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Die Kaiserin

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12.04.2007
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Die Kaiserin

Die Kaiserin

„Ich bin also der Meinung, die Probleme im Wesentlichen
endgültig gelöst zu haben. Und wenn ich mich hierin nicht
irre, so besteht nun der Wert dieser Arbeit … darin, dass
sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass die Probleme
gelöst sind.“

Wittgenstein, Aus dem „Vorwort“ zum Tractatus


Einst gebar die Kaiserin ein Kind.

Seinen Namen festzustellen und zu entscheiden, wie’s zu heißen sei, wurd’ der Hofrat einberufen, denn, - so meinte der Kaiser, - wie man das Kind rufen werde, werde es den Ruf der Ältern begründen.

Mit flinker Zunge empfahl der Hofnarr, das Kind Eins zu heißen, sei es doch zugleich einziges und erstes Kind des kaiserlichen Paares.

Der Magier winkte ab: Eins sei weniger vollkommen denn Zwei. Eins sei zwar einig und einzig, doch ohne Entwicklung und darum ohne Geschichte. Zwei aber sei mehr als Eins, aber zugleich weniger denn Drei. Zwar würden Zwei beide genannt, doch seien beide bei allen höher’n Mächten nicht alles und zudem entzweit und in Zweifel. Aber, so beschloss der Magier seine Rede, „heißt euer Kind Drei, denn die Drei ist das Vollkommene: zwischen Erstem und Letztem, zwischen Kleinem und Großem, zwischen Niedrigem und Hohem liegt als drittes die Mitte.“

Das fand der Hofrat weise geredet, dass der Hofnarr lachte: „Wie hohl klingen doch kluge Köpfe, reden sie nur vor einer tumben Versammlung! –

Ist denn Drei mehr als Vier? Und doch wollt’ ihrs Kind nicht Vier nennen, denn Vier ist geringer als Fünf und Fünf geringer als Sechs bis in alle Unendlichkeit und Ewigkeit. Warum nennt ihr das Kind nicht gleich All oder doch Viel?“

Da schlug Frouwe Moral die Hände überm Kopf zusammen: „Mit einer Lüge soll das Kindchen belastet werden, eh es noch selbst Lüge von Wahrheit trennen kann?! Nein, mein Bester, es ist nicht Viel, schon gar nicht Alles. Es ist nur ein Kind. –

Darum meine ich, lasst es uns Kint nennen, das ist ehrlich und wahrhaftig und nennt es, wie’s ist!“

„Und“, fügte ein Erzieher hinzu, „das Kind weiß, was es ist: Kind!“

Ohne Verständnis schüttelte der Staatsrat den Kopf: „Ein Mensch namens Kint ist unmündig und bleibt es. So fürchte ich um die staatliche Einheit, sitzt eines Tages dieser Mensch namens Kint auf dem Thron. Ich will mich nicht durch ein Kind beherrschen lassen“, sprach der Staatsrat und er endete: „Sicherlich wird das Kind seinen Kinderschuh’n entwachsen und hineinwachsen in des Kaisers neue Kleider, - weshalb ich rate, das Kind Kaiser zu heißen, damit es seinen Weg und seine Aufgabe von allem Anfang an erkenne!“

Dess’ ward der Kaiser zornig und schlug den Staatsrat, dass sein Schwert rot anlief: „Zwei Kaiser hat’s nie und nimmer gegeben und wird’s nicht auch nur einmal geben!“, dass der Leibarzt einsprang: „Majestät sind einzig und tragen somit Ihren einmal’gen Namen. – Wer könnte sich überhaupt vorstellen, dass zu Euren Lebzeiten ein and’rer denn Ihr Kaiser genannt wird? Das bedeutete Euer Ende und das Ende unseres Staatswesens, denn Ihr, Majestät, seid der Staat“, schnurrte und machte einen Katzbuckel.

Frouwe Moral wendete ein: „Zudem, soll denn ein Kind Euer Ende bedeuten, bevors erst richtig zu leben begonnen?“

Also hatt’ der Hofrat den Totschlag für Recht befunden und der Kaiser gedachte, das Kind Erger zu nennen, weil’s ihm viel Unbill bereitete.

Dess’ zeterte sein Gemahl: „Wie menschenverachtend Du bist!“, und übergab sich. „Wie kannstu’s Kind Erger nennen wollen und auf sein Ende schielen?!“ Und wie der Kaiser düster und betroffen zu Boden starrte, fuhr sie stiller fort: „Soll denn das Kind nicht uns’re Freude sein? Mein Vrîdel, lass es uns Froidenreich heißen und uns an seinem Wesen freu’n.“

Alle stimmten sie hocherfreut zu und der Name schien schon gesichert, als der Hofnarr bemerkte, der General erfreue sich anders als die Hebamme, der Richter kenne andere Freuden als der Dichter, sogar der Kaiser wüsst’ um andere Freuden als die Kaiserin, „und wenige“, so schloss der Narr, „ empfinden nur Freud’ an meinen Narretei’n. Und wer nennt sein Kind schon Albern?“

Da kehrte große Stille ein am Hof, dass manches Knistern aus Hirnen zu erlauschen war. Und hinein in die gespannte Ruhe flüsterte der Priester: „Warum sollten wirs Kindchen nicht Frieden heißen?“, dass der General laut los polterte: „Vrieden? Welch ein Ohnsinn! Da könnt'n wir’t ja gleich Ruhesanft nenn’n!“, und lachte laut, dass ihm der dicke Wanst wackelte und schmerzte.

Den Priester aber hatte der Spott getroffen, dass er dem General ins Gesicht schlug. Also schufen die Männer der Ordnungsmächte ein Chaos: der General prügelte sich mit dem Priester, Frouwe Moral zerrte im Haar der Hebamme, der Leibarzt kniff den Magier. Zu all dem Zetermordio ließ der Narr sein Glöcklein klingeln, dass ein fröhliches Lärmen entstand. Hunde aber und Krähen zehrten derweil vom Leichnam des Staatsrats.

Sicherlich wärs zu weiterem Mord und Totschlag gekommen, wär’ nicht eine anarchische Stimme dazwischengefahren: „Mensch, seid ihr maßlos! Ordnung wollt ihr und schafft Chaos. Herrschen wollt ihr und beherrscht nicht einmal euch selbst!“ Und da der gesamte Hofstaat einhielt im Prügeln, Zerren und Zausen schmerzte die plötzliche Ruhe. Und in die Ruhe hinein flüsterte erstaunt die Kaiserin: „Adam!
Der Mensch ist Maß aller Dinge!“

So kam das Menschenkind zu seinem Namen.

 

Soll mir das jetzt sagen, dass, falls ich eine Geschichte, in welcher für die Zeit grammatikalisches Wissen selten ist, diese auch mit jenem Wissen zu schreiben veranlasst bin? Würd mich wundern, aber klär mich auf ;-)

Soll Dir das selbstverständlich nicht,

lieber autorschneider.

Aber

in welcher für die Zeit grammatikalisches Wissen selten ist
kann doch nur heute bedeuten, denn die Lösung kann man auch ohne grammatisches Wissen lösen:

Also hatt’ der Hofrat den Totschlag für Recht befunden und der Kaiser gedachte, das Kind Erger zu nennen, weil’s ihm viel Unbill bereitete.

Dess’ zeterte sein Gemahl: „Wie menschenverachtend Du bist!“, und übergab sich. „Wie kannstu’s Kind Erger nennen wollen und auf sein Ende schielen?!“ Und wie der Kaiser düster und betroffen zu Boden starrte, fuhr sie stiller fort: „Soll denn das Kind nicht uns’re Freude sein? Mein Vrîdel, lass es uns Froidenreich heißen und uns an seinem Wesen freu’n.“


Wess' Gemahl könnt' da gemeint sein, Hofrats oder Kaisers? Es ist eher ein logisches denn ein grammatisches Problem.

Gruß

Friedel

 

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