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Die Schreibmaschine

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Die Schreibmaschine

Sie hatte Brot gebacken. Den Stock, mit dem der dünne Teig flink und geschickt auf dem heißen Stein gewendet wird, hält sie noch in der Hand. Jetzt steht sie vor dem Alten und starrt auf das Ding unter seinem Arm. Er senkt den Blick und betrachtet seine Frau. So viele Jahre trägt sie auf ihrem Handrücken, haben sich unter den schwarzen Rändern ihrer Nägel angesammelt. Das Kind hatte sich damals in diese Hände geschmiegt wie ein winziger Vogel. Zum Vater war der Junge nur selten geflüchtet.
Trotzig drückt er das Ding an sich. Die Arbeit seiner Hände haben dem Jungen die Schule ermöglicht. Furche um Furche haben sie in den harten kurdischen Boden gezogen, von dem diese Hunde behaupten, er gehöre ihm nicht. Zur Universität hat er den Sohn geschickt. Und wie hat er es ihm gedankt? Ließ sich einen wilden, fremden Bart wachsen. Ihre Sprache hat er fast vergessen. Mit ihren Liedern aber zog er durch die Dörfer, Seifenblasen im Kopf und Aufruhr auf den Lippen. Die Jüngeren liefen seiner Bande singend und rufend nach. Die Alten aber erinnerten sich an die Musik aus vergangenen Zeiten wie an das Rattern der Maschinengewehre und den Geschmack von Blut.
Dann stand plötzlich dieses Ding auf dem Tisch. Neu und glänzend in dem Haus mit den alten Teppichen an den gekalkten Wänden und den wenigen, brüchigen Möbeln. Jeden Tag hörte er es klappern. Jede Taste ein Ton, jeder Ton ein Buchstabe, jeder Satz ein Ruf nach Freiheit.
Im Sommer stürmten türkische Soldaten durch die Dörfer, schleiften Söhne und Töchter die Berge hinunter. Väter und Mütter liefen ihnen nach und kamen mit roten Augen und hängenden Schultern und ohne ihre Kinder zurück.
Als im Herbst die ersten Särge in die Häuser getragen wurden, weinte der Junge. Das Ding arbeitete nur noch in der Nacht und sein Flüstern hallte in den Bergen wider.
Der Schnee bedeckte zum ersten Mal die Felder, da unterbrach ein warnendes Klopfen das nächtliche Geklapper. Namen waren an Soldatenohren gekommen, herausgeschrien unter den Schmerzen der Folter. Hastig wurden Stiefel und Mantel zusammengesucht, Brot, Zwiebeln und Käse eingepackt, Abschiedsküsse verteilt.
Jeden Tag fallen ihre Tränen auf das Ding. Warum hat der Junge es dagelassen?
„Sie werden kommen“, sagt der Alte. „Mit ihren Geräten finden sie es auch in der Erde.“
Ihre Augen sind noch immer groß und leuchtend, ihr Mund hart und fest.
Er macht einen Schritt zur Seite und drängt sich an ihr vorbei. Für einen Moment glaubt er, sie reiße ihm das Ding aus der Hand, doch dann lässt sie ihn gehen.
„Wenn er heimkommt, hole ich es zurück.“
Eilig humpelt er den Berg hinunter, fort, fort von ihrem Haus. Am Fluss wickelt er das Ding aus. Seine Finger rutschen versehentlich über einige Tasten. Es klappert. Erschrocken wirft er das Ding in das kalte, klare Wasser. Ein Blatt Papier steckt der Maschine noch im Rachen. Die Worte verschwimmen, als das Wasser sich vom Farbband dunkel färbt. Jede Taste ein Ton, jeder Ton ein Buchstabe, jeder Satz ein Ruf nach Freiheit.
Mit dem Hemdsärmel wischt er sich die Tränen ab.
Sein Rücken schmerzt, als er sich wieder an den Aufstieg macht. Niemand ist auf den Feldern, wundert er sich, obwohl die Sonne noch nicht hinter den Bergen versinkt. Er geht schneller.
Vor seinem Haus stehen Soldaten. Seine Frau tritt aus der Tür. Aus der Entfernung kann er es gerade noch erkennen. Sie hatte Brot gebacken. Den Stock zum Teigrollen hält sie in der Hand. Den Jungen hat sie damit nie geschlagen. Wer sein Kind nicht schlägt, schlägt seine Knie.
Die Soldaten laden eine lange, hölzerne Kiste aus. Der Alte beginnt zu laufen. Hatte er das Ding nicht in den Fluss geworfen? Ihm war, als zöge er es am Fußgelenk hinter sich her. Keuchend beobachtet er, wie sie den Stock fallen lässt und die Hände vor das Gesicht schlägt.
Er bleibt stehen.
Sie läuft zu der Kiste. Die Soldaten stürmen in das Haus. Der Alte rennt weiter, bis er schweißbedeckt vor ihr steht. Sie sieht ihn nicht an. Ihr Gesicht liegt auf ihren Händen, die Hände liegen auf dem Holz.
Aus dem Haus dringt Lärm. Er weiß, sie werden nichts finden. Sein Haus ist leer.

 

Hej Willi, noch mal,

weil ich es komplett außer Acht gelassen habe, auf den Inhalt einzugehen. :shy:
Ich freue mich sehr, hier auch politisch relevante Texte zu finden und deiner geht so "fein" mit der Thematik um, die mir gänzlich fremd ist, das möchte ich gerne zugeben. Und so bin ich froh und dankbar durch Geschichten herangeführt zu werden und würde mir wünschen, mehr zu erfahren.

Schön, wie sehr du dich über die Empfehlung freust - ich finde es insofern toll, dass deine Geschichte jetzt lange viele Wortkrieger erreichen kann und gratuliere dir dazu!

Lieber Gruß, Kanji

 

Hallo Willi,

ist eine feine Geschichte, stilistisch gefällt sie mir gut, vom Inhalt her auch. Wirkt in sich sehr rund, deswegen habe ich kaum etwas meinen Vorrednern hinzuzufügen.

Jeden Tag fallen ihre Tränen auf das Ding. Warum hat der Junge es dagelassen?
„Sie werden kommen“, sagt er. „Mit ihren Geräten finden sie es auch in der Erde.“

Ich weiß nicht, ob es nur mir so ging, aber in diesem zweiten Teil des Textes kam ich beim ersten Lesen durcheinander - ich dachte, hier handele es sich (er) um den Sohn, der dann die Schreibmaschine wegwirft und nicht gefasst wird (deswegen hat mich das mit dem Sarg verwirrt). Erst beim zweiten Lesen kam ich darauf, dass es hier wieder um den Vater geht - man darf den Satz Warum hat der Junge es dagelassen? geistig wirklich nicht verpassen, ansonsten verliert man hier den Anschluss, weil sowohl für den Jungen als auch für den Alten fast ausschließlich das Personalpronomen verwendet wird - ein paar Mal anstatt "er" den Namen zu verwenden (z.B. in der von mir zitierten Passage) könnte für Leser, die das ähnlich "falsch" gelesen haben wie ich, entwirrend wirken.

Ansonsten nehme ich dir die Geschichte einfach ab. Ja, Distanz habe ich in den Kommentaren gelesen, das stimmt schon ein wenig, für mich zumindest, man leidet nicht wirklich mit den Prots mit, einfach, weil man sie nicht wirklich kennt/kennengelernt hat, weil sie auf einer Art Schablonen bleiben, weil selbst die Entführungsszene wirklich Schlimmes (wie: die Leute schreien, werden an den Haaren gezogen oder in den Bauch/Gesicht getreten) nicht gezeigt wird - so weiß man als Leser zwar, worum es geht (Entführung, Folter), aber da man das nicht wirklich gezeigt bekommt vom Erzähler, kommt die Szenerie nicht an eine Dramatik oder Betroffenheit heran, zu der der Text eigentlich im Stande wäre.
Ist nur eine Anregung für dich, so ein, zwei harte Szenen, die dein Text ja enthält, einfach mal etwas unverblümter zu zeigen; wie sieht Gewalt hier aus? Wie leidet die Mutter, als ihr Sohn tot vor ihr liegt - das würde dem Text noch mehr Intensität geben; meiner Meinung nach.

Habs wirklich gerne gelesen und bin gespannt auf mehr von dir,
Gruß
zigga

 

Hallo Willi,
eine Geschichte, die mich gleich von Anfang an in ihren Bann gezogen hat. Du beschreibst dieses Ärmliche, über dem eine drückende Bedrohung dräut, mit einer wie ich finde faszinierenden klaren und wortgewaltigen Sprache.
Obwohl ich mit zu distanzierten Texten meine Schwierigkeiten habe, ist mir das hier nicht negativ aufgestoßen. Es passt zum kargen Setting, zum trockenen Überlebenskampf, der furchtbar ist und umso furchtbarerer, da Ort und Zeit so verteufelt austauschbar sind. Die Verortung hätte es für mich nicht gebraucht, ist aber auch keineswegs störend. Dieses Distanzierte passt zur Situation, in die sich die Menschen notgedrungen fügen, was sollen sie auch tun. Was sie tun könnten, zeigt der Sohn, zeigt dieses wirklich genial eingefangene Bild von der Macht des Wortes. Eine Macht, die am Ende ihr Opfer fordert. Der Kreis der Trostlosigkeit schließt sich. Das Klicken der Schreibmaschine hallt nach.

Sehr gern gelesen.

Meine Lieblingsstelle:

Jede Taste ein Ton, jeder Ton ein Buchstabe, jeder Satz ein Ruf nach Freiheit.

 

Hey Willi,

und Glückwunsch zur Empfehlung!

Ich muss ehrlich sagen, dass der Text für mich doch noch recht eckig und kantig daherkommt, dass er aber trotzdem die Empfehlung verdient hat. Zu den Ecken und Kanten komme ich gleich, zuvor aber das Lob. Man kennt aus Medien und Geschichte tausende solcher Schicksale. Krieg, Mord, Verfolgung, Widerstand, Folter, verlorene Kinder und Eltern. Und es ist furchtbar, natürlich. Deshalb reicht es auch die richtigen Stellen zu berühren, Anreize zu setzen und den Rest füllt der Leser selbst aus. Jetzt aber einen Text zu schreiben, der sich nicht in die Masse einfügt, der irgendwie noch etwas mit mir als Leser macht und das ebenfalls durch minimale, kleine Anreize - das finde ich sehr bemerkenswert. Und ganz ehrlich, das macht in deinem Text für mich die Frau mit dem Brotholz. Das ist so geil, dass da so wenig reicht, um das ganze als Einzelschicksal zu verorten - verrückt. Und ich denke schon, dass es ebenfalls zuträglich ist, Ort und Zeit zu benennen. Klar ist es allgemeingültig, aber darauf kommt der Leser jetzt wirklich auch selbst. So aber liest man es mit einem gewissen Menschenprofil und einer Landschaft im Hinterkopf und dadurch entstehen sehr viel eindringliche, klarere Bilder, als wenn man beim Lesen durch Welt und Zeit eiert. Für all die kleinen, feinen, gut gesetzten Detail in ihrer Wirkung also von mir einen Daumen hoch.

Ecken und Kanten (für mich)

Sie hatte Brot gebacken. Den Stock, mit dem der dünne Teig flink und geschickt auf dem heißen Stein gewendet wird, hält sie noch in der Hand.

Hab ich schon gesagt - mit einem solchen Detail einzusteigen - immer gut. Und hier bei dir, sehr gut ausgewählt. Weil es nämlich den Text bereits in eine Kultur verortet.

(Doch) jetzt steht sie vor dem Alten und starrt auf das Bündel unter seinem Arm.

Doch - ist kein schönes Wort und an dieser Stelle auch sehr überflüssig.
Bündel ... Du nennst es im weiteren Verlauf das Ding. Finde ich sehr gut gewählt. Das Ding. Nicht die Schreibmaschine, obwohl auch die Bauern den Begriff kennen dürften. Aber eben das Ding. Das Ding ist viel allgemeiner, man kann ihm viele Namen geben - Fremdkörper, Freund, Feind, und am Ende ist es eben auch viel mehr als eine Schreibmaschine, und es klingt abwertend. Für die Eltern ist es das auch. Wegen diesem Ding haben sie ihren Sohn verloren.
Da Du stilistisch mit Wiederholungen arbeitest (auch immer gut in der Wirkung - wenn gezielt und nicht beliebig), warum hier also Bündel? Mein erster Gedanke war ein Kind. Frau - Mutter - Bündel = Kind. Keine Ahnung, warum das meine erste Assoziation war, aber ich musste das im weiteren Verlauf korrigieren und das ist immer ein Minuspunkt. Warum also nicht gleich Ding?

Er senkt den Blick und betrachtet ihre Hände, (als sähe er seine Frau zum ersten Mal.) So viele Jahre trägt sie auf ihrem Handrücken, haben sich unter den schwarzen Rändern ihrer Nägel angesammelt. Das Kind hatte sich damals in diese Hände geschmiegt wie ein winziger Vogel. (Zum Vater war der Junge nur selten geflüchtet.)

1. abgedroschene Phrase - brauchts nicht
2. Du reist hier die Vater-Sohn-Beziehung an, die im weiteren sich eher gegenteilig darstellt und auch nicht weiter thematisiert wird. Ein loser, ziemlich sinnloser Faden, der da rumbaumelt ;).

Trotzig drückt er das Bündel/Ding an sich.

Furche um Furche haben sie in den harten kurdischen Boden gezogen, von dem diese Hunde behaupten, er gehöre ihnen nicht.

Ein Satz, zwei Infos, die nur ganz lose in Verbindung stehen. Und über die zweite - im Nebensatz! - erwähnte Info liest man so locker drüber. Ist aber wichtig. Mach da bitte, bitte zwei Sätze draus. Und wer ist ihnen? Klärt sich erst im weiteren Verlauf des Textes, noch weiß der Leser nix von einem Krieg. Wenn Du aber "ihm" schreibst, dann ist erst mal alles klar und später dann, steht dieser Mann als Symbol für das ganze Volk. Darauf baut der Text ja eh, kannst das ruhig konsequent durchziehen.

Furche um Furche haben sie in den harten kurdischen Boden gezogen. Jetzt behaupten diese Hunde, der Boden gehöre ihm nicht.

Zur Universität hat er den Sohn geschickt. Und wie hat er es ihm gedankt? Ließ sich einen wilden, fremden Bart wachsen. Ihre Sprache hat er fast vergessen. Mit ihren Liedern aber zog er durch die Dörfer, Seifenblasen im Kopf und Aufruhr auf den Lippen. Die Jüngeren liefen seiner Bande singend und rufend nach. Die Alten aber erinnerten sich an die Musik aus vergangenen Zeiten wie an das Rattern der Maschinengewehre und den Geschmack von Blut.

Das ist ganz kaputt. Erst mal hab ich ein zeitliches Problem. Er schickt ihn also an die Uni. D.h., der Sohn ist fort, verändert sich. Und dann singt er doch die alten Lieder der Heimat. War das vorher? ist da in den Semesterferien? Wann verdammt singt er diese Lieder, wenn er doch ganz woanders an der Uni ist? Oder kommt er nach seinem Abschluss zurück ins Dorf? Und wieso erinnern diese Lieder die Alten an Krieg? Was sind das für Lieder? Seifenblasen und Krieg bekomme ich nicht zusammen. Und das Thema Sprache vergessen, wurde bereits angesprochen. Und was ist das für eine Bande, mit der der Sohn umherzieht? Das passt vorn und hinten nicht dieser ganze Abschnitt. Ich komme damit überhaupt nicht klar.

Dann stand plötzlich dieses Ding auf dem Tisch. Neu und glänzend in dem Haus mit den alten Teppichen an den gekalkten Wänden und den wenigen, brüchigen Möbeln. Jeden Tag hörte er es klappern. Jede Taste ein Ton, jeder Ton ein Buchstabe, jeder Satz ein Ruf nach Freiheit.

Das ist dagegen wieder so schön!

Im Sommer stürmten türkische Soldaten durch die Dörfer, schleiften Söhne und Töchter die Berge hinunter. Väter und Mütter liefen ihnen nach und kamen mit roten Augen und hängenden Schultern und ohne ihre Kinder zurück.

Ihr Sohn aber überlebte. Für mich starb er bereits hier. Musste ich wieder korrigieren. Und wie so eigentlich nur die Kinder?

Als im Herbst die ersten Särge in die Häuser getragen wurden, weinte der Junge.

Im Sommer starben sie und im Herbst kommen die Särge? Hä???

Das Ding arbeitete nur noch in der Nacht und sein Flüstern hallte in den Bergen wider.

Toll!

Der Schnee bedeckte zum ersten Mal die Felder, da unterbrach leises Klopfen das nächtliche Geklapper. Namen waren an Soldatenohren gekommen, herausgeschrien unter (den Schmerzen der) Folter. Hastig wurden Stiefel und Mantel zusammengesucht, Brot, Zwiebeln und Käse eingepackt, Abschiedsküsse verteilt.

Moment. Die Soldaten klopfen also freundlich an und warten bis man sie hereinbittet. Und da warten sie auch so lange, bis der Sohn nach hinten zum Fenster raus abhaut. Nee, oder? Nicht wirklich. Also ist es ein Informant der klopft, einer der sie warnen will. Das sollte auch klar aus den Zeilen hervorgehen.

Der Schnee bedeckte zum ersten Mal die Felder, da unterbrach leises Klopfen das nächtliche Geklapper. Man sagt: Namen waren an Soldatenohren gekommen, herausgepresst unter Folter. Hastig wurden Stiefel und Mantel zusammengesucht, Brot, Zwiebeln und Käse eingepackt, Abschiedsküsse verteilt.

Warum hat der Junge es dagelassen?

Weil es sich damit schlecht rennen lässt? Was denn das für eine Frage in dieser Situation? Du hast eine halbe Minute Zeit und danach echt Eile. Wer nimmt da eine Schreibmaschine mit?

„Wenn er heimkommt, bringe ich es zurück.“

„Wenn er heimkommt, hole ich es ihm zurück.“

Seine Finger rutschen versehentlich über einige Tasten. Es klappert. Erschrocken wirft er das Ding in das kalte, klare Wasser.

Vorher will er es aber nur verstecken. Passt auch nicht zusammen. Werfen ist vorsätzlich - fallen lassen dagegen nicht.

Vor seinem Haus stehen Soldaten. Seine Frau tritt aus der Tür. Aus der Entfernung kann er es gerade noch erkennen. Sie hatte Brot gebacken. Den Stock zum Teigrollen hält sie noch in der Hand. (Den Jungen hat sie damit nie geschlagen. Wer sein Kind nicht schlägt, schlägt seine Knie.)

Das erste noch kann echt weg. besser beide.
Und mit dem Schlagen machst Du wieder ein neues Thema auf, dessen Faden kurz und sinnlos rumhängt.

Er beginnt zu laufen. Hatte er das Ding nicht in den Fluss geworfen? Ihm war, als zöge er es am Fußgelenk hinter sich her. Keuchend beobachtet er, wie sie den Stock fallen lässt und die Hände vor das Gesicht schlägt.
Er bleibt stehen.

Sehr schön! Und mal so ganz Sahnehäupchenovertop - es gibt ziemlich viele: er.

So, da haste! Mach damit, was Du willst :D.

Beste Grüße, Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kanji,

Ich freue mich sehr, hier auch politisch relevante Texte zu finden

Politische Texte gelten ja immer als ein wenig anrüchig, tragen oft den Makel des Extremen. Dabei hat Politik doch immer auch konkret mit den ganz praktischen Lebensbedingungen der Menschen zu tun, von denen wir schreiben. Ob das nun in den Vordergrund gestellt wird oder fast ganz hinter den aktuellen Lebensereignisse verschwindet, Politik ist ein Teil des gesellschaftlichen Systems, in dem wir bzw. unsere Prots agieren. So ist für mich letztendlich jede Geschichte auch politisch.

Über die Empfehlung habe ich mich in der Tat sehr gefreut und sie spornt mich ordentlich an, mich noch mehr auf das geschriebene Bild einzulassen.

Viele Grüße

Willi


Hallo zigga,

vielleicht sind meine Geschichten oft ein wenig wirr, weil ich selbst auch nicht gerade strukturiert bin :schiel:

Ich weiß aber nicht, ob es möglich ist, Menschen, die (zum Glück) in der Sicherheit einer demokratischen Gesellschaft leben, in der Gewalt weitestgehend geächtet ist, Folter und Polizeigewalt anschaulich darzustellen. In diesem Punkt fühle ich mich, offen gestanden, überfordert und hätte Angst, in so eine Art Horrorfilm abzugleiten.

die Leute schreien, werden an den Haaren gezogen oder in den Bauch/Gesicht getreten

Ohnehin scheint sich jeder etwas darunter vorstellen zu können. Die Details wären aber dermaßen krass, dass ich sie hier nicht veröffentlichen wollen würde (obwohl über Menschenrechtsverletzungen natürlich an anderer Stelle offen und öffentlich gesprochen werden muss). Es gibt durchaus Bücher, die sich damit beschäftigen, mir liegt das aber nicht so.

Viele Grüße

Willi

Hallo Bea Milana,

freut mich, wenn der Text jetzt klarer geworden ist.

Auf welchem Boden spielt denn deine Geschichte genau?

Der Ort, der mir für die Geschichte vorschwebte, heißt Dersim, im Türkischen Tunceli. Dort wurden nach einem Aufstand der Kurden 1938 über 10.000 Menschen Opfer einer türkischen Militäroperation.

Danach sollte das Gebiet zur kemalistischen Musterregion ausgebaut werden, alle Kinder die Staatssprache Türkisch sprechen und sich auch als Türken fühlen. Hauptsächlich ging es dabei um die Sprache, die ja ein wichtiger Träger von Kultur und Identität ist. Aber auch die Namen wurden geändert, die kurdischen Vor- und Nachnamen verboten und einfach türkische Namen verteilt.

Die Kurden Dersims sprechen eigentlich einen besonderen Dialekt, das Zaza. Hinzu kommt, dass dort mehrheitlich Aleviten leben, die einer sehr progressiven Richtung des Islam angehören.
Als sich Ende der 70er Jahre die PKK, die Arbeiterpartei Kurdistans gründete, die damals einen sehr radikalen kurdischen Nationalismus im Banner führte, gab es in der Region Dersim Probleme: Viele der jungen Menschen dort lehnten die PKK ab, fühlten sich der türkischen Linken zugehörig, schrieben und sprachen Türkisch, obwohl sie Kurden waren.

Die Assimilationspolitik des türkischen Staates hatte also Erfolg, obwohl dieser nicht von Dauer war: Seit etwa den 90er Jahren bis heute lebt dort wieder die gleiche renitente Kurdenbande wie ehedem.

Hoffentlich habe jetzt nicht ich zu weit ausgeholt, aber du bist ja sozusagen eine verwandte Seele:

Von sehr vielen Familien weiß ich, dass Katalanisch bzw. Mallorquin immer heimlich zuhause gesprochen wurde. Sie haben ihre Sprache geliebt und tun es bis heute. Die Sprache ist eine ihrer Wurzeln, wichtiger Teil ihrer persönlichen, gesellschaftlichen und nationalen Identität. Viele einfache, ältere Menschen weigerten sich, Castellano (das Amtsspanisch) zu lernen und können es bis heute nicht schreiben.

So war es bei den Kurden auch. Die Kinder aber waren in den türkischen Schulen, die in den Städten lagen und kamen in der Woche oft gar nicht nach Hause in ihre Dörfer, vor allem, wenn sie weiterführende Schulen besuchten. Und es war wirklich gefährlich, kurdisch zu sprechen, ganz besonders nach der Gründung und den ersten Erfolgen der PKK. In der Türkei wurde man sehr schnell zum Terroristen abgestempelt - fast noch schneller als heute.

Viele Grüße

Willi

Hallo weltenläufer,

vielen Dank für deinen Kommentar! Freut mich sehr, dass dir der Text gefällt.

Was sie tun könnten, zeigt der Sohn

Genau. Ist ja auch das, was wir tun können. Und auch tun.

Viele Grüße

Willi


Hallo Fliege,

klar nehme ich! Vielen Dank!

Warum also nicht gleich Ding?

Na ja, der Gedanke war, dass der Vater die Schreibmaschine in eine Decke eingewickelt hat, damit nicht jeder gleich sieht, was er da trägt. Aber du hast Recht. Ist ja auch in der Decke noch das Ding.

"Zum Vater war der Sohn nur selten geflüchtet"

Du reist hier die Vater-Sohn-Beziehung an, die im weiteren sich eher gegenteilig darstellt und auch nicht weiter thematisiert wird. Ein loser, ziemlich sinnloser Faden, der da rumbaumelt

Der Faden reicht mir. Eigentlich ein gutes Bild für die Beziehung.

Furche um Furche haben sie in den harten kurdischen Boden gezogen. Jetzt behaupten diese Hunde, der Boden gehöre ihm nicht.

Inhaltlich hast du Recht, aber von der Sprachmelodie her finde ich die erste Version irgendwie besser. Das "ihm" hingegen hört sich wirklich klarer an. Ist aber nur Bauchgefühl.

Das geht mir ebenso mit dem von dir angesprochenen Abschnitt von Uni bis Aufstand: Der Text spielt für fast alle hier in einer fremden Welt, das ist mir erst durch die Kommentare bewusst geworden. Was für mich so klar ist, lässt bei anderen lediglich Fragezeichen im Kopf aufploppen.

Dazu gehört auch das Wissen, dass die Kinder (die jungen Menschen liefen der Bande nach), zunächst inhaftiert und dann getötet wurden (oder einfach so verschwunden sind). Ich finde es schwierig, das richtige Maß an Informationen zu finden, das den Leser nicht verwirrt zurücklässt, aber auch die Stimmung nicht kaputt macht. Daran werde ich noch ziemlich arbeiten müssen.

Dazu tragen Kommentare wie deiner, von dem ich, sprachlich und inhaltlich, vieles übernehmen konnte, hoffentlich auch in Zukunft bei. Ich würde mich freuen, wieder einmal von dir zu bekommen!

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi,

als ich das – Ding zum ersten Mal gelesen habe, dachte ich: okay, wieder was über arme verfolgte Menschen in hitzigen Balkanländern, über Unterdrückung und Verfolgung und die Gefahr, die vom Wort ausgehen kann. (wobei das wahrscheinlich nicht stimmt, leben wir doch in Zeiten von „fake news“).
Beim zweiten Lesen habe ich mehr auf die Kleinigkeiten geachtet, die sprachliche Prägnanz, die Poesie, die ich im Text finde und was ich da lese, berührt mich, ist stark gemacht (und hat dafür die Empfehlung verdient.) Dass das Ding so aus der Zeit gerissen ist mag ich weniger, na ja, ehrlich, eine Schreibmaschine, wer weiß noch, was das ist, von der Gefahr ausgeht? Und selbst wenn: was machen die Soldaten mit diesem altertümlichen Gerät, was könnten sie damit machen?

Textstellen:

So viele Jahre trägt sie auf ihrem Handrücken, haben sich unter den schwarzen Rändern ihrer Nägel angesammelt. Das Kind hatte sich damals in diese Hände geschmiegt wie ein winziger Vogel.
gleich zwei sehr schöne Bilder :Pfeif:

Ließ sich einen wilden, fremden Bart wachsen.
wild braucht es gar nicht, finde ich zu viel

Namen waren an Soldatenohren gekommen,
mm, das klingt gekünstelt

Jede Taste ein Ton, jeder Ton ein Buchstabe, jeder Satz ein Ruf nach Freiheit.
und darin höre ich zu viel Pathos:dozey:

viele Grüße
Isegrims

 

Hallo Isegrims,

vielen Dank für deinen Kommentar.

wieder was über arme verfolgte Menschen in hitzigen Balkanländern, über Unterdrückung und Verfolgung und die Gefahr, die vom Wort ausgehen kann

Gibt es da wirklich so viel Literatur? Das war mir gar nicht bewusst.

Das vom geschrieben Wort (egal, worauf oder womit geschrieben) eine Gefahr ausgeht, glaube ich wirklich, nämlich die Gefahr der Veränderung. Was benannt wird, beginnt zu existieren, spricht sich herum, lässt die Menschen nachdenklich werden, vielleicht sogar ungehorsam ...

Deniz Yücel sitzt für geschriebene Worte im Knast. Klar, eine Schreibmaschine mutet heutzutage wahrscheinlich fast schon lächerlich an, aber die Geschichte spielt eben in einer anderen Zeit - und in einer anderen Kultur, deren sprachliche "Rückübersetzung" vermutlich manchmal fremd und pathetisch klingt. Freut mich, wenn dir der Text trotzdem gefallen hat.

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Willi,


auch mir hat das gut gefallen. Zeitlos, aktuell und stellvertretend ist dein Thema. Mutig auch, da du die Fronten klar beim Namen nennst. Finde ich wirklich gut, und ja, auch die Umsetzung, der Ton. Ist auch gut konstruiert, stimmig und rund. Auch die pathetischen Klippen hast du umschifft, was bei der gewählten Sprache, dem Stil gar nicht so einfach ist. Kompliment.

Ein paar Groschen mehr:

Er senkt den Blick und betrachtet seine Frau. So viele Jahre trägt sie auf ihrem Handrücken, haben sich unter den schwarzen Rändern ihrer Nägel angesammelt. Das Kind hatte sich damals in diese Hände geschmiegt wie ein winziger Vogel.
Die zwei/drei Sätze finde ich nicht so gelungen: Die Jahre auf dem Handrücken, hm, ich weiß nicht, will mir nicht so zusagen, und angesammelte Jahre(!) unter den schwarzen Rändern ihrer Nägel - bäh, das will und kann ich nicht glauben. Zu guter Letzt: Dass sich das Kind in die Hände schmiegt ... wie ein Vögelchen ... Hm, ist mir zu verniedlichend hier, zu sehr Autor und zudem irgendwie schief, das Bild.
Vielleicht (zum Verständnis, was ich meine) irgendwie so: Er senkt den Blick und betrachtet die Hände seiner Frau. So viele Jahre zeichnen sich auf ihnen ab, haben sich in den knorrigen Fingergliedern angesammelt (oder: haben ihre Spuren hinterlassen -> ein Bild bekomme ich auch so). Dem Kind hatten sich damals diese Hände dargeboten wie ein schützendes Dach.

Zur Universität hat er den Sohn geschickt. Und wie hat er es ihm gedankt?
Ich würde gebracht schreiben oder zur Uni verholfen, dann wirkt das mit dem Undank stärker, finde ich.

Namen waren an Soldatenohren gekommen, herausgeschrien unter den Schmerzen der Folter.
Namen waren Soldaten zu Ohren gekommen, fände ich besser.

„Mit ihren Geräten finden sie es auch in der Erde.“
Was denn für Geräte? Metalldetektoren? Und doch will er es verstecken? Ne, warum nicht einfach: "Sie werden es suchen und sie werden es finden."

Seine Finger rutschen versehentlich über einige Tasten. Es klappert. Erschrocken wirft er das Ding in das kalte, klare Wasser.
Erschreckt er sich wirklich über das Klappern? Er hat es doch sooft zu hören bekommen. Nein, ich würde ihn das Ding voller Entschlossenheit und Wut ins Wasser werfen lassen. Ganz gleich, was er seiner Frau erzählt hat. Er ist ja auch der Mensch, "zudem der Junge nur selten geflüchtet" ist.

Seine Frau tritt aus der Tür. Aus der Entfernung ...
Lass sie doch vor die Tür treten.

Wer sein Kind nicht schlägt, schlägt seine Knie.
Zum besseren Verständnis würde ich hier Klärendes anpappen: Wer sein Kind nicht schlägt, schlägt seine Knie, sagen die Alten (sagt man/ sagt man hier).

Keuchend beobachtet er, wie sie den Stock fallen lässt und die Hände vor das Gesicht schlägt.
Beobachten ist eher eine konzentrierte Handlung, ich finde das passt hier nicht: keuchend beobachten. Er sieht es einfach, hm?
Schlägt hast du oben schon zwei mal. Sie könnte die Hände auch vors Gesicht halten.

Er bleibt stehen. Sie läuft zu der Kiste. Die Soldaten stürmen in das Haus.
Finde ich gut, würde es nur noch etwas stakkatohafter schreiben: Er bleibt stehen. Sie läuft zur Kiste. Die Soldaten stürmen ins Haus. :)
Auch weiter oben wäre möglich: ... und die Hände vors Gesicht ...

Aus dem Haus dringt Lärm. Er weiß, sie werden nichts finden. Sein Haus ist leer.
Der Schluss ist gut, wie der ganze Text. Ich würde aber "Das Haus ist leer schreiben".
Überhaupt könntest du einige Personalpronomen ersetzen im Text, wenn du willst:
Seine Finger rutschen versehentlich über einige Tasten.
...
Sein Rücken schmerzt ...

Letztendlich ist das aber alles Kleinviehmist, Meckern auf hohem Niveau. Nein, ich will es nochmals hervorheben, Willi, dass mir deine Geschichte sehr gut gefallen hat. Mach' mit meinen kritischen Anmerkungen, was du möchtest. Auf die vielen guten Sätze und Passagen bin ich erst gar nicht eingegangen, sonst würde ich zu lange an meinem Komm sitzen müssen. Erstaunlich, bei so einem kurzen Text.


Vielen Dank fürs Hochladen


hell

 

Hallo Hell,

Vielen Dank für deinen Kommentar. Es freut mich sehr, dass dir der Text gefällt und du dich so intensiv damit auseinander gesetzt hast. Viele der Bilder, die ich darin beschreibe, entstammen meinen Erinnerungen, die emotional aufgeladen sind und deshalb vielleicht etwas verzerrt wirken.

Andere Sätze und auch Begriffe habe ich bewusst einfach und fachfremd formuliert, um sie einem alten, kurdischen Bauern auch wirklich in den Mund legen zu können.

Die Zeitebenen laufen tatsächlich über- und ineinander, auf jeden Fall gewollt, aber sicher nicht gekonnt. Als Bild hätte ich die Geschichte im Stil des Expressionismus oder Kubismus gemalt, in der Tätigkeit habe ich aber auch eindeutig mehr Übung. Beim Schreiben muss ich noch einige Jahre dranbleiben, um so etwas gut umzusetzen.

Auch das häufige Schlagen war durchaus beabsichtigt - in dieser Gesellschaft dreht sich so viel um Gewalt, wird Gewalt auf so vielen Ebenen ausgeübt, deshalb wollte ich den Begriff immer wieder einflechten. Da erzieht eine Mutter ihr Kind gewaltfrei (gegen die Skepsis des Vaters) und dann wird es durch eine höhere Gewalt gefoltert und ermordet. Wie gesagt, für die gelungene Transformation einer solchen Dramatik muss ich sicher noch lange, sehr lange an mir arbeiten.

Wie schön, dass wenigstens ein bisschen von dem, was ich wollte, auch angekommen ist. Weitere Hilfen dazu sind stets
willkommen.

Viele Grüße

Willi

 

Hallo willi!

Eine beeindruckende Geschichte. Ich mag den nüchternen, aber dennoch emotionalen Erzählton - deine Story hat einen sehr passenden "Sound". Die rustikalen Beschreibungen konnte ich sofort sehr schön bildlich umsetzen.
Und was die Handlung angeht - nun ja, aktuell dürfte sie wohl mehr denn je sein!

Gute Arbeit! Ich (persönlich) hätte ihr zwar keine Empfehlung ausgesprochen, aber das liegt nicht daran, dass sie keine verdient hat, sondern das dürfte meinem individuellen Geschmack geschuldet sein und nicht an deinem souveränen, eloquenten Erzähltalent liegen.

Viele Grüße vom EISENMANN

 

Hallo Eisenmann,

danke für deine Einschätzung und dein Lob! Es gibt ja immer so Themen, die einem besonders nah sind - vielleicht ist es dann einfacher, einen entsprechenden Rahmen zu finden.

Viele Grüße

Willi

 

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