nur noch davon, dass er in die Türkei zurück will.“
„Aber ihr lebt doch schon so lange hier, habt gute Kontakte mit der Nachbarschaft, und dann sein Job. Da ist er richtig stolz drauf.“
Mit Herrn Gündogan unterhielt ich mich gerne, er hatte Spaß am Diskutieren und ich spürte, dass ihm an meiner Freundschaft mit Leyla gelegen war. Leylas Mutter war mir ein Rätsel geblieben. Sie sprach, wenn überhaupt, nur türkisch und verließ das Wohnzimmer, sobald ich auftauchte. Aber im Backofen hatte sie immer etwas Leckeres für uns. Manchmal stand ein Teller mit Lokum oder Baklawa auf der Anrichte.
„Zum Mitnehmen, extra für dich, los, zier dich nicht so, sie ist sonst beleidigt und ich auch.“ Es tat mir Leid, dass ich sie nicht mehr besser kennenlernen konnte. Ich hatte immer wieder das Bild vor Augen, wie sie bei einem der seltenen gemeinsamen Ausflüge ein paar Schritte hinter ihrem Mann herging.

Leyla kickte ein paar Steinchen vor sich her. Sie schien es nicht eilig zu haben.
„Denk dran, dass wir noch packen müssen. Um fünf komm ich dich abholen. Hat er nochmals was gesagt wegen der Hütte?“
„Es passt ihm halt nicht, dass wir dort übernachten. Du weißt ja, die Knaben. Er behauptet, er wisse, wie es auf Abschlussfeten zugeht. Es gäbe bei ihnen ja schließlich auch Betriebsfeiern.“
„Komisch, gegen die Klassenfahrt letztes Jahr hatte er doch auch nichts.“
„Ja, aber da war die Klassenlehrerin dabei.“
Leyla trödelte noch mehr. Ich konnte sehen, wie ihre Hochstimmung schwand.
„Ich glaube, ihn plagt etwas anderes. Gestern hat er Mutters Hochzeitsschmuck auf dem Couchtisch ausgebreitet. Stück für Stück, den ganzen Tisch voll. Er wollte, dass ich ihn anprobiere. Irgendwie gruselig. Ich meine, wer redet denn jetzt von einer Hochzeit? Und dann fegt er nach drei Minuten alles zusammen und schmeißt es in den Schlafzimmerschrank, ins oberste Fach, ganz weit hinten. Meinst du, er hätte mir was erklärt? Manchmal macht er mir richtig Angst.“
„Es ja erst vier Monate her, dass sie gestorben ist.“
„Ja, schon, aber ich spür's, er will mir was sagen und kriegt's nicht über die Lippen.“

Um fünf Uhr war Leyla alles andere als startbereit. Sie hockte im Schneidersitz auf ihrem Nomadenteppich und murmelte mit geschlossenen Augen vor sich hin.
„Was ist los, Leyla? Mike wartet unten. Der wird gleich ein Hupkonzert veranstalten. Wo hast du deinen Schlafsack?“
Keine Antwort. Nur ein unwilliges Kopfschütteln. Ich setzte mich auf Leylas Bett und musterte sie. Was sollte das schwarze Kopftuch über dem neu gestylten Bubikopf und der Fransenumhang ihrer Mutter?
„Vergiss es! Ich kann nicht mit. Ich muss richtiges Türkisch lernen und den Koran lesen. Meine Schwiegereltern erwarten von mir, dass ich meine Kinder zu frommen Moslems erziehe ... Hast du kapiert? Ich werde in der Türkei verheiratet! Schau!" Sie deutete auf einen aufgerissenen Briefumschlag unter ihrem Schreibtisch. Und dann trommelte sie mit beiden Fäusten auf den Boden, dass die Teppichfransen flogen und Staubwölkchen aufwirbelten. Klar, nach dieser Eröffnung war die Abschlussfeier für uns gestorben.

Das war es also. Kemal, der Vater, wollte ein Versprechen einlösen, gegeben am Sterbebett seiner Frau. Fatme hatte immer von einer Heimkehr in die Türkei geträumt, sich nie recht wohlgefühlt in der schwäbischen Industriestadt. Das hatte ich auch mitgekriegt oder zumindest geahnt.
Ich nahm den zerknitterten Umschlag in die Hand. Zwischen eng beschriebenen Blättern rutschte ein leicht vergilbtes Foto heraus. Es zeigte ein schlichtes Haus in einer ländlichen Gegend. Davor eine Familie mit drei Jungen, ungefähr zehn, zwölf und fünfzehn Jahre alt. Der Fünfzehnjährige war durch einen Kreis markiert.
„Reichlich jung, dein Zukünftiger.“
„Quatsch! Das Foto ist uralt und dazu noch miserabel. Der Bursche ist vier Jahre älter als ich.“
„Er sieht nett aus, eigentlich richtig gut. Und wie soll das Ganze ablaufen? Was steht in dem Brief?“
„Sie erwarten, dass Vater mit mir im Sommer nach Antalya kommt. Die Familie lebt ein paar Meilen entfernt im Hinterland. Serdar ist Reiseführer, staatlich geprüft, wie sie schreiben. Es sei Zeit für ihn, eine Familie zu gründen.“
„Woher kennt ihr die Leute? Ihr wart ja schon ewig nicht mehr in der Türkei.“
„Meine Mutter hat das eingefädelt. Bei ihr war es ja auch so. Von sich aus wäre sie niemals nach Deutschland gegangen.“
„Das kann doch nicht sein! Niemand kann von dir verlangen, dass du alles stehen und liegen lässt. Ich glaube es einfach nicht!“
„O doch, du kennst die Menschen in der Türkei nicht. Für die ist es eine Frage der Ehre.“

Ich hatte nicht vor, tatenlos zuzusehen, wie meine Freundin ein ungeliebtes Schicksal übergestülpt bekam. Also eröffnete ich wenige Wochen später Leylas Vater, ich wolle meinen ersten Urlaub als ausgelernte Fotografin in der Türkei verbringen. Und so saßen wir zu dritt im Flieger nach Antalya.
Die Rückreise, zwei Wochen später, traten wir nur noch zu zweit an, ein verzweifelter Vater, der nicht wusste, wohin er gehörte, und ich, Katrin, die sich unsterblich in das anatolische Hochland verliebt hatte. Und in Serdar, den attraktiven, liebenswürdigen, feinfühligen Verlobten Leylas.

In meinem Reisetagebuch habe ich unsere Ankunft und das erste Treffen mit Serdar stichwortartig festgehalten:
Eindrucksvolle Lichterketten beim späten Anflug auf die Millionenstadt an der türkischen Adria.
Lange Taxifahrt durch endlose Viertel mit Hochhäusern.
Ein kleines, einfaches Hotel am Rande der Stadt.
Leyla, die noch mitten in der Nacht ein knalliges T-Shirt und ihre engsten Jeans für das erste Treffen heraus
kramt.
Das Warten am folgenden Abend in der Lounge.
Leylas Vater, der sich unter einem Vorwand davonstiehlt und erst zwei Stunden später nach Anisschnaps riechend zurückkommt.
Leyla und ich, hochmütig die taxierenden Blicke junger Türken am Empfangstresen ignorierend.
Serdar.
Hier habe ich die Szene in meinem Tagebuch genauer skizziert. Ich lese sie immer wieder. Grüble, was schiefgelaufen ist.

Leyla und ich saßen angespannt auf dem abgewetzten Sofa dem Eingang gegenüber und beäugten jeden halbwegs jungen Türken, der hereinkam. Die meisten waren klein und einfach gekleidet. Immer, wenn einer zu uns herüber schaute, was so ziemlich jeder tat, stieß Leyla mich in die Rippen und murmelte: „Genau, wie ich mir gedacht habe.“
Kemal tigerte auf und ab; er rauchte eine Zigarette nach der anderen. Schließlich packte er sein Jackett. Er war ganz bleich und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Ich muss mir mal die Beine vertreten. Ihr rührt euch nicht von der Stelle. Katrin, ich verlass mich auf dich.“
Ich wollte gerade aufstehen, um den Busfahrplan am Empfangstresen zu studieren, als zwei junge, sportliche Großstadttürken, das stylische Hemd lässig aufgeknöpft, die Sonnenbrille ins Haar geschoben, die Eingangstür aufstießen. Sie lachten laut, als hätten sie gerade einen guten Witz gehört. Nach einem kurzen Blick in die Runde kamen sie auf uns zu. Leyla zog die Augenbrauen hoch und fing an, in ihrer Tasche zu kramen. Vielleicht lag etwas in meiner Haltung, das den Älteren der beiden bewog, mich anzusprechen:
„Sorry, Miss, kann es sein, dass Sie aus Germany kommen, aus ...Böbling? Ja? Wunderbar! Ich bin Serdar. Willkommen in Antalya.“
Leyla sprang auf.
„Na dann, grüß Gott, Serdar, oder darf ich das hier nicht sagen?“
„Du musst Leyla sein! Hallo Leyla! Du kannst alles sagen, ich verstehe auch alles. Als Fremdenführer muss man ja schließlich Sprachen können."
„Und der Typ neben dir, ist das dein Bodyguard?“
„Oh Verzeihung, ja, das ist mein bester Freund, Tariq. Ich habe ihn natürlich zu meiner Verstärkung mitgebracht. Er spricht auch sehr gut deutsch. Jetzt müssen wir nur noch den Namen deiner Freundin erfahren.“ Er grinste. „Wie ich sehe, kann das noch ein schöner Abend werden.“
Leylas Vater trug es mit Fassung, dass er die erste Begegnung mit seinem zukünftigen Schwiegersohn verpasst hatte. Ohne größeren Widerstand ließ er sich auf sein Zimmer verabschieden. Einen Raki lehnte er ab. Das war auch besser so.
Serdar ließ sofort durchblicken, dass er an der Heirat nicht interessiert war.
„Weißt du, Leyla, ich liebe meine Eltern, es sind gute Leute, und natürlich meinen sie es gut mit mir. Aber in den Städten hier an der Adria sucht man sich das Mädchen selber aus, so wie bei euch, Katrin. Man geht ein paarmal mit ihm tanzen, macht dies und das ...“, er kicherte, „aber natürlich, da passiert nichts. Und irgendwann geht man zu ihrem Papa und ihrer Mama und sagt: 'Wir möchten heiraten'. Klar, auf dem Lande ist es noch anders. Aber lebe ich hier vielleicht auf dem Lande? Sagt selbst, sehe ich aus wie einer, der auf dem Lande lebt? Kennt ihr Izmir? Das ist die Stadt, in der ich leben möchte. Ah, ich liebe Izmir!“
Leyla taute sichtlich auf. Ihre Augen blitzten vor Übermut. Mit beiden Händen fuhr sie durch ihre Haare, dass sie wild in die Höhe standen. Serdar lächelte. Es schien ihm zu gefallen.
„Wir brauchen einen Plan, Serdar. Schließlich sollen deine Eltern ja nicht gekränkt werden. Einen Win-Win-Plan, bei dem es keine Verlierer gibt. Du weißt doch noch, Katrin.“
Nun mischte sich Tariq ein.
„Leyla und Serdar, ihr müsst auf jeden Fall erst mal als Verlobte auftreten, dann sind die Eltern wahrscheinlich zufrieden. Und dann muss sich Serdar leider, leider in ein anderes Mädchen verlieben. Bei meinem Bruder hat das so geklappt. Katrin, die Rolle ist doch wie für dich gemacht. Wie lange hast du hier Urlaub? Vierzehn Tage? Das müsste reichen.“
Ich hatte meine Zweifel. Es war ein bisschen viel Raki mit im Spiel. Und Leylas Vater hatten wir noch gar nicht auf der Rechnung. Aber war ich nicht mitgekommen, um Leyla zu helfen?
Wir trennten uns erst lange nach Mitternacht. Leyla küsste Serdar links und rechts und nochmals links. Was für ein schönes Paar, dachte ich, die passen perfekt zusammen. Und Leylas Augen strahlten. Ich hatte da schon so eine Ahnung.

In den folgenden Tagen zog ich mit meiner neuen digitalen Kamera los. Wenn ich auf Motivjagd gehe, bin ich gerne allein unterwegs. In meinem Tagebuch habe ich notiert, was mich fasziniert hat. Hinter meinen nüchternen Aufzählungen weiß ich, dass sich berauschende Bilder verbergen, für die ich nur selten die richtigen Worte finde. Wie immer scheute ich mich, Personen ganz nah heranzuzoomen. Distanz und Nähe, mein wunder Punkt. In meinen Fotos offenbart er sich.

Von Leyla hörte ich erst nach drei Tagen wieder etwas. Serdar müsse arbeiten, und sie sei dabei, mit seiner Familie warm zu werden. Es gehe alles nach Plan. Kemal besuche alte Freunde und erkundige sich nach einem Haus und einer kleinen Werkstatt. Jeden Tag habe er einen anderen Einfall, aber alles nicht so recht plausibel. Nächste Woche habe Serdar ein paar Tage frei, für die plane er den einen oder anderen Ausflug an der Küste entlang oder ins Gebirge.
„Natürlich mit uns beiden, wegen dem Plan. Und ich bin froh, ein paar Stunden ausbüchsen zu können. Es ist nicht ganz einfach, das Liebespaar zu mimen. Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, ob ... Serdars Mutter löchert mich mit Fragen.“

Wir trafen uns gegen Ende der zweiten Woche vor dem Hotel. Serdar saß allein in seinem roten Flitzer.
„Leyla geht es nicht so gut. Kopfweh oder so. Sie wollte heute ein paar Stunden für sich haben. Da wird wohl nichts draus, Mutter hat ein paar Nachbarinnen und Freundinnen eingeladen. Hochzeitsplanung.“
„Serdar, glaubst du wirklich, ihr könnt das so durchziehen?“
„Wir müssen es. Es geht nicht anders. Aber lass uns das Thema für heute vergessen. Du möchtest doch ins Hochland, hat mir Leyla erzählt. Das sind einige Kilometer.“
Er sah mich prüfend an.
„Hast du eine Jacke oder ein Tuch dabei? Da oben kann manchmal ein kalter Wind blasen. Für Proviant habe ich gesorgt. Wir werden unterwegs kaum ein Restaurant finden.“
„Ach Serdar, ich freu mich riesig. Ich will ganz viele Bilder machen. Mit einem staatlich geprüften Reiseleiter kann mir ja nichts passieren, der ist doch auf alles eingerichtet.“
„Wer weiß, wer weiß.“
Ich lehnte mich zurück und Serdar gab Gas. In lang geschwungenen Kurven ging es steil hinauf ins Taurusgebirge, Richtung Norden. Ziemlich bald verließ Serdar die ausgebaute Fernstraße und holperte über schmale Straßen unterhalb der Dreitausender von einer Bergkuppe zur anderen. Wir sprachen nicht viel. Ich kniete, die Kamera schussbereit, auf der Rückbank. Von Zeit zu Zeit bat ich Serdar anzuhalten, wenn mir ein besonders lohnendes Motiv vor die Linse kam. Ich fotografierte einfach alles: die kleinen Moscheen, die braunen, großäugigen Dorfkinder mit ihren Ziegen und kläffenden Zottelhunden, zerfallene Gehöfte wie aus einem anderen Jahrhundert, tief verschleierte Frauen auf kargen Feldern.
Um die Mittagszeit erreichten wir unser Ziel. Vor uns lag der Salda Gölü, mitten in einer endlosen braungrünen Ebene. In der flirrenden Luft war nicht zu erkennen, wo das Gegenufer begann. Ganz in der Ferne meinte ich, Schneegipfel zu erkennen.
Es gab nicht viel Schatten. Serdar parkte das Auto unter einer verkrüppelten Kermeseiche und holte den Proviantkorb vom Rücksitz.
„Hier ist eine Decke. Mach es dir bequem. Was zu trinken? Zu essen?“
Ich nahm dankbar eine Flasche Mineralwasser entgegen, Hunger hatte ich keinen. Serdar trug schon seine Badeshorts. Sein goldenes Halskettchen hatte sich in seinem Brusthaar verfangen. Ich blinzelte, konnte den Blick nicht abwenden.
„Kommst du mit? Ich werde mal ins Wasser springen. “
Ich zögerte, dann entschloss ich ich mich zu einer Notlüge.
„Kein Badezeug. Damit habe ich nicht gerechnet.“
„Schade. Dumm von mir. Ich hätte dich daran erinnern sollen. Na dann.“
Ich sah ihm hinterher, wie er ins Wasser tauchte und mit kräftigen Zügen ins Weite schwamm.
Das harte Gras stach mich ein wenig, als ich mich hinlegte. Aber ich wollte es spüren. Das Gras und die Erde darunter. Die Mittagsglut senkte sich herab. Ab und zu streichelte mich eine Brise, geschwängert mit dem Duft von Königskerzen und Thymian. Am Himmel formten Kondensstreifen geometrische Muster. Der pausenlose Lärm der Großstadt war weit weg. Ich schloss die Augen.
Serdars Körper. Makellose Proportionen wie eine Apollonstatue. Die Haut gleichmäßig braun. Hände und Füße sorgfältig gepflegt. Ich hätte sie gerne berührt. Venus fiel mir ein, Leylas Geschenk. Was hatte Serdar am ersten Abend im Hotel angedeutet? Dies und das? ...Brennender Schmerz, süß und bitter zugleich, flutete plötzlich von meinem Bauch in den Brustkorb und nahm mir den Atem. Ich zog die Knie an und legte mich wie ein Embryo auf die Seite. Dies und Das. Dies und Das ... Der Schmerz ebbte ab, so dass ich einschlief.
Als ich erwachte, war die Stunde des Pan vorbei. Serdar hockte fertig angezogen neben mir und kitzelte mich mit einem Eichenblatt am Hals.
„Du siehst hübsch aus, wenn du schläfst, sehr hübsch. Und geträumt hast du auch.“
„Wie lange bist du schon hier? Habe ich ... habe ich etwas gesagt?“
Serdar ließ sich Zeit mit der Antwort.
„Nicht wirklich. Vielleicht ein Name. Ich habe ihn nicht genau verstanden. Aber jetzt müssen wir los. Ich muss heute noch Leute vom Flughafen abholen.“
Er streckte mir seine Hand hin, um mir auf die Füße zu helfen. Hand in Hand, die Finger fest verschlungen, gingen wir langsam zum Auto. Mit der freien Hand fischte er den Autoschlüssel aus seinen Jeans. Dann erst gab er meine Finger frei. Ich stand wie gelähmt, aber in mir tobte ein Kampf: Ist das alles, mehr nicht, nur verschlungene Hände?, fragte mein türkisches Ich wütend. Ja, sagte mein deutsches Ich, wenigstens verschlungene Hände. Jetzt gib endlich Ruhe.

Auf der Rückfahrt redeten wir nicht viel. Serdar ließ eine CD mit türkischer Musik laufen. Kurz vor Antalya stellte er sie leiser. Ohne den Blick von der Fahrbahn zu wenden, sagte er:
„Du bist ein nettes Mädchen, Katrin, ich mag dich sehr gerne. Und ich bin froh, dass Leyla dich zur Freundin hat. Wir werden jetzt doch heiraten, wahrscheinlich schon in zwei Monaten, vielleicht schon früher.“
Ich schwieg, was hätte ich auch sagen können.


Die Türkei-Aufnahmen habe ich erst einmal abgespeichert.l Noch gelingt es mir nicht, sie mit einem professionellen Blick zu betrachten. Außerdem beschäftigt mich meine erste Stelle. Ich habe sie in einem kleinen Unternehmen bekommen. Es ist auf Industriefotografie spezialisiert. Ich arbeite mich gerade in die neueste Version von Photoshop ein. Man lässt mir viel Spielraum für Experimente. An diesem Arbeitsplatz bin ich richtig. Die Erinnerung an die Türkeireise habe ich ganz tief in mir vergraben.

Gestern habe ich im 'Böblinger Boten' ein Bild von Leyla gesehen. Sie hat einen Bildervortrag gehalten bei einer Veranstaltung des Böblinger Integrationsrates. Ich kann es nicht fassen. Warum meldet sie sich nicht bei mir? Sie hat auch eine Internetadresse. Ich schreibe ihr eine Mail, bitte sie um ein Wiedersehen und tatsächlich, sie schlägt mir einen Termin vor. Wir treffen uns in einem Café.
Leyla hat abgenommen. Sie strahlt nicht mehr die unbekümmerte Lebenslust des letzten Jahres aus. Um ihre Augen herum sehe ich Fältchen. Sie kommt gleich zur Sache.
„Ich bin nur für wenige Tage hier, am Sonntag fliege ich zurück. Meinem Vater geht es nicht so gut."
„Ist er nicht bei euch in Antalya? Er hatte doch ganz viel Pläne.“
„Nee, er wohnt jetzt in Sindelfingen, näher am Werk. Dort hat er ja seine engsten Freunde, Kollegen halt.“
„Warum bist du nicht mitgekommen an den Salda Gölü? Und später, kein Brief, kein Bild von der Hochzeit. Wie vom Erdboden verschwunden."
Leyla schaut mich forschend an.
„Ich hab's nicht fertiggebracht. Zuerst war ich so durcheinander. Ich musste erst einmal mit mir ins Reine kommen. Du weißt es wohl nicht, Katrin. Hat Serdar dir bei eurem Ausflug nichts gesagt?“
„Was hat er nicht gesagt? Dass ihr heiraten werdet? Doch, hat er.“
„Sonst nichts?“
„Ich verstehe nicht, was du meinst.“
Pause. Leyla will nochmals zwei Michkaffee bestellen. Ich schüttle den Kopf, möchte endlich die Gründe dafür wissen, dass sie mir auf keinen Brief geantwortet hat. Der alte Schmerz steigt wieder in meine Magengrube. Ich warte.
„Die Hochzeit war grauenvoll, Katrin, für Serdar noch mehr als für mich.“
„Das klingt furchtbar. Sag' doch endlich, was passiert ist, bitte, Leyla.“
Wieder Pause. Leyla rührt lange in ihrer Tasse.
„Katrin, wir haben geheiratet, weil ich ihm helfen wollte, weil ... Serdar ist schwul. Du ... Du kennst seinen Freund, Tariq. Sie sind schon lange ein Paar. Es würde ihre Eltern ins Grab bringen, wenn sie davon erfahren würden.“
„Aber warum hast du mir nichts erzählt oder geschrieben?“
„Serdar hat mich darum gebeten, eigentlich angefleht. Er wollte es dir selber sagen, bei eurem Ausflug. Deshalb bin ich auch nicht mitgekommen. Ich dachte, du wüsstest Bescheid. Deine Briefe habe ich nicht bekommen."
Ich schüttle den Kopf. Serdar und Tariq ein Paar. Wie hat Leyla das aushalten können?
„Und du, was ist mit dir? So kannst du doch nicht leben!“
„Wir werden uns, sobald es geht, scheiden lassen. Sie werden mir die Schuld geben. Serdar und Tariq können dann nach Izmir oder Istanbul ziehen. Wahrscheinlich komme ich wieder nach Deutschland.“
„Aber warum nimmst du das alles auf dich, ich dachte …, ich dachte, du hättest dich schließlich doch in ihn verliebt.“
Leyla legt ihre zierliche Hand auf meine und drückt sie. Zum ersten Mal lächelt sie, ein erwachsenes Lächen. Jetzt bin ich die Jüngere.
„Ach Katrin, versteht du denn nicht? Das ist es ja gerade. Weil ich ihn liebe. Immer noch.“

 

Liebe wieselmaus,

das war ein schöner gedanklicher Ausflug in eine andere, wenn auch in meiner Nähe liegende Welt. Du hast das sehr gut eingefangen, die Gefühle, Stimmungen junger Menschen, das sich gegenseitige Durchdringen verschiedener kultureller Aspekte und den Umgang damit. Eigentlich wollte ich die Geschichte, weil sie ziemlich lang ist, nur 'sicherheitshalber' anlesen, konnte dann aber nicht mehr aufhören :-). Es interessierte mich, wie das mit Leyla und ihrem Vater weitergehen würde ... Nur zwei kleine 'Druckfehler':

Nicht nur die Mädchen()glotzten
Weil ich i(h)n liebe.
Sehr gerne gelesen,
viele Grüße,

Eva

 

Liebe wieselmaus,

du erzählst eine interessante Geschichte von der Freundschaft von Leyla und Kathrin. Du gehst sehr in die Einzelheiten (für mich manchmal zu sehr:D) und ich habe ein ziemlich genaues Bild von Leyla, Kathrin und den anderen Personen.
Und auch die Probleme werden deutlich: das Aufeinandertreffen verschiedener Welten. Der Vater, der inzwischen gut integriert, dem Willen seiner Frau entsprechen möchte, was er aber nicht wirklich schafft; die jungen Leute, die ihren Eltern keine Probleme machen wollen, aber auch schon in einer ganz anderen Welt leben. Das kommt sehr gut rüber in deiner Geschichte.

Etwas ist mir allerdings nicht klar geworden: Warum öffnet sich Leyla ihrer Freundin nicht? So, wie du die Freundschaft zeichnest, sehe ich keinen Grund dafür, dass Leyla sich zurückzieht und sich später – erst auf Kathrins Initiative – bei ihr meldet. Vielleicht habe ich aber auch einen Hinweis überlesen.
Auch mit dem Schluss habe ich ein Problem: Im Text vorher wird mMn an keiner Stelle deutlich, dass sich Leyla in Cerdar verliebt hat, und ich fühle mich als Leser ein wenig in die Irre geführt. Während im letzten Teil deiner Geschichte der Fokus auf Cerdar und Kathrin liegt, gerät Leyla in den Hintergrund und der Schluss (die Auflösung) kommt mir deshalb recht angehängt vor.

Ein paar Sachen, die mir aufgefallen sind:

Nicht nur die Mädchenglotzten

Es hat nichts gebracht, zu klingeln und nach dem Verbleib des Vormieters zu fragen. Höchstens Schulterzucken, wenn sie mich überhaupt verstanden haben.
Hier fände ich Konjunktiv ‚hätte’ und ‚hätten’ besser.

An diesen Arbeitsplatz bin ich richtig.
diesem

Über diesen Punkt diskutierte Leyla zuhause nicht,
zu Hause

Was sollte das schwarze Kopftuch über ihrer neu gestylten Bubikopf
ihrem

dass du alles hier liegen und stehen lässt.
‚stehen und liegen lässt’ ist wohl üblicher.

Leylas Vater hatte sich nicht gerührt.
Präteritum reicht für mE.

Nach einem kurzen Rundumblick hielten sie zielstrebig auf uns zu.
Nach einem kurzen Rundblick kamen …

Kemal besuche alte Freunde und erkundige sich nach Investitionsmöglichkeiten.
Klingt hier sehr sperrig. Sucht er ein Haus?

und Serda gab Gas

Ich stand wie gelähmt, zur Salzsäule erstarrt,
die Salzsäule würde ich weglassen – 'wie gelähmt', sagt das ja schon

Auf jeden Fall habe ich eine schön gestaltete Geschichte gelesen.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Liebe wieselmaus

Du hast mir neulich unter eine ältere Geschichte geschrieben, dass sich meine Schreibe inzwischen weiterentwickelt habe. Jetzt darf ich dir dieses Kompliment zurückgeben, hier unter deiner neuen Geschichte. Erstens hast du dir inhaltlich viel mehr vorgenommen, das ist komplexer, tiefer, auch in psychologischer Hinsicht. Zweitens finde ich diesen Text stilistisch gelungen. Flüssig zu lesen war das schon immer, was du geschrieben hast. Aber hier finden sich keine „elifertig“ oder „neckisch“ mehr, das ist elegant erzählt, finde ich.

Dennoch habe ich ein, zwei Bedenken, was den Plot betrifft, und die Art, wie du ihn präsentierst.
Nehmen wir zum Beispiel den Einstieg, da machst du uns neugierig auf Leyla und anschliessend erzählst du von der Beziehung der Prota zu ihrer Mutter. Das würde ich umstellen. Gib dem Leser hier etwas Futter, die Beziehung zur Mutter kannst du später einfliessen lassen. Ich habe mir das auch anderen Stellen gedacht. Diese Exkurse, z.B. zum Fotografieren, die finde ich grundsätzlich schon gut, auch die Rückblenden. Aber eben, manchmal empfand ich das als zu hemmend.
An verschiedenen Stellen gibst du uns zuerst die Info und dann erzählst du, wie es dazu gekommen ist. Zum Beispiel hier:

Denn ich, Katrin, hatte mich unsterblich in das anatolische Hochland verliebt.

Meiner Meinung nach ist dieser „Trick“ etwas überstrapaziert. Manchmal gelingt es dir dadurch, Spannung aufzubauen, aber manchmal, gerade bei der oben zitierten Stelle, hast du bei mir genau das Gegenteil erreicht.
Auch sonst hat es mich ein paar Mal aus dem Text rausgehauen. Ich versuche die entsprechenden Passagen im Folgenden zu kennzeichnen. Vielleicht kann es hilfreich sein jedem Abschnitt einen Titel zu geben und auf einen Zettel zu schreiben. Dann kann man durch Umstellen schauen, ob eine andere Reihenfolge der Szenen die Erzählung evtl. organischer macht. Selbst wenn du das am Ende so lässt wie jetzt, kann das gewinnbringend sein, denke ich.

Meine Freundin Leyla ist mir abhanden gekommen. Erst war sie in einem anderen Land, dann in einer fremden Welt, zuletzt im Nirgendwo.

Sehr guter Einstieg. Hier funktioniert das. Solche Sätze können den Leser über weite Strecken tragen. Das heisst, er ist auch bereit, Exkurse mitzumachen, hemmende Elemente zu akzeptieren, etc.

Leyla ist nicht nur meine beste Freundin, sondern meine einzige. Und auch meine Schwester, weil Leylas Familie mein Zuhause war. Die Wohnung, in der ich mit meiner Mutter bis vor kurzem gelebt habe, war meistens nur eine ganz angenehme Frühstückspension.

Denn schon in diesem Satz führst du den Leser weg von Leyla. Das kann man schon machen und ich habe das als Leser auch akzeptiert.


Meine Mutter Anna und ich, das ist eine andere Geschichte.

Habe hier aber schon gestutzt. Denn du hast ja noch gar nicht begonnen, die eine Geschichte zu erzählen.

Ich glaubte ihr sowieso nicht, egal, was sie erzählte. Dazu hatte sie mich zu oft angeschwindelt. Wahrscheinlich konnte sie nicht anders. Sie musste sich ihr Leben zurechtlügen, sonst hätte sie es nicht ausgehalten, ein Kind allein aufzuziehen. Mit sechzehn akzeptierte ich Anna, wie sie war, und wir kamen einigermaßen miteinander aus. Aber da kannte ich ja auch schon Leyla.

Ich würde von diesen drei Sätzen zwei streichen. Der Leser kapiert das schon.

Anna hatte nichts gegen Leylas Anwesenheit.

Ich dachte, Katja wohne (so halb) bei Leyla und nicht umgekehrt. Daher bin ich hier gestolpert.

Leyla saß in der Fotoklasse neben mir an einem Vierertisch.

Wie sich die beiden kennenlernen und dann die Sache mit den Komsetika, das fand ich gut, da konnte ich eintauchen.

Oder fast ganz.

Ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht hier noch ein „wie sich zeigen sollte“ dranhängen? Denn hier hatte ich als Leser diese gute Einstiegspassage etwas aus den Augen und damit auch etwas den Fokus verloren.

Meine besondere Leidenschaft gilt der schwarz-weiß-Fotografie.

Das war so eine Passage, die mich aus der Geschichte rausgekickt hat. Du arbeitest ja vorher schon mit einer Rückblende und jetzt kommt dieser Exkurs, den ich nicht so recht einordnen kann. Vielleicht hilft es hier, umzustellen und das etwas besser in den Kontext zu integrieren.

Unsere Ausbildung erfolgte im Blocksystem.

Da nimmst du mich wieder mit.

In der Klasse waren wir Außenseiter, Lesben eben, die man am besten in Ruhe ließ.

„Sie hielten uns für Lesben“ Denn in der Folge habe ich gedacht, sie seien tatsächlich welche und mich gewundert, dass du das so wenig thematisierst. (Und schliesslich: Die Kennenlernszene betont ja schon die Attraktivität von Leyla)

„Es ja erst vier Monate her, dass deine Mutter gestorben ist.“

Ups. Gerade oben hast du noch von ihr erzählt, als sei nichts gewesen. Da musste ich scrollen und schauen, was ich verpasst habe. Und das hat mich wieder aus dem Text geworfen. Ich glaube, dieses für die Geschichte ja äusserst bedeutsame Ereignis solltest du anders einführen.

Das war es also. Kemal, der Vater, wollte ein Versprechen einlösen, gegeben am Sterbebett seiner Frau. Fatme hatte immer von einer Heimkehr in die Türkei geträumt, sich nie recht wohlgefühlt in der schwäbischen Industriestadt. Das hatte ich auch mitgekriegt.

Jetzt also ist die Katze aus dem Sack und der Konflikt in der Geschichte ist klar. Da bist du schon in der Hälfte des gesamten Textes. Ich hatte dann das Gefühl, dass du, nachdem du den ersten Teil doch sehr detailliert beschreibst, anschliessen viel schneller zu erzählen beginnst. So könnten zum Beispiel der innere Konflikt von Leyla, aber auch das äussere Geschehen m.E. gerne noch mehr Raum einnehmen, mehr Zeit bekommen.

„Sorry, Miss, kann es sein, dass Sie aus Germany kommen, aus ...Böbling? Ja? Wunderbar! Ich bin Serdar. Willkommen in Antalya.“

Wieso kann der so gut Deutsch? Die können sich absolut problemlos unterhalten.

EDIT: Ach so: "Miss", "Germany", die sprechen Englisch?

Und so saßen wir zu dritt im Flieger nach Antalya.
Die Rückreise, zwei Wochen später, traten wir nur noch zu zweit an, ein verzweifelter Vater und ich.

Du möchtest hier nicht linear erzählen. Mich hat es wieder aus dem Text rausgeworfen. Dieser ganze Dialog mit den Helfern am Flughafen, den habe ich dann bloss überflogen, das würde ich alles weglassen.

„Katrin, wir haben geheiratet, weil ich ihm helfen wollte, weil ...Serdar ist schwul, du kennst seinen Freund, Tariq. Sie sind schon lange ein Paar. Es würde seine Eltern ins Grab bringen, wenn sie davon erfahren würden.“

Ich nehme exemplarisch diesen Satz. Das ganze Ende ging mir zu schnell. Katrin verliebt, Leyla verliebt (wird nicht erzählt, nur behauptet), Sedar schwul, Scheinehe, Leyla hier, Katrin dort.
Ich habe mich auch gefragt, wieso Leyla und Katrin in diesen entscheidenen Momenten nicht miteinander sprechen. Denn:

„Ich hab's nicht fertiggebracht. Du weißt es wohl nicht, Katrin. Hat Serdar dir bei eurem Ausflug nichts gesagt?“

… akzeptiere ich als Erklärung nicht. Weshalb sollte Leyla den Kontakt zu ihrer besten Freundin abbrechen, weil Sedar schwul ist?

Mein Hauptproblem ist, dass die Beziehung zwischen Leyla und Katja dabei völlig aus dem Fokus gerät. Leyla hat ihr Schicksal, Katrin geht ihre Wege. Das fand ich schade, ich hätte mehr darüber lesen wollen, wie die beiden mit dieser schwierigen Situation und miteinander umgehen.

Ich will keine Hypothesen und Vermutungen formulieren, aber ich kenne das Gefühl sehr gut, bei einer Geschichte, die mir gut gefällt, endlich zum Ende zu kommen, die endlich zu Ende zu erzählen. Häufig schreibe ich dann sogar das Ende. Aber dann nehme ich mir bewusst vor, den Weg, der dorthin führt, auszuformulieren. Dazu muss ich mich oft zwingen.
Ich hatte beim Lesen auf jeden Fall den Eindruck, dass der Schluss der Geschichte zu hastig daher kommt.

Aber insgesamt habe ich deinen Text wirklich gern gelesen!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hej wieselmaus,

anhand deiner Geschichte kann man gut erkennen, dass du schon länger hier mit Texten arbeitest. Deine Geschichte lässt wenig Fragen offen. Sobald sich mir ein Bild eröffnet, hast du es schon erklärt und beschrieben. Ich habe sehr wenig Spielraum für eigene Bilder und Gedanken. Aber das ist sicher so gewollt. Der Text wirkt ordentlich strukturiert und du führst mich durch alles was geschieht sauber hindurch. Alles hat seine eigene Logik. Seltsamerweise fehlt mir aber die Nähe zu deinen Protagonisten. Ich empfinde keine Emphathie, weil auch mit ihnen viel zu geschehen scheint, nicht durchlebt.

Leider kann ich es nicht besser beschreiben und schon gar nicht beurteilen, woran es liegen könnte ... Vielleicht an mir? :D

Dennoch war es eine Geschichte wie eine Folge meiner Mutters Lieblingsserie, "Rosamunde P." ;) und deswegen schön zu lesen.

Herzliche Grüße, Kanji

 

Hallo wieselmaus,

mein Taschentuchvorrat schrumpft. Nachdem ich die Geschicht egelesen hatte, habe ich lange überlegt. Was soll ich schreiben? Vielleicht kommt Layla doch einmal zurück - nicht nach Deutschland, sondern zur Prota. Aber im Augenblick scheint das zarte Pflänzlein, das da ganz heimlich und unbenannt wuchs, zerstört. Nicht dass der Ehemann schwul ist. Das ließe sich verkraften Aber dass Layla sich verliebt hat - in einen Mann der ja hohe "weibliche" Anteile und Verhaltensweisen hat. Das lässt für die Prota eine noch unerforschte Welt und ihre einzige Bewohnerin im Nirgendwo verschwinden. A ber das ist nicht ungewöhnlich, dass Menschen, die zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen neigen, sich Partner suchen, die nicht so völlig dem anderen Geschlecht angehören - und leider geht es oft schief.
Ich brauch ein Taschentuch.

Liebe Grüße

Jobär

 
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Liebe Eva,

ich freue mich, dass du meine lange Geschichte zu Ende gelesen hast. Sie wurde immer länger, dabei könnte ich doch auf den Schluss nicht verzichten.:shy: Es ist ganz schön schwierig, heutzutage eine romantische Geschichte ohne Sex zu schreiben. Da musste ich ganz tief in meine Erinnerungskiste greifen. Um so mehr freut es mich, dass du mir die Gefühlslagen meiner Protas abnimmst.

Die Fehler habe ich schon ausgemerzt.

Herzliche Grüße
wieselmaus


Liebe barnhelm,

ich bin begeistert von der Schnelligkeit und Gründlichkeit deines Kommentars.
Alle Sprach- und Textpunkte habe ich sofort eingearbeitet. Es hat mir alles eingeleuchtet. Besten Dank dafür. Was du zu Inhalt gesagt hast, besonders zu den fehlenden Hinweisen iund dem aufgesetzten
Schluss kann ich nachvollziehen. Es gibt zwar schon Hinweise, aber wenn eine so aufmerksame Leserin wie du sie nicht findet, dann muss ich als Autorin nachbessern. Wird gemacht!

Du hast mir echt weitergeholfen. Herzlichen Dank und
liebe Grüße
wieselmaus

Lieber peeperkorn,

sollte ich tatsächlich solche Fortschritte gemacht haben, wie dein Kommentar behauptet, dann hast du ganz bestimmt einen riesigen Anteil daran. Ich finde es unglaublich, wie du auf Texte eingehst und die Schwachstellen aufspürst. Ich wette, du bist Lehrer, und zwar ein guter Dein Ratschlag mit den Überschriften für die einzelnen Szenen werde ich auf jeden Fall befolgen. Vielleicht drucke ich den Text auch aus und mach ein Puzzle daraus. Eigentlich schreibe ich ja lieber Geschichten mit linearen Handlungen, aber nachdem der erste Satz dastand, wollte ich mal mutig was ausprobieren.
Streichen werde ich auch, und zwar die Flughafenszene. Das ist wieder so ein Darling aus der ersten Version.
Total ins Schwarze getroffen hast du mit deiner Vermutung, am Ende sei ich ins Galoppieren geraten. Hier werde ich nachbessern. Das hat auch barnhelm so gesehen.
Sehr geschmeichelt fühle ich mich durch dein Lob für meinen "eleganten" Stil. Hier im Forum kommt er mir manchmal etwas antiquiert vor.: aber es müssen ja nicht alle gleich schreiben, odderr?

Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hej Kanji,

Danke für deinen erfrischend ehrlichen Kommentar. Das wollte ich bestimmt nicht, dir die Freude an der eigenen Fantasie rauben. Meistens kriegt man ja hier zu lesen, die Protas seien zu blass, zu wenig authentisch usw. Da dachte ich, jetzt mal in die Vollen. Ich glaube aber, es bleiben immer noch genug Schlupflöcher, aus denen heraus sich ganz unterschiedliche Gedanken entwickeln können. Hast du gesehen, dass ich gerade mal erst zwei Monate im Forum bin? Allerdings schreibe ich schon mein halbes Leben lang, hauptsächlich für mich. Daher mein altertümlicher Stil, den ich mir gerade mühsam abtrainiere. Auch ich kann hier noch ganz viel lernen.

Liebe Grüße

wieselmaus


Hallo Jobär,

dass ich dich so zum Weinen bringen kann, hätte ich nicht gedacht. Die eine Prota, Katrin, ist ja nun ein äußerst sprödes Geschöpf, und Leyla, nun ja, die könnte ein anderes Kaliber sein. Du hast tief in ihre Seelen geschaut, tiefer als ich selbst. Ich hatte gar nicht vor, die Leser auf die Lesbenthematik zu locken. Aber hinterher kam es mir so vor, als sei da doch was dran. Du meinst, Fortsetzung erwünscht? Da muss ich gründlich drüber nachdenken. Ich will auf keinen Fall irgendwelchen platten Kitsch produzieren, dafür ist das Thema viel zu wichtig.

Ich danke dir für das "Aufdiesprüngehelfen".
Herzliche Grüße

wieselmaus

 

Hej, wieselmaus,

das ist es wohl, was ich meinte, man merkt die Mühe, Gelerntes zu berücksichtigen, was ja nicht verkehrt ist. Ich denke, wenn man dann dran bleibt und seinen Stil integriert, ist man schon wieder ein Stück weiter. Warum solltest du dir etwas abtrainieren, was dir entspricht? Man kann es ja auch entwickeln.

Außerdem war es dadurch für mich eine "Wohl-fühl-Geschichte"! ;)

Gruß, Kanji

 

Lieber Peeperkorn,

ich habe deine Ratschläge befolgt und ich muss sagen, wirklich hilfreich. Ein guter Nebeneffekt ist dabei, dass man hie und da noch zusätzliche Geistesblitze hat. Man könnte vermutlich ewig daran werkeln. Wörter rein, Wörter raus ...
Nochmals herzlichen Dank für dein Engagement.

Gruß wieselmaus

 

Hallo @wieselmaus,

das Thema deiner Geschichte gefaellt mir sehr. Dein Schreibstil ist auch absolut wunderbar. Allerdings finde auch ich sie zu lang. Du hast wahnsinnig viel Material drin, was am Ende eine untergeordnete Rolle spielt. Und manches koennte besser auserzaehlt werde. Man koennte vielleicht ein bisschen rund um die Fotografie und die Katrin-Mutter-Beziehung rausnehmen. Man koennte ausschliesslich den Besuch in der Tuerkei darstellen und alles weitere, was noetig ist, in Rueckblenden. Andererseits hast du soviel Material (viele tolle Figuren!!!), dass du daraus locker nen Roman machen koenntest. Ernsthaft. Dann koenntest du besser auf jedes einzelne Kapitel bzw. jede Person eingehen.
Ich muss auch sagen, dass Katrin mir ein wenig fremd geblieben ist. Ich konnte mir jeden vorstellen, ausser ihr. Sie blieb immer verschwommen und im Hintergrund.
Der Rest sind ein paar RS-Fehler.
Und auch ich habe so meine Probleme mit dem Ende und der Herleitung. Wird wohl auf nen Roman hinaus laufen ... :)

Liebe Gruesse
Zantje

 
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Hallo Zantje,

es freut mich sehr, dass du mein Thema und auch den Schreibstil magst. Ja, die Länge! Ich hab schon etwas gekürzt und auch an den Rückblenden gearbeitet. Die Abschnitte, die sich mit dem Fotografieren beschäftigen, sind mir schon wichtig, weil sie zeigen sollen, wie unterschiedlich die zwei Mädchen sind.
Sie drücken sich durch ihre Art des Fotografierens aus. Und da ist halt Leyla spontan und offen, während Katrin spröde und verschlossen angelegt ist. So war es von mir jedenfalls geplant. Ob der Plot tatsächlich für einen Roman ausreicht, weiß ich nicht. Vielleicht gibt es irgendeinmal eine Fortsetzung, wenn mir was einfällt.
Aber danke dafür, dass du ich auf die Geschichte eingelassen hast. Manche Kurzgeschichten sind halt doch lang.
Vielleicht kannst du mir noch schreiben, wo du RS- Fehler gefunden hast. Es ist ja so, dass man nach vielem Lesen blind wird für den eigenen Text. Auch dafür danke.

Liebe Grüße

wieselmaus

 
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Liebe wieselmaus,

hier etwas zur Rechtschreibung:

vorbeigeradelt
vorbei geradelt
bruzzeln
brutzeln
Franzenumhang
Fransenumhang
Teppichfranzen
Teppichfransen
herauskramt
heraus kramt
Kondenzstreifen
Kondensstreifen
schwarz-weiß-Fofografie
Schwarz-Weiß-Fotografie

So genau weiß ich nicht weshalb, aber inzwischen liest sich deine Geschichte noch besser. Ich finde es auch nicht schlimm, dass Katrin so unscharf im Hintergrund bleibt, der Fokus liegt halt auf Leyla. Allerdings meine auch ich, dass der durch Leyla herbeigeführte Beziehungsabbruch nicht stimmig wirkt, man kann ihn kaum nachvollziehen.

Viele Grüße,

Eva

 
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Meine Freundin Leyla ist mir abhanden gekommen. Erst war sie in einem anderen Land, dann in einer fremden Welt, zuletzt im Nirgendwo. Leyla ist nicht nur meine beste Freundin, sondern meine einzige. Und auch meine Schwester, weil Leylas Familie mein Zuhause war. Die Wohnung, in der ich mit meiner Mutter bis vor kurzem gelebt habe, war meistens nur eine ganz angenehme Frühstückspension.

Hallo wieselmaus,

hatte gestern schon die Geschichte mitgenommen, darum wird sich jetzt einiges mit Evas Beitrag zuvor überschneiden, denn ich musste mich schon beim ersten Durchgang - gestern abend - fragen, warum Du auf der Flucht bist. Die Flüchtigkeit - und das meiste ist es m. E. - ist auffällig und beginnt schon mit der

Die Klassen[l]ehrerin …
, setzt sich fort im "brutzeln"
Aber im Backofen hatte sie immer etwas Leckeres für uns bruzzeln.
und dem "Fransenumhang" der Mutter
und der Franzenumhang ihrer Mutter
und
auch noch mal hier
Teppichfranzen
, was selbstverständlich für eine gewisse Konsequenz beim Schreibvorgang spricht. (Oder ist's ein allemannischer Dialekt, "bruzzeln" z. B. wäre mhd.)

Auch die Auslassungspunkte werden nun i. d. R. korrekt begonnen, dann aber inkorrekt beendet, wie etwa hier

, dass ich meine Kinder zu frommen Moslems erziehe ...[...]Hast du kapiert?
, wo der letzte Auslassungspunkt zugleich den Satz beschließt. Gelegentlich gelingt es aber auch, was ja die Flüchtigkeit beweist. Solltestu noch mal alles abklopfen ...

Dann fehlt schon mal ein Buchstabe

, ein verzweifelter Vater, der nicht wuss[t]e, wohin er gehörte,
oder ein Dreher gelingt
Deshalb habe ich mich auch für ein kleines Unternehmen entsch[ie]den,
oder es werden die auslaufenden Gänsefüßchen vergessen
„Warum bist du nicht mitgekommen an den Salda Gölü? Und später, kein Brief, kein Bild von der Hochzeit. Wie vom Erdboden verschwunden.
& nochmals
„Warum bist du nicht mitgekommen an den Salda Gölü? Und später, kein Brief, kein Bild von der Hochzeit. Wie vom Erdboden verschwunden.

Hier nun ist was zu viel oder etwas anderes angedacht
Kemal tigerte hin auf und ab;
„hin und her“ oder „auf und ab“ ...?
Hier weiß ich, dass Eva mit Sicherheit darauf hingewiesen hat, es gibt aber eine Variante
schwarz-weiß-Fofografie
"Schwarz-Weiß-Fotografie" oder "Schwarzweißfotografie" (die Variante hätte Mark Twain wohlwollend in seine Vorträge über deutsche Sprache und der Kunst der Wortzusammenführung einfließen lassen ...

Ansonsten gefällt mir die Geschichte durchaus, denn ich weiß, wie Freundschaften mit der Entfernung - und die muss gar nicht mal 1000e km betragen - langsam einschlafen ... Dabei hatte die oben zitierte Eingangspassage wegen der "anderen Welt" ein ganz anderes Ende in meinem Schädel aufkommen lassen. Aber warum die Flut des Possessivpronomens? Kann es in einer Freundschaft Besitzansprüche geben? (Was natürlich gleichermaßen für die Liebe gilt, die sich mit dem Besitzanspruch als Machtspiel enttarnt.) Das eine oder andere ließe sich gefahrlos durch Artikel ersetzen ...

Aber noch eine Anmerkung zu einem bescheiden daherkommenden

Ich war solche Sorge um meine Sicherheit von Anna nicht gewöhnt.

Besser wäre „gewohnt“ denn gewöhnen. Gewohnt (= vertraut, bekannt, entstanden aus dem verlorengegangenen Verb „gewonen“ = wohnen, verweilen, gewohnt sein), wobei das entsprechende Adjektiv „gewonlich“ heute noch im gewöhnlich weiterlebt, unabhängig vom „gewöhnen“ dessen ursprüngliche mhd./ahd. Form gewenen/giwenen eigentlich die Entwöhnung des Säuglings meinte, insofern das Kind sich an andere Nahrung als die Muttermilch gewöhnen musste.

Und nach so viel hoffentlich nicht allzu belehrend-wirkendem noch eine kleine Trivialität, denn hier in der Ellipse würd ich ein Komma empfehlen

Ihre Tochter[,] eine hochbegabte Fotografin!

Gern gelesen vom

Friedel,
der noch ein schönes Wochenende wünscht!

 

Hallo Eva,

vielen Dank dafür, dass du dir die Mühe gemacht hast, den langen Text nochmals durchzugehen. Ich schäme mich ein wenig. So blöde Fehler! Mit dem Getrenntschreiben tu ich mich schwer. Ich muss ich fast immer im Duden nachschlagen, weil sich da sehr viel geändert hat, mir nicht immer nachvollziehbar. Aber da gibt es ja zum Glück euch sorgfältige und kompetente Wortkrieger.
Es freut mich, dass die Überarbeitung überzeugt. Da hat sich die Anstrengung gelohnt.

Herzliche Grüße
wieselmaus

Hallo Friedrichard,

es ist immer schön, wenn du einen Text unter die Lupe nimmst. Tja, du hast mich erwischt. Ich stand in der Tat unter Zeitdruck und war gerade auf dem Sprung in ein Wochenendseminar. Da wollte ich den überarbeiteten Text noch schnell einstellen. Sollte man besser bleibenlassen. Jetzt habe ich hoffentlich nichts mehr übersehen. Das "Bruzzeln" habe ich wohl unreflektiert aus der Werbung übernommen. Aber jetzt ehrlich: Schreibt man alemannisch wirklich mit zwei ll?

Danke, dass du die Geschichte trotzdem gerne gelesen hast.

Herzliche Grüße

wieselmaus


die Mühe gemacht hast, den l

 

Ich stelle diesen Text nach gründlicher Überarbeitung nochmals ein. Auch interessiert mich, wie er sich in der aktuellen politischen Lage ausnimmt. Hat sich dadurch der Blickwinkel verändert?

Es wäre schön, darauf eine Antwort zu bekommen.

Gruß wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,

Ich erinnere mich nicht mehr an die alte Geschichte und habe jetzt die Kommentare auch nicht gelesen.

Leyla ist nicht nur meine beste Freundin, sondern die einzige. Und auch meine Schwester, weil Leylas Familie mein Zuhause war.
Über diesen Satz bin ich gestolpert und ich habe mich dann die ganze Geschichte über gefragt, ob er so gemeint ist. Leyla
ist meine beste und einzige Freundin
ist meine Schwester
ihre Familie war mein Zuhause
Diese Tragik reicht weit über das aktuelle Geschehen hinaus und es fällt mir auch schwer, die Geschichte unter dem Blickwinkel der jüngsten Geschehen zu betrachten:
Ich bin kein Türkei-Kenner, aber für mich besteht dieses Land aus wenigstens drei nebeneinander stehenden Regionen - von dem Menschen und von dem Land her gesehen -
Da ist der westlich gerägte Stadtbereich - Istanbul/Ankara usw. - wir haben früher in der Jugendarbeit unterschieden zwischen Istanbul-Türken, die keine Probleme hatten, sich zu integrieren und den Türken aus dem anatolischen Hochland, die sich nicht assimilieren wollen und ihre Traditionen hochhalten. Wir haben dieses Problem - aufgeschlossenes westlich gekleidetes und geprägtes Mädchen trägt plötzlich Kopftuch oder Shador, kann kein Deutsch mehr und wird schließlich in die Türkei verheiratet - mehrmals erlebt und standen da recht hilflos.
Dazu kamen in den letzten Jahren die Kurdenprovinzen. Wobei man bedenken sollte, dass nach türkischer Rechtsauffassung die türkische Demokratie nur für Türken gilt. Alle Menschen anderer Abstammung sind Fremde, die eigentlich in der Türkei nichts zu suchen haben. Schlielßlich der IS und der Spagat von Erdogan zwischen dem laizistisch gerägten Staatsmodell Atatürks und dem Wunsch nach einer istamisch ausgerichteten Präsidialmonarchie (griechisch Monarch = deutsch Alleinherrscher). Ob der IS ein erbitterter Feind ist oder doch eher ab und an ein klammheimlicher Freund - da wird die politische Lage verworren und undurchschaubar.

 

Liebe wieselmaus,

erneut habe ich deine sommerliche Romanze sehr gern gelesen, habe mit den beiden gekichert, gezweifelt, gerätselt, bin mit Ihnen in die Türkei geflogen, habe den Sommer genossen, mich in serdar verliebt. Ich habe sogar die Taktik der drei für das notwendige Übel empfunden und den Betrug als gerechtfertigt und daran hat keine aktuelle Situation irgendetwas geändert. Weil sie Menschen mit Bedürfnissen sind und Verstand, nicht gesteuert durch Traditionen oder Religion.

An Themen über Sex, so häufig und beliebt sie auch waren, beteiligte sie sich weder im Unterricht, noch in den Pausen. Meine Meinung dazu interessierte ohnehin niemanden.

Da ist er wieder, der feine Humor. Und charakterisiert Kathrin sehr hübsch.

Was ist los, Leya?

Dort hast du ein 'l' verbummelt. ;)

Ich hatte da schon so eine Ahnung.
Ich nicht. :shy: und am Ende, als sie Leyla in Deutschland erneut begegnet, wusste sie vom seiner Homosexualität auch nichts. Was meinst du dann?

Lieber Gruß, Kanji

 

Lieber jobär,

danke für die Anmerkungen zur aktuellen Lage in der Türkei im Kontext meiner Geschichte. Der erste Satz kriegt tatsächlich dadurch eine neue Dimension. Ich lass ihn so stehen und meine damit, dass Leyla Katrins Freundin und (Wahl-) Schwester bleibt, auch wenn die türkische Familie in Deutschland nicht mehr existiert, - und das ist neu - vielleicht auch nicht mehr in der Türkei. So könnte man diesen Satz interpretieren. Aber so weit möchte ich nicht gehen. Es ist halt so, wie du schreibst, dass die türkische Gesellschaft sehr gespalten ist. Wir wissen nicht, wie sich das Ganze auf die türkische Gemeinschaft in Deutschland auswirken wird. Hoffen wir, dass die Vernunft siegt.

Liebe Kanji,

Danke für dein erneutes gründliches Lesen und das Lob.
Beim Zusammentreffen der vier jungen Leute in Antalya glaubt Katrin zu erkennen, dass Serdar und Leyla ein schönes, gut zusammenpassendes Paar sind. Sie vermutet, dass Leyla das schon noch merken wird und sich in ihren Zwangsverlobten verlieben wird. Es ist ja nicht so selten, dass Außenstehende schneller die Gefühle erkennen können als die Betroffenen selbst. So genau konnte ich es an dieser Stelle aber noch nicht preisgeben, nur als Andeutung, sonst wäre die Handlungslogik dahin gewesen. Ich nehme aber sehr gerne einen Vorschlag an. Ich weiß ja, dass du sehr kreativ bist.:idee:

Lieber@ThomasQu,

Danke für dein sattes Lob. Ich weiß es zu schätzen, wenn ein männliches Wesen sich auf Romanzen einlässt;).
Für deine Türkeipläne wünsche ich dir ruhige Zeiten. Und fahr vorsichtig. In der Türkei sind Busfahrer wilde Gesellen.

Euch dreien nochmals vielen Dank und einen guten Wochenbeginn
wieselmaus

 

Liebe@maria.meerhaba,

es ist schön, wieder einmal von dir zu hören. Du warst ja eine der ersten, die mir einen Kommentar gewidmet hat. Ich lese übrigens deine Geschichten und Kommentare immer. Sie sind unverwechselbar und oft, aber nicht immer, teile ich deine Meinung.

Zu zwei inhaltlichen Kritikpunkten möchte ich was sagen. Katrin, das deutsche Mädchen, wohnt in einem Hotel. Sie ist als Touristin in Antalya unterwegs, also kann sie sehr gut alleine unterwegs sein. Das habe ich selbst so in Antalya erlebt vor ein paar Jahren.
Leyla hat Respekt gegenüber ihrem Vater, zumal dieser ein Versprechen abgegeben hat. Außerdem hat sie ja erst kurze Zeit vorher ihre Mutter verloren. Die türkischen Schülerinnen, die ich hatte, sind die Vorbilder für meine Prota gewesen.

Der Aufbau meines Textes ist nicht linear, sondern arbeitet mit Rückblenden. Da kann es gut sein, dass dies für den Leser unübersichtlich wird. Ich werde jedenfalls nochmals drüberschauen. Ich weiß auch, dass der Text sehr lang ist. Die Türkei ist für mich ein faszinierendes Land. Land und Leute bilden für mich einen Zusammenhang, so wie für dich Metropolen notwendig sind für deine Geschichten. Natürlich kann man immer noch kürzen. Für mich brauchte ich die Länge, um die kulturellen Unterschiede und den Zwiespalt meiner Protas plausibel zu machen. Aber da bist du wahrscheinlich näher dran als ich und brauchst nicht so viele Worte.

Nochmals danke für deinen ausführlichen Kommentar und danke dafür, dass du die Verreißmaschine nicht angeworfen hast.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

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