Was ist neu

Die Sache mit den Wendepunkten

Mitglied
Beitritt
03.08.2003
Beiträge
415

Die Sache mit den Wendepunkten

Vor kurzem habe ich die Zusammenfassung des Ergebnisses von Studien eines Teams von Marketing-Experten aus Kanada gelesen. Die Ergebnisse sind vielleicht auch hier von Interesse. Es geht um Wendepunkte in Geschichten in Büchern oder Filmen. Welchen Einfluss haben sie auf deren Beliebtheit und gibt es eine optimale Anzahl solcher „Turning Points“?

Das für mich überraschende Ergebnis:
Wendepunkte sind bestimmender für den Erfolg als alle anderen Faktoren wie Grundstimmung, Länge, Grundaufbau der Handlung und das gilt unabhängig von der Alterszielgruppe oder dem Genre.
Und: Man kann gar nicht genug Wendepunkte einbauen. Eine Obergrenze oder Abnutzung des Effektes konnten die Wissenschaftler nicht feststellen.

Hier der Link zu der Zusammenfassung: https://www.scinexx.de/wissenswert/was-macht-eine-perfekte-geschichte-aus/

Was meint ihr? Wie haltet ihr das mit den Wendepunkten? Ich meine, in einer Kurzgeschichte kann man es da auch mal schnell übertreiben, oder?
Sind Wendepunkte notwendig für eine tolle Geschichte? Habt ihr vielleicht Gegenbeispiele?

 
Zuletzt bearbeitet:

Das für mich überraschende Ergebnis:
Wendepunkte sind bestimmender für den Erfolg als alle anderen Faktoren wie Grundstimmung, Länge, Grundaufbau der Handlung und das gilt unabhängig von der Alterszielgruppe oder dem Genre.
Und: Man kann gar nicht genug Wendepunkte einbauen. Eine Obergrenze oder Abnutzung des Effektes konnten die Wissenschaftler nicht feststellen.
University of Toronto ist schon mal serös. Allerdings schwimme ich bissl beim Artikel (ggfs. schlampige Aufbereitung und nicht so in der Studie):
Dabei zeigte sich: Je mehr Wendepunkte eine Geschichte aufwies und umso dramatischer diese waren, desto höhere Bewertungen erhielt sie. Beispielsweise erhielt die Romcom „Zehn Dinge, die ich an dir hasse“, die 16 größere Turning Points aufweist, rund 1,4 Sterne mehr auf der Plattform Internet Movie Database (IMDb) als die am schlechtesten bewerteten Filme.

Bei Serien betrug der Unterschied zwischen den beliebtesten und den unbeliebtesten Folgen immerhin 0,35 Sterne auf IMDb. Auch hier war die Zahl der Wendepunkte ausschlaggebend: Je mehr davon, desto beliebter im Schnitt die Folge. Die E-Books mit den meisten Turning Points in ihrer Handlung wurden um 110 Prozent häufiger heruntergeladen als diejenigen mit den wenigsten Wendepunkten. Und auch private Förderaufrufe erhielten mehr Spenden und erreichten häufiger ihr Spendenziel, wenn sie mehr Wendungen enthielten.

Einerseits wird von einer breiten, diversen Befragungsgruppe gesprochen, andererseits ist die Rede nur von imdb-Sternchen oder Käuferverhalten. Die Anzahl heruntergeladener eBooks sagt nix darüber aus, ob die Bücher gern gelesen oder zuende gelesen wurden. Sie sagt nur etwas aus, ob z.B. eine Marketingkampgne / Werbung / word of mouth erfolgreich war oder nicht. Mit meinem MaFo-Hintergrund kann ich mit Bestimmtheit sagen: 0,35 Sterne wäre selbst bei einer Skala von 1-5 keine signifikante Differenz (imdb hat eine von 1-10) und Onlinebewertungen lassen keine seriöse Aussage über speziell Storytelling zu. Auch "rund 1,4 Sterne über der schlechtesten ..." ist imA völliger Quark, zumindest, was den Gegenstand der Studie angeht.

Solche Artikel poppen immer mal auf, sind imA aber keine Beschäftigung mit den Themen, die sie ansprechen, sondern einfach clickbait. Ich nehme an, dass die Studie etwas anders lief, vermutlich mehr auf den Marketingaspekt bezogen.

Gibt es zu viele Turning Points? Aber hallo! Z. B. in einem so riesigen Franchise, dass man das nicht hätte subsumieren sollen: Game of Thrones (TV). Die zu häufigen und zu extremen Turning Points v.a. der letzten Staffel haben die Serie eine unabschätzbare Menge Fans und ggfs. Zuschauer gekostet, und zwar nicht im Sinne von: 'Auch schlechte Werbung ist gute Werbung'. Da war ein folgerichtiger Abschluß der angelegten Handlungsstränge aus den x Staffeln zuvor gefragt und keine ätschibätschi-Wendung, die mehr mit krampfhaftem Aufmerksamkeitserzwingen als mit Handwerk / Storytellung zu tun hat. (Ich bin übrigens null Fan der Serie oder der Bücher, verfolge die eher so wie ein Zugunglück.)

Turning Points haben ja grob gesehen mit drei Dingen zu tun:
- Charakterentwicklung eines Prota (also Wendungen, Entwicklungen, Änderungen)
- Spannungsbogen und Pacing
- Der story arc, also Gesamtaufbau

Das sind also eh Grundlagen, die die meisten Erzählungen in irgendeiner Weise beachten. Das ist doch wie "Zeit": Wir nehmen sie nur dadurch wahr, dass wir altern / verfallen und / oder wenn wir uns im Raum bewegen. Gibt es keinerlei Art von 'Bewegung' = Veränderung in einer Erzählung, nehmen wir sie vermutlich nicht mehr als solche wahr (selbst bei Surrealismus). TP sind ja eigentlich nur eine Art Bewegung im Raum der Geschichte.

Nicht zu jeder Geschichte passen häufige oder heftige Turning Points, wenn z.B. eine dystopische Situation vorliegt und die Ausweglosigkeit Thema ist. Orwells 1984 hat eigentlich nur einen einzigen Wendepunkt, und das ist der Verrat an der Frau. Das Buch ist aber Millionenbestseller. Im Film: Soylent Green hat als einzigen TP die Sache mit der Nahrung (zum Ärger des Autors, der in der KG & der Novelle seine Kritik als Antinatalismus und ohne Kannibalismus angelegt hatte).
Wendepunkte können arbiträr erscheinen oder vllt. sogar manipulativ. Zu viele können konfus machen, einen den Verlauf der Story aus den Augen verlieren oder sie unglaubwürdig erscheinen lassen. Oder man verliert das Interesse an oder die Sympathie für eine Figur, weil sie ab irgendwann inkonsequent bzw. schlecht gezeichnet wirkt.

Weitere Gegenbeispiele wären für mich:
- Adam Nevills No One Gets Out Alive / Niemand kommt hier lebend raus (v.a. der letzte TP mit dem antiken Rom), und auch sein furchtbares The Ritual (90% von 5 Leute latschen durch schwedischen Wald mit dräuender Gefahr und 10% Mehrfach-TPs mit supernatural slasher Black Metal Folk Horror Wrong Turn Children of the Corn psychisch gestörte Teens ... WTF?)
- Nahezu jeder Roman von China Miéville (außer Kraken)
- Clive Barkers Coldheart Canyon
Besonders in Thrillerserien können zu viele TPs die Storyline killen, hab grad ziemlich genervt beendet, mit teils keinem Plan mehr, was der eigentlich zu ermittelnde Fall war: Shetland S8, Six Four S1, Oxen S1, oder die Nicht-Polizeiserie Exit S2 (die erste Staffel war perfekt angelegt).
Die premierte Serie Line of Duty - eigentlich ein Paradebeispiel für gutes Storytelling / Figurenzeichnung - hat in S4 und S5 viel zu viele TPs, was beinahe alle Logik und Figurenzeichnungen aushebelt. Mit S6 haben die sich zum Glück wieder gefangen.

Kurzum: Der lateinamerikanische Philosophieprofessor Julio Cabrera beschwerte sich mal, dass es eine Fixierung auf 'Das Neue' gebe. Jede These / Debatte müsse etwas Neues / nie Gehörtes bieten, es gäbe eine Art Instagrammisierung auch der Philosophie, wo von Autoren verlangt werde, dass sie schnelle und deutliche Reaktionen hervorrufen, so ein Ah! und Oh!, ein unbedingtes Brechen von Erwartungen zur Auslösung von 'thrills', was aber nicht der Sinn von Philosophie sei. Ich finde durchaus, dass man sagen kann: Es ist auch nicht unbedingt der Sinn von Erzählungen.

Und klar gibt es auch zu wenig TPs, wenn man keinen Plan hat, was da eigentlich erzählt wird, weil alles sinnlos auf der Stelle tritt. (Leider sehe ich das bei Gluchovskys Text so, obwohl ich ihn sehr schätze).

Das sind so meine 5 Cents zum Thema, bin gespannt wie andere das sehen. :kaffee:

 

Ich sehe das ähnlich wie Katla. Zuviele TPs sind auch nix.

Prinzipiell denke ich, man muss unterscheiden zwischen Genre, da zählt auch der "literarische Bestseller" zu, und vielleicht tatsächlich etwas abseitigeren, nicht so mainstream-orientierten Sachen.

Das hat auch etwas mit Erwartungshaltung zu tun. Ich gucke gerade die Serie "Evil", da geht es um Dämonen etc, das ist jetzt nichts groß Intellektuelles, aber gutes Genre; in jeder neuen Folge gibt es mehrere TPs, die aber im Großen und Ganzen erwartbar sind: Antagonisten werden ausgebaut, Protagonisten auf die Probe gestellt, Lösungen werden gefunden, neue Probleme treten auf. Es ist aber so gut gemacht, dass man dranbleibt, dass man es nicht hinterfragt. Ich glaube, daran liegt es, für mich jedenfalls: sehe ich einen Twist oder einen TP kommen, verpufft der Effekt. Man braucht also schon ein sehr gutes Handwerk dafür. Und ohne den Rest, also Sprache, Atmo, Setting, ist auch der beste Plot inklusive TPs nichts, oder?

 

Ähnlich wie die Tendenz in der Philosophie, die @Katla angeführt hat, ist es sicher auch teilweise in der Wissenschaft und insbesondere bei der Durchführung von Studien. Es muss ein Ergebnis herauskommen, das aufmerken lässt. „Donnerwetter. Wirklich?“

So kommt mir das jedenfalls ein bisschen hier bei dieser Studie vor. Wendepunkte als Non-Plus-Ultra für Geschichten. Super. Da hätten wir doch ein einfaches Rezept.

Die Autoren haben als Maßstab die Beliebtheit herangezogen. Was auch sonst, aber wie @jimmysalaryman sehe auch ich hier ein Problem. Es gibt eben Geschichten für den Mainstream, die unterhalten wollen, wo eine Vielzahl von TPs gut funktionieren, und andere für Liebhaber, die nicht so eingängig sind.

Fragwürdig finde ich auch die Aussage, der Einfluss der TPs wäre unabhängig vom Handlungsaufbau, zu dem ja Wendepunkte gehören. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.

Wie auch immer, ich fand den Ansatz interessant, Aspekte des Storytellings mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Und unbestritten ist sicherlich, das TPs die Würze für gute Storys sein können. Sich überraschende Abweichungen vom linearen Handlungsablauf auszudenken, finde ich immer besonders schwierig. Gerade hier ist Fantasie gefragt.

 

Die Anzahl der TPs sagt doch nichts über deren Qualität aus. Insofern scheint mir die quantitative Betrachtung ein seltsames Vorgehen zu sein.
Im (vergangenen) Zeitalter der 'Surprise Ending Stories' gab es oft nur eine überraschende Wendung - die hat aber wirklich beeindruckt.

Aspekte des Storytellings mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen
Die KI Entwickler wird es freuen ...

 

Hoffentlich gehören die Surprise Ending Stories zu den Never Ending Stories! Bei humoristisch gefärbten Mini Stories wie zum Beispiel Drabbles sind überraschende Wendungen am Ende ja geradezu Pflicht! Wobei einen Twist, der meist ganz am Ende steht, als Wendepunkt der Handlung zu sehen, erstmal merkwürdig ist. Aber die Handlung geht ja im Kopf des Lesers weiter.

Umgekehrt fällt mir kein Genre ein, wo es möglichst überhaupt keine TPs geben sollte. @Katla hatte ja schon Negativ-Beispiele genannt, wo man es übertrieben hat, wobei ich die GoT-Bücher sehr genossen habe. Dass man kein vernünftiges Ende hingekriegt hat, lag aus meiner Sicht auch an den vielen Handlungssträngen. So etwas am Schluss zu bündeln, war/ist selbst für einen George R. R. Martin wohl zu viel. Aber jetzt gibt es ja die KI. Wir dürfen hoffen.

Wenigstens ein TP sollte es aber sein, oder?

Ich habe mal vor langer Zeit einen Roman gelesen, ich glaube von einem skandinavischen Autor, wo der Protagonist immer weiter und weiter abgesackt ist. Es gab auch zwischendurch keinerlei Lichtblicke. Der Roman war so frustrierend, dass ich ihn irgendwie schnell aus meinem Gedächtnis verbannt haben muss. Nur der allgemeine Eindruck ist geblieben. Da hätte ich mir wenigstens zum Ende einen TP gewünscht.

 

Hab mir die Studie jetzt auch mal angeschaut. Über die Operationalisierung von Erfolg kann man sicher diskutieren (IMDB Bewertung bei Filmen und ich glaube auch TV Shows, Anzahl der Downloads vom Gutenberg Project und Fundraising Ziel erfüllt oder nicht bei den Fundraising Projekten). Ich bin auch nicht sicher, ob ich auf die Schnelle die Zeitfenster richtig verstanden habe. Ich hab das so verstanden, dass die Analyse rein quantitativ pro Zeitfenster abgelaufen ist und also nicht nach Sinneinheit wie Szene - was in dem Ausmaß an Daten natürlich sinnvoll erscheint. Ich meine, sie haben verschiedene Zeitfenstergrößen ausprobiert und keine signifikanten Unterschiede festgestellt. Bei den Movies und TV Shows haben sie auf die Untertitel Datenbanken zurückgegriffen, bei den Romanen auf solche, die über das Gutenberg Project (d.h. also ältere) zugänglich sind.

Untersucht wurde und ich denke, das ist das eigentlich Wichtige, wie sich die Valenz in den Zeitfenstern ändert, dabei stützen sie sich auf irgendwelche Modelle, die einzelnen Worten eine Valenz zuschreiben, zb schön = +2 und ätzend = -3 oder so. Die Zahlen hab ich mir jetzt ausgedacht. Aber nicht nur Adjektive, sondern auch Substantive wie Arschloch (negativ), Sonnenschein (positiv) usw. Das Ergebnis sagt quasi (so wie ich es verstanden habe), dass umso mehr eine Geschichte oszilliert, d.h. zwischen positiv und negativ hin- und herpendelt und umso größer die Unterschiede in der Amplitude sind, sie umso bessere IMDB Bewertungen hat, öfters runtergeladen bzw häufiger ihr Fundraising Ziel erreicht hat.

Was ich glaube ist, dass der Begriff Turning Point oder Wendepunkt von den meisten aber anders benutzt wird und im Sinne des Plots einen wichtigen bzw dramatischen Wendepunkt, eine Überraschung oder Pointe darstellt. Es gibt ja im Bereich der Plotstrukturen auch den Begriff Turning Point, aber ich würde meinen, dass es in dem Artikel um etwas anderes geht bzw dass diese Turning Plot Points einfach etwas Größeres sind als die vielen kleinen turning points, die eine Szene ausmachen. Wenn es keine Veränderung gibt, warum dann eine Szene überhaupt erzählen? Es gibt ja auch das "Gesetz der Effizienz", bitte Gesetz nicht zu dogmatisch verstehen, also dass man Nebensächliches, was den Plot nicht weiterbringt weglässt. MMn sagt die Studie nicht, dass immer neuere, immer überraschendere Wendepunkte "erfolgreich" sind, sondern Geschichten, die abwechslungsreich sind und zwar ganz unabhängig von Genre, grundsätzlicher emotionaler Färbung etc (wurde ja auch für kontrolliert) und eben nicht langweilen. Es geht um die Frage: "Geht es so weiter, wie es angefangen hat?" und wenn eine Geschichte weitergehen und sich nicht totlaufen soll, dann sind die Antworten: "Ja, aber ..." oder: "Nein, und ..."
Wenn es so weiter geht, wenn alles gelingt, dann gibt es halt keine Geschichte ... Ich glaube, das ist schon alles, was diese Studie aussagt, also nix Neues eigentlich, nur noch mal mit vielen, vielen Daten untermauert.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sturek ,

Wenigstens ein TP sollte es aber sein, oder?
lustig, die Frage hab ich mir gestern auch gestellt. Denke, es geht auch ohne, denn ein TP ist zwar eine besondere Form einer Spannungs-Spitze, aber nicht dasselbe: Spannungs-Spikes kannst du sehr gut auch ohne Turning Point haben.

Beispiele: Surrealismus oder andere Genres, die z.B. ohne Chronologie oder über stark assoziative Handlungsstränge laufen.
Da kann ggfs. nix 'turnen'. Dann irre gute und auch spannende Werke wie Kumpfmüllers Durst, wo von Anfang an klar ist, was passiert ist und wie es ausgeht, wo die Tragik ist, dass sich nix entwickelt / ändert (realer Fall als reines Psychogramm der Täterin). Wo es also darum geht, eine Person immer ein Stück besser zu verstehen, ihre Sicht und Emotionen nachvollziehen zu können, nicht darum, dass es eine Wendung gäbe.
Romane mit Zirkelschluss (that said: die können natürlich auch TPs haben, müssen aber nicht).

Wie Jimmy sagte, kommt es aber auch sicher aufs Genre an. Ich hab in letzter Zeit viel zu viel Horror / dunkle Phantastik gelesen, die fast ausschließlich aus Foreshadowing bestand und dann irgendwie schlecht verankerte / arbiträre TPs hatte. Auch zu deutliches Foreshadowing mit einem TP, den ich schon in Zeile 10 hab kommen sehen. Lieber ohne TP als sowas.

Ich habe mal vor langer Zeit einen Roman gelesen, ich glaube von einem skandinavischen Autor, wo der Protagonist immer weiter und weiter abgesackt ist.
Weißt du den ganz ungefähren Titel / Autor noch? Klingt evt. nach meiner Tasse :kaffee:.

Man könnte sich - siehe Game of Thrones oder andere frustrierende, 'nicht-belohnende' TPs - darüber unterhalten, was sinnvoll integrierte, gut positionierte, schlaue TPs sein könnten. Wann einer angebracht ist (okay, bei Humor Pointengeschichten, aber vllt. bei komplexeren Strukturen) und wann mehrere kleine. Ob die immer die Prota/s betreffen müssen oder auch Nebenfiguren (oder ob es dann nervt, sich zerfasert)?

 

Noch mal kurz als Ergänzung zu meinem Kommentar oben: eigentlich untersucht die Studie nicht, was für Plotelemente erfolgreich sind, sondern bewegt sich eher auf Szenen- oder sogar Beatebene. Also wie sind Szenen in "erfolgreichen" Geschichten aufgebaut. Das Ergebnis ist vielleicht dann eher: Geschichten mit vielen Beats sind erfolgreicher. Also die Zusammenfassung im Artikel fasst mMn die Studie selbst nicht gut zusammen

 

@Katta

Das Ergebnis sagt quasi (so wie ich es verstanden habe), dass umso mehr eine Geschichte oszilliert, d.h. zwischen positiv und negativ hin- und herpendelt und umso größer die Unterschiede in der Amplitude sind, sie umso bessere IMDB Bewertungen hat
Ja, genau so habe ich das auch verstanden. Und die Stellen mit den größten Ausschlägen sind dann eben die klassischen TPs, die der Handlung eine ganz andere Richtung geben. Die Autoren benutzen ja auch die Bezeichnung "Überraschung".
Also die Ausgangshypothese der Autoren, dass kurzweilige Geschichten besser ankommen als langweilige, ist nun so gut wie bewiesen. Aber das wusste auch schon Aristoteles.
Ist denn dieser aufwändigen Studie nichts anderes Nützliches zu entnehmen? Kaum zu glauben. Diese Sache mit den Szenen ist doch auch nicht so spektakulär.

@Katla

Beispiele: Surrealismus oder andere Genres, die z.B. ohne Chronologie oder über stark assoziative Handlungsstränge laufen.
Natürlich gibt es auch da Gegenbeispiele. Ich habe neulich mal in dem Challenge-Thema "Surrealismus" gestöbert. Einen vorderen Platz belegte die wunderbare Story "Garrisons Stille", die einige TPs hat.
Romane mit Zirkelschluss (that said: die können natürlich auch TPs haben, müssen aber nicht).
Da fällt mir doch gleich "Der dunkle Turm" ein. Der hat natürlich jede Menge TPs. (Zirkelschlüsse kommen mir aber wie eine Notlösung vor.)
Spannungs-Spikes kannst du sehr gut auch ohne Turning Point haben.
Vielleicht auch gerade wegen fehlender TPs? Der Leser bleibt dran, weil er die ganze Zeit denkt: Jetzt muss doch noch eine glückliche Wende kommen. Suspense statt Surprise.
Weißt du den ganz ungefähren Titel / Autor noch? Klingt evt. nach meiner Tasse :kaffee:.
Der Name ist leider weg. Aber ein finnischer Schriftsteller war es wohl nicht, ich weiß, das grenzt die infrage kommenden Namen ungeheuer ein.
Prekäre Verhältnisse waren ein Thema und mir war aufgefallen, dass der Schriftsteller seinen Protagonisten so behandelt hat, als würde er ihn wie ein merkwürdiges, hässliches Insekt durch eine Lupe betrachten. Also ein Vertreter des Naturalismus?

 
Zuletzt bearbeitet:

Ist denn dieser aufwändigen Studie nichts anderes Nützliches zu entnehmen? Kaum zu glauben. Diese Sache mit den Szenen ist doch auch nicht so spektakulär.
Ich glaube nicht, dass die so aufwendig war. Die haben ja nur den Computer mit Daten gefüttert, die sie online gezogen haben. Könnte mir vorstellen, dass das eher ein Spaß war und als was rauskam, gab's was zum publizieren. Und so wie Wissenschaft heute funktioniert, ist ja die Anzahl an Publikationen durchaus wichtig, wenn man nen Job haben/behalten will und da veröffentlicht man eben auch ... Quatsch mit Soße.
Am interessantesten fand ich die Tatsache, dass es dazu tatsächlich empirische Forschung gibt. Das war mir bisher nicht klar. Andererseits: Gibt ja bekanntlich nichts, was es nicht gibt ;-p

Was ich allerdings wirklich ganz interessant finde, ist die Methode und die Frage, was die jetzt eigentlich aussagt. Ich bin nicht sicher, ob eine große Amplitude tatsächlich die klassischen TPs sind. TPs geben ja, wie du sagst, einer Geschichte mitunter eine andere Richtung, aber ob das auf so niedriger Ebene im Bereich der Valenz abgebildet wird? Manche vielleicht ja, manche vielleicht nicht ...

 

Ich kann mir schon vorstellen, dass die Methode allgemein schon die Turning Points approximieren kann. Besonders bei klassischem Storyaufbau. Die Autoren sagen: "Specifically, the identifying facet of a narrative reversal is an observable shift in the valence of story" und belegen das unter Anderem mit einer Quelle aus 1895 (lol). Sie kontrollieren bei Romanen wohl auch für die allgemeine Stimmung der Story. Also könnte die Methode auch für Geschichten funktionieren, die insgesamt eine eher negative oder positive Stimmung haben.
Auf der anderen Seite finde ich es interessant, dass man nicht nach verschiedenen Erzählern kontrolliert hat. Wenn ich in einem Roman immer zwischen zwei Erzählern wechseln würde, von dem der eine immer super positiv von seinem Tag erzählt und der andere immer super negativ, müsste ich anhand der Valenz damit die Anzahl von Turning Points maximieren, oder? Selbst wenn die beiden nur von ihrem Supermarktbesuch berichten würden. Das wäre aber vermutlich ein Spezialfall, der eh nicht veröffentlicht werden würde.

Insgesamt finde ich Wendepunkte schon sehr wichtig, aber würde auch sagen, dass gerade viele aktuelle Filme/Serien sich zu sehr darauf fokussieren, Erwartungen zu unterlaufen. Die letzte Staffel Game of Thrones war ein gutes Beispiel. Glaube, die Produzenten haben bei einigen Wendungen explizit gesagt, sie hätten sich so entschieden, weil das Publikum es anders erwartet hätte.

 

MMn sagt die Studie nicht, dass immer neuere, immer überraschendere Wendepunkte "erfolgreich" sind, sondern Geschichten, die abwechslungsreich sind und zwar ganz unabhängig von Genre, grundsätzlicher emotionaler Färbung etc (wurde ja auch für kontrolliert) und eben nicht langweilen.
So habe ich das auch verstanden.

Nichts ist langweiliger als eine Geschichte, in der nichts (Überraschendes) passiert. Oder wenn das Ende schon in der Mitte absehbar ist. Irgendwo habe ich gelesen: Jeder Satz sollte Neues, bisher in der Geschichte noch Unbekanntes bringen. Das zwingt den Leser, weiterzulesen. Weil wir von Natur aus neugierig sind. Also sollte man diese Neugier befriedigen, indem man sie mit immer neuem Stoff füttert und z.B. nach und nach neue Fassetten des Prots offenbart. Das können kleine Wendepunkte sein, müssen aber nicht.

Zusammenfassend kann man der Studie schon zustimmen: Wendepunkte sind wie das Salz in der Suppe – zu wenig oder zu viel davon kann eine Geschichte fade oder gar ungenießbar machen.

 

Ich kann mir schon vorstellen, dass die Methode allgemein schon die Turning Points approximieren kann.
Die Bewertungsmethode mit diesen positiv oder negativ besetzten Wörtern ist sicher geeignet, emotionale Wendepunkte zu ermitteln. Sind damit aber wirklich alle wichtigen möglichen TPs abgedeckt?

Ich wage mal die Definition, dass TPs Überraschungen sind, die den Protagonisten zum Handeln zwingen, und versuche, ein Gegenbeispiel zu konstruieren. Nehmen wir an, der Protagonist erhält plötzlich Besuch von jemandem, der in einer neutralen Beziehung zu ihm steht. Dadurch ändern sich zwar die Lebensumstände der Hauptfigur, aber die reagiert darauf mit Gleichgültigkeit. Dann würde die Methode der Studienmacher nicht anschlagen, also kein TP. Oder kann man es so sehen, dass es eben kein TP ist, wenn sich der Erzähler nicht über den Besucher ärgert oder darüber, dass er jetzt seinen Tagesablauf ändern muss?

Zusammenfassend kann man der Studie schon zustimmen: Wendepunkte sind wie das Salz in der Suppe – zu wenig oder zu viel davon kann eine Geschichte fade oder gar ungenießbar machen.
Ja, aber laut Studie kann man die Suppe mit Wendepunkten gar nicht versalzen. Immer rein damit. Es schmeckt trotzdem. Das mag für Romane oder lange Filmreihen halbwegs funktionieren – selbst da hat @Katla ja viele Gegenbeispiele genannt, aber für KGs kann das doch gar nicht funktionieren. Da käme bei zu vielen TPs nur ein wildes Durcheinander heraus.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom