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Die Mörderbrust
Die Mörderbrust
Wir hatten gevögelt wie die Tiere. O, Mann, ich bin gekommen wie ein notgeiler Truthahn an Thanksgiving. Langsam, ganz langsam beruhigte sich unser Atem und ich begann, entspannt aus ihrem pulsierendem Wunderwerk der Natur herauszuschrumpfen. Ich sah sie verschmitzt an, meine Zunge strich zufrieden über den Zwölftagebart und registrierte dankbar den süßschweren Geschmack geschmolzener Muschi - ein retrospektives Dessert.
O, Mann, sind wir gekommen! Das Echo spontaner Konvertierung hallt noch in meinem betäubten Ohr nach, obwohl die vielen brünstigen Gottesschreie längst atemlosem Keuchen, dann befriedigtem Grunzen und schließlich sediertem Säuseln gewichen waren, das Signal sofortigen, gut und gründlich gefickten Einschlafens.
Und schon war sie von mir gegangen. Wir hatten das Unvermeidliche um eine Zigarettenlänge hinausgezögert. Gelächelt. Worte gewechselt. Wie geil es war. Gegurre. Dann ist sie entschlummert. Ich war auch todmüde. Hatte aber noch Arbeit. Nach zwei Stunden fallen mir die Augen zu. Will nur noch schlafen. Verstaue das laptop. Räuspere mir das letzte Schamhaar von der Glottis. Mummele mich ein. Bin bereit. Da sehe ich sie.
Die Mörderbrust!
Manche Männer stehen auf Ärsche. Andere auf Lippen, Hände oder gar Füße. Ich bin ein traditioneller Tittenmann. Der normale männliche, heterosexuelle Primat, der auf primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale fixiert ist.
Niemand steht auf Augen.
Wir erzählen das alle nur, weil Ihr es so gerne hört. „O, wie schön! Er liebt mich nicht nur wegen meines Körpers.“ Alles Lüge. Und nicht zu Ende gedacht. Klar verliebt ein Mann sich auch in die Augen einer Frau, in ein Grübchen oder einen banalen Leberfleck. Aber erst nachdem er sie mindestens 100 mal gebumst hat! Wenn die Beziehung dann noch funktioniert – und der Sex – haben die Augen eine Chance. Vorher nicht.
Macht den Test! Fragt Euren neuen Lover nach einer Woche am Telefon, in welcher Farbe Eure Augen ihn anhimmeln! Ja, die Augen, die er so wunderschön fand. Aber seid nicht allzu enttäuscht!
Ihr seht schon, ich versuche, von ihr abzulenken. Der Mörderbrust. Sie lachte mich an. So unschuldig und doch so versaut. Ich entscheide, definitiv zu müde zu sein, schließe abermals die Augen. Doch die Mörderbrust hat sich auf meiner Retina eingebrannt. Wie die Korona bei der letzten Sonnenfinsternis erzeugt sie einen runden Strahlenkranz auf meiner Netzhaut, der mir Respekt vor der Natur einflößt. Ich habe das Licht gesehen!
Ich blinzele kurz. Dasselbe Bild. Das kenne ich sonst nur von Trancezuständen. Ich bin mal nachts auf Mescalin durch den indischen Dschungel getrekt. Da hatte ich auch dasselbe Bild, egal, ob ich die Augen offen oder geschlossen hielt. Die Pflanzen leuchteten faserig hell. Habe in dieser Nacht noch 14 Kilometer gemacht, ohne ein einziges Mal auf die Fresse zufallen. Nüchtern ist das kaum zu schaffen. Aber ich schweife schon wieder ab.
Schweifen. Die Mörderbrust. Ich versuche, sie zu verhüllen, aber meine Sahnecremeschnitte hat die Decke unter der Achsel eingeklemmt. Mist. Ich bin saumüde, will endlich einpennen. Höhnisch grinst die kolossale Mama mich an. Ich seufze resigniert. Ein Fehler. Mein Atem streicht über über das zentrale Thema, woraufhin sich ein kecker fingerkuppengroßer Nippel binnen Sekundenfrist heimtückisch aufrichtet - was sag ich - hervorschnellt wie ein lauerndes Raubtier. Man soll keine schlafenden Nippel wecken! Diese Assoziation war zu viel. Verdammt! Irgendwas hebt meine Bettdecke an!
Was soll ich tun?
Eigentlich ist es ja albern. Habe ich ein Buch über Evolution geschrieben, oder bin ich ein instinktgesteuertes Affenwesen? Ich weiß, dass Brüste unnütz sind. Wir waren auf runde Ärsche und rote Mösen fixiert. Viele Millionen Jahre lang. Dann gingen die tropischen Wälder zurück, wir mussten runter von den Bäumen, woraufhin die optischen sexuellen Auslösereize, die wir zuvor jederzeit vor der Latichte hatten, mit der sich aufrichtenden Gangart zunehmend aus unserem Blickfeld verschwanden – wie jeden Morgen. Da diese Reize jedoch der Fortpflanzung dienen, formte Mutter Natur sie nach. Mimikri. Den Weibchen wuchsen zunehmend rundere Brüste, um – jawoll, das ist so – Arschbacken, also sekundäre Geschlechtsmerkmale zu imitieren. Rein biologisch wären Milchdrüsen von der Größe eines Kekses sinnvoll. Alles andere dient nur dazu, uns Männchen aufzugeilen. Wir sind die einzige bekannte Spezies, die auf Titten steht! Demselben Prinzip folgend, schminken sich die Weibchen übrigens noch heute die Lippen rot...
Aber lasse ich ich mich etwa von derart primitiven Instinkten leiten, die ich dazu noch durchschaue?
Ich schaue.
Ich könnte sie ja wachvögeln?! Da gab es noch nie Beschwerden. Aber sie muss so verdammt früh raus. Oder sollte ich mir einen runterholen? Nee. Da käm ich mir vor wie jemand, der in einer Kneipe Flaschenbier trinkt. Ich sollte schlafen. Drehe mich auf die andere Seite. Beginne, meine Atmung zu kontrollieren. Das hilft. Ich dämmere endlich weg.
Nicht so mein Schwanz. Super Stelle, um den Puls zu messen, fällt mir pochenderweise auf. Bupbup bupbup. Ein Tipp für unterversorgte Krankenschwestern.
So geht das nicht weiter. Für genau solch ausweglose Situationen habe ich immer mein laptop dabei. Sollte ich je aus dem World Trade Center springen müssen – ich wette das bauen sie noch höher wieder auf – hätte ich immer noch Zeit für eine kurze Glosse über die profane Individualität einer Nahtoderfahrung im globalisierenden 3. Jahrtausend. Bei niedrigeren Gebäuden wird’s halt nur ein Limerick...
Die Compaq-Kühle lastet schwer auf meinem geschundenen Lustspender, der sich nur langsam damit abfindet, die zweite Geige neben Lustspender number one zu spielen, meinem Hirnlappen, den ich jetzt hier öffentlich auswringe.
Im Zweifelsfalle hilft Schreiben immer.
Bist Du traurig? Kanalisier es in was Episches, was Dramatisches!
Bist Du angekichert von dem ganzen Bier und den letzten fünf Doobies? Produzier was Humoriges!
Bist Du genervt? Schreib eine Satire!
So einfach ist das. Bis auf die Dramen. Mir fehlt der Blues. Kann ich froh sein, oder? Aber ich versuche bloß wieder, das Thema zu wechseln. Was philosophiere ich hier? Ihr wollt doch alle nur wissen, wie das mit der Mörderbrust ausgeht, nicht wahr?
Für wen schreibt man, wenn nicht für voyeuristisches Pack wie Euch?
Ich riskiere einen Blick. Rein akademisch. Verflucht! Sie hebt und senkt sich in einem verführerischen Rhythmus, der mich hypnotisiert und prompt himmelwärts gegen mein laptop drängt. Ich tippe schneller.
Bist Du geil? Schreib ne Kurzgeschichte drüber!*
Plötzlich werde ich hellwach. Die Müdigkeit ist einer anderen Sehnsucht gewichen, nein, einer Sucht, dem Schreiben. Ich hämmere diesen Text in mein Laptop, unterbrochen nur von Bier holen, um an einem Satz zu feilen, und Joints bauen während der Lektorate. Ist ok. Ist authentisch. Muss ich morgen bloß noch mal drüber gehen.
Ich bin Gefangener meiner Assoziationsketten, weshalb ich mich nach dem letzten Satz auch sofort nach meiner Moosrose umblicke und mit laszivem Lippenlecken das sujet littéraire in Augenschein nehme, wie es jalousiengestreift im Licht der untergehenden Straßenlaternen glänzt. Ich goutiere die üppige Form. Saugende Gedanken. Da fällt mein geneigtes Auge auf einen profanen Radiowecker, der in gelangweiltem Rot 6:02 anzeigt. In 28 Minuten würde er ohnehin seine penetrante Kakophonie starten, wobei gezielte Schläge seitens meiner Honigmelone diese akustische Bestrafung lediglich multiplizierten. Ich sei besser als der Wecker. Hat sie gesagt. Ein Mann in meinem Alter bildet sich schon auf weniger was ein!
Eigentlich hatte ich eine ganz andere Pointe im Sinn, doch ich will unbedingt authentisch bleiben.
Ich sollte jetzt zum Ende kommen. Das laptop beginnt zu schmerzen.
Die Mörderbrust.
Sie schimmert.
Wie eine satte, reife Frucht.
6:04. Erntezeit. O, Mann!
Ich muss Schluss machen.
@ Webmäschta
*Wär doch was für Dein Logo, oder?