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Die Hassmacher

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03.11.2015
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Die Hassmacher

Hallo.
Mein Name ist Hasso Glück. Wie ein Teil meines Namens es schon verrät, hasse ich es, wenn andere fröhlich sind. Und ich liebe es, wenn andere Menschen todtraurig sind. Das ist für mich wahre Freude.
Warum ich so bin? Das weiß auch ich nicht. Sorry. Das war gelogen. Alte Angewohnheit. In meinem Fall, weiß man es ganz genau. Man rät mir in letzter Zeit dazu, öfter die Wahrheit zu sagen, fällt mir aber noch schwer. Meine Therapeuten meinten, sie hätten Angst vor mir. Sie haben mir auch erklärt, wie mein Störungsbild aussieht. Habe ich es verstanden? Natürlich. Aber ich habe es geliebt so zu tun, als sei ich zu dumm, es zu kapieren? Na klar.
Ein Blick auf meinen Stammbaum verrät ganz genau, wie es soweit kommen konnte. Es ist genetisch bedingt. Meine Mutter sagte immer, ich sei ein Psychopath wie mein Papa. Und Papa? Der behauptet er sei lange Zeit stolz auf mich gewesen. Ich käme ganz nach Uropa Lorenz, Opa Konrad und ihm, Hasso Senior.
Tatsächlich bin ich schon die vierte Generation der Hassmacher. Aber keine Sorge. Wir Hassmacher sind keine Mörder. Wir sind Psychopathen mit Stil. Wir haben uns die Hände nie schmutzig gemacht. Wir lieben zwar das Chaos, aber auch wir haben unsere Grenzen. Dennoch werdet ihr mir kaum glauben, was wir alles schon verursacht haben.


***

Mein Opa Konrad hatte es nicht so einfach wie ich, wir er mir oft erzählte. Damals gab es noch kein Internet. Der Arme konnte Hass nicht so schnell verbreiten wie mein Vater und ich. Er musste noch selber raus auf die Straße. Wenn Politiker wie Helmut Kohl mit Eiern beworfen wurden, dann war das auch sehr oft mein Opa. Und das nicht, weil er Kohl nicht mochte, sondern nur weil er es noch mehr liebte, wenn andere sich aufregten. Und weil er die Kohle dafür liebte. Dieser Job machte ihm sehr viel Spaß. Unglaublich, wie viele Auftraggeber es gibt, die Menschen suchen, die Haus und Unruhe verbreiten. Opa war nicht nur ein fantastischer Werfer, er war auch einer der ersten Graffiti-Künstler des Landes. Auch wenn er nichts gegen Ausländer hatte, schließlich war er selber ein halber, war er nach dem Krieg einer der Pioniere, der rassistische Bilder auf Flüchtlingsheime sprühte. Papa meinte immer, dass Opa verschiedene Berufe hatte. Einer davon war Landwirt. Denn Opa säte Zwietracht und Hass wie kaum ein anderer. Und das zu jeder Jahreszeit. Opa war ein wirklich guter Farmer.
Er und Papa gingen, als Papa noch jung war, gerne zusammen ins Fußballstadion, besonders gerne in das Westfalenstadion. Der schönste Moment war derjenige, als ein Foul oder eine Schwalbe entstand und man so herrlich Spieler beschimpfen und auspfeifen konnte. Schnell bemerkte Opa, dass mein Papa ein besonderes Talent hatte. Keiner konnte so schnell und laut pfeifen wie er. Seine zusammengepressten Finger in seinem Mund waren eine Waffe. Wenn Stefan Effenberg im Trikot der Bayern ausgepfiffen wurde, war es meistens mein Vater, der die anderen anheizte, indem er laut pfiff. Mein Opa unterstütze ihn mit Hasskommentaren. „Du Arschloch! Steh auf, du scheiß Simulant! Wofür wirst du eigentlich bezahlt. Deine Frau schämt sich für solch einen Schlappschanz. Du kleiner Wichser!“ Ich weiß, nicht die netteste Wortwahl und eigentlich auch nicht unser Register. Wir Glücks haben einen anderen Anspruch. Dabei meinte Papa, dass Opa Stefan Effenberg eigentlich bewunderte.
Auch Papa hatte mit dem „Tiger“ sein ganz persönliches Erlebnis. Er berichtet bis heute, wie stolz er war, als er 1994 in den USA bei der WM live vor Ort sein konnte. Als Effenberg im Spiel gegen Südkorea von Papas Ruf „Effenberg raus“ so provoziert wurde, bis dieser seinen berühmten Stinkefinger auspackte, weinte Papa fast vor Glück. Er ist sich sicher, dass er der erste Zuschauer war, der Effenberg ausbuhte und den Spruch rief. „Die anderen haben mir dann alle nachgemacht! Das war so geil! Aber ich war der Erste. Einfach so!“, sagte er immer. Und ich kann mir das sehr gut vorstellen. Seine Augen blitzen bis heute auf, wenn er davon berichtet. Dann ist er voller Stolz.
Opa und Papa wurden mit ihrem Talent, Hass zu säen schnell bekannt und immer da eingeladen, wenn Menschen ausgepfiffen oder diskriminiert werden sollten. Besonders auf Wahlkampfveranstaltungen waren sie gerngesehene Gäste der Opposition. Sie brauchten nur ihre Hände, ihren Mund und manchmal eine Trillerpfeife, um Politiker zu verunsichern, vielleicht manchmal auch eine kleine Trommel. Sie haben schon gegen jede Partei geschossen und wurden kurioserweise auch schon fast von jeder Partei beauftragt und sehr fürstlich entlohnt. Papa meinte einst, wir seien richtige Hass-Söldner.
Noch stolzer als auf die Entstehung des Effe-Fingers ist Papa auf den Laschet-Day. Raten Sie mal wer Armin Laschet kurz vor dem Ahrtal- Foto, was um die Welt ging, einen Flachwitz erzählt hatte und ihn somit zum Schmunzeln brachte? Als das Foto entstand winkte Papa ihm aus der Menge zu und Armin Laschet musste etwas grinsen. Auch das war wieder mein Vater. Ein richtiger Held. Also ich meine, ein richtiger Anti-Held. Papa behauptet bis heute, dass der Sekretär von Olaf Scholz ihn während der Flutkatastrophe um einen kreativen Einfall gebeten hatte, der nur schwer nachzuweisen war. Es war aber nicht alleine Papas Verdienst. Schließlich musste der gute Armin selber lachen. Mein Vater hatte ihm nur auf die Sprünge geholfen. Durch diese Aktion konnte Papa sich ein zweites Haus bauen. Er ist einfach auch sehr gut in seinem Job. So wie sein Papa zuvor.

Opa und Papa haben schon viele Persönlichkeiten verhindert. Opa prahlte bis zu seinem Tod, dass es wegen ihm keinen Kanzler mit dem Namen Strauß gegeben hat. Ich weiß zwar nicht, wen er genau meint, aber ich glaube unserer Familie hat schon viele Kanzler und Ministerpräsidenten verhindert. Dabei sind beide, Papa und Opa, nicht mal politisch. Papa und ich denken sogar, dass die AfD Deutschland ins Chaos stürzen wird. Das ist der auch der einzige Grund, warum wir sie wählen. Na gut. Auch, weil sie sehr gut zahlen. Ich bin gerade mal 17 und als Content-Consultant der inoffizielle Strippenzieher hinter vielen ihrer TikTok Videos. Es ist schon spannend, wer alles und vor allem wie viel er oder sie dann für Hass zahlt.


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Während Papa und Opa immer noch zusammen auf Marktplätze gegangen sind und Menschen ausgebuht haben, führe ich unser Familiengeschäft nun als Juniorchef weiter und mache es reif für das 21. Jahrhundert. Wusstet ihr schon das hier? Mein Papa und ich sind dafür verantwortlich, dass jedes bekanntere deutsche YouTube-Video mindestens einmal disliked wurde. Selbst das süßeste Katzenvideo oder der beste Song wird gehasst. Das ist ganz schön viel Arbeit. Zum Glück haben wir ein paar Späher eingestellt, meistens Studenten auf Minijob-Basis. Dachtet ihr wirklich, das geschieht ohne Grund? Natürlich gibt es viele unzufriedene Menschen auf diesem Planeten, die kein Glück ertragen, quasi gottlose Konkurrenz. Aber dachtet ihr wirklich, dass das alles Zufall ist? Hass muss hart erarbeitet werden.
Durch Hasskommentare wurde Papa zum ersten Mal Millionär. Ihr würdet gerne wissen, wer dies initiiert hat? Das bleibt ein Geheimnis. Wenn ihr die Namen unserer Auftraggeber kennen würdet, dann müssten wir wirklich unserer Finger schmutzig machen. Aber glaubt uns. Wir werden nicht so dumm sein und uns mit Deutschlands größter Boulevardzeitung anlegen, die Hater braucht, um über Hass zu berichten und ihn dadurch wachsen zu lassen. Oopsi. Vielleicht habe ich ja schon zu viel verraten? Zwinkersmiley
Ansonsten hat unsere kleine Firma kaum natürliche Feinde. Vielleicht noch Promis, die die Kommentarfunktion ausschalten. Die schaden unserem Konto. Wen wir wirklich lieben? Alte weiße Männer! Sie machen uns Tag für Tag reich. Ich wusste zwar nicht wer Stefan Raab und Thomas Gottschalk sind, aber sie sind quasi unserer Ernährer, würde Papa sagen. Ich bin so froh, dass sie zurückgekehrt sind. Jeden Mittwoch zerfleische ich sie im Internet, lästere über Raabs neue Hybrid-Show. Sie liefern mit ihren naiven Sprüchen den Nährboden für Hass. Aber noch besser läuft unsere Firma seitdem Elon Musk Twitter übernommen hat und ich bei X schreiben kann, was ich will. Wir verehren Elon und haben ihm viel zu verdanken. Was wären wir ohne Insta, X und TikTok?! Lachsmiley.

Jeden Tag folge ich einem Muster. Wie Opa schon sagte, Hass verbreitet sich nicht von alleine. Montags durchforste ich Wahlkampagnen von Parteien sowie Posts von Politikern und denunziere Parteimitglieder, die nicht korrekt gendern. Woke sei Dank!
Dienstagsvormittags schaue ich auf Insta und Co. welcher Influencer Pelz trägt oder sich nicht vegan ernährt. Am Nachmittag nehme ich dann eine neue Identität an, wie zum Beispiel den Fleisch-Willi und ätze gegen Veganer. Was für ein Spaß!
Mittwochs fahre ich, fast so ähnlich wie der wie der Anzeigenhauptmeister, mit meinem E-Roller herum und schaue, wer im Halteverbot parkt, oder welche TÜV-Plakette abgelaufen ist. Leute zu denunzieren macht solchen Spaß. Leider bringt es kein Geld ein. Es ist eher ein Hobby. Doch dafür habe ich die restlichen vier Tage der Woche.
Donnerstags bis sonntags schreibe ich Fake-Rezensionen auf Amazon. Meine Auftraggeber lassen einiges dafür springen, wenn ich der Konkurrenz schade. „Ich würde Minussterne vergeben, wenn ich könnte!“ Es würde mich nicht wundern, wenn dieser Satz auch von meinem Vater stammen würde. Was auch immer geht: Vergiftete Komplimente. „Für den Preis ist das Produkt ja ganz okay, aber es hält nicht mit anderen Anbietern mit!“ Apropos vergiftete Komplimente. Durch meine Rhetorik habe ich trotz meines verdorbenen Charakters viele Follower und sogenannte „Freunde“. Über 2000! Wahrscheinlich haben sie wie meine Lehrer einfach nur Angst vor mir. „Die Girls haben wohl mal Lust auf einen netten Jungen, der sie nicht hart durchvögelt und danach verarscht“. Das sage ich meinen Kumpels. Und zu den weiblichen Personen äußere ich Kommentare wie „Wenn du lächelst, bist du eigentlich ganz hübsch!“ Den Satz muss meine Mutter erfunden haben. Ein Engel ist sie nämlich auch nicht. Nicht um sonst heiratet man einen Psychopathen. Sie ist auch nicht ohne, auch wenn ihre Seite der Familie als das schwarze bzw. das weiße Schaf betrachtet wird. Auch wenn sie kein guter Mensch ist, ist sie eine derbe Enttäuschung für Opa gewesen. Wie oft hat Opa Gerüchte in die Welt gesetzt, wie zum Beispiel, dass meine Mutter Papa betrogen hätte und er hat sogar potenzielle Affären für Falschaussagen bezahlt. Zu dumm nur, dass mein Vater genauso manipulativ ist und seine Tricks alle durchschaut hat. Das ist der Nachteil, wenn es mehrere Hassmacher innerhalb einer Familie gibt. Ich glaube Papa ist nur noch mit meiner Mutter zusammen gewesen, um Opa zu ärgern. Wie gesagt, der Hass der anderen macht uns glücklich. Und jetzt sind sie nur noch aus Gewohnheit zusammen.

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Opa war aber nicht der erste Hassmacher. Mein Uropa Lorenz war vermutlich einer der Ersten. Leider hat er nie in Deutschland gewohnt. Es gab damals nur einen Ort, wo man als Hassmacher so richtig reich wurde. Richtig geraten. In Amerika wurde mein Uropa in den 60ern und 70ern noch öfter gebucht als die besten Auftragskiller. Ihm konnten Taten nie nachgewiesen werden, weil er nie selber den „Abzug“ betätigt hatte. Er hatte nur die Waffe gebaut und wie in Deutschland werden Waffenhersteller sehr reich. Das meint zumindest Papa. Mein Uropa Lorenz hieß in Amerika Larry Luckmann und log sich vom Gewäsch-Erzähler zum Millionär. Für seine Anfänge schämte er sich aber. Er hatte etwas gemacht, wofür wir uns alle geschämt haben: Er war Warm-Upper für diverse Spielshows. Wie peinlich und erniedrigend! Leute zum Lachen animieren und sich dabei wie ein Clown aufführen … Ich könnte kotzen, wenn ich daran denke. Wahrscheinlich stammen die ersten Flachwitze von ihm. Clap Monkey nannte er sich selber. Er schämte sich, ein Klatschaffe gewesen zu sein. Manchmal war er finanziell so schlecht dran, dass er bei Veranstaltungen als Seat-Filler arbeiten musste und für das Herumsitzen bezahlt wurde, wenn es nicht genug Zuschauer bei Fernsehproduktionen gab. Oder er musste enthusiastisch klatschen, egal wie beschissen ein Gag vorne auf der Bühne war.
Als er eines Tages bei einer Aufzeichnung einschlief und schnarchte, wurde er ironischerweise nicht herausgeschmissen. Ich weiß nicht mehr wie die Spielshow hieß, aber sein Schnarchen hatte den jungen Host so aus der Fassung gebracht, dass dieser bei der Pilotaufzeichnung der Sendung derartig stotterte und stammelte, dass ein anderer den Job als Gastgeber bekommen hatte. Dieser Mann hieß Ron und Ron stellte meinen Uropa sofort ein. Er wusste, was er für eine Waffe hatte. Von da an begann die Karriere meines Großvaters. Viele große Showmasterkarrieren wurden von Uropa und Ron verhindert, weil mein Uropa es mit kurzen Verunsicherungen wie Gesprächen oder Ablenkungen schaffte, die Leute nervös zu machen. Und so hatte Ron nie große Konkurrenz zu befürchten.
Es war im Jahre 1960 als Larry Luckman den wichtigsten Moment seiner Karriere als Hassmacher feierte. Mein Uropa war es, der von Ron während des großen TV-Duells im Backstagebereich als Tontechniker eingestellt wurde. Wir vermuten, dass die Kennedys Ron damit beauftragt hatten, Nixon „unschädlich zu machen!“ Uropa Lorenz prahlte bis zu seinem Tod davon, wie er es schaffte, eine gewisse Substanz vor dem Duell in Nixons Kaffee zu kippen, sodass dieser stark müde wirkte und anfing zu schwitzen.
Zudem hatte er vorher dafür gesorgt, dass Nixons Friseur absichtlich ein paar Bartstoppeln an seinem Gesicht ließ. Dieses ungepflegte Aussehen entschied angeblich die Wahl und ausgerechnet einer aus der Familie Glück, galt als wichtigster Wahlhelfer Kennedys. Doch J.F.K. hatte sich nie bei Opa Lorenz bedankt. Aber keine Sorge. Für das, was danach passierte trägt er keine Schuld. Da steht ein Glück drüber! Mein Ehrenwort! Zwinkersmiley.
Später nannte man Uropa Lorenz nur noch Larry Freeman, einer der wenige Leute, die für einen langen Zeitraum nie Eintritt oder Geld für Essen im Raum New York bezahlen musste. Vielleicht hatten die Leute Angst, dass nächste Opfer von Larry Luckman zu sein. Oder die Kennedys hatten doch ihre Finge im Spiel. Oder es war doch nur Ron, der ein großes soziales Netzwerk geschaffen hatte, lange bevor es Meta gab. Diese finanzielle Freiheit ist auch der Grund, aus dem Uropa Lorenz nie wieder nach Deutschland zurückkehrte. In den U.S.A. war er ohne wirklich reich zu sein, ein reicher Mann. Leider wanderte meine Großmutter nach der Scheidung mit meinen Opa Konrad zurück nach Deutschland aus. Tja, nicht jeder hält es mit einem Psychopathen aus. Zum Glück wanderten Larry Freemans Gene mit zurück nach Deutschland.

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Und so bin ich nun die vierte „glückliche“ Generation, die als Hassmacher arbeitet. Und ich bin der Einzige, der zum Geldverdienen sein Büro nicht verlassen muss. Schon vor Corona arbeitete ich im Home Office, und das mit gerade mal 13 Jahren. Doof nur, dass in letzter Zeit die Schule dazwischenkam. Die Coronazeit war toll. Dort konnte ich Vollzeit von zu Hause arbeiten und es gab für Papa und mich viele neue Einnahmequellen. Papa erfand die ersten Montagsspaziergänge und ließ sich seitdem als Organisator diverser Märsche buchen. „Ein guter Marsch muss effizient organisiert sein.“ Das ist sein Credo. Was immer Credo auch genau heißen mag. Zudem muss ein Marsch medial gut dokumentiert sein und eine große Reichweite haben. Dafür sorgt eine unsere Firmen.
Seit dem Ukraine-Krieg und dem 7. Oktober 2023 stieg die Nachfrage nach Hassmacherei rasant an. Nur von Antisemitismus lassen wir die Finger. Uropa Larry war Jude, auch wir haben schließlich unsere Grenzen, wie ich anfangs sagte.
Eigentlich wäre mein Leben perfekt, gäbe es nicht einen Nachteil. Mit 17 Jahren bin ich leider noch schulpflichtig. Und vielleicht hätte ich Frau Obermeyers Insta-Account nicht mit Hilfe von KI generiertem Sexual Content sprengen sollen oder anrüchige E-Mails vom ihrem Schul-Account auf Elternachricht.de schicken und mich dabei erwischen lassen sollen. Auch wenn ich zugeben muss, dass Frau Obermeyer in Lack und Leder mit Peitsche wirklich echt aussah, habe ich wie ein dummer Amateur Spuren im Darknet hinterlassen.

Ich fühlte mich halt unbesiegbar, aber ich hatte leider ein unglückliches Händchen und nicht mit der neu in die Stadt gezogenen Lehrerin gerechnet, gegen die mein Vater und ich als Einzige zu wenig in der Hand hatten. Sie kannte wohl die Hassmacher noch nicht. Als sie dafür sorgte, dass ich wieder regelmäßig zu Schule kommen und so jobmäßig kürzertreten sollte, musste ich diese geschäftsschädigende Frau irgendwie eliminieren. Doch ich habe sie unterschätzt. Da ich noch nicht dazukommen war, wie bei allen anderen Lehrern zuvor, ihre Vita zu checken, ist mir leider entgangen, dass ihr Ehemann in der IT-Abteilung der Polizei arbeitet und irgendjemand dort ist mir leider auf die Schliche gekommen. Und dieser Typ hat leider auch einige anderer meiner Projekte auffliegen lassen, sodass ich vorübergehend woanders untergebracht bin und eine bittere Pille schlucken muss. Und das jeden Abend.
Ich bin froh, dass mein Vater sich nicht für mich schämt und weiterhin bereit ist, mit mir zusammenzuarbeiten. Er hat zwar leider keine Zeit mich zu besuchen, aber wir schreiben manchmal. Er meinte zwar schon, dass er enttäuscht sei, da ich der erste Glück bin, der jemals erwischt wurde. Aber was will man machen? Das ist der Nachteil daran, dass geschriebene Wörter im Internet leider dokumentiert sind. Ich bin froh, dass ich eine letzte Chance bekomme. Schließlich sei ich nicht so schlimm wie mein Onkel Gustav, der in Amerika aus Protest gegen seinen Vater und meinen Opa Konrad als Clap-Monkey gearbeitet hatte und nun als Warm-Upper bei den Konzerten von Taylor Swift arbeitet. Er ist neben meiner Mutter das wahre weiße Schaf in einer Familie wo es nur schwarze Schafe gibt. Sie ist eine Schande für die Glücks. Zum Glück scheint meine kleine Schwester Henny ganz nach den anderen Männern der Familie zu kommen. Ich habe noch nie ein Baby so kalkuliert weinen und schreien sehen wie sie. Wir sind so stolz auf sie, bis auf meine Mutter. Die ist ausgezogen. Naja. Besser ist das.


***

Oh, es ist gleich 20 Uhr. Meine Internetzeit endet leider nun. Aber ich werde die Tage noch weiter an meiner Autobiographie sitzen. Wenn ich eines von Prominenten wie O.J. Simpson, Boris Becker oder Anna Sorokin gelernt habe, dann dass Netflix auf Verbrecher wie mich wartet. Es sind zum Glück nur noch sechs Monate, aber die Tabletten hier sind echt eklig. Ich kriege davon starke Kopfschmerzen und habe manchmal Nebel im Kopf dadurch. Und dass die Pfleger meinen, ich sollte aufhören Märchen zu erzählen nervt. Sie glauben mir kein Wort. Ich sei verrückt und würde hier nie wieder rauskommen. Manchmal glaube ich selber nicht, was meine Familie und ich alles so erzählt haben. Aber ganz ehrlich? Wen interessiert schon die Wahrheit, solange man eine gute Story hat. Papa meint, ich solle mir keine Sorgen machen. Er ist schon wieder am Sähen und holt mich bald hier raus. Ihr werdet schon sehen! Und Frau Obermeyer kann sich schon auf die Erntezeit gefasst machen, meint Papa.


Keine Grüße

Hasso

 

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