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Die Tür
Die Tür
Wenn man sich zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort der Welt stellt, ruhig wartend, wie vor einer verschlossenen Tür, bemerkt man nach einiger Zeit Veränderungen an dem scheinbar unveränderlichen Boden, auf dem man steht.
Nach einigen Jahren, es mögen auch - je nach Gefühl - tausende sein, entsteht ein kleiner Riss, nur eine dünne Linie. Sand rutscht in sie, die Fuge wird geschlossen. Mit der Zeit wächst die Linie zum Spalt. Beim nächsten Regenguss wird er größer, doch während der folgenden Sonnenscheinperiode wird wieder trockene Erde eingeweht. Die Erde im Riss hält die Feuchtigkeit besser als die Umgebung, Gras wächst über Narben in der Standfläche. Manchmal ruckt der Boden, plötzlich klafft ein großer Spalt im Erdreich, Felskanten im Untergrund werden sichtbar. Irgendwann, nach langer Zeit muss eine Entscheidung getroffen werden: Bleibt man seinem Standpunkt treu, oder springt man auf die andere Seite der Kluft?
Eines Tages, es gab inzwischen gewaltige Verwerfungen, steht man trotz allem unerwartet, vor einem bedrohlichen Abgrund. Wer immer hier ausharrt kann weder vor, noch zurück, denn längst befindet man sich auf einer Insel, umgeben von unwirtlichen Landschaften, die eigentlich niemand kennen lernen will.
Die Tür, vor der man wartet, geht auf. Man tritt in einen Gerichtssaal, vor den obersten Richter, um geschieden zu werden.