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Die Tür

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Die Tür

Die Tür


Wenn man sich zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort der Welt stellt, ruhig wartend, wie vor einer verschlossenen Tür, bemerkt man nach einiger Zeit Veränderungen an dem scheinbar unveränderlichen Boden, auf dem man steht.
Nach einigen Jahren, es mögen auch - je nach Gefühl - tausende sein, entsteht ein kleiner Riss, nur eine dünne Linie. Sand rutscht in sie, die Fuge wird geschlossen. Mit der Zeit wächst die Linie zum Spalt. Beim nächsten Regenguss wird er größer, doch während der folgenden Sonnenscheinperiode wird wieder trockene Erde eingeweht. Die Erde im Riss hält die Feuchtigkeit besser als die Umgebung, Gras wächst über Narben in der Standfläche. Manchmal ruckt der Boden, plötzlich klafft ein großer Spalt im Erdreich, Felskanten im Untergrund werden sichtbar. Irgendwann, nach langer Zeit muss eine Entscheidung getroffen werden: Bleibt man seinem Standpunkt treu, oder springt man auf die andere Seite der Kluft?
Eines Tages, es gab inzwischen gewaltige Verwerfungen, steht man trotz allem unerwartet, vor einem bedrohlichen Abgrund. Wer immer hier ausharrt kann weder vor, noch zurück, denn längst befindet man sich auf einer Insel, umgeben von unwirtlichen Landschaften, die eigentlich niemand kennen lernen will.
Die Tür, vor der man wartet, geht auf. Man tritt in einen Gerichtssaal, vor den obersten Richter, um geschieden zu werden.

 

Hallo Woltochinon!

Hab' die anderen Antworten nur flüchtig gelesen; hier meine Interpretation:
Hab' nach dem Lesen gedacht, der Text bezieht sich auf das Leben, man muss Entscheidungen treffen, wie man sein Leben lebt, versuchen, das Richtige zu tun, und am Ende bekommt man die Abrechnung (Richter).
An (Ehe-)Scheidung hab' ich persönlich da weniger gedacht, sondern vielmehr bildhaft gesehen an eine Scheidung aus dem Leben.
Daher tendiere ich auch zu "Philosophisches"; im Grunde genommen sind aber beide Rubriken passend.

Jedenfalls lässt der Text viel Spielraum für mögliche Interpretationen; eine richtige Kurzgeschichte ist er in meinen Augen allerdings auch nicht.

Sprachlich ist er jedenfalls gut geschrieben; etwas ausbaufähig finde ich ihn noch.
Aber insgesamt gefällt er mir recht gut.

Viele Grüße,
Michael :)

 

Servus Woltochinon!

Nein, nein, nein - nicht wieder fragen ob es eine Geschichte ist, nur weil nicht Rudi oder Liesi auf der Insel stehen und die aufbrechende Erde betrachten.
Es ist eben die Geschichte von irgend einem Menschen der Fragen stellt. Nach Dingen die ihn sichtlich nicht persönlich betreffen, aber ihn betroffen machen.

Ein Anfang, eine Mitte, ein Ende wird gesucht?

Der Anfang ist, dass jemand sich dem Glauben hingeben wollte, sich in Sicherheit auf einem unbeweglichen Ort zu befinden. Bewegt sich der Ort tatsächlich nicht, so ist vielleicht Bewegung im Inneren des Menschen.
Ist auch dieser erstarrt, dann dreht sich immer noch die Erde, und wer weiß was für ein winziger Teil von etwas, sich ständig in Bewegung befindlichem, nicht begreifbarem, unser Spuckerl Erde vielleicht ist.

Die Mitte beschreibt, wie er unsicher wird, der Mensch. Nicht weiß, ob er nach vorne schreiten soll, verharren und sich ergeben soll. Oder ob er einen Schritt zurück machen soll, dabei vielleicht ins Stolpern gerät.
Er meint auf einer einsamen Insel zu sein. Im Traum unendlich vieler Menschen erkennt er Verlorenheit, Einsamkeit, warum fragt man sich.

Ja da sind Gefühle, erkennbar durch die eigenen Emotionen die beim Lesen hervorgerufen werden. Man begreift nicht die Angst des nicht Handelnden.
Warum tritt er nicht die Tür ein, warum baut er aus dem Holz kein Floß und findet vielleicht bald neues Festland? Warum sucht er nicht nach einer Lösung?

Das Ende ist, dass er hofft, ein Richter öffnet die Tür für ihn und nimmt ihm die Entscheidung ab. Dieses Ende bedeutet weiteres Warten, bis man in die Tiefe stürzt, denn der Spalt wird ja sichtbar größer.
Und schon bräuchte er wieder einen Richter zum Entscheiden. Denn er kann jetzt schwimmen, oder ertrinken, oder sich einfach mal treiben lassen. Alles ist offen, viele Möglichkeiten sind da. Aber man bekommt beim Lesen das Gefühl von Enge, die aber doch gar nicht existiert.

Hab die Geschichte grad erst entdeckt und sie ist genial, denn sie hat meine Seele berührt, meinen Geist geweckt, ehrlich.

Lieben Gruß an dich - Eva

 

Hallo Heidi,

es ist nett von Dir zu hören! Ja, ein Eheproblem ist eine der Interpretationsmöglichkeiten. Doch „nix tun“ ist unter Umständen auch eine Art `Aktivität´, nämlich das Falsche zu tun.
Ich denke, der Ton der Geschichte ist ein Statement, eine distanzierte Beobachtung, wie von einem Konfliktforscher oder Gesellschaftskritiker. Der Inhalt ist aber die Beschreibung eines Stücks Gesellschafts- bzw. Lebens- Geschichte.

Tschüß... Woltochinon

 

Hallo Michael,

ich habe mich echt gefreut, daß Du `mal bei meiner Geschichte vorbeigeschaut hast. Zum Glück hat sie Dir auch einigermaßen gefallen, die Sache mit dem „Ausbaufähig“ wird wohl mein Lernprozeß sein.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

...

Hallo schnee.eule,

ganz herzlichen Dank für Deine Anmerkungen, endlich fühle ich mich einmal nicht nur zum Teil verstanden. Du zeigst das ganz geschickt auf: Da wird so gern gesagt `der Wolto schreibt ohne Emotionen´ , dann sucht man (komischerweise ohne Erfolg) Anfang, Mitte, Schluß und sagt `das ist keine Geschichte´. (Obwohl ich, wie Du ja weißt, da immer noch am Grübeln bin, wie man das vernünftig definiert).
Einsam ist der Mensch geworden, weil er nicht gewagt hat, über die Kluft zu springen, anstatt die Probleme aktiv zu lösen verharrt er, hoffend, daß noch alles gut wird.
„Warum sucht er nicht nach einer Lösung?“ Weil er ignorant ist (wie der Frosch im langsam heißer werdenden Wasser, doch das Tier kann nichts für seine Untätigkeit), den Rest seiner noch vorhandenen Bequemlichkeit der Unsicherheit des Handelns vorzieht
Ein toller Aspekt ist, wie Du den Richter siehst, die Tatsachen, die sich aus der Untätigkeit ergeben berauben am Schluß den Menschen von jeglicher Handlungsmöglichkeit (das kennt man ja z.B. aus dem Umweltschutz).
Ich werde mir in Zukunft noch mehr Mühe geben, meine Intensionen darzulegen, aber im Moment bin ich sehr froh, daß Du meine Gedankenwelt auch so betreten hast.

Liebe Grüße,

tschüß Siegbert

 

Hallo Woltochinon (was bedeutet dein Nick eigentlich?);)

Deine Geschichte hat etwas parabelhaftes. Dazu paßt die Kürze. Teilweise interessante Gedankengänge. z.B. dass das Gras im Riss besser wächst, als außen herum.

Am Anfang hat mich der Vergleich mit der Tür irritiert, dachte sogar an schlecht konstruierte Türrahmen, sich plötzlich auftuende Risse etc. Du hast mich gewissermaßen auf "Innenszenerie" eingestimmt, so dass ich zunächst widerwillig deinen "Außenbildern" gefolgt bin. Zum Schluss paßte die Tür immerhin wieder zum Gerichtssaal.; )

Mir ist Deine Geschichte zu allgemein, mir wäre Anfang, Mitte, Ende lieber, (auch wenn Du es vielleicht angedeutet haben solltest.) Mir ist es auf jeden Fall zu sehr angedeutet.
Ich könnte mir eine Zweitversion mit mehr Fleisch auf den Rippen vorstellen. Am liebsten mit sehr konkreten Personen und Dingen. Da könnte deine Parabel als Hintergrundfolie deine Geschichte ins Allgemeingültige heben.

lg Pe

 

Hallo Petdays,

vielen Dank für die ausführliche Beschäftigung mit meiner Geschichte. Selbst die Feinheiten, z.B. die Sache mit dem Gras hast Du beachtet. Schade, wenn ich Dich mit der Tür in die falsche Richtung geleitet habe, für den Autor ist immer alles klar, gut wenn man dann so eine Rückmeldung bekommt. Deine übrigen Anmerkungen nehme ich sehr ernst, Du bist nicht der Einzige, der so etwas geschrieben hat. Hast Du die Anmerkung von schnee.eule hierzu gelesen?
Tja, mein Nickname: Habe ´mal aus Jux mit einem Freund
virtuell chemische Substanzen entwickelt, die Chinone hatten es mir besonders angetan (weil sie auch bei Farben eine Rolle spielen, so entstand aus meinem Nachnahmen `Wolters´ Woltochinon. Und was ist mit Petdays, ist ja auch ungewöhnlich, sind das die Streicheleinheitentage, oder die Haustiertage?
Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

@ Kristin

Klar, wird gemacht. Es war nur so bequem die zwangsläufigen Pausen während meiner Arbeit mit einem Kommentar zu überbrücken. Muß halt umorganisieren.

Liebe Grüße,
tschüß... Woltochinon

 

Hi Woltochinon,

auf Chemie wäre ich nie gekommen... Hätte eher Wölfe oder ähnliches vom Klang assoziiert.
Aber deine virtuellen Chinone (< schönes Wort!) toppen das natürlich. Mich hast du auch richtig enttarnt...
Hat mit meinem richtigen Namen zu tun. Und dann zähl ich die Tage, bis ich mir einen Hund zulegen kann...*gg*

Pe ;)

 

hey wolto,
ich habe eben deinen text gelesen und fand ihn echt ansprechend. was mich verwirrt:
am anfang baust du alles so origenial auf, voll die untergangsstimmung und die apokalypse. symbolik für den menschen ist natürlich zu sehen

doch dann schließt sich das ganze immer mehr zum menschen hin, oder zu einem menschen, und das dann in einer recht persönlichen sache, wo nicht gleich jeder etwas damit anfangen kann-> scheidung. den einen betrifft es, den andern nicht.

mir hätte es gefallen, wenn diese apokalypse richtig ausgebaut wäre und dann so als denkzettel für den menschen. ob es dann pathetisch wirkt oder nicht, kommt darauf an ,wie du es dann umsetzt.
aber dann muss ich arche recht geben, dass es besser in philosophie gepasst hätte.

dieses zusammen spitzen der geschichte, die vom elefantenproblem zur gesellschaftlichen mückenproblem wird, scheidung, lässt mich dann kalt. schade um diesen me-against-the world-anfang.
ausbauen, sagten viele schon in ihrer kritik. aber ich sage auch, dass mir das sehr ut gefallen hat, bis auf den schluss...

liebe grüße
daigz:cool:

 

Hallo Daigoro,

ich fand´s echt gut, daß Du mir so genau Deine Eindrücke über den Text geschildert hast. Das `Verrückte´ ist - ich wollte schon auch so einen riesigen, umfassenden Aspekt darstellen. „Scheidung“ bedeutet ja nicht nur Ehescheidung, sondern Trennung ganz allgemein. Ich dachte, man kann den Text mehrmals lesen (ohne dies jemanden wirklich aufzwingen zu wollen). Einmal hat man eine Person in einer persönlichen Krise vor Augen, ein anderes Mal die Gesellschaft, oder gar die Menschheit (deshalb der „oberste“ Richter). Das muß nicht unbedingt als christlicher Gott aufgefaßt werden, sondern einfach als Entfernung von Ordnung, Gesetz, also auch Moral. Mich hat fasziniert, daß im `kleinen Bereich´ wie im `großem´ ein ähnlicher Prozeß wirksam ist und - man kann ihn mit geologischen Begriffen beschreiben.
Vielen Dank für Deine Anmerkungen, sie waren interessant.

Alles Gute,

tschüß

 

hey wolto,
ja genau das. wenn das etwas mehr in der geschichte zu spüren gewesen wär. sowas mag ich echt total, weil man manchmal so eine art unendlichkeitsstimmung bekommt. eine von diesen endzeitvorstellungen, wenn es nur noch einen einzigen menschen gibt, der dann alles begreifen muss, was ein mensch doch eigentlich war. und so ein gefühl kommt den gedanken über einen höheren richter, der irgendwo da oben sitzt und über unser leben bestimmt, manchmal sehr nahe.
naja, jedenfalls hast du mich neugierig gemacht und ich werde demnächst in deinen geschichten herum stöbern, wunder dich also nicht, wenn ein alter beitrag in neue beiträge zu finden sein wird.
guten rutsch ins neue.
bye
daigoro

 

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