- Beitritt
- 24.01.2009
- Beiträge
- 4.116
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 37
Die Langeweile-Vertreib-Maschine
Janis und Jola drücken ihre Nasen an die Fensterscheibe und zählen die Pfützen vor dem Haus der Großeltern.
„Bei dem Regen dürfen wir sicher nicht mehr nach draußen“, nörgelt Janis. Dann zieht er den Kaugummi aus seinem Mund zu einem langen Faden und wickelt sich diesen um seine Zunge. „Guck Jola, meine Zunge hat einen Gips!“
Jola lauscht dem Prasseln der Regentropfen an der Fensterscheibe. „Quatschkopf!“, antwortet sie und stupst ihrem Zwillingsbruder gegen die Stirn. „Mir ist langweilig!“, stöhnt Jola. „Laaangweilig! Mir ist … Los Janis, wer lauter kann!“, fordert sie ihren Bruder auf, der jetzt mit dem Kaugummi seinen Daumen einwickelt.
„Uns ist langweilig“, schreien die beiden so laut, dass es im ganzen Haus zu hören ist.
„Das ist ein komischer Wettbewerb“, stellt Janis nach einer Weile fest. „Man weiß gar nicht, wer gewonnen hat. Und Spaß macht es auch keinen.“
„Hast du vielleicht eine bessere Idee?“, fragt Jola.
Janis zuckt mit den Schultern. „Nö.“
„Ferien bei Oma und Opa waren immer schön“, erinnert sich Jola, „- aber dieses Jahr ist der Wurm drin.“
„Wegen dem vielen Regen. Regen, Regen, Regen. Sonst könnten wir zum See oder in den Wald ...“
„Zum Schrottplatz!“, ruft Jola.
„Zum Fussballplatz!“
„Zum Geisterhaus! Uhhhuhh...“ Jola wedelt mit den Händen in der Luft rum, als wäre sie selbst ein Geist.
„Ich geh zu Oma. Dein Geist ist doch was für Kindergartenkinder.“
Jola springt auf: „Wer zuerst da ist!“ Schon reißt sie die Zimmertür auf und stürmt die Treppen hinunter. Janis läuft ihr nach. Zur gleichen Zeit klatschen ihre Hände an den Türrahmen.
„Ihr sollt doch im Haus nicht so rennen.“ Oma Else, schüttelt den Kopf und droht mit der Kelle, die sie gerade aus dem Spülbecken hebt. „So ein Mausevolk!“ Das Wort benutzt Oma Else gern, wenn sie mit den Zwillingen spricht. Nun schwingt sie die Kelle wie einen Taktstock. „Marsch Marsch, Mausevolk und holt mir den großen Topf vom Dachboden. Heute wird Apfelmus eingekocht!“
„Wer zuerst oben ist“, ruft Janis und sogleich rennen die Zwillinge die Treppe wieder nach oben.
„Was ist das?“, fragt Jola und zeigt auf ein Ding mitten auf dem Dachboden. In der Mitte des Dings stehen zwei Autositze. Vor jedem Sitz gibt es ein Lenkrad, davor Schalter, Anzeigen, Hebel und ein Keyboard. Dahinter eine Menge Metallteile, die durch bunte Kabel miteinander verbunden sind. Dazwischen einen Scheinwerfer und einen Mixer.
„Hier ist dein Schrottplatz“, sagt Janis und lacht.
Jola lässt sich in einen der Sitze fallen und streicht mit den Händen über Knöpfe und Hebel. Schließlich drückt sie einen und kurbelt am Lenkrad.
„Lass das!“, faucht Janis sie an.
„Wieso?“
„Vielleicht explodiert das Ding.“
„Meinst du?“
„Na ja. Kabel hat es genug.“
Jola steigt wieder aus und studiert das Gewirr der Drähte und Kabel, der Kupfer- und Silberteile die sie verbinden.
„Bringen wir den Topf zu Oma und fragen sie einfach“, beschließt sie und schaut sich auf dem Dachboden um.
„Was hier alles rumsteht“, staunt Janis und zeigt auf das alte Schaukelpferd.
„Das ist ja Herr Sonntag“, freut sich Jola, läuft zu dem Pferd und gibt ihm einen Klaps auf den Hintern.
„Guck! Der hat gepupst.“ Janis lacht und zeigt auf die dicke Staubwolke, die von Herrn Sonntags Hinterteil aufsteigt.
„Herr Sonntag, Sie sind ein Ferkel.“ Jola stemmt ihre Hände in die Hüften und schaut böse auf das Schaukelpferd hinunter, bevor auch sie anfängt zu lachen. Wie wild beginnen die beiden auf das Hinterteil des Schaukelpferdes einzuschlagen und wedeln mit den Händen vor ihren Nasen herum. „Puhh, wie das stinkt!“ Als kaum noch Staub aufwirbelt, denkt Janis an den Topf und beginnt zu suchen.
„Erster!“, ruft er und zieht aus einem Regal den Monstertopf. „Der ist schwer, Jola. Hilf mir!“
„Der ist so schwer, als wäre er voller Wackersteine“, behauptet Jola. „Der wiegt bestimmt eine Tonne.“
„Den können wir nicht tragen. Den müssen wir schieben!“ Janis stemmt sich gegen den Topf und tut so, als würde er mit voller Kraft drücken. Keinen Zentimeter bewegt sich der Topf dabei. Jola zieht an einem der Griffe: „Puh!“ Mit einer Hand wischt sie sich über die Stirn. Gemeinsam schieben und zerren sie, als wäre der Topf so schwer wie ein großer Schrank. Stück für Stück nähern sie sich der Tür und schließlich poltert der Topf über die Treppenstufen hinein in Omas Küche.
Opa Ernst sitzt am Küchentisch und zerteilt einen Apfel mit dem Taschenmesser. „Was macht ihr denn für einen Lärm? Man kann Euch ja bis zur Kirche hören.“
„Der ist voller Wackersteine“, erklärt Jola und zeigt auf den leeren Topf.
„So, so“, brummt Opa Ernst. Oma Else schüttelt den Kopf und murmelt: „Dieses Mausevolk!“
„Ein Stück Apfel nach der schweren Arbeit?“, fragt Opa Ernst.
„Ja“, sagt Janis und greift zu.
Jola bleibt an der Tür stehen. „Was ist das für eine Maschine da oben?“
„Die mit den Kabeln?“, fragt der Großvater.
„Ja“, antworten Jola und Janis im Chor.
„Die mit der Klaviertastatur?“
„Ja“, rufen die Beiden.
„Die mit dem Scheinwerfer?“
„Jaaa!“, brüllen beide so laut, wie sie nur können.
„Mmmhh“, macht der Großvater und kratzt sich am Kopf.
„Los Opa Ernst, sag es. Sonst ...“ Jola wirft einen verschwörerischen Blick zu ihrem Bruder.
„Sonst?“, fragt Opa Ernst.
„Sonst … Krabbelattacke!“ Und schon stürmen die beiden zu Opa Ernst. Ihre vier Hände kitzeln seinen Bauch, seinen Rücken, seine Arme.
„Erbarmen! Erbarmen!“, ruft Opa Ernst und wedelt hilflos mit den Händen in der Luft.
„Was ist es?“
„Das ist eine Langeweile-Vertreib-Maschine“, sagt Opa Ernst in einem sehr bedeutsamen Tonfall.
„So ein Quatsch! So was gibt es gar nicht.“ Jola tippt sich mit dem Finger gegen die Stirn.
„Doch, doch. Ihr könnt es eurem alten Großvater ruhig glauben.“
Oma Else setzt sich mit zwei Tassen Kaffee an den Tisch und schiebt eine zu Opa Ernst. „Immer wenn euer Großvater Langeweile hat, geht er auf den Dachboden und schraubt an dem Ding rum. Insofern stimmt das schon“, sagt sie lachend.
„Erzähl doch keinen Käse, Else“, mahnt Ernst die Großmutter.
„Einmal hat sie funktioniert“, flüstert er zu den Zwillingen. „Aber ich habe vergessen, wann ich welchen Knopf oder Hebel bewegt habe. Ich kann mich einfach nicht mehr erinnern.“
„Tatsächlich?“, staunt Janis.
„Ich schwöre.“ Der Großvater hält zwei gestreckte Finger in die Luft. „Großvaterehrenwort. Vielleicht schafft ihr es ja noch mal. Und dann sagt mir, wie das war, mit dem Schalten.“
„Und es wird sicher auch nicht explodieren?“ Janis Augen sind nun ganz groß und in seinem Körper breitet sich ein Kribbeln aus.
„Ganz sicher nicht.“ Opa Ernst schüttelt den Kopf.
„Wer zuerst oben ist!“, ruft Jola und stürmt aus der Tür, Janis hinterher.
„Langsam Mausevolk!“, hören sie die Oma noch rufen.
Schon seit einer halben Stunde drücken Jola und Janis an den Knöpfen, ziehen Hebel, wirbeln die Lenkräder nach rechts oder links. Ein paar Mal flackerte der Scheinwerfer oder das Keyboard gab Töne von sich. Weiter geschah nichts um sie herum.
„Ich weiß nicht, was das Ding kann“, sagt Jola und steht auf, „aber Langeweile vertreiben kann es nicht.“
Janis kratzt sich am Kopf. „Meinst du der Opa hat geschwindelt? Bestimmt machen wir nur etwas falsch.“
„Es macht mir aber keinen Spaß mehr.“ Jola tritt mit dem Fuß gegen eines der Metallteile, als plötzlich die Scheinwerfer aufleuchten und der Mixer sich dreht. Es klingt wie der Propeller eines Hubschraubers.
„Jola, es war nur kaputt! Komm, setz dich schnell. Es geht los! Wo willst du hin?“
Jola springt zurück auf ihren Sitz. „In den Zirkus, Janis! Ich will in den Zirkus.“
Gemeinsam kurbeln sie an den Lenkrädern, spielen an den Hebeln und Knöpfen, die Zeiger auf dem Tacho schlagen aus.
„Jola, es funktioniert! Kannst du schon das Zikuszelt sehen?“
„Dahinten, Janis. Dahinten ist es“, brüllt Jola. „Halt das Ding an, sonst fliegen wir noch vorbei!“
„Ich weiß nicht wie!“
„Bremsen, wir müssen bremsen!“
„Zieh du den Hebel und ich drücke die Knöpfe. Auf drei! Eins, zwei uuund drei!“
„Geschafft.“ Janis und Jola reißen die Arme in die Luft, wie sie es bei Radfahrern im Fernsehen gesehen haben, wenn die Gewinner über die Ziellinie fahren.
Als Janis und Jola das Zirkuszelt betreten, sind sie ganz allein. Allerlei Zeugs liegt in der Manege. In der Mitte steht ein Tisch, darauf ein Käfig mit einem Papageien.
„Hier ist niemand“, haucht Janis.
„Mmhh“, murmelt Jola.
„Das ist gruselig.“ Janis blickt sich um, schaut zu den Zuschauerbänken, auf denen keine Leute sitzen. „Es ist so still.“
Jola steht neben dem Papageienkäfig und legt einen Finger über die Lippen: „Psst, Janis. Er schläft.“
Janis schleicht sich heran. Über Jolas Schultern starrt er auf den Vogel, der seinen Kopf unter einen Flügel gesteckt hat. „Ist der echt?“, fragt er.
„Klar ist der echt, du Blödmann.“
„Du sollst nicht immer Blödmann zu mir sagen!“ Janis bufft Jola.
„Blödmann!“
„Selber Blödmann!“ Diesmal schubst Janis Jola so doll, dass sie gegen den Tisch stößt. Der Käfig fällt um und die Verriegelung der Tür löst sich. Der Papagei flattert aufgeregt im Käfig umher. Als er die offene Tür bemerkt, fliegt er hinaus, kreist eine Runde über der Manege und landet schließlich auf einem Elefantenhocker.
„Mist!“, sagt Jola.
„Au Backe!“, sagt Janis und schlägt sich die Hand vor den Mund.
Jola schnappt sich den Käfig und geht langsam auf den Papageien zu. In sicherer Entfernung stellt sie den Käfig auf den Boden. „Los, geh da wieder rein!“, fordert sie den Vogel auf.
„Guten Abend Publikum!“, krächzt der Papagei, rührt sich aber nicht von der Stelle.
„Geh doch bitte wieder in den Käfig.“ Janis tritt von einem auf das andere Bein.
„Und nun?“, fragt Jola.
„Vielleicht müssen wir ihn beim Namen nennen“, schlägt Janis vor.
„Und wie heißt er deiner Meinung nach?“
Janis zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung.“
„Vielleicht kommt er ja auf meine Hand und dann können wir ihn zurückstecken.“ Jola streckt ihren Arm aus. „Komm her.“
Der Vogel legt den Kopf leicht schief und beäugt die beiden neugierig, aber auf Jolas Hand kommt er nicht.
„Du musst ihn fangen, Jola.“
„Was?“
„Du musst ihn fangen“, wiederholt Janis.
„Und wenn der mich beißt? Fang ihn doch selber.“
Janis stopft seine Hände unter den Pullover. „Ich fasse den nicht an.“
„Aber ich soll ihn anfassen?“
„Du traust dich so was doch. Probiere es wenigstens, Jola. Denk doch mal an den Ärger, den wir kriegen, wenn das jemand mitbekommt.“
„Das gibt einen riesen Ärger.“ Jola nickt.
„Megaärger!“
„Den größten Ärger von der ganzen Welt!“
„Na gut. Ich fang den jetzt.“ Jola geht einen Schritt auf den Papageien zu, dann noch einen und noch einen. Als sie ihre Hände ausstreckt, um nach dem Vogel zu greifen, fliegt dieser hoch, dreht einen Kreis über der Manege und landet auf einem Trittbrett für die Seilartisten. Auf dem Brett, zu dem es keine Leiter gibt. Das, auf der anderen Seite des Seils.
„Mist!“, sagt Jola.
„Au Backe“, sagt Janis.
„Und nun?“ Jola schaut ratlos zu ihrem Bruder.
„Wir können etwas nach oben werfen und hoffen, dass er da wieder wegfliegt“, schlägt Janis vor.
„Und dann treffen wir den Papagei und der fällt tot runter. Das geht doch nicht.“
„Dann musst du hoch, Jola.“
„Und wenn ich runterfalle?“
„Ich fange dich. Bestimmt. Ich passe auf.“
Jola schaut Janis an, der beide Arme von sich gestreckt hält. „Siehst du.“
„Na gut“, sagt sie und klettert die Leiter hoch. Oben angekommen, setzt sie vorsichtig einen Fuß auf das Seil. „Das ist hoch, Janis.“
„Du darfst nicht nach unten gucken, Jola!“
„Du fängst mich bestimmt?“
„Ganz bestimmt.“
Jola schaut zu dem Papageien, der „Guten Abend Publikum“, krächzt.
„Na warte.“ Zaghaft schiebt sich Jola auf das Seil, die Arme zur Seite gestreckt, um das Gleichgewicht zu halten. Als sie auf der anderen Seite ankommt und das Brett betritt, fliegt der Papagei wieder hoch, dreht eine Runde im Zelt und flattert dann hinaus.
„Mist!“, sagt Jola.
„Au Backe“, sagt Janis und läuft hinaus, dem Vogel hinterher.
„Janis, bleib hier! Ich muss wieder zurück. Auf dieser Seite gibt es doch keine Leiter! Und du musst mich fangen, wenn ich runterfalle!“
All das hört Janis nicht mehr. Er ist längst aus dem Zelt.
Zitternd balanciert Jola über das Seil zurück. „Nicht nach unten gucken, nicht nach unten gucken“, murmelt sie vor sich her. Als sie das Brett unter den Füßen spürt, klammert sie sich an das Gerüst, holt tief Luft und steigt die Leiter hinunter.
Draußen stehen die Wohnwagen der Zirkusleute. Auch hier ist kein Mensch zu sehen. Nicht mal ihren Bruder kann sie entdecken.
„Janis? Wo bist du?“
„Hier hinten! Beim Eisbärenkäfig.“
Jola läuft nach links, da sind die Elefanten. Dann nach rechts, da sind die Löwen. Schließlich läuft sie geradezu und sieht ihren Bruder vor einem Käfig hocken.
„Puh, hier stinkt es nach Bärenkacke.“ Jola hält sich die Nase zu.
„Er sitzt neben dem Bären“, flüstert Janis.
„Das sehe ich doch!“
„Hol ihn da raus.“
„Der sitzt neben einem Bären. Ich bin doch nicht irre.“
„Aber der Bär schläft. Siehst du Jola. Er hat die Augen zu.“
„Es ist ein Bär, Janis.“
„Bitte Jola. Versuch es wenigstens.“
„Aber sag gleich Bescheid, wenn er sich bewegt.“
Jola schiebt ihre Hände zwischen die Gitterstäbe in den Käfig und fast kann sie den Papageien greifen, als dieser wieder losfliegt.
„Hinterher!“, rufen beide und laufen dem Vogel nach. Jetzt landet er in einem Blumenkasten vor einem der Wohnwagen.
„Schau Jola, diesmal ist es gar nicht gefährlich.“
„Nee, diesmal nicht.“
In diesem Moment öffnet sich die Tür vom Zirkuswagen. Ein großer, kräftiger Mann tritt heraus, reckt und streckt sich, kreist dann seinen dicken Po und schüttelt sich schließlich die Beine aus.
„Der sieht aus wie ein Fass“, flüstert Jola.
„Siehst du die Messer, die in seinem Gürtel stecken?“, flüstert Janis zurück.
„Mist. Jetzt gibt es Ärger.“
„Riesenärger.“
„Den größten Ärger von der ganzen Welt!“
„Los Jola, lauf!“
Janis und Jola rennen so schnell sie können. Weg von dem Mann, hin zu dem Zelt. Als sie an dem letzten Wohnwagen vorbeilaufen, kurz vor dem rettenden Zirkuszelt, fliegt ein Messer an ihnen vorbei und bleibt vor ihnen in der Wand des Wohnwagens stecken. Wie vom Blitz getroffen, erstarren die beiden und bleiben stehen.
Hinter ihnen schnauft und brüllt es. „Stehengeblieben!“
Keiner von beiden traut sich den Kopf zu drehen, um nachzuschauen, wie dicht der Mann schon ist.
Zwei Hände greifen nach ihren Schultern.
„Wer seid ihr? Was tut ihr hier?“, poltert die Stimme des Fassmannes.
„Wir haben nichts gemacht“, sagt Janis, der sich vor Angst fast in die Hosen macht.
„Lassen Sie uns los!“, fordert Jola den Mann auf.
Tatsächlich gibt der Mann sie frei. „Also, was macht ihr hier?“, fragt er noch einmal. Diesmal klingt es nicht so streng. Eher nett. Fast wie der Großvater.
Jola und Janis drehen sich langsam um. Der Mann sieht gar nicht mehr so gefährlich aus. Sein Schnurrbart ist so lang, dass er darin einen Apfel einwickeln könnte.
„Der Papagei“, sagt Janis und zeigt zu dem Wagen hinüber, aus dem der Mann gekommen war. „Dort im Blumenkasten.“
„Rosenkohl? Ist der schon wieder ausgebüchst?“
„Der Papagei heißt Rosenkohl?“ Jola bleibt vor Staunen der Mund offen.
„Jo, so heißt der. Den frisst er so gern.“
Jola und Janis lachen und selbst der Mann muss ein wenig schmunzeln.
„Komm her, Rosenkohl!“, ruft er über den Platz. Der Papagei fliegt hoch, dreht eine Runde und setzt sich auf den Kopf des Messerwerfers. Aus der Tasche seines silbernen Anzuges holt der Fassmann Rosenkohlblätter. Eines nach dem anderen reicht er dem Vogel, der gierig danach greift.
Als Opa Ernst den Dachboden betritt, stehen die Zwillinge vor dem alten Bierfass und lachen sich scheckig. Ein ausgestopfter Papagei thront auf dem Fass, jemand hatte ihn vor langer Zeit pink angemalt.
„Jola? Janis? Diesmal war es die Stimme des Großvaters.
Die Zwillinge drehen sich erschrocken um. Mit Opa Ernst haben sie in ihrem Zirkus nicht gerechnet.
„Opa! Wusstest du, dass der Papagei Rosenkohl heißt?“, fragt Jola.
„Und er sitzt auf dem Kopf eines Messerwerfers. Fast hätte der uns getroffen!“, erzählt Janis aufgeregt, greift nach der Hand des Großvaters und zieht ihn zu dem alten Federbett. „Das ist ein Eisbär“, erklärt er.
„Und auf diesem Balken bin ich über ein Hochseil gelaufen“, berichtet Jola stolz.
„Wie ich sehe, habt ihr die Maschine in Gang bekommen. Die Oma wartet schon lange mit dem Abendbrot auf euch.“
„Was? Schon so spät?“, fragen beide wie aus einem Munde.
Opa Ernst nickt. „Und nun hop hop, runter mit euch.“
Auf der Treppe schmieden Jola und Janis neue Pläne.
„Und morgen eine Expedition zum Nordpol!“
„Zum Mond!“
„Ein Fahrt mit den Piraten auf dem Meer!“
„Ich bin der Kapitän.“
„Nein ich!“
„Wer zuerst unten ist!“