- Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
- Kommentare: 24
Die Letzten Krieger der Letzten Schlacht
Es war nun schon fast das zweite Jahr in diesem Krieg.
Die Völker von Naciente und Kordos bekämpfen sich ohne Rücksicht, ohne Skrupel.
Es wird schon lange nicht mehr gezählt, wie viele Soldaten oder gar Unschuldige hier ihr Leben lassen mussten. Die Empfindungen der Kämpfenden sind taub und kalt, man kannte weder Freund noch Feind. Der einzige Freund, auf den du bauen konntest war dein Schwert.
Es musste ein Ende haben. Der Krieg ging im Verhältnis zu vorausgegangenen Schlachten noch nicht besonders lange, übertraf sie aber alle in seiner Schrecklichkeit. Es sah beinahe so aus, als wäre der Krieg beendet, doch ein Mann, vergiftet mit Hass, wollte die Geschichte mit Blut schreiben. Sein Wille war es, zu kämpfen bis zum bitteren Ende. Und das Ende kam bitter...
„Steh auf und kämpfe wie ein Mann!“, brüllte Guerro, “Ich verfluche dich, du Feigling!“.
Mit eiskalter Mine rammte er sein Schwert in den Boden, Navbar konnte fühlen, wie die Erde bebte. Die vier apokalyptischen Reiter erschienen, der Himmel verwandelte sich in ein schwarzes Loch und es schien so, als öffneten sich die Tore der Hel, als sich schwarze Flammen um sie herum züngelten und die Umgebung verwüsteten.
Man konnte Navbars Angst in der Luft riechen, schmecken und fühlen. Trotzdem versuchte er sich nichts anmerken zu lassen.
Das Gesicht Guerros hatte sich verändert. Es sah so aus, als würde er lächeln, doch es war ein kaltes, böses Lächeln. Jegliches Gefühl wich dem Zorn. Navbar bewegte sich nicht, obwohl er weglaufen konnte, blieb er am Boden, wie ein Stein.
Er wusste, dass es besser wäre, jetzt im Kampf zu sterben als auf ewig ein Feigling zu sein, also sprach er ein Gebet und wartete auf das Unumgängliche.
Guerro nahm sein Schwert und hielt es über Navbars Brust. „Es ist Zeit für die Abrechnung“, flüsterte er.
Kalter Schweiß rannte Navbar das Gesicht hinunter, langsam schloss er seine Augen.
Guerro brüllte einen Kriegsschrei, als er Navbar sein Schwert in die Brust rammte...
Guerro atmete schwer. Nur langsam kam er wieder zur Besinnung. Er schaute sich ein wenig benommen auf dem Schlachtfeld um. Er hatte sein Schwert immer noch fest im Griff.
Er war sich nicht sicher, was geschehen war, alles schien so unwirklich, wie in einem Traum.
Er zog die Klinge aus Navbars Brust.
„Es ist vorbei“, dachte er.
Das Schwert fiel zu Boden, Guerro machte ein paar Schritte nach hinten, bevor er dann in die Knie sackte. Es fing an zu regnen.
Wo ist plötzlich die Kraft, die Courage hin, die ihm gerade noch durch die Adern floss?
Er blickte zu seinem Schwert, griff es und richtete sich damit auf. Sein ganzer Körper schmerzte, er fühlte jeden einzelnen Muskel in sich.
Für einige Sekunden war es wirklich ruhig auf dem Schlachtfeld. Er schloss die Augen und ließ sich über das Gesicht rinnen. Kurz genoss er die vergängliche Entspannung.
Der Krieger ging schweren Schrittes weiter, an den Gefallenen vorbei, auf der Suche nach denen, die an seiner Seite gekämpft haben. Er fand sie fürwahr, einige tot, andere den Sieg feiernd.
Es wurde ein Fest organisiert, so gut und schnell wie möglich, auf dem Boden Kordos.
Die Siegreichen sangen, tranken und feierten. Dabei dachten sie auch an ihre gefallenen Gefährten.
Guerro stand etwas abseits der Feiernden an einen Baum angelehnt. Er schaute in die Sterne, es war schon spät geworden. Er holte das Schwert aus der Scheide und begann langsam und leise vor sich hin zu reden: „Mein Vater gab mir einst dieses Schwert an seinem Sterbebett, er meinte, es sei dann in den besten Händen. Er hat mir nie erzählt welche Macht es entfesseln kann." Er begann, sich aufzuregen und zu brüllen, ein Adrenalinstoß durchzog ihn wie eine Schlange. „Sieh mich an, Vater! Schau meine Hände an, glaubst du immer noch, es sind die besten Hände? Ich bin dieser Klinge nicht würdig.“, sagte er dann wieder leise, als er sie mit aller Kraft in die Nacht hinaus warf. Wahrlich, Guerro hasste diese unheilige Klinge, denn der letzte große Krieger, den sie niederstreckte, war Guerros einziger Bruder.
Er musste nachdenken, es zog ihn in den nahe gelegenen Wald.
Er wusste nicht, wohin er ging, die Gegend war ihm nicht vertraut.
In seinem Kopf ging die Schlacht von Neuem los, vom ersten Sturm seiner Truppen bis zu dem entscheidenden Kampf mit seinem Bruder Navbar. Nicht für alles, was er getan hat, verdiente er es, von mir getötet zu werden, sagte er leise zu sich selbst. Er war froh, alleine zu sein, was würde es für einen Eindruck machen, wenn er sich die ganze Zeit selbst bemitleidet. Der Krieger tauchte wieder aus seinen Gedanken auf und fand sich an einer kahlen Waldlichtung wieder. Er fühlte sich ermattet, er hatte zuletzt sehr wenig Ruhe gehabt.
Er legte sich in das Gras und versuchte zu schlafen. Jedoch fand er keine Ruhe. Er stand auf und sah sich ein wenig um. Guerro schrak auf, sein Gehör hatte ihn noch nie getäuscht. Er spürte förmlich, dass sich jemand näherte. „Komm raus du Feigling!“, schrie er in Richtung der Bäume. Sein Ruf wurde tatsächlich erhört, denn es erschien jemand. Guerro war ein mutiger Mann, aber das war schon ziemlich hart, selbst für seinen Geschmack. Es kam einer Wahnvorstellung gleich, was sich vor seinen Augen abspielte. Er fühlte sich, als würde jemand mit seinem Verstand Ball spielen.
Wie aus dem Nichts in der Dunkelheit kam Navbar hervor und in seiner Hand hielt er das Schwert, das Guerro noch vor wenigen Stunden in die Nacht hineinwarf. Navbar stapfte in Guerros Richtung, aber der Krieger rührte sich nicht, er blieb eisern stehen. Auch dann noch, als Navbar zu rennen begann, das Schwert in der Hand wirbelnd. Navbar holte zum Schlag aus, Guerro rührte sich nicht. Navbar schlug das Schwert in den Boden, nur wenige Meter von ihm entfernt, es spielte sich das gleiche apokalyptische Szenario ab, wie bei der schicksalhaften Schlacht zuvor. Navbar mutete an, als hätte ihn sein Grab nicht halten können. Die tödliche Wunde am Herzen brannte sich in Guerros Augen. Navbar ließ das Schwert im Boden stecken, Blut blieb am Griff zurück. „Wie kann das sein?“, fragte Guerro.
Navbar erwiderte: „Guerro ich hege keinen Groll dir gegenüber, ich liebe dich immer noch wie einen Bruder. Ich hatte den Tod verdient. Vielleicht war es mir ja vorbestimmt, durch diese Klinge, die ich einst begehrte, zu sterben."
Guerro wiederum sprach: „Was treibt dich dann hierher, was willst du von mir?“
„Dich warnen!“, warf Navbar ein, „Wenn du dich dieses Schwertes auf so einfache Art entledigst, ist das Problem nicht aus der Welt. Es muss endlich zurück in die Hände seines Erschaffers. Es ist zu mächtig, für niemanden kontrollierbar. Bedauerlich, dass ich das jetzt einsehen muss, es hätte viel vermieden werden können. Du wirst wissen, was zu tun ist, wenn du aus deinem Schlaf erwachst. Ich habe es nicht ins Valhalla geschafft, aber du hast noch die Möglichkeit. Ich möchte, dass die von Erflog gekrönte Mission deine letzte ist, auf deinem Weg an Odins Seite. Erfülle deine Pflicht.“ Navbar griff Guerros Hand, der ihm ungläubig in die Augen blickte, kein Zweifel, es war Navbar.
Guerros sprang mit einem Satz, schweißgebadet, aus seinem Schlaf auf. Tatsächlich wusste er, was zu tun war. Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, seine Hand war blutbefleckt. Das Blut war noch warm. Und als er auf den Boden schaute, sah er da dieses Schwert mit blutverschmiertem Griff, schimmernd im Morgenrot.
Mittlerweile war die Sonne aufgegangen. Ein paar Sekunden stand er regungslos vor dem Schwert. War das wirklich ein Traum? Warum wurde er auch nach der Schlacht seelisch so gepeinigt? Hatte er nicht genug brennende Agonie erlitten? Er zog das Schwert aus dem Boden, es war natürlich das besagte magische Schwert. Guerro kannte es gut, er konnte ein Buch darüber schreiben. Gerne prahlte er damit, wie perfekt der Schliff sei, dass einen die Verzierungen um den Griff mit ihrer Schönheit hypnotisieren können. Die Klinge war aus handgeschmiedetem Stahl und spiegelglatt, nichts blieb an dem Stahl kleben. Dennoch macht es den Eindruck, als wäre es in der Hel geschmiedet. Der Griff sah aus wie die legendäre Meduse von der Geschichten bis ans Loch Leguan Tribunal gelangten. Sechs Schlangenköpfe, umwanden einen Schädel mit Hels abstoßenden Merkmalen, mit weitgeöffnetem Maul. Zwischen dem Schädel und den Schlangenköpfen, lag ein Pentagramm. Die Parierstange zeigte ebenfalls zwei Schlangen mit langen, spitzen Zungen. Links und rechts bilden sie die Grenze von Klinge und Griff. Zwischen Parierstange und Griff, lag ein Skelett, lang wie der ganze Griff. Dieses Schwert war aufgrund seiner leichten Handhabung besonders für den Nahkampf geeignet. Er war immer fasziniert von diesem Schwert. Jedoch hatte er nun jegliche Sympathie dafür verloren. Er beschloss, Navbars Spuren zu beseitigen. Ein bisschen abseits der Waldlichtung plätscherte ein kleiner Bach, als hätte dieser Ort nichts von dem Schrecken mitbekommen, der noch vor wenigen Stunden wütete, rauschte hier eine zum Entspannen einladende Idylle. Er wusch sich und das Schwert in dem Bach. Guerro erinnerte sich daran, dass seine Truppen stromaufwärts und stromabwärts ihre Lager aufgeschlagen hatten. Das war der Orientierungspunkt für jene, die in diesem fremden Land verloren gehen sollten.
Stromaufwärts lag sein Lager. Er war noch nicht lange unterwegs, da sah er schon die ersten Pferde am Bach trinkend. Er entschied sich für das Pferd seines treuen Weggefährten Teltus und widmete ihm einige Gedanken, um ihn nochmals zu würdigen. Trotzdem hatte er seinen Auftrag noch nicht vergessen, Navbars Worte hallten immer noch in seinem Kopf wieder. „Er fragte mich, ob ich mich noch an den alten Schamanen Hornilla erinnern würde, ihn müsste ich aufsuchen. Denn jener Schamane erschuf einst dieses Schwert mit schwarzer Macht. Ich müsste mich aber sputen, weil es scheint, als ob sich sein leben dem Ende zuneigt. Er lebt ein wenig abseits unseres Königreiches, zurückgezogen in einer brüchigen Hütte. Er fügte hinzu, dass ich mich westwärts halten soll, wenn ich die Grenzen des Königreiches erreicht haben sollte." Eine Dreitagesreise stand ihm bevor. Auch wenn er froh war, wieder heimwärts zu ziehen, beunruhigte ihn etwas, es machte ihm dermaßen Kummer, dass er automatisch mehr Tempo gab. Je näher er an seine Heimat kam, umso mehr Sorgen überkamen ihn.
Er wäre wahrscheinlich wahnsinnig geworden, hätte er an diesem Morgen des zweiten Tages keine Gewissheit gefunden. Sein Königreich war in Flammen umgekommen. Das Schloss war ein Trümmerhaufen. Was ihn aber dazu brachte, in die Knie zu gehen, war die Tatsache, dass der König, als sein Reich fiel, nicht da war um darum zu kämpfen, sondern seinem Bruder das Leben nahm.
Ein paar Tränen rannen ihm übers fahle Gesicht.
Das Entsetzen war in seine Mimik gemeißelt, er warf seine Hände zu Boden und krallte sich im Gras fest, um nicht loszuschreien, aber es musste raus. Der ganze Hass, all seine Furcht und all seine Kraft stecken in diesem Mark erschütternden Wutentladungsschrei. Die Raben, die eben noch auf den kahlen Bäumen hockten, suchten schnell das Weite. Guerro empfand es als ein Sinnbild seiner momentanen Psyche, als er die Vögel des Todes über seinem, zum Scheiterhaufen gewordenen, Reich fliegen sah. Alles, wofür er als König kämpfte, was einst Recht und Ordnung war, ward aus dem Dorf, das einst um das Schloss Sol-Naciente lag, tot und vergessen. Wo war sein Volk hin? Guerro folgte einem ärmlichen Wimmern, das er aus einem der verkohlten Hütten vernahm. Er räumte ein paar Bretter zur Seite, um sich einen Weg zu bahnen. Mit einem Mal hörte das Wimmern und Schluchzen auf. Er sah sich misstrauisch um. Als er sich gerade wieder nach draußen wenden wollte, zischte ein Pfeil Millimeter an seinem Kopf vorbei. Als er sich umdrehte, konnte er eben noch ausweichen, ansonsten hätte ihn wohl die kleine Gestalt, die jetzt keuchend am Boden hockte, schwer verletzen können, mit dem Dolch in seiner Hand.
„Was fällt dir ein?“, ging Guerro über die Lippen. Es war ein Junge, nicht älter als zwölf. Er trug Lumpen, fast völlig farblos und einen wenig schönen, leicht staubigen Hut über seinen struppigen Haaren. Sein Gesicht war ängstlich und verbittert, er schien viel Trauer miterlebt zu haben, in seinem jungen Leben. Er besaß einen Köcher mit sechs Pfeilen und einem Bogen, den er auf seinen Rücken geschnallt hatte und den besagten Dolch in der linken Hand. Der Kleine hatte eine schnelle Zunge, er beschimpfte den vermeintlichen Eindringling wüst, bevor er fragte, was der Grund für sein Eindringen war. Guerro antwortete barsch, „Die Fragen stelle ich! Also, was ist da draußen geschehen und wo sind dein Vater und deine Mutter?“
„Ich kann dir nicht sagen, was passiert ist, ich war im Wald auf der Jagd nach Rebhühnern und als ich wieder nach Hause kam, war alles am Brennen. Bis auf mich sind alle fort.“, sprach er gehorsam, aber atemlos.
„Sag mir deinen Namen, Kleiner.“
„Ich bin nicht dein Kleiner, für dich immer noch Loon, der Mutige! Tag und Nacht wache ich ohne Pause über diese Hütte.“ Guerro konnte sich ein leichtes Lachen nicht verkneifen, es sah schon ulkig aus wie er da stand, mit stolz geschwelter Brust als könnte er sich keine Blöße geben. Obwohl man wirklich sagen muss, dass er seine Sache gut machte. Denn sein Mut war wirklich beachtlich für sein Alter. Er überlegte nicht und entschloss sich, den Kleinen mitzunehmen. Er hatte das Potenzial eines Kriegers und außerdem war er der letzte Bürger in diesem Geisterdorf, er konnte ihn nicht alleine lassen. Loon war nicht schwer zu überreden, vielleicht würden sie ja seine Eltern wiederfinden. Der Kleine packte ein Wenig zu essen ein und folgte Guerro aus der Hütte. „Wie lange wartest du schon dort?“, fragte Guerro.
„Nicht besonders lange, eine Woche vielleicht“. Sie unterhielten sich ein wenig auf dem Weg zurück zu Teltus Ross. Guerro erzählte ihm auch, wieso er hier ist und welche Position er einnimmt, nur die Sache mit seinem Bruder ließ er absichtlich aus.
„Der König?“, brach es aus Loon heraus, „Und wo war eure Majestät, als das hier geschah?“ Loon deutete auf die Trümmer hinter ihnen. Darauf wollte er nicht antworten.
„Er ist noch ein Kind“, dachte Guerro in sich aufbrausend vor Trauer und Schmerz. Trotzdem war es schon richtig, was Loon sagte. Er hätte da sein müssen. Und es stimmt, er ist kein König mehr, jetzt nicht mehr. Guerro und Loon ritten westwärts, wie es Navbar befohlen hatte.
Er war beruhigt, als das, was mal sein Schloss war, nicht mehr hinter den Hügeln zu sehen war.
In der Abenddämmerung erreichten sie einen Wald. Nicht weit von seiner Grenze zur Prärie stand ein modriges Haus. Es war anscheinend Hornillas Haus. Als Guerro von dem Pferd abstieg und dem Haus näher kam, durchzog ihn eine böse Vorahnung wie eine Gänsehaut.
Er hatte die Hand am Griff des Schwertes. Loon betrachtete aufmerksam jede Bewegung Guerros. Behutsam drückte Guerro die Tür beiseite, um in Hornillas Haus einzutreten. Bei jedem Schritt auf das morsche Holz, regnete es Staub von der Decke. Aus dem hinteren Teil des Hauses drang eine krächzende und gebrechliche Stimme, ganz eindeutig die Stimme von Hornilla. „Wer stört?“, war zu vernehmen. Noch, bevor er antworten konnte trat aus einer provisorisch gehämmerten Tür, die wohl zu dem Schlafraum führt, ein etwas älterer Mann. Für sein Alter noch recht vital, kommt darauf an, was man unter vital versteht. Er trug ein graues Gewand ohne Schuhe. Er hatte ein runzliges Gesicht mit spärlichem Bartwuchs. Über seiner faltigen Stirn, war eine Halbglatze platziert, mit dünnem, grauem Haar. Guerro hatte sich einen kleinen Mann, am Stock gehend, vorgestellt. Hornilla sah nicht unbedingt wie jemand aus, der kurz vor dem Tode stand, so wie Navbar es schilderte.
“Ich nehme an, du weißt warum ich hier bin?“, sprang es aus Guerro heraus.
„Nein, und ich hab auch jetzt keine Zeit für.... .“ Da erblickte Hornilla das Schwert. Er schien sehr fasziniert davon zu sein, denn seine Augen wichen einige Minuten nicht davon weg. Er zog es aus der Scheide.
„Erzählt mir die Geschichte dieser Klinge, ich bitte euch!“, sprach Guerro.
Hornilla wurde nachdenklich. „Zuerst eine Frage, wer bist du und wie kommst du an dieses Schwert?“
„Mein Name ist Guerro Naciente, erstgeborener Sohn des großen Königs Turel Naciente. Dieses Schwert, ist mein Erbe und Fluch zugleich.“.
Hornilla hatte verstanden, er wusste, dass dieser Tag kommen würde und fand automatisch die passenden Worte. „Also, gut, ich will mal nicht so sein. Lass mich überlegen, ich glaube, alles begann vor etwa zweihundert Jahren. Ich lebte damals schon als Einsiedler in diesem Wald. Eines schönen Tages klopfte es an meine Tür. Ich öffnete und vor mir stand eine alte Frau mit einem Buch in der Hand. Ein paar Sekunden standen wir beide regungslos in der Tür. Sie hatte ein verbittertes Gesicht, mit traurigen Augen. Ich nahm ihr das Buch ab und wollte sie hinein bitten, aber da war sie schon verschwunden. Ich studierte dieses Buch und stellte schnell fest, dass es ein Buch über Schwarze Magie war. Die Schrift war, abgesehen von dem Vorwort, in unserer Sprache. Das Vorwort war in Goor, die Sprache der Untoten, und die ersten Worte ließen sich übersetzen als, gesegnet mit dem Blut der Midgardschlange.
Trotz dieser abstoßenden Worte ließ ich mich nicht abbringen, von dem Buch zu lernen.“
Hornilla legte seine Hand auf den Tisch, der staubige Becher auf der anderen Seite des Tisches rutschte in Hornillas faltige Pranke, wie von Geisterhand. „Chers!“, sprach Hornilla, als er aus dem Becher trinken wollte. Er hätte besser vorher in den Becher hinein gesehen, denn das nächste, was man sah, war wie Hornilla eine tote Ratte durch den Raum spuckte.
Er wischte sich angewidert den Mund ab und fuhr fort. „Das war das erste, was ich lernte. So eine Art Telekinese. Dinge mit Gedankenkraft steuern. Ich lernte noch viel mehr, und konnte mich schon nach dreißig Jahren an die hinteren Kapitel wagen. Da war ein Spruch, der mich sehr interessierte. Es ging um den mächtigsten Zauber in dem Buch. Von einem Schwert war die Rede, das die Macht hat, zur Entfesselung der Apokalypse. Ich schuf dieses Schwert, um dem damaligen König ein Geschenk zu machen. Es war dein Ur-Urgroßvater.
Von da an war ich an seiner Seite. Doch das Schwert brachte nur Unheil. Es betäubte den Verstand von einst gerechten und großen Männern. Und führte bis zu deiner Generation bei jedem König zu Mord und Totschlag. Dein Urgroßvater richtete mit dieser Klinge erst seine Frau und dann sich selbst. Es war die Pflicht des Königs, das Schwert an den erstgeborenen Sohn weiter zu geben, wenn er starb. Dein Bruder Navbar, ich weiß davon, sowas bleibt mir nicht verborgen. Es war in diesem Fall nicht Unrecht. Er und seine Truppen waren völkermordende Bestien. Es mag vielleicht schmerzen, aber dein Vater ist nur König geworden, weil er seinen Bruder mit dieser Klinge erschlug. Als dein Vater starb, ging ich wieder zurück in mein Einsiedlerdasein. Ich hatte mich immer gefragt, wann einer aus deiner Familie hierher kommen würde, um das Schwert zurückzugeben. Und da stehst du mit dem Schwert in der Hand.“
Guerro war sprachlos. So viel Mörderisches und Intrigen waren auf dem Namen Naciente gepflastert.
„Bist du bereit, das Schwert aus den Händen zu geben?“, fragte ihn Hornilla.
Guerro legte das Schwert auf den Tisch.
„Ich danke dir Hornilla.“
Mit diesen Worten rauschte Guerro aus dem Haus.
Hornilla stand auf und griff nach dem Schwert, ein Zischen ging ihm über die Lippen, als ob sich eine Schlangenzunge durch seinen Mund zwang.
Die Tür schoss auf, schneller als Loon seine verbotenen Blicke durchs Fenster
unterbrechen konnte. Guerro griff Loon am Arm und schleifte ihn mit auf das
Pferd. Er und Loon ritten, so schnell die Hufe des Pferdes sie trugen, in
Richtung der Überreste seines königlichen Schlosses. Als sie dort ankamen,
hatten die Flammen bereits aufgehört zu lodern. Dennoch lag ein Geruch in der
Luft, der an Schwefel errinerte. Es war zum Fürchten still. Die Wut kehrte in
seine Augen ein. Er war auf der Suche nach Relikten des Angreifers. Guerro war
ein ausgezeichneter Spurenleser, doch nichts wies auf einen Kampf oder eine
Flucht seines Volkes hin. Eine aussichtslose Situation. Das treue Volk von
Naciente war wie vom Erdboden verschluckt. Es war unmöglich zu schlussfolgern,
wer eingedrungen war. Ewig würde sich seine Seele quälen, könnte er nicht Rache
üben. Er gab die Suche auf und richtete seine Schritte in das Schloss hinein.
Die Waffenkammer befand sich glücklicherweise im Keller. Hier hatte sich nichts
verändert. Keine Zerstörung. Loon warf seinen Dolch weg und legte sich ein
königliches Schwert, was eigentlich nur den Soldaten vorbehalten war, um. Guerro
tat dem gleich. Es war ein gutes Gefühl, wieder bewaffnet zu sein, für Guerro.
Trotzdem, ihm fehlten seine Truppen. Die letzten Krieger seines Reiches. Er
beschloss, zu ihnen zurückzukehren, um ihnen Kunde zu bringen vom Anschlag auf
ihre Familien und Wohnsitze. Als er und Loon den ersten Tag durchritten hatten,
rasteten sie in einem kleinen Waldstückchen. Guerro versuchte ihm den Umgang mit
dem Schwert beizubringen, mit erstaunlichem Erfolg. Viele Stunden trainierten
sie, bevor sie sich zu Schlafe legten. Den traurigen Helden plagte in dieser
Nacht ein schlimmer Albtraum. Der Traum spielte sich auf seinem Königreich ab.
Von Osten kam ein Trupp mit Kriegern. Es waren übel zugerichtete Menschen,
teilweise sehr schwer verletzt. Es sah so aus, als ob die Lazarette beider
verfeindeter Truppen einen Ausflug machen würden. Angeführt wurde dieser Trupp
von einem Mann, den Guerro zu kennen schien, und einem grässlichen Biest, das
mehr Schlange als Mensch war. Das Bild wurde deutlicher und man konnte Gesichter
erkennen. Der Mann an der Seite des Biestes war Navbar. Und die Truppen hinter
ihm waren die Kämpfer, die bei der Schlacht in Kordos ihr Leben lassen mussten.
Unter ihnen war auch Teltus, er war einer der unerschrockensten Krieger in
Guerros Reihen gewesen. Er hatte ganz zum Schluss sein Leben lassen müssen. Was
für ein merkwürdiges Bild. Der Trupp blieb vor den Trümmern des Schlosses
stehen. Die Schlangengestalt begann, in einer fremden Sprache mit unheilvollem
Klang magische Formeln aufzusagen.
Es musste wohl Magie gewesen sein, denn mit einem ohrenbetäubenden Beben krachte
die Erde auf und aus dem Feuer vor dem Trupp brach ein schwarzes Schloss hervor.
Alles um das Schloss herum verbrannte in Sekunden und nichts blieb übrig. Die
Krieger zogen in das finstere Schloss. Mit diesen Bildern wachte der Krieger
auf. Über ihm war der Himmel schwarz, als ob es Nacht wäre, es war aber Tag,
denn man konnte erkennen, dass die Sonne noch gegen die dichten Wolken
ankämpfte. Guerro kannte diese Art von Träumen. Was er da gesehen hatte, war
eine Vision. Loon war schon wach und hockte vor den Bäumen. Er ging zu ihm, um
ihn zu wecken, aber er war schon emsig am Pfeile schnitzen. Guerro klopfte ihm
auf die Schulter, Loon richtete sich auf. "Genug Spuren?", witzelte er herum und
deutete auf die vollkommen kaputtmarschierte Landschaft. Als ob Hunderte auf
einmal vorbeigezogen waren, vergangene Nacht.
Es war höchste Zeit, der Feind war nicht mehr unbekannt.
Sie mussten noch heute Guerros Armee erreichen.
Sie verschwendeten keine Zeit und ritten weiter Richtung Osten.
Auf der Hälfte des Weges kamen ihm seine Armeen entgegen. Angeführt von Batuk,
dem einzigen Mann, dem Guerro sein Leben anvertrauen würde, wenn es nötig wäre.
Die Krieger, teilweise auf Pferden sitzend, teilweise auf dem Boden stehend,
stellten sich vor ihrem König auf.
"Sind sie bereit zum Kampf, Batuk?"
"Was meint ihr? Diese Männer kommen gerade vom Kampf und sind auf dem Weg nach
Hause. Ich kann euch nicht sagen, ob sie noch mal in den Krieg ziehen werden."
"Es gibt kein Zuhause mehr, Batuk. Falls dir der Sinn nach einem Heim steht,
kämpfe mit mir darum".
Guerro wand sich von Batuk ab und richtete das Wort an die Krieger.
"Ihr Verteidiger des Königreiches Naciente! Die Schlacht ist geschlagen, aber
der Krieg ist noch nicht vorbei. Während wir den Sieg feierten, wurde das, was
wir einst unser Heim nannten, durch unseren Feind vernichtet. Das Schloss
genauso wie euere Heime. Nichts lebt mehr an diesem Ort. Der Feind hat dort
Einzug genommen.
Ich appelliere an euere Loyalität mir gegenüber. Kämpft an meiner Seite, um das
zurückzugewinnen, was einst uns gehörte. Ich weiß, ihr seid stolze und mutige
Krieger, ihr habt dem Tod immer ins Gesicht gelacht. Einige werden sterben, doch
sie werden sterben als Helden in der Geschichte unseres Königreiches. Lange wird
man sich an diese Schlacht erinnern. Also, frage ich euch, seid ihr bereit, in
die Geschichte einzugehen als die Größten Krieger aller Zeiten?".
Ein Jubelschrei kam von den Kriegern, mit soviel Eifer hatte Guerro nicht
gerechnet.
Ein Feuer entfachte in ihren Augen wie Freude und Angst zugleich.
"Hoch lebe König Naciente!", brüllte die Menge, ihre Arme in die Luft gestreckt,
als sie sich auf den Weg machten in die alles entscheidende Schlacht.
Die Sorge stand dem traurigen Helden im Gesicht.
Diese Schlacht brauchte ein Wunder, wenn er sie siegreich verlassen wollte.
Sie waren waffen- und zahlenmäßig weit unterlegen.
Abgesehen davon verlangte es allen nach Ruhe vom Kampf, sonst waren sie bald
stehend K.O.
Es war schon merkwürdig, wie schnell sich Guerros Männer überzeugen ließen.
Man musste aber auch bedenken, dass sie außer ihrem Leben nichts mehr zu
verlieren hatten.
In dem Fall war es wohl besser, den Heldentod zu sterben.
Dann hielten sie wohl die nahende Schlacht für ihr Ende.
Wie in Trance führte er die Krieger zurück in sein Königreich. Für Guerro
spielte sich jeder Schritt in Zeitlupe ab.
Guerro dachte wieder an diesen Traum. Es war nicht das erste Mal, dass er die
Wahrheit berichtete. Sein Feind war erneut sein Bruder.
Trotzdem, die wirkliche Bedrohung ging von einem Wesen aus, das Guerros Verstand
nahe an den Rand des Wahnsinns trieb. Es war kein Mensch, soviel war klar. Es
wandelte eher auf den Pfaden einer Schlange. Das war aber auch schon alles, was
er über seinen Feind zu wissen vermochte. Was trieb jene Kreatur dazu, das Reich
des Königsgeschlechts der Nacientes einzunehmen? Guerro wurde von Loons Gejammer
jäh aus seinen Gedanken zurückgeholt.
"Guerro, hör doch mal zu. Guerro!"
"Was willst du?"
"Sag mir, welche Rolle ich in diesem Kampf habe".
"Ganz einfach, du wirst nicht daran teilnehmen. Die Schlacht ist zu wichtig, als
dass ich mich um dich kümmern könnte. Ich will nun nichts mehr hören!"
"Du kannst mich nicht abhalten, ich will ein Teil davon sein", ging in Loons
Kopf auf und ab.
In der Abenddämmerung erreichte die Armee das wüste Land vor dem Schlachtfeld.
Als hätte eine unbarmherzige Feuerwalze alles getilgt, was einmal lebte, wirkte
die verkohlte und graue Landschaft.
Die Männer schlugen die Lager auf.
Ein effizienter Plan war von Nöten.
Asgar war einer der Krieger, die ihre Blicke auf das schwarze Schloss bannten,
ohne eine Miene zu verziehen.
Sie waren wie hypnotisiert von diesem entweihten Ort.
Der Truppenführer klopfte Asgar auf die Schulter und holte ihn aus der Trance.
Loon hatte sich auf einen Stein gesetzt und schnitzte Pfeile.
Er fluchte übel, um seine Wut über Guerros Entscheidung, ihn vom Kämpfen
abzuhalten, zu befreien.
Ein Pfeil war Loon besonders gut gelungen, er markierte ihn mit einem Stern. Er
sollte ihm als Glücksbringer dienen.
So vergingen vier Tage der Vorbereitung.
In diesen vier Tagen hatten sich keine Feinde blicken lassen. Es war totenstill.
Die Truppen Guerros standen bereit zum Angriff auf dem Schlachtfeld.
Wieder diese Stille.
Diese nervenzerreibende Ungewissheit.
Kein Lüftchen wehte, es war gespenstisch still.
Keiner ließ es sich wirklich ansehen, aber sie befürchteten alle schon, es gäbe
keinen Feind zu besiegen und ihr König hatte sie in die Irre geführt, bis zu
diesem Augenblick.
Denn langsam und stetig öffneten sich die Pforten des dunklen Schlosses.
In der Sekunde, in der die Tore den Weg freigaben, marschierte der Feind auf das
Schlachtfeld zu.
Mit eiserner Miene, ohne Spuren von Gefühlen in ihren Gesichtern.
Viele Männer gerieten in tiefe Furcht vor dem Grauen, welches sich vor ihren
Augen abspielte.
Die Schlacht hatte noch nicht einmal begonnen, da hatten die Krieger schon
genug.
Es waren die gefallenen Krieger Nacientes und Kordos, die ihr Leben lassen
mussten, wenige Tage zuvor, und nun wieder in die Schlacht zogen, als ruhelose
Untote, wohl angetrieben von einer höheren, dunklen Macht.
Die Krieger auf der feindlichen Seite machten nicht Halt, sie gingen ohne Pause
im Gleichschritt weiter auf Nacientes Krieger zu.
Auch Nacientes Krieger waren nun nicht mehr bereit zu warten und stürmten, ihren
Kriegsschrei brüllend, los.
Die Erde schien zu beben beim ersten Aufeinandertreffen der Krieger.
Die Ordnung war schnell verloren in einer Geräuschkulisse von Schreien und
aufeinandertreffenden Klingen.
Für die Krieger hörte die Zeit auf zu existieren, es gab nur noch den Drang zu
töten.
Die Empfindungen waren taub, schon am Beginn der Schlacht. Die Kraftlosigkeit,
die Nacientes Krieger noch in den Knochen steckte, machte sich bemerkbar. Sie
gerieten schnell in die Defensive. Das, was einst ihre Kraft gewesen war, war
nun purer Überlebensinstinkt.
Nur davon gingen ihre Taten von nun an aus.
Die dunklen Krieger gaben keinen Laut von sich, sie waren wie der gewissenlose
Tod, bewaffnet mit Schwert und Schild, mit eiskalter Miene. Die perfekten
Krieger, wie schnell klar wurde.
Der um sein Amt kämpfende König interessierte sich nicht für die Untoten.
Er suchte seinen Bruder.
Er stürmte ins Schloss, jeden, der ihm im Weg stand, niedermähend.
Er war nun im Schloss abgeschnitten vom Kampf.
Guerro vernahm eine Stimme, er folgte ihr. Die Stimme war düster und
ehrfurchgebietend, sie ließ selbst einen mutigen Mann das Fürchten lehren.
"Dies ist mein Reich der Toten, mein wüstes Land, das Nichts."
Was sollte das bedeuten? Die Worte hallten weiter in Guerros Kopf.
"Jenseits der knochenbewundenen Tore. Hier wird die wahre Finsternis am Grunde
aller Dinge Wirklichkeit.
Was wir in diesem Reich sehen, ist leer wie eines toten Mannes Blick, so kalt
wie das Licht eines sterbenden Sternes."
Er folgte einer Treppe, hinauf, bloß hinauf. Aus irgendeinem Grund musste er
dort hoch.
Die Treppen glänzten in spiegelglattem, schwarzem Marmor.
Nicht verziert, recht trostlos. Die schlicht schwarzen Wände waren unedel und
traurig.
Diese Schlichtheit strahlte einen edel anmutenden Respekt aus.
Als er oben ankam, wusste er nicht, ob er weinen oder jubeln sollte, denn vor
ihm stand Navbar.
Ihre Augen froren aneinander fest.
Navbar zog ein Schwert, es war das Schwert, das ich richtete.
Der Kriegerkönig hatte sich gerade zur Verteidigung bereit gemacht, doch Navbar
warf das Schwert in die Luft. Guerro folgte der Klinge mit seinen Augen, als es
wieder nach unten flog, war es nicht Navbar, der es auffing, die Hand am Griff
gehörte dieser grotesken Figur, die die schwarze Magie zu beherrschen vermochte. Sie
war mindestens zweieinhalb Meter groß, hatte schwarze Schuppen, so groß wie
Teller. Die Hände und Füße waren mit scharfen Krallen bestückt. Aus der düsteren
Fratze ragten riesige Fangzähne. Eine Schlangenzunge peitschte aus dem Maul.
Das Wesen trat hervor und begann zu reden.
"Ich begrüße dich, Guerro Naciente. Aber nicht doch, begrüßt man so alte
Freunde?"
Guerro hatte sein Schwert gezogen und war bereit zuzuschlagen.
"Eine wunderschöne Schlacht, findest du nicht?"
Guerro brach dazwischen, "Schluss mit diesem obskuren Mist, lass uns zur Sache
kommen.
Sag mir deinen Namen."
Guerro überlegte hin und her. Er hatte das Gefühl, den Kerl zu kennen. Diese
Stimme war so vertraut, aber das war doch nicht möglich. Diese Schlangengestalt
war also...
Die Schlange warf ein, bevor Guerro die Worte im Mund formen konnte:
"Nein, Hornilla ist tot, es gibt ihn nicht mehr. Er ist Geschichte. Ich bin die
Midgardschlange. Die Prophezeiung hat sich erfüllt, das Ende wird über dich und
deine jämmerliche Welt kommen. Denn die von Loki, dem Bruder Odins, geschändete
Schlange ist endlich wiedergeboren, um die Welt zu säubern. Bald kommt der Tag,
an dem ich die Verwandlung abschließe. Das wirst du nicht mehr miterleben. Und
das hat Hornilla alles nur dir zu verdanken.
Ich hätte auf keine willigere Marionette hoffen können, als auf dich, Guerro.
Du bist genauso schwach wie deine Vorväter, die Asen, du hast das Leben nicht
verdient, du Versager.
Doch du sollst nicht dumm sterben, so wie deine Krieger da draußen, deshalb
sollst du alles erfahren.
Also, wie du dich sicher noch erinnern kannst, habe ich eine Schwäche für
schwarze Magie.
Dieses Buch, es verlieh mir unglaubliche Macht.
Doch ich war dumm, denn ich steckte meine Macht, meine ganze Macht, in dieses
Schwert.
Sie konnte dort auf ewig bewahrt werden. Allerdings war ich von da an auf dieses
Schwert angewiesen. Ist es nicht in meinen Händen, droht mir der Tod.
Die Truppen deines Ur-Urgroßvaters nahmen mir meine Macht, als sie mich
ausplünderten.
Doch bevor sie es nehmen konnten, verfluchte ich es für alle Zeiten. Das
Ergebnis war die Ausrottung, die beinahe vollständige Ausrottung der Familie
Naciente. Jedoch war ich immer noch an die Klinge gebunden und ich hätte schnell
mein Leben lassen müssen, wäre ich der Klinge nicht gefolgt bis an die Seite des
damaligen Königs."
"Also war das dein Racheakt? Sehr interessant."
"Oh, warte, es kommt noch besser. Denn die letzte Formel, bevor das Schwert in
meine Hände trieb, war eine ganz besondere. Ich habe die Bürger deines Reiches
auf die lange Reise zu Hel geschickt, du Schwachmat, um Platz zu schaffen für
mein eigenes Reich der Toten.
Und als du mir das Schwert zurückgabst, war der Weg bereitet für meine Armee der
gefallenen Krieger, die dort draußen für mich, die Midgardschlange, erneut ihr
Leben hingeben.
Dieses Buch gab mir die Möglichkeit, ein Gott zu werden, der über dem Tode
steht." Die Schlange betrachtete zungeschnalzend ihre Hände. Wenn er ein Gott
war, war er unsterblich. Er musste getötet werden, solange die Möglichkeit
bestand. In Guerro staute sich ein Feuer von Wut zusammen, wie er es nie zuvor
gespürt hat.
"Du verfluchte Kreatur, du bist schuldig des Völkermordes, du hast die
Geschichte meiner Familie mit Blut geschrieben und du hast den Frieden der Toten
vernichtet. Ich zeige dir, wer hier kein weiteres Leben verdient hat!"
Mit diesen Worten stürmte der kriegerische Monarch auf sie zu.
Er holte mit seinem Schwert aus und schlug blind auf das apokalyptische Wesen
ein.
Als er die Augen öffnete, hatte Navbar sich vor die Midgardschlange gestellt, um
die Schläge abzuwehren.
Navbar stieß Guerro nach vorne und begann einen erbitterten Schwertkampf.
Beide schenkten sich nichts.
Guerro wurde durch die Wucht der Schläge an die Wand gedrückt und konnte gerade
noch einem Schlag ausweichen, der ihn direkt am Kopf getroffen hätte. Navbars
Schwert steckte in der Wand fest. Er nutzte diesen Umstand und warf ihn, immer
noch geduckt, mit einem halbhohen Takle um. Die Schlange belächelte die beiden
respektlos.
Inzwischen war es ein offener Faustkampf, dem Navbar unterlag. Er lag blutend am
Boden, Guerro zu Füßen und sah aus, als würde er gleich sagen, na mach schon,
töte mich!
Navbar sprang auf, zog sein Schwert aus dem Fels und schlug im gleichen Moment
zu. Doch Millimeter vor Guerros Stirn blieb das Schwert stehen. Navbar zuckte
ein paar Mal zusammen. Ihm steckte eine Klinge im Leib. Navbars Schwert fiel zu
Boden.
Sein Bruder war ihm zuvor gekommen.
Doch anstelle von Angst sah Guerro in Navbars Augen Freude.
"Gre dok Maar... ", flüsterte Navbar kraftlos so leise, dass nur Guerro es
hörte.
Navbar sackte zu Boden. Man konnte zusehen, wie ihm das Leben vom Körper wich.
Der Krieger richtete seinen Blick auf die Midgardschlange.
"Was sind das für fremde Worte?"
"Ich vergaß, du verstehst nicht Goor, oder? Du willst wohl wissen was seine
letzten Worte waren, oder?
Ich sag es dir, sie waren: Ich bin erlöst!" Sie stieß wildes Gelächter aus.
"Warum spricht er jetzt Goor, wenn er vorher auf der Waldlichtung in unseren
Worten sprach?", fragte Guerro.
"Die Worte damals legte ich ihm in den Mund, er war in Wirklichkeit stumm wie
ein Stein!"
Er grinste noch weiterhin düster, wenn man das ein Grinsen nennen konnte.
Der Krieger rannte mit all seiner Kraft auf die Schlange zu.
Doch die rührte sich nicht, das war auch nicht nötig, denn Guerro wurde kurz vor
seinem Ziel von ihren telekinetischen Fähigkeiten an die Wand geschleudert. Das
Schwert wurde an der Wand zerschmettert in tausend Teile.
Guerro rutschte zu Boden, ihm schwanden die Sinne. Er versuchte, sich wach zu
halten, aber es war zu schwer, die Verletzungen waren zu stark. Er hockte am
Boden und wartete auf den Todesstoß. Als sich Hornilla näherte, sprang Guerro
mit dem Mute der Verzweiflung auf und rammte die Midgardschlange gegen die Wand.
Sie lachte müde und ergriff den gestürzten König am Hals.
Er zappelte in der Hand des Schlangengezüchtes wie ein wehrloser Fisch.
Er ahnte, dass es mit ihm zu Ende ging.
Sie schleifte den beinahe leblosen Körper Guerros zu einem Fenstersims, um ihn
nach draußen zu schleudern. Guerro ruderte wild mit seinen Armen in der Leere
und stellte schnell fest, dass Luft keine Balken hat.
Er schloss die Augen, landete aber unsanft knapp neben dem Fenster an der Wand.
Er machte einen erleichterten Luftzug.
Die Fleisch gewordene Abartigkeit lachte hämisch, sie rannte auf Guerro zu und
kurz vor ihm stoppte sie, um ihr Schwert in den steinigen Boden zu rammen.
Guerro drohte weggeschleudert zu werden, hätte die Schlange ihre riesige Pranke
nicht um seinen Hals gelegt.
Die furchtbare Druckwelle ließ die Wände zerbersten, das Gezücht blieb stehen,
als wäre nichts geschehen.
Das Schloss wurde von gewaltigen Flammen eingenommen.
Die Schlange ließ den zähen Krieger zu Boden sinken, der mit Mühe die Augen
offen hielt. "Also, Guerro, Letzter der Nacientes. Nun wirst du sterb..."
In diesem Moment flog ein Pfeil an dem Gesicht des Wesens vorbei.
Die nächsten beiden trafen, sie erwischten ihn in der Hand. Einer der Pfeile war
mit einem Stern markiert.
Sie wusste nicht, wie ihr geschah und sah sich verwirrt um.
Sie hatte ihr Schwert nicht in der Hand, sie war verwundbar.
Sie schäumte vor Wut.
Plötzlich tauchte Loons Gestalt grinsend und jubelnd aus den Trümmern auf, den
Bogen hoch erhoben. "Du miese Ratte!", fluchte die Midgardschlange. Sie griff
nach ihrem Schwert, doch sie griff ins Leere.
Guerro hatte die Klinge in der Hand. Obwohl er selbst mehr tot als lebendig war,
hielt er sich auf den Beinen, um das unwürdige Wesen endgültig zu erledigen.
Er versetzte ihm einen Tritt in den Magen, worauf sich die Schlange, des
Großteils ihrer Macht entledigt, vor Schmerzen krümmte.
"Du hast den wichtigsten Teil der Prophezeiung vergessen, deinen Untergang durch
den Hammer Thors. In seinem Namen sollst du sterben."
Ein Blitz schlug in das Schwert ein, das Guerro über die Schlange hielt.
Donnerhall trat unheilvoll über dem Schloss ein.
Die Klinge der unheiligen Waffe begann in einem Goldenen Licht zu glühen.
Der Krieger hatte den Wunsch, das Schwert fallen zu lassen, aber er war nicht
mehr Herr über seine Taten.
Eine fremde Präsenz beherrschte ihn.
Nur die Schlange sah, was sich hinter der Fassade Guerros abspielte.
Das Schwert begann unter dem Druck des Lichtes zu bersten.
Die Schlange brüllte vor Schmerzen, denn nun war sie auf Ewig ihrer Macht
beraubt.
Der Donner schlug so gewaltig, als ob die Wolken applaudieren wollten, zum
Untergang der Midgardschlange.
In Guerros Händen bebte eine gewaltige Kraft. Wie Millionen Donnerschläge
pulsierte die Waffe in seiner Hand.
Doch es war nicht, wie von Guerro erwartet, das Schwert, sondern ein riesiger
Hammer.
Das Licht eines Blitzes machte für eine Sekunde den Schatten Guerros sichtbar.
Er zeigte nicht des Kriegers Silhouette, sondern eine viel mächtigere Gestalt
mit einem im Winde wehenden Umhang und einem langen Bart.
Der Donnergott Thor atmete in Guerros Leib.
Der Wirt selbst war wie in Trance gefangen, unfähig einzugreifen.
Der Hammer erhob sich zum letzten Schlag gegen die Schlange.
Als der Hammer, von einer Urkraft bewegt, den Hinterkopf der Schlange traf,
vermischte sich der Urknall mit einem Todesschrei.
Die Luft entzündete sich in einem Feuersturm um Guerro herum.
Der Todesschrei erstickte kläglich in dem stinkenden Körper der Midgardschlange,
als sich ihr Leib zu Boden senkte.
Die letzten Muskelimpulse ließen sie erbärmlich zucken, als ein dunkles Feuer
sie verschlang.
Auch Navbars Leib verbrannte.
Der Donner, der eben noch scheinbar unaufhörlich bebte, verschwand in der Ferne.
Genauso schwindend verließ Guerros Körper die Macht Thors.
Der Hammer verschwand so, wie er erschien, in einem goldenem Licht, das ihn
verschlang.
Guerro und Loon gingen hinab, ohne einen Ton zu sagen.
Auf dem Schlachtfeld war es ruhig geworden.
Der Kampf war auch hier beendet.
Aschehaufen zeugten davon, dass es auch hier verbrannte Leichen gab.
Der siegreiche Kämpfer kam herunter zu seinen treuen Kriegern. Guerro rammte ein
Schwert zu Boden, die anderen taten es ihm gleich und verließen das Schlachtfeld
ohne ein Wort.
Sie behielten die Stille inne, bis der Tag sich verabschiedete.
Der Tag dieser Schlacht ist vermerkt als der Tag der stummen Krieger. Zu diesen
Stunden gedenkt man den armen Seelen, die für die Midgardschlange aus dem ewigen
Schlaf geweckt wurden.
Die Schwerter der siegreichen Krieger kann man noch heute bewundern.
Die Zeit konnte ihnen nichts antun.
Sie sind das Symbol für den Frieden im heutigen Naciente.
Guerro hatte recht, sie waren wirklich in die Geschichte eingegangen mit dieser
Schlacht,
als die Letzten Krieger der Letzten Schlacht.
Denn fortan herrschte Frieden über diesem Land, und nie wieder Krieg.