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Die Lotterie

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13.09.2009
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Die Lotterie

Es war heiß, die Luft hing wie eine schmierige Suppe im Raum. Grelle Lichteffekte reizten die Sinne. Es roch nach Schweiß und Alkohol.
Die Menschen drängten sich an der Bar und auf der Tanzfläche. Er fühlte wie die Bässe ihn in schnellen Rhythmen durchdrangen. Die Umgebung verschwamm in einem Meer aus grellen Farben und Licht. Dann verstummte die Musik. Scheinwerfer richteten sich auf das Podest in der Mitte des Raumes. Gleich würde es los gehen. Die Gäste kamen zur Ruhe und ihre Aufmerksamkeit wandte sich der Bühne zu. Die Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Schweißperlen rannen ihm die Stirn hinunter und er atmete schwer. Aufregung stieg wie ein brodelndes Feuer in ihm auf. Er konnte es nicht erwarten. Seine Finger umklammerten den Zettel, dessen Papier sich durch die schwitzigen Hände bereits wellte. Darauf stand in schlichten schwarzen Buchstaben: 36. Bald würde es so weit sein. Nebelmaschinen surrten und warfen weißen Rauch aus, der schleichend über den Boden kroch. Es liebte Dramaturgie, dass hatte er in all den Jahren seiner Gefangenschaft gelernt. Er blickte um sich und sah leere Blicke, die sich krampfhaft auf die Bühne richteten. Eingefallene, müde Gesichter. Viele hielten ihre Zettel ebenso krampfhaft umschlossen wie er. Sein Blick wanderte zum Ausgang des Klubs. Die Wächter standen davor. Ihre Gesichter waren unter Kapuzen verborgen. Doch schienen ihre Augen in einem giftigen Grün zu leuchten. Sie wanderten grimmig im Raum umher. Wer einmal in den Klub gegangen war kam nicht mehr heraus. Zumindest nicht mehr so wie man war. Er wusste noch genau wie er hierhergekommen war. Er hatte in einer Bar gesessen wie jeden Freitag abend. Nach zwei oder drei Bier, hatte ein Mann mit einem schwarzen Umhang die Bar betreten und sich ihm gegenüber gesetzt. Das Gesicht war nicht erkennbar, doch er hatte unwillkürlich ein unangenehmes Gefühl gehabt. Seine Nackenhaare hatten sich gesträubt und er hatte vor Kälte gezittert. Er war aufgestanden und zur Toilette gegangen. Er wollte weg von dem Mann, von der Kreatur. Doch das Etwas musste ihm gefolgt sein. Als im kühlen Neonlicht sein Gesicht im Spiegel betrachtete war er plötzlich hinter ihm gewesen. Er hatte ihn weder gesehen noch gehört. Aber er hatte diesen Gestank wahrgenommen. Ein Geruch der Verwesung, der einem beißend in die Nase zog und die Augen tränen ließ. „Fürchtest du den Tod?“, hatte die Gestalt gefragt.
Er hatte verdutzt im Spiegel nach dem Fremden gesucht, erblickte aber weder die Hand die er auf seiner Schulter spürte, noch die Quelle des penetranten Geruchs. Dieser Umstand hatte ihn noch nervöser gemacht, als er ohnehin schon war.
Zitternd hatte er geantwortet: „J-Ja“
Er hatte eine Berührung an seiner Halsschlagader gespürt.
„Dann komm morgen abend um 22:00 Uhr zur Parkstraße 345. Das Codewort lautet Mortal“
Der Griff lockerte sich. Als er sich umgedreht hatte, sah er nur noch den wehenden schwarzen Umhang und hörte das Knarzen, der zufallenden Tür. Er musste an jenem Abend an einen der alten Vampire aus Schwarz-Weiß-Filmen denken. Die Gestalt hatte kein Spiegelbild gehabt, anders konnte er sich die Vorkommnisse damals nicht erklären. Zunächst war er skeptisch gewesen, doch die Neugier bezwang schließlich die Furcht. Hätte er damals anders entschieden, wäre einfach nach Hause gegangen und hätte den Vorfall vergessen, wäre sein Leben vielleicht normal weiter verlaufen. Er säße jetzt zu Hause bei seiner Frau und würde Fernsehen.
Zwei Wächter trugen eine Art Tisch herein und grollten kurz, als ein Mann es wagte im Weg stehen zu bleiben. Dieser wich erschrocken zurück. Der schwarze Lack spiegelte das grelle Licht der Scheinwerfer. Innen drin befand sich ein rotierendes Rad, es ähnelte dem Kessel eines Roulettetisches, aber mit mehr Feldern.
Ganz ruhig, dachte er sich, heute schaffst du es!
Erwartungsvolle Stille hüllte den Nachtclub ein. In gewisser Weise erinnerte es ihn an die makabre Stille auf einem Friedhof.
Er wusste um das Risiko des Spiels, zuerst hatte er gezögert, aber mittlerweile war es ihm egal. Er hatte nichts mehr zu verlieren. Schließlich trat die Gestalt im schwarzen Mantel auf die Bühne. Die Blicke folgten ihm wie hypnotisiert. Sie alle erwarteten die Kugel. Eine leichenblasse Hand kam hervor. Die Fingernägel waren gekrümmt und schwarzgelb verfärbt, die Haut sehnig und verfallen. Unter der Kapuze, die ihm tief ins Gesicht hing, schien die Gestalt zu grinsen. Die Musik setzte wieder ein. Sie erinnerten ihn an Trommeln. Trommeln, eines uralten Opferkultes. Ihm wurde kalt. Die Gestalt präsentierte der erwartungsvollen Menge die knochenweiße Kugel und schnippte sie in den Kessel. Er hörte deutlich, wie die Kugel über das Holz rollte. Es kam ihm wie ein Hauch des Schicksals vor, der ihn frösteln ließ. Das Geräusch verebbte und die Kugel kam zum Stillstand.
„24“,grollte die Stimme der Gestalt.
Die Spannung im Raum knisterte förmlich.
„24!“, zischte die Stimme lauter. Der Laut ging ihm durch Mark und Bein. „Tritt hervor und akzeptiere dein Schicksal“
Zögerlich trat eine junge Frau hervor. Dunkle Augenringe zeichneten ihr Gesicht. Sie wirkte resigniert und enttäuscht. Mit herabhängenden Schultern und gesenktem Kopf stand sie vor der Gestalt. Eine Träne glitzerte auf den schmutzigen Wangen.
„Verloren!“, zischte die Stimme unter der Kapuze und grinste. Ein Messer fand seinen Weg in die Hand der Kreatur im schwarzen Umhang. Die scharfe Klinge ritzte in die Handfläche der jungen Frau und Blut benetzte das Metall. Die Gestalt leckte das Blut von der Schneide.
„Köstlich, bringt sie in meine Gemächer! Ich werde später speisen!“, zischte die Gestalt. Die Kugel rollte erneut. Die Menge blieb stumm. Sie kannten die Prozedur. Ein Opfer, ein Gewinner. Das waren die Regeln.
„36!“, grollte die Stimme unter der Kapuze. „Tritt vor und empfange deine Belohnung!“
Seine Augen weiteten sich und seine Kinnlade klappte auf.
Er hatte gewonnen! Gewonnen! Er kämpfte sich durch die Menge und kassierte neidische Blicke. Euphorie tränkte seinen Verstand. Er nahm das Geschehen durch einen undeutlichen Schleier war. Schließlich stand er der Kreatur gegenüber. Ein modriger Geruch zog ihm in die Nase und erinnerte ihn an eine Gruft. Der Geruch überlagerte alle anderen und war ihm nur allzu bekannt. Jene Szene in der Toilette vor dem Spiegel lief erneut vor seinem inneren Auge ab. Er schauderte. Sein Atem ging hektisch und er sah das Gesicht der Gestalt. Tiefe Falten zerfurchten die Züge der Kreatur. Giftgrüne Augen mit den Pupillen eines Reptils starrten ihn an. Der Mann im schwarzen Umhang holte erneut das Messer hervor, doch nun setzte er es am eigenen Handgelenk an. Das Handgelenk war vernarbt. Dunkelrotes Blut trat hervor und bildete einen starken Kontrast zu der bleichen Haut.
„Trink nun deine Belohnung, Mensch! Trink und du wirst ewig sein!“, grollte die Gestalt. Der rissige Mund formte ein Lächeln und enthüllte gelbe Zähne und verfaultes Zahnfleisch.

Ende

 

Hi Medi,

danke für das Lob;) Jo, die Geschichte war jetz auch mehr so ne Fingerübung, als ein ernsthaft angegangenes Projekt. Den Fehler hab ich natürlich korrigiert.

mfg Leos

 

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