Was ist neu

Die Kontur eines Hirsches

Monster-WG
Seniors
Beitritt
18.06.2015
Beiträge
1.322
Zuletzt bearbeitet:

Die Kontur eines Hirsches

Ich stelle mir Carlo mit langen, schwarzen Haaren vor. Er stammte aus dem Tessin und half Großvater auf dem Hof. Heute ist er alt, damals war er schön. Er wohnte in einem Zimmer im oberen Stock, gegessen hat er stets mit der Familie.
Großvater starb an Schuppenflechte. Meine Mutter war noch klein, die Geschwister versperrten ihr den Weg zur Scheune.
An Schuppenflechte stirbt man nicht, doch das Jucken kann schrecklich sein. Ich frage mich, ob Großvater das Wasser schon im Mund hatte, als er die Scheune betrat. Nein, er wird es in einem Glas mitgebracht haben. Ich stelle mir die Kontur eines Hirsches vor, mit Diamantstift in das Glas geritzt. Ich stelle mir vor, wie sich Großvaters Wangen blähen, die Lippen den Lauf umschließen.
Drei Onkel und meine Tante standen im Kreis um den Eimer. Wo meine Großmutter war, weiß ich nicht. Wenn ich mir den Eimer vorstelle, hat er eine dunkelgrüne Farbe. Der Pfarrer traf ein. Er schaute in den Eimer und sagte, auf den Friedhof kommt euer Vater nicht. Später ging Carlo mit Geld vorbei und Großvater erhielt ein Begräbnis.
Ich stelle mir vor, wie meine Tante vor dem dunkelgrünen Eimer steht. Auf Großmutters Drängen hin nahm sie Carlo zum Mann. Sie wollte wegziehen, doch das erlaubte meine Großmutter nicht. Carlo arbeitete weiterhin auf dem Hof, meine Tante im Kindergarten unten im Dorf.
Großvater hatte Schuppenflechte, er ging nie zum Arzt deswegen, so schlimm war es nicht. Das Glas holte er aus der Küche, darauf war ein Hirsch graviert. Ich stelle mir vor, es war das Glas, aus dem sonst Carlo trank. Carlo war ein schöner Mann. Ich stelle mir vor, wie Großmutter morgens am Fenster sitzt und wartet, bis meine Tante das Haus verlässt.

 

Ich stelle mir vor, wie sich Großvaters Wangen blähen, die Lippen den Lauf umschließen.

Ja, Peter, brutalst. Wenige wissen das mit dem Wasser, was dann passiert, es ist auch gut, dass du es nicht ausbreitest. Es ist eine Leerstelle, die irritiert, die verstört.

Das ist falsch, keiner trug hier langes Haar in jener Zeit.
Die einzige Stelle, die ich bemängele (das klingt so oberlehrerhaft, sorry!) weil der sich selbst verneinende Erzähler mir zur Zeit zu oft unter die Augen kommt! Das ist nicht deine Schuld, ich benutze den auch gerne, aber es ist so ein Spiel geworden, ist es wahr?, ist es falsch? Das hat dieser Text nicht nötig, denn er ist in seinem Grundtenor eben absolut wahrhaftig. Da sticht das heraus.

Großvater hatte Schuppenflechte, er ging nie zum Arzt deswegen. Das Glas holte er aus der Küche, darauf war ein Hirsch graviert. Ich stelle mir vor, es war das Glas, aus dem sonst Carlo trank. Ich stelle mir vor, wie Großmutter morgens am Fenster sitzt und wartet, bis meine Tante endlich das Haus verlässt.
Hier, noch einmal alles zusammengefasst, fast wie eine Beschwörungsformel, wie ein Gebet, ein langsames Raunen in einer leeren Kirche, stoisch und gleichzeitig erfürchtig vor dem Schicksal, man bleibt selbst nur der stumme Passagier.

Ein sehr guter Text, Peter. Das hat etwas, was direkt aus deinem Erfahrungshorizont stammt, das Kleine, das Bäuerliche, das Einsame, auch etwas Karges, Spritituelles, auf sich selbst Zurückgeworfenes, das kann man sich nicht erfinden, so etwas saugt man sich nicht aus den Fingern. In TikTok-Sprache: fuckin' awesome, dude!

Gruss, Jimmy

 

Hallo @Peeperkorn!

Guter Text! Veranlasste mich spontan zu googeln, ob das tatsächlich ein drastischer Verstärker ist oder ein hartnäckiges Gerücht. :hmm:

Mich stören weniger die langen Haare, eher das hier:

Ich frage mich, ob Großvater das Wasser schon im Mund hatte, als er die Scheune betrat. Nein, er brachte es in einem Glas mit.
Wenn er das direkt danach verneint, warum fragt er sich das dann?
Lange fragte ich mich, ob Großvater das Wasser schon im Mund hatte, als er die Scheune betrat. Nein, er brachte es in einem Glas mit.
So würde es für mich funktionieren.

Meine Onkel und meine Tante standen im Kreis um den Eimer.

Gruß,
Sammis

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Peeperkorn

Sehr eindringlich, deine Flash Fiction. Sehr dicht, reduziert auf das Minimum. Der Titel gefällt mir. Ich mag die positiv besetzte Symbolik des Hirschs, gepaart mit dem Suizid in der Scheune. Aufgrund der Knappheit wurde bei mir echt intensiv das Kopfkino angeworfen, fand die Schilderungen recht hart, obwohl die Sprache eigentlich zurückhaltend ist. Fand ich sehr gelungen.

Ein paar Vorschläge und Anmerkungen:

Großvater starb an Schuppenflechte.
An Schuppenflechte stirbt man nicht, doch das Jucken kann schrecklich sein.
Großvater hatte Schuppenflechte, er ging nie zum Arzt deswegen.
Man könnte das mit der Schuppenflechte so lesen, dass sie für die Suizidgedanken oder die Depression des Grossvaters steht. An einer Depression allein stirbt man nicht. Der daraus resultierende Leidensdruck (das Jucken) muss jedoch schrecklich sein. Früher war das wohl nicht so einfach, zu einem Psychiater zu gehen, weil psychische Krankheiten lange stigmatisiert und tabuisiert wurden. Vielleicht hat die Mutter dem Erzähler in jüngeren Jahren tatsächlich gesagt, ihr Vater sei an Schuppenflechte gestorben. Aber wahrscheinlich denke ich zu weit oder lese Dinge, die nicht intendiert sind.

Ich frage mich, ob Großvater das Wasser schon im Mund hatte, als er die Scheune betrat. Nein, er brachte es in einem Glas mit.
Das mit dem Wasser im Mund ist ein grauslich-"schönes" Detail! Aber ich sehe die Stelle ähnlich wie @Sammis, bin auch ein wenig gestolpert, aufgrund des 'Ich frage mich' und der darauffolgenden Verneinung. Vielleicht könnte es der Erzähler einfach direkt behaupten und sich danach korrigieren: Großvater hatte das Wasser schon im Mund, als er die Scheune betrat. Nein, er brachte es in einem Glas mit.

Ich stelle mir die Kontur eines Hirsches vor, mit Diamantstift in das Glas geritzt.
Auch sehr schön, das Detail mit dem Diamantstift.

Der Pfarrer traf ein. Er schaute in den Eimer und sagte, auf den Friedhof kommt euer Vater nicht. Später ging Carlo mit Geld bei ihm vorbei und Großvater erhielt ein Begräbnis.
Bräuchte es für mich nicht, weil es klar ist, bei wem er vorbeigeht.

Heute ist er sehr alt, damals war er schön.
Braucht es das 'sehr'? Der Gegensatz alt <-> schön reicht, das muss mMn nicht noch zusätzlich betont werden.

Das ist falsch, keiner trug hier langes Haar in jener Zeit.
Durch die Vergangenheitsform wird klar, dass 'jene Zeit' gemeint ist.

Ich stelle mir vor, wie Großmutter morgens am Fenster sitzt und wartet, bis meine Tante endlich das Haus verlässt.
Ich fände den Satz eindringlicher ohne das 'endlich'. Es gibt dem Warten der Grossmutter eine ungeduldige Note, aber ohne fände ich es dunkler.

Beste Grüsse,
d-m

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich frage mich, ob Großvater das Wasser schon im Mund hatte, als er die Scheune betrat. Nein, er brachte es in einem Glas mit.

Manchmal frage ich mich, ob Großvater das Wasser schon im Mund hatte, als er die Scheune betrat. Nein, er muss es in einem Glas mitgebracht haben.

Da würde, nur mal als Vorschlag, dieses zögernde Element drinne stecken, er fragt sich das, stellt sich das vor, wie ist das genau gewesen?, überlegt, aber DANN antwortet er sich selbst. Nein, er muss es in einem Glas mitgebracht haben. (Denn wie sollte es anders sein.)

Nur so eine Idee, auf die mich die anderen Kommentare gebracht haben.

Gruss, Jimmy

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Sven

so etwas saugt man sich nicht aus den Fingern.
Du vermutest richtig.
Die einzige Stelle, die ich bemängele (das klingt so oberlehrerhaft, sorry!) weil der sich selbst verneinende Erzähler mir zur Zeit zu oft unter die Augen kommt! Das ist nicht deine Schuld, ich benutze den auch gerne, aber es ist so ein Spiel geworden, ist es wahr?, ist es falsch? Das hat dieser Text nicht nötig, denn er ist in seinem Grundtenor eben absolut wahrhaftig. Da sticht das heraus.
Ja, ich sehe das. Das Problem ist, dass ich nicht weiss, ob der Text überhaupt so gelesen wird, wie ich mir das gedacht habe. Ich glaube, die Darstellung des Suizids in der ersten Hälfte verdeckt ein Stück weit, was in der zweiten Hälfte erzählt wird. Auf die Gefahr hin, den Text zu sehr zu erklären: Also, der Grossvater hat sich nicht wegen der Schuppenflechte umgebracht, das hat man nur immer erzählt. In Wirklichkeit hat er es nicht ertragen, dass der Liebhaber seiner Frau im selben Haus lebt wie er Ich wollte das Thema "wahr/falsch" darum explizit drin haben, der Satz ist insofern ein Hinweis darauf, den Text noch stärker in diese Richtung zu lesen. Ich habe erst vor kurzem die ganze Story erfahren, und ich wollte das in gewisser Hinsicht abbilden, diese Korrektur, die ich in meinem Kopf vornehmen muss. Darum diese Verunsicherungen.
Beim erneuten Durchlesen, fand ich es nun aber doch auch zu harsch. Ich habe das nun etwas abgeschwächt: Ich stelle ihn mir mit langen Haaren vor, auch wenn hier kein Mann lange Haare trug.

P.S. Nach der von Katta angeregten Umstellung ist der relativierende Satz nun ganz rausgeflogen.

Deinen Vorschlag zum Wasserglas habe ich aufgenommen, das ist ein guter Kompromiss. Aus dem muss habe ich ein wird gemacht.

Hey, es freut mich riesig, dass dir der Text gefällt. Der kommt sehr aus dem Innern, daher ist mir das besonders wichtig.

Hallo @Sammis

Danke dir sehr für deinen Kommentar. Ja, die Stelle mit dem Glas. Da wollte ich ein Stück weit darauf vorbereiten, dass es in diesem Text vor allem auch darum geht, was man über die eigene Familie weiss, was man zu wissen glaubt. Daher auch die vielen "ich stelle mir vor". Ich sehe aber deinen Punkt und habe es geändert.
"Meine Onkel" klingt ungewohnt, aber es sind tatsächlich mehrere gemeint.

Schön, dass du reingeschaut hast, das hat mich sehr gefreut.

Hallo @deserted-monkey

Vielleicht hat die Mutter dem Erzähler in jüngeren Jahren tatsächlich gesagt, ihr Vater sei an Schuppenflechte gestorben. Aber wahrscheinlich denke ich zu weit oder lese Dinge, die nicht intendiert sind.
Nein, überhaupt nicht. Genau so war es. Es geht ja noch weiter: Er hat sich auch nicht wegen der Schuppenflechte umgebracht, sondern wegen dem Verhältnis zwischen seiner Frau und Carlo.

Deine Kürzungsvorschläge habe ich gerne übernommen, super! Das Ziel war es ja, einen Familienroman auf 300 Wörter runterzubrechen. :D Jetzt sind es noch ein paar weniger!

Das "endlich" habe ich stehen lassen. Ich habe lange gezögert, ob ich es hinschreiben will, und habe es am Ende getan, weil es die Leserschaft vielleicht noch etwas mehr zur Frage führt: "Weshalb tut sie das?". Die Antwort darauf ist da ja dann auch ein Schlüssel zum Text. Ach, es ist schwierig, diese Reduktion. Wie ich oben schon geschrieben habe, wirkt der Suizid vielleicht fast zu stark, sodass die zweite Hälfte zu wenig Kraft entfalten kann. Mal schauen, ob ich da noch was daran bastle, zwei, drei zusätzliche Hinweise einbaue.

Es war mir eine Freude, vielen Dank fürs Reinschauen!

Lieber Gruss euch allen
Peeperkorn

 

Hallo @Peeperkorn,
ich habe deinen Text gestern schon gelesen und wusste nicht so richtig, was ich schreiben sollte, auch weil ich ihn nicht so richtig verstanden hatte - was nicht per se etwas schlechtes ist, es können ja viele gute Fragen durch so etwas entstehen, aber ich konnte vieles nicht so richtig einordnen bzw deuten und das fällt mir jetzt mit deiner Erklärung zum Text wesentlich leichter.
Zum einen hab ich mit dem Erzähler etwas gehadert, konnte aber auch nicht so richtig den Finger drauf legen. Ich versuchs jetzt mal ...

Großvater starb an Schuppenflechte. Meine Mutter war noch klein, die Geschwister versperrten ihr den Weg zur Scheune.
An Schuppenflechte stirbt man nicht, doch das Jucken kann schrecklich sein.
Das ist ja etwas, was sich durch den gesamten Text zieht, dass der Erzähler sich revidiert. Es ist so, nein so, ich stelle mir vor, ich frage mich ... Da liegt ja so ein transgenerationales Unausgesprochenes über der ganzen Familie ... das kann ich aber jetzt erst so richtig begreifen, warum du so einen Erzähler gewählt hast, ich hatte das vorher nicht verstanden, warum der Erzähler das genauso erzählt. Ich frage mich auch (und es ist wirklich nur ein lautes Nachdenken), ob das immer noch so passt. Ich würde fast sagen, im Text schwebt so ein Gefühl von früher, aber das Wissen ist halt das von heute ... das ist, was bei mir irgendeine Diskrepanz auslöst beim Lesen.

Das mit dem Wasser im Mund musste ich googeln, war gar nicht so leicht, was dazu zu finden, aber auch hier revidiert sich ja der Erzähler wieder. Hatte er das Wasser schon im Mund? Nein, er muss es in einem Glas mitgebracht haben. Wie gesagt, ich kann nicht den Finger drauf legen, aber wieso muss er es in einem Glas mitgebracht haben? Für mich beißt sich das "müssen" mit der insgesamten Vagheit und Unsicherheit ... Vorschlag: Ich stelle mir vor, er hat es in einem Glas mitgebracht ... oder so.

Ich stelle mir vor, wie sich Großvaters Wangen blähen, die Lippen den Lauf umschließen.
ja, krass. Ich habe verstanden, der Großvater hat sich wegen des nicht aushaltbaren Juckens erschossen.
Meine Onkel und meine Tante standen im Kreis um den Eimer.
Auch das habe ich nicht verstanden, was es mit diesem Eimer auf sich hat. Das schreibe ich nur als Info, das bedeutet nicht, dass du alles erklären musst ...
Später ging Carlo mit Geld vorbei und Großvater erhielt ein Begräbnis.
Nur ein Satz, der das ganze in ein größeres Gefüge einordnet, das gefällt mir total gut auf die Kürze.
Der erste Teil bezieht sich auf den Großvater und dass der sich erschießt wegen der Schuppenflechte. Im zweiten Teil gehts dann um Carlo.
Ich stelle mir vor, wie meine Tante vor dem dunkelgrünen Eimer steht. Auf Großmutters Drängen hin nahm sie Carlo zum Mann.
Wieso stellt er sich hier noch einmal explizit die Tante vor dem Eimer vor? Oben war ja auch noch der/die Onkel dabei ... Sie nahm Carlo zum Mann. Ich dachte, weil man halt einen Mann braucht auf so einem Hof, die Kinder (Onkel) noch klein waren und da verheiratet man seine Tochter eben mit dem Knecht.
Großvater hatte Schuppenflechte, er ging nie zum Arzt deswegen
Bitter, dachte ich beim ersten Lesen. Ich habe das so gar nicht hinterfragt, wie @deserted-monkey, das getan hat ...

Ich stelle mir vor, es war das Glas, aus dem sonst Carlo trank. Ich stelle mir vor, wie Großmutter morgens am Fenster sitzt und wartet, bis meine Tante endlich das Haus verlässt.
Ich hab die Bedeutung von Carlo nicht verstanden. Und warum die Großmutter wartet, dass die Tante das Haus verlässt. Mit deiner Erklärung wird es alles nachvollziehbarer und ich denke, was, die Mutter verheiratet die Tochter mit dem Knecht (keine Ahnung, ob das die offizielle Bezeichnung war, so hab ich seine Funktion auf dem Hof verstanden) und wartet, dass die Tochter zur Arbeit geht, damit sie mit ihrem Schwiegersohn rummachen kann? WIe krass ist das denn bitte? Ich hoffe, ich bin jetzt nicht zu flapsig, weil ja viel persönliches in der Geschichte steckt, ich les die aber natürlich als Stück Fiktion.

Was für mich bisher nicht deutlich wird und ich glaube, dass ist das, was mir beim ersten Lesen Probleme bereitet hat, was der Erzähler denn jetzt eigentlich weiß und was nicht. Klar ist, er deutet nur an. Aber oben schreibt er über die Schuppenflechte, er schreibt die Geschichte so wie sie ihm erzählt worden ist, dann aber wechselt es im zweiten Absatz zu dem, was er "heute" weiß, das kriegt aber der Leser nicht mit und ich konnte diese ganzen Infos darum, glaub ich, nicht so richtig einordnen und kann das jetzt nur so schreiben, wegen deiner nachträglichen Erklärung. Ich habe als Leserin gemerkt, dass das was wabert (etwas, dass ich grundsätzlich mag), konnte es aber so gar nicht greifen, nicht mal ansatzweise.
Hoffe, ich bin nicht zu wirr in meinen Ausführungen und du kannst damit was anfangen. Natürlich steckt da enorm viel drin in der Kürze, wie du sagst, ein Familienroman auf zwei Absätzen (hoffe, es ist auch klar geworden, dass ich das gerne gelesen habe).

Viele Grüße
Katta

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @Katta

Ui, dein Kommentar hilft mir total weiter und lässt mich ratlos zurück. :D Vielen, vielen Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast, die Irritationen zu benennen, die bei deiner Lektüre aufgetreten sind. Ich weiss noch nicht, ob und wie genau ich den Text weiter anpassen werde, aber wichtig zu wissen, wo die Knackpunkte sind.

Ich frage mich auch (und es ist wirklich nur ein lautes Nachdenken), ob das immer noch so passt. Ich würde fast sagen, im Text schwebt so ein Gefühl von früher, aber das Wissen ist halt das von heute ... das ist, was bei mir irgendeine Diskrepanz auslöst beim Lesen.
Ja, das frage ich mich auch, ob das passt, aber deine Beschreibung benennt sehr genau, was ich mit dem Text bezwecken wollte. Na ja, bezwecken ist das falsche Wort. Ich wollte genau diese Diskrepanz zum Ausdruck bringen, gewissermassen ein Show don't tell auf der Ebene des Erzählens, nicht des Erzählten. Tatsächlich ist es so, dass sich die Geschichte von der Schuppenflechte im Gedächtnis des Erzählers emotional so sehr abgelagert hat, dass es nicht einfach ist, sie durch die neue Erkenntnis zu ersetzen.
Also, ich habe lange darüber nachgedacht das so zu schreiben: Mein Grossvater starb an Schuppenflechte, hat man mir immer gesagt. Oder: hat mir meine Mutter gesagt. Dann wären die Leser:innen besser darauf vorbereitet, dass diese Erklärung nicht die (ganze) Wahrheit ist. Aber dann - abesehen davon, dass damit ein Stück weit der Ton des Textes verlorenginge - hätte ich das irgendwie auch so sehr rationalisert, dass die Überlagerung nicht zum Ausdruck kommt, die in der Erinnerung noch immer vorhanden ist. Ich weiss nicht, ob ich mich da verständlich mache. Insgesamt sollte die Erzählweise auf alle Fälle irritieren, es ist halt immer die Frage, wie weit die Leserschaft dann auch mitgeht.
Auch das habe ich nicht verstanden, was es mit diesem Eimer auf sich hat. Das schreibe ich nur als Info, das bedeutet nicht, dass du alles erklären musst ...
Dorthinein haben sie die Schädelstücke gelegt, die sie zusammengesammelt haben.
Sie nahm Carlo zum Mann. Ich dachte, weil man halt einen Mann braucht auf so einem Hof, die Kinder (Onkel) noch klein waren und da verheiratet man seine Tochter eben mit dem Knecht.
Ja, das ist ein wenig die Krux. Darin liegt ja gerade die Eleganz des Plans der Grossmutter. Niemand hätte vermutet, was der wahre Grund ist. So gab es nie irgendwelche Fragen. Blöd ist halt, dass man das als Leser:in ebenfalls so wahrnimmt und keinen Verdacht schöpft. :D
Bitter, dachte ich beim ersten Lesen. Ich habe das so gar nicht hinterfragt, wie @deserted-monkey, das getan hat ..
Ja, das ist eine Stelle, an der ich vielleicht noch arbeiten muss. Der Punkt ist, dass der Grossvater zu wenig an der Schuppenflechte litt, um damit zum Arzt zu gehen. Das kommt aber nicht zum Ausdruck. Ich hatte mal "Er ging damit nicht einmal zum Arzt", aber das hat mich auch nicht so recht zufriedengestellt.
Ich habe jetzt ergänzt: "Grossvater hatte Schuppenflechte. Er ging nie zum Arzt deswgen, so schlimm war es nicht." Im besten Fall gibt das den entscheidenden Hinweis, im schlimmsten Fall wird damit ein weiteres :confused: ausgelöst.
wartet, dass die Tochter zur Arbeit geht, damit sie mit ihrem Schwiegersohn rummachen kann? WIe krass ist das denn bitte? Ich hoffe, ich bin jetzt nicht zu flapsig, weil ja viel persönliches in der Geschichte steckt, ich les die aber natürlich als Stück Fiktion.
Kein Problem. Das denke ich ja auch. Meine Güte, wie kann man so leben?
Aber oben schreibt er über die Schuppenflechte, er schreibt die Geschichte so wie sie ihm erzählt worden ist, dann aber wechselt es im zweiten Absatz zu dem, was er "heute" weiß, das kriegt aber der Leser nicht mit und ich konnte diese ganzen Infos darum, glaub ich, nicht so richtig einordnen und kann das jetzt nur so schreiben, wegen deiner nachträglichen Erklärung.
Ja, das ist natürlich schon ein Problem. Einerseits will ich das nicht erklären, anderseits muss die Irritation genügend gross sein, dass man überhaupt mitschneidet, dass da etwas nicht stimmt. Wenn ich darüber nachdenke, gibt es eigentlich nur einen Satz, der den Tod des Grossvaters direkt mit Carlo in Verbindung bringt: Er trinkt das Wasser aus dem Glas, aus dem sonst Carlo trinkt. So stelle ich mir vor (haha), wie er deutlich macht, was der wahre Grund seiner Tat ist. Aber das ist die Schwierigkeit: Wenn man weiss, was man andeuten will, hat man schnell mal den Eindruck, jeder kleinste Hinweis sei Andeutung genug. Da werde ich mich wohl noch mal ransetzen.
Dass du den Text trotz allem gerne gelesen hast, freut mich natürlich sehr.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hey @Peeperkorn,
ja, mit zu vielen einordnenden Sätzen, machst du dann natürlich diese wabernde Atmosphäre kaputt und grundsätzlich würde ich dieses Offene lassen, also ich mag das, wenn man das so wie Kontinentaplatten ein bisschen hin- und herschieben kann. Ich hatte noch kurz überlegt, ob es vielleicht gut wäre den Text mit Carlo anzufangen, dann der Großvater, dann wieder Carlo, damit seine ja doch sehr bedeutende Rolle klarer wird, aber eben nicht auserzählt. Für mich ist es eher eine Frage der Orga bzw Struktur insgesamt, also ein minimales vergrößern der Landkarte, die Karte selbst ändert sich aber nicht ... Weißt du, was ich meine?

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich hatte noch kurz überlegt, ob es vielleicht gut wäre den Text mit Carlo anzufangen, dann der Großvater, dann wieder Carlo, damit seine ja doch sehr bedeutende Rolle klarer wird, aber eben nicht auserzählt.
Witzig, ich habe nach deinem Kommentar auch daran gedacht, es aber wieder verworfen. Warum, weiss ich allerdings nicht. Insofern vielen Dank! Auch für die allgemeine Einschätzung. Ich habe das mal so versucht.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hi @Katta, @Peeperkorn --

ich äußere mich nur zu einem Teilaspekt. Die Geschichte an sich als Ganzes finde ich gelungen; es stört mich auch keineswegs, dass der Hintergrund -- etwas konturlos ist, also viel der eigenen Vorstellungskraft überlassen bleibt.


Großvater starb an Schuppenflechte. Meine Mutter war noch klein, die Geschwister versperrten ihr den Weg zur Scheune.
An Schuppenflechte stirbt man nicht, doch das Jucken kann schrecklich sein.
Das ist ja etwas, was sich durch den gesamten Text zieht, dass der Erzähler sich revidiert.
Ich war da auch irritiert. Ich glaube, das liegt daran, dass es 2 Perspektiven sind; es gibt einen Erzähler mit seinen Reaktionen, der die Geschichte (vermutlich als Kind) erzählt bekam (und dem man die Schuppenflechte-Version präsentierte) -- und einen 'heutigen', der gegenwärtig erzählt. Ich denke, die beiden kann man auseinanderhalten.

Ich frage mich, ob Großvater das Wasser schon im Mund hatte, als er die Scheune betrat. Nein, er wird es in einem Glas mitgebracht haben.
Hier ist es offensichtlich (und es gibt auch bereits Vorschläge dazu). Meiner wäre, an der Stelle die beiden deutlich zu machen.
Damals fragte ich mich lange Zeit (damals, als ich davon erzählt bekam), ob Großvater das Wasser schon im Mund hatte, als er die Scheune betrat. (Heute weiß ich) Er brachte es in einem Glas mit.

Heute ist er alt, damals war er schön. Ich stelle ihn mir mit langen schwarzen Haaren vor, auch wenn hier keiner langes Haar trug.
Hier frage ich mich auch: Zwar weiß der Erzähler, dass Carlo 'schön war', stellt ihn sich mit langem Haar vor, aber als er von allem hörte, stellte er da keine Fragen? Wenn ihn das interessiert, wie C. genau aussah. Ich vermute, die Langhaar-Vorstellung ist wieder der jüngere Erzähler; der gegenwärtige weiß, dass es keine langen Haare da gab.

An der Stelle ist das wenig wichtig. Ich zitiere sie nur, weil ich darstellen will, für mich als Leser ist das durcheinandergezwirbelt.

Dass die Geschichte authentisch ist, vermutete ich. Fast schade, dass die Schuppenflechte ganz profan eine solche war, denn die Schuppenflechte kam mir wie ein Platzhalter vor für 'etwas, worüber man nicht spricht' und das 'nicht so schlimm ist' oder 'keiner Behandlung bedarf' -- also psychischer Probleme, Depression, so was.

Gruß von Flac


edit:

An der Stelle ist das wenig wichtig. Ich zitiere sie nur, weil ich darstellen will, für mich als Leser ist das durcheinandergezwirbelt.
Nachdem ich deine Antwort auf Katta las, sehe ich, dass du diese 'Verzwirbelung' beabsichtigt hast. Nun, als Leser hab ich da nun mal 'Hä? Wieso das denn'-Momente. Aber wie eingangs erwähnt, als Ganzes wirkt der Text sehr stark, vielleicht ist das auch nur Pillepalle :)

 

Hallo @FlicFlac

Nachdem ich deine Antwort auf Katta las, sehe ich, dass du diese 'Verzwirbelung' beabsichtigt hast. Nun, als Leser hab ich da nun mal 'Hä? Wieso das denn'-Momente. Aber wie eingangs erwähnt, als Ganzes wirkt der Text sehr stark, vielleicht ist das auch nur Pillepalle
Ja. Die beiden Perspektiven könnte man voneinander abgrenzen und deinen Vorschlag dazu finde ich an sich dezent. Aber ja, es war mir ein Anliegen, das genau nicht zu tun. Eine frühere Perspektive wird ja stets durch die heutige relativiert und ich wollte da eher so ein Nebeneinander gestalten. Ist auf alle Fälle ein Drahtseilakt, man kann nicht alles haben. Daher freut mich deine Gesamteinschätzung sehr.
Fast schade, dass die Schuppenflechte ganz profan eine solche war, denn die Schuppenflechte kam mir wie ein Platzhalter vor für 'etwas, worüber man nicht spricht' und das 'nicht so schlimm ist' oder 'keiner Behandlung bedarf' -- also psychischer Probleme, Depression, so was.
Ja, sehe den Punkt. In gewisser Hinsicht ist es beides: Profane Krankheit und Platzhalter. Die Schuppenflechte, das Jucken, das wird direkt körperlich gefasst, mit Fokus auf die sichtbare Krankheit. Der Begriff "Depression" als Folgeerscheinung fällt hingegen nicht. Die Depression denkt man sich dazu, nur um am Ende herauszufinden, dass die Gründe für die Depression noch mal ganz andere waren.

Danke dir fürs Reinschauen, das hat mich sehr gefreut!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Peeperkorn ,


es ist so viel schon gesagt worden und eigentlich schreibe ich nur, um dir zu sagen, wie stark ich deinen Text finde und einen Eindruck darüber zu teilen, was du in deinem letzten Kommentar geschrieben hast.
Den Text habe ich kurz nach Veröffentlichung schonmal gelesen und eine Ahnung von dem bekommen, was er soll, zunächst ging es mir aber auch so, dass ich nicht alles verstanden habe, siehe das Wasser und der Eimer.
Glücklicherweise hast du es so gestaltete, dass man die Grundzüge der Geschichte auch mitkriegt, wenn man manches noch nicht weiß.
Übrigens finde ich phänomenal, wie viel und elegant du so viel auf kleinstem Raum erzählt hast.

Ich stelle mir Carlo mit langen schwarzen Haaren vor. Er stammte aus dem Tessin und half Großvater auf dem Hof.
Ich finde hier, dass es ohne den Hinweis darauf, dass dort eigentlich keiner lange Haare trug, besser ist.
Großvater starb an Schuppenflechte. Meine Mutter war noch klein, die Geschwister versperrten ihr den Weg zur Scheune.
Ich habe ein paar Lektüren gebraucht, um mich deiner Bildsprache annähern zu können, finde die Bilder aber in jedem Fall fern vom Gewöhnlichen. Das fand ich eine besonders schöne Art, darzustellen, was damit dargestellt werden sollte.
Ich stelle mir die Kontur eines Hirsches vor, mit Diamantstift in das Glas geritzt. Ich stelle mir vor, wie sich Großvaters Wangen blähen, die Lippen den Lauf umschließen.
Auf so wenig Text wirken viele Details wie kleine Bomben in einem Bombenteppich, der der Ländlichkeit der Personen und der Sprache zu unterst liegt.
An Schuppenflechte stirbt man nicht, doch das Jucken kann schrecklich sein.
Auch wegen deines letzten Kommentars zu dem, was @FlicFlac schrieb: Ich habe die Schuppenflechte auch hauptsächlich als Platzhalter gesehen. Für mich hätte da auch stehen können: "An Ehebruch stirbt man nicht, doch das Leiden kann schrecklich sein."
Das war mein Schwerpunkt beim Lesen dessen.

Ich finde den Text wirklich super!

Viele Grüße,
Helen

 

Hey @Peeperkorn,

ist eine sehr gute Kurzprosa. Man spürt die Schwere und Tiefe, man kann den Text auch mehrere Male lesen und entdeckt neue Nuancen, wie bei einem hochwertigen Käse, Bier, Wein, du kannst es dir aussuchen.
Ich glaube, du hast bereits einige Bearbeitungen umgesetzt, denn der Text war - als ich ihn zuerst las - noch ein wenig anders. So gefällt er mir sehr gut. Er ist ja wirklich wahnsinnig kurz, aber da steckt ein ganzes Leben drin. Ja, ich habe nichts auszusetzen. Toll, wie du rüberbringst, dass es ggü. dem Erzähler, der ja wesentlich jünger als alle Protagonisten ist, die Lüge der Schuppenflechte als Todesursache gab. Dem Erzähler wird während des Erzählens selbst klar, dass das nicht sein kann, aber warum lügen die Leute?
Auch die Affäre wird nicht plakativ benannt, was mir gefällt. Es steckt zwischen den Zeilen. Super, ich freue mich, wieder mal etwas von dir lesen zu können. Bin gespannt auf deinen neuen Roman! Wann kommt er?

Beste Grüße
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Helenesthe

Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich habe mich sehr darüber gefreut, ...

Glücklicherweise hast du es so gestaltet, dass man die Grundzüge der Geschichte auch mitkriegt, wenn man manches noch nicht weiß.
... vor allem auch wegen dieser Aussage. Das klingt jetzt wohl ein wenig schräg, da ich es im Text ja nicht gerade auf Verständlichkeit angelegt habe, aber ich mache mir manchmal schon Sorgen, denke, ein Text kann nur dann überzeugen, wenn alles bis ins Detail verstanden wird oder verstanden werden kann.
Auf so wenig Text wirken viele Details wie kleine Bomben
Danke dir. Ich habe den Text inzwischen schon so oft durchgearbeitet, dass er auf mich den Eindruck einer losen Ansammlung von Sätzen macht. Insofern bin ich froh zu hören, dass er auch in der aktuellen Version seine Wirkung entfalten kann.
"An Ehebruch stirbt man nicht, doch das Leiden kann schrecklich sein."
Sehr schön. Ein solcher Satz sollte bei der Lektüre langsam aufscheinen, so als erhitzte man ein Blatt Papier, das mit Zitronensaft beschrieben ist.

Merci!

Hey @zigga

Schön, dass du reingeschaut hast.

Ich glaube, du hast bereits einige Bearbeitungen umgesetzt, denn der Text war - als ich ihn zuerst las - noch ein wenig anders. So gefällt er mir sehr gut.
Sehr gut. Ich überarbeite oft recht schnell, manchmal auch zu schnell. Aber so erhöhe ich die Chance zu erfahren, ob eine konkrete Änderung Sinn macht. Danke dir für die Einschätzung. Danke auch für den Käse-Bier-Wein-Vergleich, der geht gut runter.
Dem Erzähler wird während des Erzählens selbst klar, dass das nicht sein kann,
Sehr schön auf den Punkt gebracht. Ist ein recht artifizielles Arrangement, umso mehr freut es mich, wenn du das so gelesen hast.
Bin gespannt auf deinen neuen Roman! Wann kommt er?
März 2025. Wir sind gut im Zeitplan, musste/wollte noch ein zusätzliches Kapitel schreiben, aber das ist inzwischen in der Rohfassung fertig. Ansonsten ist das Lektorat fast abgeschlossen. Jetzt müssen noch Klappen/Vorschautext und Cover erstellt und ein paar Fotos des Autors geschossen werden und dann ab ins Rennen damit. Bin schon recht hibbelig, aber immer noch wesentlich entspannter als bei den ersten beiden Büchern.

Hab vielen Dank für deinen Kommentar!

Lieber Gruss euch beiden
Peeperkorn

 

Hallo @Pepperkorn,

ich bin zwar reichlich spät dran, wollte aber wenigstens noch auf einen Drink vorbeikommen.

Ich finde es sehr schön, wie du mit wenigen Zeilen eine Geschichte hinter der Geschichte erzählst. So kann Flash Fiction funktionieren. Da braucht es nicht viele Worte. Der Leser kann sich die Geschichte selbst erzählen und der Autor liefert dazu nur die Anleitung. Außerdem ist es sogar nicht nur eine Geschichte, sondern sie kann zu mehreren möglichen auffächern.

Seit meinem ersten Lesen hat sich offenbar viel getan. Carlo setzt jetzt den Rahmen, er spielt ja eine Schlüsselrolle. Hat nicht in der ersten Version der Erzähler zum Schluss auch nochmal wider besseres Wissen darauf beharrt, dass Großvater an Schuppenflechte starb? Das fand/fände ich noch eindringlicher.

Ich muss allerdings auch sagen, dass ich keine Ahnung von dieser Wassergeschichte hatte und deshalb erstmal etwas ratlos war.

Grüße
Sturek

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey @Sturek

Ich bin zwar reichlich spät dran, wollte aber wenigstens noch auf einen Drink vorbeikommen.
Aber die Bar hat doch erst seit letzten Freitag geöffnet! Schön, hast du hergefunden, das freut mich.
So kann Flash Fiction funktionieren.
Danke dir. Ich glaube, es war das erste Mal, dass ich mich in dieser Rubrik versucht habe. Zumindest ist es mit Abstand mein kürzester Text.
Seit meinem ersten Lesen hat sich offenbar viel getan. Carlo setzt jetzt den Rahmen, er spielt ja eine Schlüsselrolle.
So viel war es gar nicht. Deserted monkey hat ein paar schöne Streichungen angeregt und Katta die Umstellung. Die grösste Änderung ...
Hat nicht in der ersten Version der Erzähler zum Schluss auch nochmal wider besseres Wissen darauf beharrt, dass Großvater an Schuppenflechte starb? Das fand/fände ich noch eindringlicher.
... betrifft das hier. Ich habe da noch zwei Marker gesetzt (die Schuppenflechte war nicht so schlimm, Carlo war ein schöner Mann), damit der Ehebruch zwar angedeutet bleibt, aber etwas klarer wird. Es ist ein Balanceakt. Ja, gemäss dem "Geist der Geschichte" müsste das so gemacht sein, wie du schreibst: Der Erzähler beharrt wider besseren Wissens auf der Schuppenflechten-Version. Auf der anderen Seite droht dann, dass diese Version als die alleinige gelesen wird. Vielleicht reicht ja die Umstellung und ich kann den erster Marker wieder entfernen. Da muss ich noch darüber nachdenken. Danke dir sehr für diese Rückmeldung und Einschätzung!

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

"Denn schließlich sei die Schuppenflechte zwar körperlich lästig und seelisch belastend, aber nicht lebensbedrohlich", schilderte seinerzeit die Süddeutsche Zeitung [vom 19.01.1995],

lieber und bester @Peeperkorn hier und da & wahrscheinlich andernorts,

und der schuppen[er]tragende armselige Friedel (mhd. „Liebling“, der vom Sternzeichen her Fisch ist, und natürlich gerne isst)) – und wäre es nicht der Fall, bliebe die Frage, was aus dem teutschen Nationalepos und seinem Drachen tötenden Helden geworden wäre hier- und andernorts.

Aber das niemand bisher auf einen verdammt frühen Stolperer hinweist, macht mich betroffen: Wann darf ich hier in „Rente“ gehen – keine Bange, meine frühen Förderer – vor allem Gruß in die nördliche Schweiz! – wenn schon nicht das [K]-os, so eine Verwunderung über die „Miss“ Achtung einer der einfachsten rechtschreiblichen Regeln erschlägt – und das im ersten Satz

Ich stelle mir Carlo mit langen* schwarzen Haaren vor.
entweder * = „Komma“ – oder „und“, denn die Länge des Haares – ich bin der lebendige Beweis – spielt keine Rolle bei der Farbe, die sich vor allem gegen Ende des Lebens ändern kann/bei mir, einem (Dunkel-)Blondschopf von Haus aus - gerade wird, was der Bart seit geschätzten barbar(oss)ischen Zeiten schon ist - nicht grau, sondern schneeweiß.

Er schaute in den Eimer und sagte, auf den Friedhof kommt euer Vater nicht. Später ging Carlo mit Geld vorbei und Großvater erhielt ein Begräbnis.

So ist die Welt.

Gern gelesen vom Dante Friedchen

+ +
*zitiert nach:
Schuppenflechte – Schreibung, Definition, Bedeutung, Synonyme, Beispiele | DWDS

was der vom Fußpilz (eingefangen nach einem guten Dutzend Lebensjahren in einem Freibad, keineswegs in irgendeiner Wildnis) wohl sein lebenslang geplagtes Schuppentier (insbesondere auffällig am Haarschopf, für die allein die Haut des Schreiberlings hier verantwortlich ist, was sich insbesondere bis hinab an den Füßen äußert und nicht etwa seinerzeit eingefangen in der Elbe im Prag des Generals Svoboda (= „Wahrheit“)

 

Lieber @Friedrichard

Vielen Dank fürs Reinschauen, es freut mich, dass du den Text gern gelesen hast!

Aber das niemand bisher auf einen verdammt frühen Stolperer hinweist, macht mich betroffen
Deine Betroffenheit ist fehl am Platz, denn die Sache ist meines Erachtens nicht so einfach. Im Netz finden sich unzählige Treffer für beide Varianten. Was natürlich nicht heisst, dass auch beide Varianten korrekt sind.

Ich zitiere aus dem Duden und markiere die wichtigen Stellen fett:

"Beim bayerischen Bier oder dem französischen Rotwein handelt es sich jeweils um einen Gesamtbegriff, der eine solche feste Verbindung bildet. Tritt ein weiteres Adjektiv hinzu, darf kein Komma gesetzt werden, darum also dunkles bayerisches Bier oder kräftiger französischer Rotwein.

Vor allem vier Gruppen von Adjektiven treten in solchen Gesamtbegriffen häufig auf:

  • Adjektive, die Farben bezeichnen (ein wolkenloser blauer Himmel),
  • Adjektive, die Materialien benennen (die alte steinerne Brücke),
  • Adjektive, die die Herkunft bezeichnen (ein bekannter spanischer Autor),
  • Adjektive, die die Zugehörigkeit nennen (eine wichtige amtliche Mitteilung)."
https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/Komma-zwischen-Adjektiven#google_vignette"

Die Frage ist nun, ob "lange schwarze Haare" einen ähnlichen Fall darstellt wie "wolkenloser blauer Himmel" und "schwarze Haare" somit ein "Gesamtbegriff" (Duden) ist. Der "und"-Test greift hier meines Erachtens zu kurz, die Frage ist, ob man die Adjektive auch vertauschen könnte (wenn ja, dann sind sie gleichrangig). Nun klingt "ein blauer, wolkenloser Himmel" ziemlich schräg, es ist also klar, dass "wolkenlos" das "blau" näher chrakterisiert. Und bei den langen schwarzen Haaren? Ich finde, das ist nicht so einfach. Ich für meinen Teil würde niemals schreiben: "Er hat schwarze, lange Haare." Aber so ganz falsch klingt es nun auch wieder nicht. Also ist ein Komma vielleicht doch gefordert. Danke dir für den Hinweis!
Interessant, dass es offenbar ("darf kein Komma gesetzt werden") nur ein richtig/falsch gibt, es können nicht beide Varianten korrekt sein.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Salü @Peeperkorn

Es gibt hier in FlashFiction Texte, die bilden eher eine Szene, oder einen Teilaspekt von was grösserem, aber eben zuwenig, um als vollständige Kurzgeschichte bezeichnet zu werden.

Und dann gibt es Kürzesttexte wie deinen, bei dem sich mit jedem Satz eine neue Tür öffnet, mit Ausblick auf weiterführende Deutungen, das Kopfkino wird angeworfen und regt zum Nachdenken an. Wie was wohl gemeint ist, mit dem vorangehenden zusammenhängt und jedes Wort hat seine explizite Bedeutung, ja, das ist schon verdammt gut gemacht.
Ich habe die Geschichte kurz nach Veröffentlichung gelesen und seither ein paar Mal wieder. Das Kürzen und sanfte Umstellen hat die Aussage noch einmal erweitert. Tatsächlich bin ich doch erst bei der finalen Version auf den wahren – oder zumindest für mich plausibelsten Grund für Grossvaters Suizid gestossen.
Und dennoch, wenn er damals schon Hörner aufgesetzt bekommen hat, weshalb bringt er dann nicht seine Frau oder deren Liebhaber um? Aber eben, vielleicht liebte er seine Frau zu sehr und konnte auch sonst keiner Fliege was zu leide tun, was letztendlich in dieser Verzweiflungstat endete.
Den verstärkenden Effekt des mit Wasser gefüllten Mundes hatte ich irgendwo mal aufgeschnappt und das hat mir beim Lesen auch gleich einen fürchterlichen Schauer erzeugt.
Schon krass illustriert von dir, erst grübelt man über den Sinn des "harmlosen" Mitnehmens von Wasser, um sogleich die ganze Tragweite der gekonnt nur angedeuteten Verzweiflungstat um die Ohren gehauen zu bekommen.

Ich stelle mir die Kontur eines Hirsches vor, mit Diamantstift in das Glas geritzt.
Sehr schön gezeichnet, auch später nochmal in der Wiederholung. Für mich hatte das so etwas tröstliches, keine Ahnung, warum. Vielleicht so ein kurzes Flashback deines Erzählers an glückliche Zeiten?

Meine Onkel und meine Tante standen im Kreis um den Eimer. Wo meine Großmutter war, weiß ich nicht. Wenn ich mir den Eimer vorstelle, hat er eine dunkelgrüne Farbe. Der Pfarrer traf ein. Er schaute in den Eimer und sagte, auf den Friedhof kommt euer Vater nicht.
Ich hatte ebenfalls Mühe, die Onkel im Plural zu lesen. Rechtschreibungstechnisch zwar korrekt, aber wie wär es "Meine zwei/drei/... Onkel und meine Tante" zu schreiben?

Auch die Szene mit dem Eimer mit gewissen sterblichen Überresten musste ich mir zurecht basteln, denn was war mit dem Körper. Also wenn ich mir den "Tatort" nach der Schussabgabe vorstelle, so sehe ich da immer noch den leblosen Körper des Grossvaters prominent am Boden und darum herum verteilt – eben. Aber das wurde deinem Erzähler wohl so berichtet: "Wir standen alle um diesen Eimer herum und dann kam der Pfarrer ..." und den Rest muss man sich halt denken, wie die Onkel und Tanten da aufgeräumt hatten und, statt nur den kopflosen Ätti, dem Geistlichen auch noch den Eimer präsentierten.

Ich stelle mir vor, es war das Glas, aus dem sonst Carlo trank.
Genau, er stellt sich das vor, weil er nun die Wahrheit zu kennen glaubt. Das wurde ihm nicht erzählt. So lese ich das.

Ich stelle mir vor, wie meine Tante vor dem dunkelgrünen Eimer steht. Auf Großmutters Drängen hin nahm sie Carlo zum Mann. Sie wollte wegziehen, doch das erlaubte meine Großmutter nicht.
Und die wahre Vertreterin des familiären Patriarchs zieht weiterhin die Fäden. Wahnsinn, welch grausames Spiel die Grossmutter da trieb.

Ein grossartiges und zugleich intimes Stück ist dir da gelungen, das mich als Hofgeschichtenliebhaber in seiner Eindringlichkeit doch sehr beeindruckt hat.

Danke dafür und liebe Grüsse,
dot

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom