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Die Stadt der Dunkelheit

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12.04.2002
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Die Stadt der Dunkelheit

Stadt der Dunkelheit
(Eine Protestgeschichte gegen die Atomkraft. Eine Untergangsstimmung im Prosastil des brutalrealistischen Exzessionismus über den „Tod“ eines Atomkraftwerkes und seiner Folgen. Irgendwie war das Gedicht „Die Dämonen der Städte“ von Georg Heym eine Quelle der Inspiration. Und ich denke, er sitzt heute mit einem anderen „Abartigen“, mit Charles Bukowski, im Dichterhimmel an einer wohl gefüllten Bar und sie genießen die neue Perversität mancher meiner Zeilen. Sie haben jeder ein Glas Whisky in der Hand. Sie schauen sich tief in die Augen, stoßen an. Georg meint grinsend: „Auf eine Zeit der Neuen Abartigkeit!“ Und dann kippen sie die Scheußlichkeit in sich rein. Charlie grinst auch und sagt: „Diesen Dichter haben wohl wir zwei auf dem Gewissen, hihi. Der Typ ist schwer versaut. Er kann es einfach nicht lassen. Warum nur muss er jede seiner Geschichten mit seiner „Abartigkeit“ versauen? Er hat wohl eine Geschichte von uns zu viel gelesen. Hahahaha.“ Und dann lachen sie beide, wie nur tote Dichter im Dichterhimmel lachen können. Und wenn sie sich dabei in den nächsten paar Jahren nicht tot lachen, ich hoffe es, haha, na dann werde ich hoffentlich bald neben ihnen sitzen. So viele Jahre habe ich ja nicht mehr. Hahahahhahahahahahahahha.)


Stromausfall. Schon wieder. Die Stadt verschwarzt auf der anderen Seite des Lichts. Die Häuserzeilen erglänzen wie die Hügel der Gräber eines Friedhofs im da und dort flackernden Kerzenlicht. Bucklige Dämonen wandern durch die Nacht. Es scheint, als duckten sich die Häuser unter ihrem Fuß. Der große Strom, die Donau, wälzt sich schwarz und breit, wie ein gefräßiges Reptil, der Rücken gelb gefleckt, in eine dunkle Traurigkeit. Einzelne Gebäude greifen wie gekrallte Wolfskrallen – die Klauen in Düsternis behaart, ihre neue Angst verzitternd – in den so unfreundlich getrübten Himmel.

Die Wolken, so schwarz von Rauch und Russ, sie stehen tief. Kein Licht von Mond, kein Licht von Sternen. Eine Ahnung schweigt. Die Wolken kochen. Sie haben sich in dicke, bedrohliche Formen zusammengeklumpt. Wie gierige Monster lagern sie bereit, sich auf die Menschen los zu lassen. Kleine Blitzchen zucken kurz. Ihre Verschmelzungen mit der Erde sind wie Faden so dünn. Der Himmel weiß noch nicht: was tun?

Ich stehe Hand in Hand mit Danae auf unserem Balkon. Wir ergeben uns diesem Schauspiel der Natur. Von irgendwo aus diesem Häusermeer schallt leise und so filigran eine einsame Violine her. Es scheint, als spielte da ein schon alter Mann auf zu seinem letzten Tanz. Seine Finger wimmern noch immer virtuos. Die Schönheit der Töne macht uns zittern.

In Europa stirbt nun das vierte Atomkraftwerk einen langsamen Tod. Es gibt keinen Strom. Unsere Gedanken dazu sitzen wie lüsterne Kobolde auf den Dächern. Sie miauen wie läufige Katzen auf zum Firmament. Ihre Hälse wachsen dann und wann wie jene von Giraffen. Irgendwo wird wohl ein Kind geboren. Es hat keinen Kopf. Das Gedärm liegt außen frei herum. Es zuckt lebendig, doch ist tot.

Alles so egal. Du kannst es nicht riechen, du kannst es nicht sehen. Die Luft ist bloß verstrahlt. Die alte Angst ist überholt.

Wir inhalieren tief. Alles so egal. Kein Loch da zum Verstecken. Es gibt ja nicht genügend Löcher. Und die es gibt, die sind nun übervoll.

Wenn Miss Di und ich gewollt hätten, dann steckten wir jetzt wohl auch in so einem Loch. Wir hätten einen Platz bekommen. Doch wir wollten nicht. Und eigentlich schmeckt die Luft saugut. Die Luft über Linz ist heute so klar, wie schon lange nicht. Kaum ein Auto da, das sich auf die Straße wagt. Ab und zu zersägt ein Volltonhorn die Stille. Ganz hinten in Kleinmünchen greifen Flammenzungen rot, orange bis gelb in des Himmels finstere Verhangenheit. Es heißt, ein an seiner Zeit verzweifelnder Vater hätte sich selbst mit seiner ganzen Familie im Namen der ganzen und wieder einmal so irrsinnig gewordenen Menschheit „hingerichtet“.

Da birst das Dach. Es hört sich an, als würde eine alte Stadt mit ihren brüchigen Schultern knacken. Das Meer der Flammen wächst sich riesengroß. Eine Farbenpracht ergießt sich über das Weit des Horizonts.

Temelin hat endlich alle Angriffe seiner Gegner überstanden. Sein Kern glüht nun die Erde durch nach China.

Neunzehn Terroristen – dieses Neunzehn wurde inzwischen zur geheiligten Zahl – haben am Heiligen Abend, dem Todestag des Mahdi, einen schwach bewachten Militärflughafen in Österreich überfallen. Gestern schien die Sonne, der Winter hat sich von seiner besten Seite gezeigt. Die Lochmenschen von Heute genossen das warme Licht, so als wäre es das letzte Mal. Und gleichzeitig stöhnten sie unter der Last und unter der Hektik dieses Feiertags.

Danae und ich - wir stöhnten auch. Wir ertranken lustvoll in den Strahlen …. unserer Sonne. Wir feierten die Weih-Nacht auf unsere Art. Wir fickten dabei einen dicken Baum in der Au …. unten bei der Traun. Vorher spazierten wir um den im Sonnenlicht glitzernden See herum. Keine Menschenseele weit und breit. Während wir fickten und dabei nach Liebe gierend stöhnten, stiegen drei nur bei Schönwetter flugfähige Euro-Fighter auf und stürzten sich dann mitten hinein in die Turbinen von Temelin. Auch die Tschechische Flugabwehr hat ihren Aufstieg verschlafen. Auch in Tschechien ist der Heilige Abend ja ein Feiertag. Europa ist ja christlich. Da kann so was schon geschehen. Doch für Terroristen ist so ein Feiertag ein Feiertag. Das vermag sogar ich zu verstehen, der ich nicht gerade mit viel Intelligenz geschlagen bin.

Wenn mich mein Zeitgefühl nicht trügt, dann habe ich genau zur Zeit der Explosion gespritzt. Es war phänomenal. Ich habe die letzten Tropfen in den Schnee geschüttelt und Ihn dann schnell eingepackt. Ihm war plötzlich so kalt. Der Schnee lag ja gut zwanzig Zentimeter hoch und es hatte so um die vier bis fünf Grad. Plus.

Ich bummse, nein, ich bummste ja gerne draußen in der Natur. Das ist, nein, war immer wieder ein Genuss. Selbst der kalte Winter hat mir nie was ausgemacht. Beim Schifahren suchte ich mir auch oft einen freundlichen und dicken Baum, und ließ dabei der Sonne meinen nackten Hintern warm begucken.

Wir fuhren dann anschließend nach Hause. Danae schnurrte die ganze Zeit und hielt sich mit der einen Hand ihren schon ein wenig dicken Bauch. Mit der anderen Hand hielt sie meine Hand am Schaltknüppel gefangen. Durch unsere Blutbahnen schoss das Glück und wir dachten nur an Zukunft, an unseren Jungen, an was Gutes.

Da sagte Miss Di auf einmal – mitten heraus aus unserem zärtlichen Schweigen: „Hey, was is’n heute los? Schau mal, kein Auto auf der Straße.“

Ich hatte auf einmal ein ungutes Gefühl. Die leere Straße fühlte sich auf einmal an, so wie damals, als sie das World Trade Center angegriffen haben. Damals waren wir ja auch alleine auf der Straße. Ich sagte: „Na, vielleicht haben Terroristen jetzt Temelin angegriffen, mit Flugzeugen und so, …. genau so, wie ich es immer vorher gesagt habe. Und wir zwei wissen noch Nichts davon, weil wir ja den ganzen langen Nachmittag lang einsam spazieren waren und uns anderweitig wichtig gemacht haben, hahaha.“ Ich lachte. Danae lachte auch, ein wenig, aber irgendwie erstickten wir dann daran. Wir schwiegen dann.

Zu Hause schaltete ich dann den Fernseher ein und: Verdammt! Es darf nicht wahr sein! Die Ruinen der Türme von Temelin füllten den ganzen Bildschirm aus. Ein loderndes Flammenmeer. Noch nie lag ein sterbendes Atomkraftwerk so nah an Linz. Die Nachrichtensprecher erzählten lauter Schauermärchen. Es klang gar nicht wunderbar.

Und heute, einen Tag danach, stehe ich mit Danae auf unserem Balkon. Der Nachthimmel über der Stadt ist pure Natur, ist so elend wunderschön, so klar. Doch das Gewitter zieht aus Temelin heran. Die ausstrahlende Hitze dort verträgt sich nicht mit dem kalten Wetter im Winter. Und da erbebt die Stadt der Dunkelheit unter einem ersten mächtigen Gebrüll. Einen Donner, so mächtig und laut, habe ich noch nie gehört. Ein fetter Blitz sprengt die Gegend um die Universität herum in ein knallig weißes Lichtermeer.

Die hohen Häuser - die Hotels, das Brucknerhaus - die Donau entlang verzittern. Ein Erdbeben donnert laut durch den nun so wunden Schoß der Stadt. Die hohen Schlote im Gelände bei der Voest – sie wanken. Danae und ich, wir schwanken auch. Wir halten uns am Balkongeländer fest, wie gebärende Frauen in alten Zeiten an einer Wehebank. Die kalte Luft verhaucht an unserem Schrei so erschrocken, so sichtbar warm. Unsere Schrecken kreißen. Danae verkrallt sich an meiner Hand. Ich kann sehen, wie ihre Knöchel dünn verweißen.

Ich lasse dann mit der anderen Hand das Geländer wieder los und fasse unwillkürlich nach meinem Haar. Es ist noch da. Ich sehe nach Danae. Auch ihre freie Hand wühlt im Haar. Sie hat scheinbar dieselben Gedanken. Die Bilder im Fernsehen zuletzt aus den USA wirkten so unmittelbar, so nah. Diese bleichig grauen Glatzköpfe krankten dann noch tagelang in meinem Kopf herum. Die Gegend um Indian Point, dort wo sie vor drei Jahren das erste Atomkraftwerk in den USA angegriffen haben, ist heute schon wie die Gegend um Tschernobyl herum eine einzige Krebserlstation. New York, keine fünfzig Meilen davon entfernt, ist heute nur noch halb bewohnt.

Big Brother der Erste, George W. Bush, hat doch im Jahr 2001 den Weltkrieg gegen den Terror erklärt. Sein Pech war auch das unsere: er war noch nicht stark genug dazu. Big Brother hat sich wie schon Adolf Hitler zuvor, schwer übernommen. Und so ist sein Weltkrieg dann, wie alle anderen Kriege zuvor, entgegen jede Vernunft in den folgenden Jahren schwer entartet. Es wurde unter anderem ein „Atomkrieg“ daraus, auf seine Art.

Bei diesem Gedanken bricht über uns die Hölle los. Tausend Blitze grellen die Nacht zum Tag. Donner um Donner, so laut, dass die Ohren schmerzen. Und dann prasseln die ersten Regentropfen gegen unseren Balkon. Die Tropfen sind wie Mon Cheri so groß. Die Natur malt ein Bild so wunderwunderschön, an dem selbst die besten Malermeister scheitern. Wir stehen wie gebannt.

Und Alles so egal. Doch Danae und ich, wir gehen dann doch ins Zimmer hinein und schließen die Tür zum Balkon. Unsere Herzen sind schwer. Wir fallen uns in den Arm. Danae weint. Auch ich lasse meinen Tränen ihren Lauf. Sie presst ihren leicht angeschwollenen Bauch ganz fest gegen mich. Dort wächst ein kleiner Junge heran. Ich kann ganz deutlich fühlen, wie er kräftig strampelt. Oder ist es gar seine Angst, vermischt mit seiner so ohnmächtigen Wut?

Oh Gott! Dieses Strampeln fühlt sich an, …. es fühlt sich an, …. oh Gott, es fühlt sich an, …. so als wüsste er. Da schüttet mein Herz ein Meer von Tränen aus. Ich kann auf einmal nicht mehr atmen.

© Copyright by Lothar Krist (16./17.6.2004 von 22.45 – 02.30 Uhr im Smaragd)

 

Aaaalso, inhaltlich finde ich die Geschichte so realistisch wie beängstigend. Dabei braucht sie nicht mehr als den Terroristenangriff auf ein Atomkraftwerk, der leichter vorstellbar als zu verhindern ist. Die Protagonisten irren hilflos um dieses zentrale Ereignis herum, was zwar nicht besonders spannend, aber durchaus für sich allein eine Aussage über ihre oder unsere Ohnmacht ist.
Die Sprache finde ich nur zum Teil gelungen. Ist vielleicht Geschmackssache, aber an einigen Stellen übertreibst Du es mit der Bildhaftigkeit, und die Bilder hängen schief.
Dazu vielleicht mal ein paar Beispiele:

"Eine Ahnung schweigt. Die Wolken kochen"
"Unsere Gedanken dazu sitzen wie lüsterne Kobolde auf den Dächern. Sie miauen wie läufige Katzen auf zum Firmament. Ihre Hälse wachsen dann und wann wie jene von Giraffen."
"Das Meer der Flammen wächst sich riesengroß."
"Die hohen Häuser [..] verzittern."
"Die kalte Luft verhaucht an unserem Schrei so erschrocken, so sichtbar warm."
etc.

Unter dem Strich jedenfalls ein lesbares und gut erzähltes Zukunftsszenario.

Uwe
:cool:

 
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Tja, da muss wohl ich den Stein schmeißen:

Also: ich finde die Geschichte vollkommen überladen mit erzwungener Opulenz und einer Bildhaftigkeit, die mir kalte Schauer über den Rücken jagt. Die Handlung finde ich wenig originell, die vorangestellte Anmerkung überflüssig, den Bezug zu Bukowski geradezu lächerlich. Auf einer Skala von 1 - 10 erhält diese Geschichte eine 2. Ich habe mittlerweile einige Geschichten auf KG gelesen, das ist mit Abstand die schlechteste.

@Uwe: Hab keine Ahnung, was du daran gut findest, ehrlich.

Dante_1

 

@Dante_1: Wenn Du diese Geschichte so schlecht findest, hast Du eine ganze Reihe anderer Texte übersehen :cool:
Ja, ich finde die Bildhaftigkeit auch übertrieben. Die Vorbemerkung beziehe ich nicht in die Beurteilung mit ein, eigentlich darf sie gar nicht da stehen. Du solltest vielleicht noch genauer begründen, was Du schlecht findest. Für mich passt die Hilflosigkeit der Figuren und die Nebensächlichkeit ihrer Handlungen gut zu der Situation des Terroranschlags. Freilich kann man über den politischen Inhalt des Textes diskutieren. Aber immerhin gibt es was zu diskutieren. Diese Geschichte mag nicht viel reizvolle Handlung haben, aber da ist weit mehr irgendwie greifbarer Stoff als in manch anderem Text hier. Daher kann ich auch Dein "mit Abstand die schlechteste" nur als völlig übertrieben zurückweisen.

 
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"Wenn mich mein Zeitgefühl nicht trügt, dann habe ich genau zur Zeit der Explosion gespritzt. Es war phänomenal. Ich habe die letzten Tropfen in den Schnee geschüttelt und Ihn dann schnell eingepackt. Ihm war plötzlich so kalt. Der Schnee lag ja gut zwanzig Zentimeter hoch und es hatte so um die vier bis fünf Grad. Plus."

Das ist es, was die Geschichte für mich mit Lichtgeschwindigkeit rauskatapultiert. Da hilft auch kein Bukowski Verweis mehr, tut mir Leid. :cool: Hilflosigkeit?, hab ich nicht gesehen, hab ich nicht gespürt. Ist ja alles so egal. Und dann das Ende mit dem Baby! Es wundert mich ja fast, dass es nicht verkrüppelt geboren wird. Es bleibt dabei: grauenhaft, politischer Hintergrund hin oder her (den ich immer noch wenig originell finde).

Bin echt mal gespannt, was die anderen so sagen. ;)

Dante_1

 

Für eine Protestgeschichte ist sie ziemlich schwulstig geschrieben. Tut mir Leid, ich konnte nach dem ersten Absatz schon nicht mehr weiterlesen.

 

Ich find's gut

Seltsam... ich habe diese Geschichte nun vielleicht schon zum zehnten Mal durchgelesen und ich finde sie immer wieder auf irgendeine Art und Weise genial. Klar, das ganze ist zu sehr an die Versuchung, hässliche Bilder im Kopf des Lesers zu malen, geknüpft, aber vielleicht war es genau das, was mich so fasziniert hat. Die Worte, diese vielzahl an klug gewählten und gut platzierten Worte, das ist es was mich an dieser Geschichte fasziniert. Natürlich kann man sich über den Inhalt streiten. Aber ich wundere mich, wie sehr man sich hätte um eine Geschichte streiten können, in der es hiess: Zwei Flugzeuge durchbohrten die riesigen Zwillingstürme und töteten unzählige von Menschen. - Wäre wohl auch etwas zu fantasievoll erschienen, wenn das nicht tatsächlich passiert wäre, oder? Den Erzähler, also den Protagonisten, mag ich irgendwie. Er hat eine sehr direkte Sprache und macht einem klar, dass Katastrophen an den unschwahrscheinlichsten Tagen passieren können, an Tagen, die man fickend unter einem dicken Baum verbringt.
Was die "Schwulstigkeit" dieser Geschichte angeht... na ja... wenn man bedenkt, dass es sich um ein Gedicht oder so was ähnliches handelt, dann denke ich, ist dies durchaus berechtigt.

Aber es soll ja nicht sein, dass ich überhaupt nix auszusetzen hätte:

"Wir fickten dabei einen dicken Baum in der Au …. unten bei der Traun." - Hier kapier ich was nich. Die ficken einen Baum? Und was is dieses "Au ...."? Bin ich schwer von Begriff oder ist da wirklich was schief gelaufen?

"Unsere Schrecken kreißen." - Wie muss ich mir das vorstellen? Da will meine Fantasie nicht mitspielen...

"Danae verkrallt sich an meiner Hand. Ich kann sehen, wie ihre Knöchel dünn verweißen." - "Verweissen?", was ist das und in welchen Zusammenhang kann man das mit den Knöcheln sehen?

"Oh Gott!" - Oh Gott... das gefällt mir nicht. Passt nicht zu diesem Typ. Wirkt etwas unglaubhaftig, wenn ein Kerl, der so direkt und selbstsicher ist, plötzlich sagt: Oh Gott!

"Dieses Strampeln fühlt sich an, …. es fühlt sich an, …. oh Gott, es fühlt sich an, …. so als wüsste er." - So, als würde er was? Wird er geboren? Will er raus aus dem schönen Bäuchlein seiner Mutter? Oder verreckt er da drin? Is mir irgendwie nicht ganz klar...

Ansonsten fand ich die Geschichte wirklich gut. Schade, dass da so wenige meiner Meinung sind. Aber vielleicht ist diese Geschichte ausnahmsweise mehr geschmackssache.

Gruss, Clyan

 
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Hi Uwe!

Du schreibst, dass die Geschichte überladen wäre – das gebe ich zu, ist Absicht - und manche Bilder schief hängen würden und weist dabei auf folgende Verse hin:

„Eine Ahnung schweigt. Die Wolken kochen"
Diese Geschichte ist ja eigentlich eine Bildbeschreibung. Ich möchte ja viel lieber ein Maler sein, denn mein Problem als Autor besteht immer wieder darin, dass mir die Geschichten wie Bilder oder Filme „kommen“. Es macht einfach: Peng! Und dann sitze ich vor einem Bild und muss erst mal die Worte dafür suchen und finden. Und manche Bilder bringen mich dabei an den Rand des Wahnsinns, gebe ich zu.

Als LeserIn muss man sich natürlich in diese Stimmung versetzen. Ich weiß, das ist im Zeitalter des Films nicht mehr leicht. Hier zieht ein Gewitter heran, es braut sich zusammen. Wolken verschieben sich ineinander. Eine Wolke wird schneller voran getrieben, eine andere langsamer. Die Wolkenbank rückt näher. Es ist dunkle Nacht. Normalerweise kommen die Gewitter ja am Nachmittag, gegen Abend. Doch dieses Mal kommt es zu einer völlig unüblichen Zeit, nämlich in der Nacht. In der Wolkenbank zucken winzige Blitze. Von all dem kommt das Kochen. Diese Blitzchen sind das einzige Licht, sie malen das Bild, die Stadt, in diese schattenverzuckende Düsternis, in der man ein Gefühl hat, als würden diese Schatten wie Dämonen von Haus zu Haus hüpfen. Ein Mensch im Mittelalter hätte wohl geglaubt, Satan selbst wäre mit seinen Kobolden in der Stadt.
Gleichzeitig herrscht eine Stille in der Stadt. Es fahren ja keine Autos, es sind keine Leute unterwegs, die Fabriken stehen still. Und man weiß, was da jetzt kommt: verstrahlter Regen. Aber man sagt Nichts. Also: Eine Ahnung schweigt.

"Unsere Gedanken dazu sitzen wie lüsterne Kobolde auf den Dächern. Sie miauen wie läufige Katzen auf zum Firmament. Ihre Hälse wachsen dann und wann wie jene von Giraffen."
Dazu muss man sich diese oben beschriebene Dunkelheit in der Stadt vorstellen. Nur da und dort ein Notstromaggregat, das ein paar Häusern ein paar kleine Lichter schenkt. Am Horizont brennt ein Haus. Die Häuser werfen düstere Schatten, die wie Kobolde aussehen, manche recken ihre Hälse in den Himmel, zB die Türme der Kirchen. Es scheint so, als heulten sie ihn an.

"Das Meer der Flammen wächst sich riesengroß."
Wenn ein brennendes Haus einstürzt, dann wächst der Flammenhaufen 3, 4 mal so hoch. Milliarden Funken spritzen hoch hinauf in den Himmel.

"Die hohen Häuser [..] verzittern."
Die Luft flimmert, ist elektrisch geladen, usw.

"Die kalte Luft verhaucht an unserem Schrei so erschrocken, so sichtbar warm."
Es ist ja Winter, also kalt. Wenn du atmest, kann man diesen Atem sehen.

Du siehst, Alles keine Hexerei. Du solltest vielleicht das genannte Gedicht lesen, und auch noch ein paar andere von Heym (Gott der Stadt). Ich habe die Geschichte ein wenig in diesen „alten Stil“ gepackt. Und wie oben schon gesagt, es handelt sich um eine Art Bildbeschreibung, in die ich die kleine Handlung mit den zwei verzweifelten Liebenden gepackt habe.

lg
buji

 

Das durchgänge Stilmittel der Personifizierung macht die Geschichte für mich sehr zäh und träge. Wärst du ein Maler, würde ich sagen, dass du ziemlich dick aufträgst.
Nimm doch mal einiges an Farbe runter und bringe mehr schwung in Linien und Flächen.

LG

Yaso

 
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Hi Dante!

Ja, die Geschichte ist überladen. Ist Absicht. 1. Es handelt sich um keine bloße Kurzgeschichte, sondern um lyrisch angehauchte Prosa. 2. Es herrscht ja eine Ausnahmesituation. Das was der Mensch am meisten fürchtet, ist geschehen. Ein Atomkraftwerk ist explodiert, ein Riesenfeuer brennt in Temelin, verseuchter Russ und Asche wird hoch hinauf in die Atmosphäre katapultiert, es dampft gewaltig. Es ist Winter, also braut sich über dieser irren Hitze ein Gewitter zusammen. Das Feuer wird so wie damals in Tschernobyl über Monate hinweg nicht löschbar sein.

Ich schreibe ja keinen Roman darüber. Ich will dies Alles in wenigen Worten ausdrücken, also muss ich diese Worte „überladen“, ja, ich erfinde sogar eigene dafür. Das erscheint natürlich manchen Lesern als kitschig, überhaupt in einer Zeit von Heute, in der wir so etwas lieber in Filmen sehen. Der Leser von Heute ist ja eher ein Schnellleser. Er will der Schnelligkeit der Zeit angepasst ja so viel wie möglich auf einmal lesen. Daher soll heute eine Geschichte leicht verständlich, also gut aufbereitet sein.

Ich bin da eher ein unmoderner Typ von Leser. Ich lese oft nur ein einziges Gedicht, da können locker ein, zwei Stunden dabei vergehen. Und dabei unterhalte ich mich auch noch köstlich. Für diese kleine Klientel von LeserInnen schreibe ich ja auch in erster Linie.

Du zitierst den beabsichtigten Bruch in meiner Geschichte:
"Wenn mich mein Zeitgefühl nicht trügt, dann habe ich genau zur Zeit der Explosion gespritzt. Es war phänomenal. Ich habe die letzten Tropfen in den Schnee geschüttelt und Ihn dann schnell eingepackt. Ihm war plötzlich so kalt. Der Schnee lag ja gut zwanzig Zentimeter hoch und es hatte so um die vier bis fünf Grad. Plus."

und schreibst dann:
„Das ist es, was die Geschichte für mich mit Lichtgeschwindigkeit rauskatapultiert. Da hilft auch kein Bukowski Verweis mehr, tut mir Leid.“

Ich weiß nicht, was du von mir sonst noch gelesen hast. Aber du findest von mir kaum eine Geschichte, die ich nicht „breche“. Ich liebe diese Stilbrüche. Ich fange meist eine Geschichte sehr „schön“ an und „kille“ dann den Lesefluss des Lesers von Heute. Es katapultiert ihn dann, wie dich, mit Lichtgeschwindigkeit aus der Geschichte raus. Und genau hierin liegt ja auch der Zweck dieser „Brüche“.

Dazu musst du wissen, dass ich den Europäischen Intellektuellen von Heute als Ästheten der Scheinheiligkeit ansehe, nennen wir ihn den „Gutmenschen“. Und der deutschsprachige Intellektuelle ist auf Grund seiner Vergangenheit ja der schlimmste von Allen. Genau aus diesem Grund gibt es ja heute keine großen deutschen Romanautoren mehr. Sie sind alle viel zu "vorsichtig", sie haben Angst gegen irgendwelche Tabus zu verstoßen, usw. Wenn ich vom System gezwungen werde, mich an der Realität vorbei zu schummeln, auf welche Weise auch immer, also gezwungen bin, zu lügen oder halbe Wahrheiten aufzubereiten, na, dann kann ich auch nicht mehr über Grenzen gehen. Der Roman zieht sich. Genau dieser Vorwurf wird ja den deutschsprachigen Romanautoren von der Internationalen Kritik verpasst, deshalb lassen sich ja unsere Romane nicht mehr gut verkaufen. Von einem dt. Autor kann heute kein Verlag mehr leben. Und trotzdem weigern sie sich aber, einen dt. Autor, der wie ein amerikanischer schreibt, zu verlegen. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz.

Und genau in diesem Sinn liegt ja auch mein Vorwort. Ich „verarsche“ genau diesen Leser. Mir war bewusst, dass ich sowieso 9 von 10 Lesern verärgere, wenn ich diese Szene mit dem Stehfick von Hinten einbaue, die scheinbar ein Fremdkörper ist. Diese Szene steht auch nicht im Original der Handschrift, ich habe sie erst zu Hause eingefügt. Die Geschichte war mir zu „schön“. Ich habe nach „meinem Bruch“ gesucht und da fiel mir ein, dass ab diesem Gewitter Nichts mehr so sein wird, wie früher. Die Natur ist für immer versaut.

Ich schreibe ja dann weiter unten:
„Ich bummse, nein, ich bummste ja gerne draußen in der Natur. ….“
Damit weise ich im Zusammenhang mit dem Fick in der Natur auf die Endgültigkeit dieser versauten Natur hin. Natürlich hätte ich das auch mit dem Spazierengehen allein ausdrücken können, aber ich stehe nun einmal auf die Übertreibung, die Provokation. Sie ist eines meiner Stilmittel des brutalrealistischen Exzessionismus. Hätte ich einen harmlosen Spaziergang als Hinweis auf die Endgültigkeit des Genießens von Natur verwendet, dann wäre ich nicht „buji“, dieses duftende Bujerl auf unsere Welt von Heute.

Und was ist schon dabei, wenn man etwas beschreibt, das ja möglich, also real ist, sein kann. Ich werde ja schließlich nicht der einzige sein, der ab und zu mal gerne in der Natur vögelt. Also warum darüber nicht schreiben? Und ich wette, dass genau dann, wenn so etwas Grauenvolles geschieht, auch ein Liebespaar in der Natur gerade vögeln wird. Sie „verschlafen“ sozusagen den Wahnsinn.

Aber weil ich genau gewusst habe, dass dieser Realismus nur wenigen deutschen LeserInnen gefällt, habe ich zu Beginn das Spiel mit dem Größenwahnsinn gespielt, hahaha. Als ich ganz zum Schluss dann den Vorsatz mit Heym und Bukowski geschrieben habe, habe ich mich fast tot gelacht, weil ich ja wusste, dass ich damit meiner Unbeliebtheit wieder einmal die Krone aufsetze.

Danae hat beim Lesen der Geschichte gemeint, nach dem satirisch gehaltenen Vorsatz ist es einem unmöglich, den ersten Absatz zu verstehen. Er bleibt ohne Melodie. Erst wenn man ihn noch einmal liest und den Inhalt des Vorsatzes vergisst, kann man diese Prosa begreifen. Ich habe sie dann gefragt, ob es nicht besser wäre, diesen Vorsatz nicht zu bringen. Sie hat gemeint: besser schon, aber dann wärst du nicht „buji“ und die reifen LeserInnen werden es schon begreifen. Also ließ ich die Provokation mit dem Größenwahn.

Dieses Internet ist ja so was von geil. Noch nie zuvor konnte man als Autor die Reaktionen der LeserInnen so hautnah fühlen. Du schreibst in der Nacht mit Kuli in einer Disco eine Geschichte, schreibst sie gegen Morgen in den PC, stellst sie dann gegen Mittag ins Internet, gehst dann schlafen und wenn du gegen Abend aufstehst, kannst du schon die ersten Posts lesen.

Es gab ja schon immer Autoren, die sich mit ihrer ganzen Zeit angelegt haben. Aber ich denke, es war noch nie so geil! Ich liebe dieses Internet. Und noch nie zuvor konnte man als provozierender Autor das Spiel mit zwei sich einander hassender Ideologien spielen. Man kann so schreiben, dass sich beide nicht mehr auskennen, auf welcher Seite man nun als Autor steht. Einmal grault man den Linken am Bart, einmal dem Rechten, um im nächsten Augenblick beiden in den Arsch zu treten. Du schreibst so, dass du in kein Kasterl passt, in das jeder Leser nun einmal versucht ist, den Autor zu stecken. Und du kannst dadurch, viel schneller lernen. Die Antworten, also die Differenzen, die Missverständnisse zwischen Leser und Autor verarbeitest du schon in deinen nächsten Geschichten und nicht erst in deinem nächsten Buch. Das ist irre geil.

lg
buji

 
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"Ich schreibe ja keinen Roman darüber. Ich will dies Alles in wenigen Worten ausdrücken, also muss ich diese Worte �überladen�, ja, ich erfinde sogar eigene dafür. Das erscheint natürlich manchen Lesern als kitschig, überhaupt in einer Zeit von Heute, in der wir so etwas lieber in Filmen sehen. Der Leser von Heute ist ja eher ein Schnellleser. Er will der Schnelligkeit der Zeit angepasst ja so viel wie möglich auf einmal lesen. Daher soll heute eine Geschichte leicht verständlich, also gut aufbereitet sein."

Die Literatur ist die größte Erfindung der Menschheit, die entweder dazu dient zu lehren, zu unterhalten oder sogar beides. Der einzige Grund, warum die "großen Literaten" so schwer zu lesen sind ist der, dass die Meisten aus einer anderen Zeit stammen, in der man so oder so ähnlich geschrieben hat.

Keiner der großen Autoren hat sich bemüht, absichtlich unverständlich zu schreiben. Damit meine ich jetzt den Schreibstil. Das ist bei dir aber genau andersherum. Dein Stil ist unverständlich, dein Inhalt eher banal.

 

Liebe Clyan!

Danke. Du rettest meinen Tag oder besser noch, mein Monat.

Das „den Baum ficken“ ist bildlich gemeint. Danae stemmt sich gegen den Baum und ich steh dahinter. Wir sagen hier so in Oberösterreich, wenn wir in den Wald auf einen Stehfick gehen. Das stammt auch gar nicht von mir, ist hier so eine Redensart.
Ein Beispiel:
Eine Gruppe junger Leute liegt im Sommer auf einer Wiese in der Nähe eines Waldes. Auf einmal steht ein Liebespärchen auf, sie werfen sich ein Handtuch über die Schulter und gehen weg. Man fragt sie, wohin sie gehen. Da sagt dann er oder sie: „Wir gehen einen Baum ficken! Was wohl sonst?“

Die „Au“ ist ein Auwald, also ein Wald der sich einen Fluss entlang zieht. Diese Au liegt am Fluss Traun, der in der Nähe von Linz in die Donau fließt. Ich gehe dort immer gerne spazieren, bzw. gehe ich dort im Sommer gerne baden. Es ist wunderschön dort und man findet immer ein einsames Plätzchen.

"Unsere Schrecken kreißen."
„Kreißen“ kommt vom „Kreißsaal“ = Geburtstation. Eine Geburt ist ja immer sehr schmerzvoll. Wir haben ja Angst, unser Herz schlägt schmerzvoll, es rast. Die Schrecken kreißen.

"Danae verkrallt sich an meiner Hand. Ich kann sehen, wie ihre Knöchel dünn verweißen."
„verweißen“ – Danae hat eine sehr dünne, feine Haut an den Händen. Wenn ihr kalt ist, werden die Fingerknochen so schimmernd weiß, das wenige Fleisch rum leuchtet dann zart rot. Wir haben vor kurzem einen schweren Kasten getragen, da konnte ich dieses Phänomen auch beobachten. Die Fingerknochen schimmerten weiß durch Haut und Fleisch. Die Knochen „verweißen“ – das ist aber eine Worterfindung von mir.

„Oh Gott!“
Ich glaube nun mal an einen Gott, wenn auch nicht an den, an den die Meisten glauben. Der Mensch soll ja ein Abbild von ihm sein. Jeder Mensch ist nun einmal mehr oder weniger auch ein Schizzoo. Also wird Gott wohl ein Super-Schizzoo sein. Und ein (verrückter) Philosoph und Künstler ist er ja auch (siehe die Geschichte „Adam und Eva“). Es weiß also oft die linke Hand nicht, was die rechte tut, hihi. Ich nenne ihn manchmal in Geschichten „Gott-Satan“, siehe mein Gedicht „der Krieg“ ganz unten gleich auf der Anfangsseite meines Online-Buches „Meine Wogehenwirhingedanken zum Krieg gegen den Terror“
http://mitglied.lycos.de/LotharKrist6/

Zum Strampeln des Jungen im Bauch: „so als wüsste er“ – Ne, er will nicht raus. Aber er scheint zu wissen, in welche Welt er hinein geboren wird. Er hat Angst. Er fühlt die Angst seiner Mutter, seines Vaters, diese Angst wird zu seiner eigenen. Und der Vater in der Geschichte weiß auf einmal, dass sein ungeborener Sohn das jetzt weiß. Der Vater hat Angst um seinen sich ängstigenden Sohn. Das zerfetzt ihn dann.

Liebe Grüße
Lothar

 

Lieber Yaso!
Wenn du das so fühlst, na, dann wird es wohl auch so sein.

 
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Hi Yaso!

Das was du oben geschrieben hast über die "Unverständlichkeit" stimmt ja nicht. Das hast du dir wohl selbst aus den Fingern gesogen. Es gibt nämlich sogar eine Menge Stilarten, die sich dieser Unverständlich-Machung von Worten, von Bedeutungen usw. gewidmet haben. Ja, es gab Zeiten, da hat man sogar politischen Protest in Kunst-Codes verpackt. Ich verweise nur auf "DADA" oder die diversen Stile der Experimental-Dichtung.

Aber ich zähle mich da gar nicht dazu. Wer bei mir ein bisschen nachdenkt, der weiß schon, was ich meine. Ich sehe mich ja nicht bloß als Schriftsteller, ich bin Dichter, ein oft ziemlich dichter Dichter vielleicht, hihi, aber immerhin. Also beschäftige ich mich auch mit Wortneuschöpfungen. Oft schenke ich einem neuen Begriff, zB einem Hauptwort, das noch kein Eigenschafts- oder Zeitwort hat, ein solches, siehe die Geschichte "Vorgeet" (oder "Rastahaarvibrationen", in der es heißt: (Die Kellnerin) Danae redbullt das Darmgeschlinge (der Gäste) mit doppelten Whiskys. Damit ist gemeint, dass sie einen doppelten Whisky mit Red Bull serviert.).

Wir Alten haben ja früher oft "vorgeglüht". Das soll heißen, wir haben vorgesoffen, bevor wir ausgegangen sind. Die Jugend heute glüht natürlich auch noch vor, aber wichtiger ist das "voreen", das "vorspeeden", das "vorcolan" usw. Ein Leser, der nicht auf den Kopf gefallen ist und der gleichzeitig auch froh ist, wenn er bei einem Autor ein ihm unbekanntes Wort entdeckt, der also gerne in einer Geschichte auf Entdeckungsreise geht, der begreift spätestens im 2. Absatz dieser Geschichte, was ich sagen will. Und so ist es auch in meinen anderen Geschichten.

Man muss halt gewillt sein, als Leser die vom Autor aufbereitete Stimmung nachzuvollziehen. Natürlich kann man als Autor nicht auf jede Kleinigkeit hinweisen. Der Leser muss selbst auch ein wenig Phantasie miteinbringen. Und wie du an Clyan leicht ersehen kann, hatte sie zwar ihre kleinen Problemchen in der Geschichte, aber sonst hat sie sie klar erfasst. Es gibt auch solche LeserInnen. Und genau für diese LeserInnen schreibe ich.

Mir ist bewusst, dass ich viel zu viele Ecken und Kanten habe, um der Masse zu gefallen. Also bemühe ich mich auch nicht in dieser Richtung. Selbst wenn ich meine Sprache einfach halten würde, würden mich nicht viele Leser von Heute lieben, ich lasse mich ja nicht in eine Schublade stecken. Ich bin kein Linker, kein Rechter, kein Katholik, kein Islamist. Ich mag diese alten Philosophien nicht so, die das Volk auf die eine oder andere Weise immer bevormunden wollen. Also was soll's? Also grenze ich mich gleich ganz deutlich ab. Und ich finde bei all meinen Geschichten immer wieder den/die eine/n oder andere/n LeserIN, dem/der sie gefällt. Das ist wie mit der Musik. In diesem Sinne sehe ich mich als Jazzer, der dauernd versucht, über Grenzen zu gehen. Mal klappt es, mal klappt es nicht so gut. Aber gerade dieses Risiko ist ja der Reiz. So ein Grenzen überschreitendes Jazz-Konzert ist zwar nie so gut besucht, wie ein Konzert von den Rolling Stones, aber was soll's? Nicht jeder Musiker mag ein Rolling Stone sein, wäre ja auch langweilig, oder? Man muss halt akzeptieren, dass man dann nicht so reich entlohnt wird. Aber ist deshalb ein Jazzer ein schlechterer Musiker, nur weil er nicht so viele Fans hat? Ist es vielleicht gar umgekehrt?

Ein guter Rat: Denk ein wenig nach, ehe du was postest. Nicht Alles, was man nicht gleich versteht, muss deshalb falsch sein. Nur weil ein paar Schüler schlechte Noten haben und 2+2 nicht zusammen zählen können, werden wir doch hoffentlich nicht gleich die ganze Schule abschaffen, oder, wie das manche Gutmenschen von Heute gerne hätten. In diesem Sinne geht der Sinn nach Gleichberechtigung zu weit. Das ist Nichts als eine ständige Nivellierung nach Unten. Wären alle Menschen Gutmenschen, dann würde die Menschheit noch in Felshöhlen leben. Die Erfindung von Feuer und Rad wäre dann glatt verhindert worden, was sie ja auch ständig versuchen.

lg
buji

 

DADA war eine Richtung die sich aufgrund des Krieges zum Ziel gemacht hatte, alle Werte zu zerstören. Natürlich ein nobles Anliegen ...

Wortneuschöpfungen sind schön. Dagegen habe ich generell nichts einzuwenden - solange sie verständlich sind.

Phantasie muss der Leser mitbringen, das ist richtig. Allerdings willst du mit deiner Geschichte doch etwas erzählen, eine Stimmung oder ein Erlebnis transportieren. Sollte man da nicht zumindest darum bemüht sein, dass diese Stimmung auch ankommt?

Als Leser muss man gar nichts. Der Kunde ist König und verzieht sich zu den Geschichten, die ihm gefallen. Nichts für ungut :).

Ich habe nichts von richtig oder falsch geschrieben. Wenn du eigenwillig bist, dann bist du es eben. Wenn du verklärt, schwülstig und unverständlich schreiben willst, dann tust du es eben. Ich bin nicht dafür, alles beim alten zu lassen. Experimentieren ist immer erlaubt.
Aber, wollte man nicht gerade NUR surrealistische Geschichten schreiben, sollte man sich dann nicht um Klarheit bemühen? Denn die Aussage, "dass man eben so ist", wird oft - vielleicht falsch - verstanden als "dass man es eben nicht anders kann."

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Yasu!

"DADA war eine Richtung die sich aufgrund des Krieges zum Ziel gemacht hatte, alle Werte zu zerstören. Natürlich ein nobles Anliegen ..."
So stimmt das nicht. In der Zeit der Expressionisten gab es ja viele Denkrichtungen. Es waren die "Futuristen", die alle Werte zerstören wollten. Natürlich gab es unter den Dadaisten auch Futuristen, aber auch andere.

"Wortneuschöpfungen sind schön. Dagegen habe ich generell nichts einzuwenden - solange sie verständlich sind."
Nenne mir ein Wort in dieser Geschichte, das dir nicht verständlich ist, wenn du ein wenig darüber nachdenkst.

"Als Leser muss man gar nichts. Der Kunde ist König und verzieht sich zu den Geschichten, die ihm gefallen."
Note Sehr gut für den letzten Halbsatz! Nicht genügend für die Verkennung des Problems.

Es gibt heute hier im Westen ja kaum noch Analphabeten. Fast jeder, der Abitur hat, kann also lesen und schreiben, außer er war in einer Gutmenschenschule, in der jeder aufsteigen durfte, auch wenn er ein Nichtgenügend hatte. Also fühlt sich heute auch fast ein Jeder zum Dichter berufen. Man kann heute tatsächlich unter sehr, sehr vielen Autoren wählen. Man hat eigentlich gar keinen Überblick mehr.

Ich habe schon vor langer Zeit für mich beschlossen, da nicht mitzutun. Mich soll nicht ein jeder lesen, haha. Verzeih mir bitte, aber dies ist die Wahrheit. Und du zahlst ja nicht dafür, dass du mich lesen darfst. Also bist du kein Kunde und somit kein König. In welcher Welt, bitte, lebst du? Ich bin ja kein Geschäftsmann. Du kannst hier im Internet in allen möglichen Literaturforen unter zehntausenden von AutorInnen frei wählen. Setz mich einfach auf deine Ignoreliste und das Problem ist gelöst.

Mann o Mann! Zum Rest dann sage ich Nichts mehr, das findest du schon oben beim Jazz, aber du scheinst es nicht begriffen zu haben. Du stellst das Verlangen, dass sich jeder Künstler ans Minimalniveau anzupassen hat, so dass auch du Alles verstehst. Du forderts den Einheitsbrei. Da hört sich doch Alles auf, hahahahaha.

lg
buji

 

Weshalb sage ich eigentlich noch meine eigene Meinung, wenn sie niemanden interessiert?

Nungut, ich muss mir wohl eingestehen, dass einige Menschen keine Kritik verkraften, und ernstgemeinte Kommentare mit Wischi-Waschi umschreiben und Aussagen ins Gegenteil verkehren.

Bin ruhig. Jeder wie er will.

 

Allgemeine Bemerkung: Bitte sachlich bleiben, danke.

@Yaso: buji hat Dich gebeten, ihm die Worterfindungen zu nenne, die Du nicht verstehst. Mich würden die auch interessieren.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo buji!

Also eigentlich hat mir Deine Geschichte ganz gut gefallen, und wenn mir auch nicht unbedingt alle Deine Wortkreationen gefallen, so doch ein Großteil. Aber ich mag halt Kreativität, manche andere nicht. ;)

Auch, daß Du zeigst, daß man mitunter erst gar nichts von dem Geschehen mitbekommt, finde ich gut. - Bei uns testen sie ja immer am Nationalfeiertag die Sirenen, und ich hör sie nur, wenn ich entweder das Fenster offen hab oder es ganz still ist. Sobald auch nur leise Musik läuft, hör ich keine Sirenen, da hab ich mir schon öfter ausgedacht, wie es wäre, wenn da mal wirklich was ist... :(

Hier hab ich zwei Kleinigkeiten rausgefischt, die nicht ganz passen:

»Die hohen Schlote im Gelände bei der Voest«
– entweder „Die hohen Schlote im (oder besser „auf dem“) Gelände der Voest“ oder „Die hohen Schlote der Voest“, denn sowohl die hohen Schlote sind Teil der Voest, als auch das Gelände. Also das Gelände ist nicht neben (=bei) der Voest. ;)

»Die hohen Häuser - die Hotels, das Brucknerhaus - die Donau entlang verzittern.«
– würde schreiben "entlang der Donau"
– Wenn das zwischen den Gedankenstrichen eine Ergänzung zu den hohen Häusern ist, und so versteh ich das jedenfalls, dann ist das Brucknerhaus fehl am Platz, da es sich dabei um kein hohes Haus handelt.
Abgesehen davon würde ich mir in der von Dir beschriebenen Situation wohl weniger Sorgen ums Brucknerhaus machen, als um die Menschen in den Wohnhäusern, und davon stehen ein paar relativ hohe direkt gegenüber.

Und damit bin ich eigentlich bei meinem wichtigsten Kritikpunkt: Du erwähnst zwar Menschen, die in ihre Löcher geflüchtet sind, aber das sind wohl nicht alle. Eher werden manche vielleicht schreiend auf der Straße herumlaufen oder sich statt eines qualvollen für einen schnellen Tod entscheiden und aus den Fenstern springen, wie es ja in Paniksituationen oft vorkommt, etwa bei einem Brand.
In Deiner Geschichte bekomm ich das Gefühl, daß einzig der Protagonist und Danae noch da sind - und daß sie irgendwie über Allem stehen.

Das sagst Du ja auch so, wenn Du alle anderen als Gutmenschen bezeichnest.

Wie weit ist das aber Deiner Sache dienlich?
Ich verstehe sehr wohl Dein Denken, damit hab ich überhaupt keine Probleme. Aber ich habe ein Problem, wenn ich sehe, daß Du genau das Gegenteil von dem erreichst, was Du doch eigentlich willst. Du schreibst doch sicher, um Deine Meinung anderen mitzuteilen, sie ihnen vielleicht verständlich zu machen. Oder schreibst Du nur, um Dich selbst in Deiner Meinung zu bestärken?
Egal, wen Du wovon überzeugen willst, tust Du das am schlechtesten, indem Du ihn erst angreifst und ihn in eine Verteidigungsposition bringst. Wenn ich jemanden von etwas überzeugen will, dann muß ich ihm meine Meinung so bringen, daß er sie auch nehmen kann, daß er über meine Argumente nachdenken kann, ohne erst nach Worten der Verteidigung suchen zu müssen, oder?
Außerdem verliert der Begriff „Gutmensch“ seine Bedeutung, wenn Du so wahllos damit um Dich wirfst. Was erwartest Du von den Menschen? Muß ich mich irgendwo festketten, in Hungerstreik gehen oder einen Politiker umbringen, damit ich in Deine Augen kein Gutmensch bin? – Das kanns wohl nicht sein, oder?

In meinen Augen ist ein Gutmensch einer, der Gutes (nur) tut, um selbst gut dazustehen. Alle, die bei Licht ins Dunkel genannt werden, zum Beispiel, weil spenden könnten sie das ganze Jahr über, aber sie tun es zu Weihnachten, weil da steht dann im Fernsehen, daß und wie viel sie gespendet haben – bei Firmen ist das oft billiger als Werbung…

Aber seh ich Dich, buji, wie Du der Sprecherin das Mikrofon entreißt und die Menschen aufklärst, was eigentlich los ist, welches Theater sie mitspielen? Nein, denn das könnte böse Folgen haben, Job weg und so… Was machst Du stattdessen? Änderst Du die Welt mit Deinen Geschichten, die zwar viel Wahres enthalten, was aber niemand sehen kann, weil sich die meisten angegriffen fühlen?
Was hat es zu sagen, wenn es Dich schon befriedigt, zu provozieren? – Nur mal so: Mich provozierst Du nicht, ich bin härtere Kaliber gewöhnt. Ich hab auch keinen bösen Ton, während ich das hier schreibe. Weil ich will, daß Du verstehst, was ich Dir sage, sonst wäre nämlich die Zeit umsonst versessen, die ich dafür aufwende, denn es befriedigt mich nicht, es geschrieben zu haben, sondern erst, wenn Du es verstanden hast.

Findest Du das nicht irgendwie vergleichbar, wenn der eine spendet, um sein Gewissen freizukaufen, und der andere schreibt, um es gesagt zu haben? Dem einen ist es egal, ob seine Spende wirklich etwas bewirkt, oder ob er nicht vielleicht etwas ganz anderes unternehmen könnte, um effektiv zu helfen, und dem anderen ist es egal, ob seine Geschichten wirklich etwas bewirken, ihn befriedigt die Provokation so wie den anderen das Lesen seines Namens am Fernsehbildschirm. – In meinen Augen sind beides Gutmenschen.

Du kannst Dir das Provozieren genauso leisten wie der andere sich seine Spende. Mit einem guten Job im Hintergrund ist beides leicht. Schwierig ist es erst, wenn man versucht, wirklich etwas zu bewirken. Zumindest in den Köpfen der Menschen etwas zu bewirken, indem Du Deine Kritik an der Gesellschaft, an der Politik, so bringst, daß die Leute Deine Gedanken nachvollziehen können.

So, wie Du es jetzt machst, ist es nämlich so, in meinen Augen, daß Du in Deinen Geschichten zwar erst einmal ein Thema hast, das gar nicht schlecht ist – siehe diese Geschichte (ohne Vorwort), aber daß es dann immer wieder nur drum geht, den Leuten zu sagen, wie schlecht sie sind, und vor allem: Daß sie schuld sind daran, weil sie nichts dagegen tun, weil sie solche Gutmenschen sind, die nichts sehen wollen. Damit schaffst Du nur Unfrieden in und unter den Menschen, und das kann doch überhaupt nicht Dein Ziel sein?! Die Vorstellung, mit Bukowski und Konsorten vom Himmel herunterzulachen, zu sehen, wie die Welt kaputt geht, befriedigt Dich, gefällt Dir?!

Ist Dein Ziel die Veränderung hin zu einer friedlichen Welt oder das Lachen darüber, daß Du etwas gesagt hast, was niemand verstanden hat?

Glaubst Du, daß Du es in absehbarer Zeit schaffst, Dich einmal als ganz normaler Mensch unter den anderen zu sehen und Dir zu überlegen: Was könnten WIR denn eigentlich effektiv tun, um etwas zu ändern? Um unseren Kindern eine Welt zu hinterlassen, in der das Leben Spaß macht, und vielleicht auch, um irgendwann die echte Befriedigung zu verspüren, wirklich selbst etwas zum Frieden beigetragen zu haben, und vor allem, in Frieden leben zu können. Keine Angst haben zu müssen, daß das Szenario Deiner Geschichte Wirklichkeit wird – das wäre ein Ziel, aber das erreichst Du nicht, indem Du Unschuldige anklagst, all das würde nur geschehen, weil sie Gutmenschen sind.

Wie sieht Dein Weg aus, was schlägst Du vor, wie man so einen Atomkrieg verhindern kann? Ich nehme an, Du kennst den Weg, denn sonst könntest Du anderen ja nicht vorhalten, ihn nicht zu gehen. Wir können ihn aber nur gehen, wenn wir ihn auch kennen, oder?
Während ich gespannt auf Deine Vorschläge warte, halte ich mich an den Weg, der mich bisher, zumindest was seine nachhaltige Wirkung betrifft, am sinnvollsten erscheint, nämlich aufzuzeigen, wie der Unfrieden überhaupt in die Menschen kommt, was in der Erziehung bei vielen falsch läuft bzw. gelaufen ist. Denn jemand, der Frieden in sich hat, wird auch kein Tyrann, der Kriege anzettelt. Die Erkenntnis stammt übrigens von Alice Miller, für die sich jetzt einige Leute stark machen, damit sie zum Friedensnobelpreis vorgeschlagen wird, das ist alles hier nachzulesen.

Sei doch bitte kein Gutmensch, der sich damit zufrieden gibt, gesagt (gespendet) zu haben, was er für richtig hält, und dem es egal ist, ob das auch etwas bewirkt, sondern versuche, überzeugend Probleme und Lösungswege aufzuzeigen.
Naja, das wären halt so meine Wünsche ans Christkind…

Liebe Grüße,
Susi :)

 

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