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Die perfekte Freundin!

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18.04.2012
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Die perfekte Freundin!

Welcher Junge wünschte sie sich nicht, die perfekte Freundin?! Wer möchte nicht mit ihr angeben und die eifersüchtigen Blicke der anderen Männer mit Zufriedenheit auf sich spüren, während man mit ihr durch die Stadt läuft? In meinem alter niemand! Doch was ist die perfekte Freundin? Diese Frage haben wir uns oft gestellt, bis sie uns eines Tages ganz plötzlich beantwortet wurde. Ihr Name war Angelina - ein Name so perfekt wie sie selbst.
Als sie ins Klassenzimmer trat, brachte sie ein Strahlen mit sich, welches selbst die Sonne nicht schöner und reiner hinbekommen hätte. Sie lief mit sicheren jedoch leichten Schritten in ihren schwarzen Schnallenschuhen mit dem kleinen Absatz an uns vorbei und ihre glänzenden, langen Haare dufteten nach frischen Blüten.
Das schneeweisse Sommerkleidchen schmiegte sich eng um ihren schlanken Körper und die langen Beine kamen dadurch prächtig zur Geltung. Selbst wenn jeder wusste wie unhöflich es war, starrten sie vierzig Augenpaare an als wäre sie eine Ausserirdische und vor allem die männlichen Klassenmitglieder sahen mit ihren halb geöffneten Münder aus wie eine Horde dummer Büffel.
Angelina war jedoch nicht nur atemberaubend schön, sie war dazu noch perfekt in allem was sie tat. Es ist mir mit der Zeit aufgefallen. Zugegeben war es sehr schwer, sie nicht die ganze Zeit anzusehen.
Angefangen bei ihren Händen und Füssen. Angelinas Hände waren zierlich mit langen dünnen Fingern, welche von halblangen, vorne oval abgerundeten Nägel geziert waren, die immer aussahen, als ob sie frisch von der Maniküre kam. Ihre Füsse waren genauso perfekt und schön. Ihr Gesicht war ein Traum. Die symmetrischen, grossen eisblauen Augen waren umrandet von langen gebogenen Wimpern, welche bestimmt noch im perfekten Abstand zueinander gewachsen waren. Die Augenbrauen zogen einen schönen Halbkreis über ihren Augen und wurden auf der Aussenseite etwas breiter. Die Nase war klein und schmal. Ihre Haut war rein wie die eines mit Photoshop bearbeiteten Modells und es war nicht ein einziger Kratzer oder Leberfleck zu erkennen. Ihre Stimme war klar und schön wie der Gesang einer Nachtigall und jedes ihrer Worte, wie auch ihre Bewegungen wirkten überlegt und fehlerfrei. Sie stockte nie oder versprach sich, wie das normalerweise öfters mal passierte und ihre Ausdrucksweise war immer angemessen und wurde von den Lehrern gelobt. Sie war gut in der Schule, doch wirkte nicht streberhaft. Es war als ob sie einfach alles konnte und wusste ohne dabei auch nur eine einzige Sekunde zu zögern oder zu überlegen.
Sie schien wirklich perfekt zu sein. Sprach immer im richtigen Moment, lachte zur richtigen Zeit , war nie fehl am Platz und wirkte meistens wie zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Sie war beliebt seit dem ersten Augenblick als sie über die Türschwelle geschwebt kam und seither herrschte bei uns in der Klasse ein harter Kampf. Wer konnte ihr am meisten Imponieren, wer konnte die meiste Zeit mit ihr verbringen, wen mochte sie am meisten?
Ich hätte Räder im Klassenzimmer schlagen können vor Freude, als die Lehrerin sie an das Pult neben mir gewiesen hatte. Es war das einzige, welches noch frei war. Ich spürte die eifersüchtigen Blicke meiner Klassenkameraden auf mir und sah ich mich fühlte mich überheblich und im klaren Vorteil, den Anderen gegenüber. Ich konnte mich zwar kaum noch auf den Unterricht konzentrieren und musste sie unverhohlen anschmachten wenn sie sich beispielsweise die goldenen Haaren, welche ihr als perfekt geformte Locken über den Rücken fielen, hinters Ohr schob oder konzentriert die Kritzeleien des Lehrers in ihrer sauberen, klaren Schrift zu Papier brachte. Und wenn ihr perfekter Mund lächelte, sah Mona Lisa dagegen aus wie Mutter Theresa.
Zuerst war ich einfach nur überwältigt von ihr. Es war als wären die schönsten meiner jugendlichen Frauenträume zu einem Ganzen verschmolzen und würde jetzt in ihrem kurzen Faltenrock und der sauberen, weissen Bluse neben mir sitzen und mit ihrer Aura meine Sinne benebeln und eine grosse Wallung an Endorphine freisetzen.
Doch irgendwann begannen mir Dinge aufzufallen, welche mich beunruhigten. Es waren kleine Dinge wie zum Beispiel, dass Angelina sich kein einziges Mal räusperte oder hustete wenn sie sprach. Sie kratzte sich auch nirgends oder schabte mit den Füssen auf dem Boden. Sie sass da und war – perfekt. Anders konnte man es nicht beschreiben. Sie war nie schmutzig oder sah müde aus und wenn sie lächelte leuchteten die Zähne, welche aussahen als gehörten sie den Menschen, welche für irgendwelche Zahncremes oder Zahnbürsten Werbung machten. Sie kaute nie auf ihren Nägel oder wirkte nervös, verängstigt oder traurig, und ihr Lachen wirkte auch nicht glücklich, sondern einfach –perfekt. Wie aus einer Fernsehserie entsprungen, in der solche Frauen normalerweise hundertmal geschminkt und per Computer bearbeitet wurden, war sie da und liess jeden neben sich erblassen wie eine verwelkende Blume.

Auf unserer Klassenfahrt an die See entdeckte ich etwas, was schier unglaublich war. Die Reise zur Nordsee sorgte unter uns Jungs für viele anregende Diskussionen, was ganz klar daran lag, dass endlich der Moment gekommen war, an den wir Angelina im Bikini sehen würden. Dieser Tag war für alle sehr aufregend und wir konnten es kaum erwarten. Wir liefen einen schmalen Kiesweg entlang, welcher uns direkt an die See führen sollte. Während einige der Mädchen Probleme damit hatten, den steinigen Weg mit ihren hohen Schuhen zu gehen, welche sie in letzter Zeit öfters trugen, lief Angelina wie gewohnt wie ein Supermodel.
Am Strand breitete sie ihr weisses Tuch aus und setzte sich mit aufrechtem Rücken und schräg angewinkelten Beinen darauf. Die Jungs drängten sich sofort mit ihren Tüchern in einen Kreis um sie herum und wir kämpften dabei lautlos mit Ellenbogen und Füssen um den besten Platz. Angelina tat wie immer nichts dergleichen und begann sich die Schuhe auszuziehen. Sofort erstarrten die hektischen Bewegungen und alle blickten gebannt auf Angelina, welche sich nun ihre weissen Strümpfe ganz langsam über die Beine strich. Ich spürte wie mir die Hitze in den Kopf stieg und mein Herz schneller schlug. Als ich die hitzigen Gesichter meiner Kameraden sah, wusste ich dass es ihnen ähnlich ging. Als sie sich nun an die Knöpfe ihrer Bluse machte, sie einen nach dem anderen ohne jegliche Probleme öffnete, rückten alle automatisch noch ein Stück nach vorne. Ich spürte wie sich in meiner Hose was regte und biss angespannt die Zähne zusammen. Ich konnte unmöglich wegsehen.
Angelina trug einen knappen, Türkisfarbenen Bikinioberteil, welcher ihr natürlich hervorragend stand. Über ihrem flachen Bauch mit den Leistenknochen welche bei ihrer marmorfarbenen Haut wie eingemeisselt aussahen, erkannte man die schönen Rundungen eines festen, perfekt geformten Busens. Ich konnte den steigenden Testosteronspiegel förmlich in der Luft spüren. Das kribbeln in mir wurde stärker und ich musste mich von diesem wunderschönen Anblick mit aller Kraft losreissen. Es brauchte sehr viel Willenskraft den meine Augen klebten an ihr wie ein Magnet. Doch es gelang mir und ich fühlte mich komischerweise gleich um einiges besser und freier. Ich sog gierig die erfrischende Luft ein.
Während die anderen noch förmlich an der, sich ausziehenden Angelina klebten und sabberten, wie gierige Hunde, lief ich ein Stück weiter, wo die Mädchen, alle zusammen in einer Gruppe sassen. Ich setzte mich zu ihnen. „Ah, sind wir plötzlich nicht mehr nur Luft?“, sagte eine der Mädchen, welche Hanna hiess forsch. Sie blickte mich an, als ob ich ein Verbrecher wäre und erst da wurde mir bewusst, wie wenig Beachtung wir ihnen in letzter Zeit geschenkt hatten. Ich erinnerte mich nicht mit einem der Mädchen gesprochen oder sie überhaupt wahrgenommen zu haben, seit Angelina in unsere Klasse gekommen war. Sie blickten rüber zu dem Haufen Jungen, welche aussahen wie die Pinguine während der Brutzeit, wenn sie eng zusammen in einem Kreis standen, um sich gegenseitig zu wärmen, nur dass es hier eindeutig um was anderes ging.
Ungläubig schüttelten sie die Köpfe und ich erkannte Wut, Eifersucht und Trauer in ihren Gesichtern. Etwas, was man in Angelinas Gesicht nie hätte finden können. Sie taten mir leid und ich sass da und schwieg, weil auch ich von der blonden Schönheit gefesselt war und mich am liebsten wieder zu den Anderen gesetzt hätte. Während Schuldgefühl und männliche Hormone in meinem Körper zusammen rangen stob der Haufen aus meinen Klassenkameraden auf einmal auseinander und da stand sie, die rechte Hand in die Hüfte gestützt und das Bein leicht angewinkelt. Das knappe Höschen war an den Seiten zu einem perfekten Knoten zusammengebunden und liess einen Blick auf ihren runden, schönen Po frei. Der Wind wehte durch ihr glänzendes Haar und zu ihren Füssen kniete die Horde Jungs und starrten zu ihr hoch wie zu einer Göttin.
„Gehen wir schwimmen!“, sagte sie und wie hypnotisiert dackelten ihr die Jungs hinterher zum Wasser. Vorsichtig tunkte sie einen Fuss ins Wasser. Wieder ertappte ich mich dabei, wie ich sie anstarrte und schüttelte den Kopf um den Blick von ihr abwenden zu können. „Kommt ihr auch mit?“ fragte ich die Mädchen und schaute in die Runde. Sie starrten mich an als ob ich gefragt hätte, ob wir uns gegenseitig mit Spinat einreiben würden. „Wozu auch?“, sprach Hanna erneut und sie blickte mürrisch zu Angelina und den Jungs. „Ihr starrt ja eh nur auf sie, uns würdet ihr gar nicht bemerken!“, zustimmendes Gemurmel ging durch die Runde und sie blickten zu Boden. Ich seufzte, denn ich wusste, dass sie Recht hatte. Zögerlich erhob ich mich. „Ja ich, eh okay.“, sagte ich und wagte einen schuldbewussten Blick auf Angelina, welche bereits bis zum Bauchnabel im Wasser stand. „Ist okay, geh nur zu den anderen! Könnt ja zusammen die See vollsabbern.“, meinte ein anderes Mädchen namens Nina und blickte verachtend zu den Jungen. Einer davon war Fred, ein guter Freund von mir. Nina war seine Freundin gewesen, doch er hatte Schluss gemacht, da sie ihm nicht mehr gefalle, meinte er. Natürlich, an Angelina kam optisch keine Frau ran.
Ich zog mir das T-Shirt über den Kopf und lief zu den anderen. Vorsichtig stellte ich mich ins Wasser, welches eisig kalt war. Ich schlang die Arme um meinen Körper und merkte wie meine Zähne anfingen zu klappern. Ich watete ein Stück nach vorne zu Angelina, die sich das Wasser vorsichtig über die Arme und das Dekolltée strich. Da fiel mir auf, dass Angelina gar keine Hühnerhaut bekam. Ihre Arme und Beine waren so glatt und weiss wie eh und je.
Doch das blieb nicht alles. Als wir anfingen unsere Würste zu grillen und essen, wurde weder Angelinas Mund, noch ihre Finger davon schmutzig, während bei allen anderen noch eine kleine Ölschicht um den Mund hing, blieb ihr Gesicht so rein und unbefleckt wie immer. Ihre Haare waren auch im nassen Zustand noch perfekt gestylt und die Scheitel noch gut erkennbar. Ich lag auf meinem Strandtuch und mir fiel eine komische Tatsache nach der anderen auf. Angelina ging beispielswiese auch nie aufs Klo. Sie gähnte nie, auch wenn ich jemand war, der mindestens fünfmal am Tag gähnte. Sie hatte nie Flecken auf ihren Kleidern, selbst wenn sie sich in den Rasen setzte und ihre Schuhe sahen auch immer aus wie neu gekauft. Sie blinzelte auch selten oder atmete laut ein oder stiess einen Seufzer aus. Ich hatte in all der Zeit noch nie ihren Magen knurren oder ihre Knochen knacken hören. Das leise kritzeln ihres Bleistifts war das einzige, was ich von ihr wahrgenommen hatte. In diesem Moment fragte ich mich, ob Angelina wirklich etwas Menschliches an sich hatte? Sie war von Kopf bis Fuss perfekt in jeder Hinsicht, doch welcher Mensch war das schon?
Je mehr ich darüber nachdachte, desto verwirrter wurde ich und desto weniger oft zog es meinen Blick zu ihr und den Jungs, welche ihr nicht von der Seite wichen.
Ich schaute an ihr vorbei, auch wenn eine Stimme in meinem Kopf sagte dass ich sie unbedingt anschauen müsse, dass sie so schön sei und ich was verpasse, würde ich sie nicht ansehen. Mein Blick fiel auf die Mädchen, welche immer noch abseits von uns sassen. Sie lachten, flochten einander die Haare, assen genüsslich ihre Würste und leckten sich danach die fettigen Finger ab, sassen, knieten oder lagen am Boden und das Gras hinterliess beim Aufstehen ein gitterähnliches Muster auf ihren Beinen. Je länger ich ihnen zusah, desto wärmer wurde mir. Das waren Menschen, Menschen wie ich und sie waren nicht perfekt. Sie machten Fehler und dadurch hatten sie die Möglichkeit zu lernen. Angelina hatte keine Fehler an sich. Selbst die mikroskopischste Zelle ihres Körpers war perfekt und vollendet, sie konnte gar nichts mehr lernen im Leben. Ich lächelte und lief zu den Mädchen rüber. Ich gesellte mich in ihre Runde und lachte, sang und plauderte mit ihnen. Ich fühle mich schlagartig anders. Es war als ob ich aus einem langen Traum erwacht war und endlich anfangen könnte zu leben. Plötzlich spürte ich eine kleine, warme Hand auf meiner und schreckte hoch. Ich hob meinen Blick und schaute direkt in zwei grosse, rehbraune Augen. Sie gehörten Joan. Mein Kopf verstaute nach so langer Zeit Angelinas Gesicht, ihren Körper und jegliche Gedanken, Wunschvorstellungen und Träume an sie und konzentrierte sich auf das kleine, zarte Gesicht welches mich in einer Mischung aus Neugier, Freude und Verschämtheit ansah. Als ich zu ihr sah, nahmen ihre Wangen eine leicht rosa Farbe an und sie zog ihre Hand zurück. Ich fühlte mich unfähig zu sprechen und sass einfach nur da und blickte auf meine Hand. Ich konnte ihre zarten Finger noch eine ganze Weile wie ein leichtes Kribbeln auf meiner Haut spüren. Was war das für ein Gefühl? Während Joan sich zu den anderen umgedreht hatte und mit ihrer Freundin Nadine redete, blickte ich gedankenverloren zu den anderen rüber. Angelina war aus dem Wasser gekommen und ihr perfekter Körper schimmerte in der Sonne. Die Jungs watschelten ihr zum Tuch nach als wären sie Abhängige, die ihrer Droge hinterherliefen.
Angelina war der Typ Frau, von dem ich immer geträumt hatte, sie an meiner Seite zu haben. Doch sie war fehlerlos und Fehler waren nun mal menschlich. Der Typ Frau, der mir nun ab und zu einen verschämten Blick zuwarf, der sich auf die Lippen biss und nach langem hin und her das Gespräch mit Nadine unterbrach und sich zu mir setzte, ja der Typ Frau konnte man lieben und von dem Typ Frau konnte man auch geliebt werden. Der Typ Frau mit dem schönsten Lächeln, den süssen Grübchen, und den schönsten, nicht perfekten Augen, war perfekt für mich!

 

Hallo Sera,

es ist seltsam, du schaffst mit deiner Geschichte ein ähnliches Monster, wie du es in der Figur der Angelina beschreibst. Glatt in Technik und Moral, aber nicht liebenswert, hier gibt es nichts, woran sich der Blick oder die Gedanken festhalten können - es ist, als wäre die Kritik an der perfekten Freundin selbst eine perfekte Freundin.

Kubus

 

Hallo Kubus

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast meine Geschichte zu lesen (wenn überhaupt bis zum Schluss).

und danke für deine "Kritik"! nur leider weiss ich damit nicht viel anzufangen.
Du findest sie nicht liebenswert, doch woran liegt dies? wie sollte ich deiner Meinung nach vorgehen um die Leser / dich mehr anzusprechen?

Bitte versteh das nicht als eine Kritik an deiner Kritik - ich bin froh um jede Möglichkeit mich zu verbessern!

und wie kann ich dieses "seltsam" interpretieren?

Danke & Gruss
Sera

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey hey Sera,

erschrick bitte nicht, mein Kommentar ist etwas ausgeufert ... und chaotisch ist er auch, fürchte ich. such dir raus, was du brauchen kannst!
um auf deine Frage zu antworten, ich habe die Geschichte vollständig gelesen, sonst hätte ich nichts dazu geschrieben. 'liebenswert' ist meinerseits eine seltsame Bezeichnung, die ich hier wählte, weil es in deiner Geschichte darum geht, was wirklich liebenswert ist. eben nicht das Idealbild einer Frau, sondern eine menschliche Frau, die Makel hat, die selbstverständlich unperfekt ist und somit zum Protagonist deiner Geschichte passt.

seltsam nenne ich dein Plädoyer, weil es in seiner glatten Ausführung dem von dir kritisierten Barbietum sehr ähnelt - du verteidigst das Unperfekte ohne Bruch und Hinterfragen, ohne die Dynamik glaubwürdig agierender Figuren.
Plädoyer wird eine Rede genannt, die sich sehr deutlich für ihren Gegenstand ausspricht. natürlich ist der vorliegende Text insoweit eine Geschichte, als verschiedene Figuren äußerliche Handlungen vollführen. in dieser Hinsicht ist er formal korrekt und ein Kurzgeschichtenforum nicht der falsche Ort zum Posten.
doch leider wirkt diese Geschichte wie ein dünner Mantel, der das Gerüst des Plädoyers verhüllen soll, weil dir unbewusst bekannt sein dürfte, dass eine Verteidungsrede des Unperfekten eben keine Kurzgeschichte ist.
der statischen Darstellung einer Meinung, so gerecht und richtig sie sein mag, fehlt viel von dem, was eine gute Geschichte meiner Meinung nach brauchte.

Angelina ist nicht nur perfekt, sondern auch gähnend langweilig. man wird an eine Cyborgfrau oder noch eher eine Übernatürliche erinnert, da sie ja nicht mal Grasflecken auf dem Kleid hat, nachdem sie auf dem Rasen saß oder Schmutz unter den Fingernägeln etc ... dabei erinnert sie nur an diese menschenähnlichen Wesen, da es ja im Text keinerlei Hinweise darauf gibt, dass sie Cyborg oder übernatürlich wäre - hoffentlich übersehe ich da nichts. sie ist eine Kunstfigur, die Schülerin ist, und sich aber gleichzeitig absolut von ihren Mitschülern abhebt, als wäre sie direkt aus der Werbung gestiegen, um den Frauen Komplexe und die Männer willenlos zu machen. Lara-Lolita Croft in jungen Jahren, die ein Jahr auf einer öffentlichen Schule verbringt, um normale Menschen kennen zu lernen. "Da fiel mir auf, dass Angelina gar keine Hühnerhaut bekam ..." Der Satz stellvertretend für all die Kleinigkeiten, die das Gesamtbild Angelinas so unrealistisch machen. ich weiß nicht, ob es dir bewusst ist, aber diese scheinbar vernachlässigbaren Kleinigkeiten, machen aus ihr die Verkörperung einer abstrakten Idee, sie ist eben kein 'echtes' Mädchen, und da die ganze Geschichte um sie kreist, verkünstlicht sie die ganze Geschichte ...
dein Protagonist und seine Jungs sind schlicht Statisten, die deine These illustrieren, dass der Mann Sklave der Äußerlichkeiten ist und völlig hirnamputiert reagiert, wenn eine geile Uschi mit dem Arsch wackelt.
diese absolut einseitige Darstellung dreht sich, ohne dass es schlüssig erklärt wird, in ihr totales Gegenteil, wenn dein Protagonist auf Joan trifft.
er sieht zwar die Mädchen, fühlt sich in ihre Situation ein und kriegt mit, wie schlecht die sich fühlen, aber das sind Äußerlichkeiten.
er handelt im Geiste eines Extrems der Hörigkeit gegenüber ihren Reizen, und ändert auf einmal seine Meinung - das ist beides nicht nachvollziehbar, sondern wird dem Leser einfach so beschrieben, der hat es zu schlucken.
wenn du uns erzählen würdest, was in ihm vorgeht, und diese 'innere Handlung' plausibel machst, interessierte sich der Leser viel eher für deine Figur, brächte Interesse für die Situation auf und würde wissen wollen, wie es weitergeht, ob er es schafft, aus der Fixierung auf Äußerlichkeiten herauszukommen bspw.
puh, der ist jetzt sehr viel länger geworden, als ich es ursprünglich vorhatte. ich hoffe, er ist nicht allzu weitschweifig und redundant geraten und du kannst etwas für dich und diese Geschichte herausziehen. oder Tipps eventuell auf eine andere Geschichte übertragen, wenn du deine nächste schreibst oder eine fremde kommentierst ... wenn noch Fragen sind, weil ich mich zB unperfekt ausdrückte oder dir bestimmte Zusammenhänge nicht klar wurden, darfst du gerne nachfragen. :)

im Folgenden noch eine lückenhafte Aufzählung verschiedener Punkte, die mir aufgefallen sind ...

- du gibst dir sehr viel Mühe, Äußerlichkeiten eingehend zu beschreiben, das sind feine Übungen. ich persönlich schätze diese Liebe zum Detail, möchte aber zu bedenken geben, dass so eine Beschreibungsfreude nicht zwangsläufig die Qualität der Leservorstellung erhöht.
- 'schön' beschreibt nicht. Jeder hat eine andere Vorstellung davon, was schön ist, daher sagt es nichts konkretes über die zu beschreibende Figur aus. Schönheit liegt im Auge des Betrachters, sollte aber normalerweise nicht vom Erzähler im Munde geführt werden.
- aussen, assen, Füsse ... nach Diphthong oder langem Vokal bitte ß ... außen, aßen, Füße ...
- 'öfters' bitte nie, nie wieder! ... wenn, dann: 'öfter'

Angelinas Hände waren zierlich mit langen dünnen Fingern, welche von halblangen, vorne oval abgerundeten Nägel geziert waren

anstelle von 'welche' empfehle ich in diesem Kontext generell die Verwendung von 'die', prinzipiell möglichst schlicht, knapp und direkt schreiben. 'vorne' kann ersatzlos gestrichen werden. anstelle von 'geziert' - 'verziert' ... PS: nee, verziert und mehr sind ein paar Dekorationen zu viel in diesem Satz ... besser: "... Angelinas Finger waren lang und dünn mit halblangen, ovalen Nägeln." ... da hab ich mich im Detail verloren ...

sah Mona Lisa dagegen aus wie Mutter Theresa.

mir gefällt sehr gut, dass du Vergleiche ziehst. ein paar wohlgesetzte und
-gewählte Vergleiche bereichern literarische Texte. der hier ist nicht ganz treffend. du willst ein weiteres Mal mit anderen Worten ausdrücken, wie unglaublich und perfekt schön deine Protagonistin ist. die Wirksamkeit dieses Vergleichs soll sich aus der Fallhöhe zwischen Mona Lisa und Mutter Theresa speisen.
Problem ist, dass die Mona Lisa nicht unbedingt ein Beispiel für perfekte Schönheit ist, sie wird zwar mit weiblichen Reizen assoziiert, aber eher in Verbindung mit dem Geheimnis ihres Lächelns.
das ist eine ganz andere Ebene als die retortenhafte Schönheit Angelinas
und Mutter Theresa war zwar keine Schönheit, berühmt aber ist sie nicht wegen fehlender Erotik, sondern für ihr Engagement.

man merkt, dass du dir wirklich Mühe gegeben hast mit dieser Geschichte. mir gefällt sehr der zugrunde liegende Gedanke, dass ein normaler Junge sich nach einem normalem Mädchen umkucken sollte, das zu ihm passt und nicht sich den Kopf von einer verdrehen lassen sollte, deren künstliche Schönheit kalt und unerreichbar und letztendlich langweilig ist.
Die Settings, also der Klassenraum und die Fahrt an den See, sind sehr gut gewählt, weil sie jedem Leser bekannt sind und er sich daher die Situationen gut vorstellen kann. Die Figuren sind in einem Alter, in dem derart herden- und triebhaftes Verhalten am ehesten vorstellbar ist.
ich glaube aber, dass der Leser diese Idee eher schätzen könnte, wenn du die Geschichte etwas verändern würdest. Zum Beispiel 1.) eine etwas realitätsnähere Perfekte, 2.) die emotionale Verwirrtheit deines Jungen innerlich nachvollziehbar machen, und 3.) Joan nicht nur wegen eines Mangels an Perfektion liebenswert zeigen, sondern auch wegen positiver Dinge.

viel Spaß hier noch,
Kubus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kubus

Sorry ich wollte nicht so aufgebracht (?!) wirken - war nur grad ein bisschen überfordert mit deiner Kritik. Sie hörte sich schon grad ein bisschen grob an (Möchte ja keine "Monster-Geschichte" erschaffen ;))

Jetzt kann ich jedenfalls besser nachvollziehen was du damit meinst und kann deine Tipps sicher gut gebrauchen.

Angelina ist nicht nur perfekt, sondern auch gähnend langweilig. man wird an eine Cyborgfrau oder noch eher eine Übernatürliche erinnert, da sie ja nicht mal Grasflecken auf dem Kleid hat, nachdem sie auf dem Rasen saß oder Schmutz unter den Fingernägeln etc ...

Es war eigendlich meine absicht eine WIRKLICH perfekte Figur darzustellen, die keinerlei menschliches an sich hat und tatsächlich mehr an eine fehlerlose Maschine erinnerte als einen Menschen (ansonsten hätte ich mich wohl etwas in der Rubrik vertan glaube ich) es sollte eine so halb Fantasy halb Reale Geschichte werden und es war auch schwerer als ich dachte, eine Person wirklich genauso perfekt darzustellen wie ich mir das vorgestellt hatte (bei jeder direkten Rede von ihr hätte ich sie wieder menschlicher gemacht).

Ich hatte es eigendlich nicht böse gemeint, als ich die Männer als so hilflos-in-das optische-verschossen dargestellt hatte, sber ich glaube schon, dass ich da (besonders in diesem alter) ein wenig recht damit hatte ;)

Problem ist, dass die Mona Lisa nicht unbedingt ein Beispiel für perfekte Schönheit ist, sie wird zwar mit weiblichen Reizen assoziiert, aber eher in Verbindung mit dem Geheimnis ihres Lächelns.

Stimmt, daran habe ich nicht gedacht. Bei einem "schönen Lächeln" kam mir halt als erstes einfach ihres in den Sinn - dieses Lächeln kennt ja beinahe jeder. Und natürlich war Mutter Theresa da kein gutes Beispiel um einen Vergleich anzustellen - ging mir dabei mehr um den Humor!

Ich werde, sobald ich dafür Zeit finde, die Geschichte etwas abändern (vor allem was die Beschreibung und "Liebenswürdigkeit" von Joan und die außens, aßens und füßens anbelangt :)).

Danke & Gruss
Sera

 

Hallo SeraMyu

Das kann nicht gut gehen, einen perfekten Menschen erschaffen zu wollen, war mein erster Gedanke, als ich den Titel las. Die Flüchtigkeit und Begrenztheit von Idealen ist eine Gesetzesmässigkeit, der sich die Idee davon nicht entziehen kann. Viele Menschen sahen etwa in der Venus von Milo eine solche Verkörperung. Die hellenistische Kunst bemühte sich um eine perfekte, makellose Darstellung von Körperformen. In relativ jüngerer Zeit war Twiggy ein völlig anders stilisiertes Ideal, die nicht als Skulptur, sondern als lebende Verkörperung auf das Podest gehoben wurde, Sinnesreize von Menschen derart anzusprechen. Doch die Flüchtigkeit gilt für alle. Die vermeintliche Perfektion ist nur ein Ausdruck des Zeitgeists, der vorübergeht, ebenso wie die lebenden Körper dem Verfall preisgegeben sind. Perfektion müsste zudem gleichermassen äussere und innere Ausgewogenheit mit sich bringen, was sich als Harmonie darstellte.

Doch die Idee ist schön und flüchtig. Unter diesen Aspekten und dem Umstand, dass sie in der Rubrik Seltsam steht, habe ich die Geschichte gelesen.

Das Bild ist euphorisch welches du von Angelina zeichnest, ich hätte da nicht Endorphine freisetzen gewählt, da dies zu mehrdeutig ist. Unwillkürlich kamen mir beim Lesen die „Liebeselegien“ von Ovid in den Sinn. Auch wenn dessen Ausführungen anders sind, entspringen sie einem verwandten Geist.

Die romantische Überzeichnung von Angelina hast du gewollt gesetzt, über das makellose hinaus ins Übermenschliche stilisiert. Diese Beschreibungen habe ich mit Vergnügen gelesen, die aufkommenden Bilder mit Anmut betrachtet, mich an ihnen erfreuend. Was mich dabei überraschte, war, dass die Umschreibungen sich ähnlicher Sprachbilder bedient wie Dichter es früher schon taten. Eine moderne Übersetzung bei gleichbleibenden Empfindungen, die Erwähnung eines Photoshops greift da zu kurz, wäre mir hier interessant erschienen.

Von der Handlung her, fällt es bescheiden aus, ein alltäglicher Ablauf ohne wesentliche Höhen und Tiefen, ganz klar auf die Erkenntnis am Ende hin aufgebaut. Es könnte erheblich mehr Spannung erzeugen, wenn es sich direkter abspielte, die Rivalität unter den Schülern ausdrucksvoll zum Tragen käme, gewiefte Dialoge die Gedanken des Icherzählers (ich meine, sein Name blieb unerwähnt, es sei denn, ich wurde geblendet) verstärkten. So ist es das Bild einer aufgestachelten Idealisierung, welches die Realität ohne grosse Erschütterung ganz plötzlich wieder ins rechte Licht rückt.

In meinem alter niemand!

He Junge, da muss Alter stehen.

Ich sah eben im Profil, dass du ja unter weiblich firmierst. Das finde ich psychologisch eine amüsante Komponente, da es die Idee vom Idealbild noch um einen Blickwinkel erweitert.

Auch wenn mein Enthusiasmus sich in Grenzen hielt, habe ich es gern gelesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

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