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Die Frau seines Lebens

Beitritt
01.05.2003
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Die Frau seines Lebens

Die Frau seines Lebens

Am liebsten hätte er sie in Stücke gerissen. Er hasste ihre Art, die ganze scheinheilige Palette, wie sie kaum eine andere Frau hätte besser gebrauchen können. Doch was sie auch versuchte, er hatte sie durchschaut. Im Laufe der Jahre kannte er jede ihrer Waffen und es gab kaum eine Klinge, die nicht die Schärfe einer frisch geschliffenen Schweineaxt erreicht hatte, mit der sie ihn dann und wann kitzelte.
Und wenn sie sich wieder einmal in eine prickere Situation hineinschaukelte, ihn dann mit ihrer engelsgleichen Miene ansah, als wäre alles gut und als ob nichts besser sein könnte, war er selten weit davon gewesen, ihr eine runterzuhauen, ihr die Zähne aus ihrem zarten, jung gebliebenen Gesicht zu schlagen und sie dermaßen zu vermöbeln, dass sie nie wieder so ein herrlich unschuldig wirkendes Lächeln auf ihrem Gesicht würde zaubern können. Nur ein Wort hätte manchmal genügt und ihr Gesicht wäre einem Helloweenkürbiskopf gleichgekommen. Und obwohl sie die Gefahr kannte, jonglierte sie für gewöhnlich gerne mit heißen Kohlen in den Händen.

Gewiss hatte sie auch ihre Reize. Wie ein Aal konnte sie sich an ihn anschmiegen und ihren Busen so lange an seinem Körper reiben, bis er ihre Brustwarzen durch das Nachthemd hindurchspürte. Wenn er die Augen schloss und die Welt um sich vergaß, sich ganz auf sie konzentrierte, hatte er dass Gefühl, als wären ihre Hände an jeder Stelle seines Körpers gleichzeitig. Oh ja, sie konnte ihn richtig heiß machen und wenn sie es wollte, hatte er keine Chance etwas dagegen zu tun.

Er hasste sie nicht nur für ihre Rollen, in die sie gelegentlich so elegant hineinschlüpfte, wie sie es in eines ihrer dünnen Abendkleider schaffte, nein; er hasste sie vor allem, weil sie ständig Macht über Menschen hatte. Nicht etwa eine mit Gewalt, wie sie es ein Mann zu pflegen ausübt, wenn die Frau nicht gehorsam ist, sondern, die viel kräftiger und ja, eine, die um Tonnen effizienter war.

Wer mit ihr ins Gespräch kam, hing bereits mit einem Bein in der Schlinge und mit jedem weiteren Satz zog sie diese langsam enger. Ihre Stärke lag in ihrer Geduld und in ihrer Ausdauer. Sie konnte stundenlang einen ansehen ohne ein Wort zu sagen und dennoch hätte sie jeder Mann liebend gern auf das Bett gelegt und es ihr besorgt. Aber sie war nicht die Frau, die sich einfach flach legen ließ, und dabei glücklich war, wenn der Mann wie ein Esel zum Orgasmus kam. Nein. Sie schlüpfte perfekt in die Rollen. Bei jedem Rodeo hätte sie den ersten Preis gewonnen, denn ihre Art zu reiten machte jedes Fohlen zum Hengst.

Es war weder ihr Intellekt, noch ihre Schönheit, nicht die Art, wie sie einen ansah und auch nicht die Worte, die sie gebrauchte. Es war ihr voller runder Mund, ihre weichen rosa Lippen, die in Zeichensprache den Männern sagten: Egal wie andere Frauen zu dir waren, ich bin besser. Meine Lippen könnten dir den besten Orgasmus deines Lebens besorgen.
Und verdammt, sie hatte Recht. Gerade er wusste es am Besten und wenn es nicht die reine Wahrheit gewesen wäre, hätte er den Schmerz vielleicht verkraft und sich von ihr losreißen können.

Sie waren nun bereits seit 2 Stunden auf dieser belanglosen Dinnerparty und seit einer viertel Stunde sah er ihr von weitem zu, wie sie sich mit einem Mann im schwarzen Smoking, einer Rolexuhr und furchtbar teuren Diamantenringen, die er an beiden speckigen Ringfingern trug, unterhielt. Er fuchtelte provokant mit seinen Händen vor ihrem Gesicht herum und so kam wohl kein Gast drum herum, das von den Kronleuchtern reflektierte Licht an den Diamanten zu sehen. Dieser Mann machte ihn nervös.
Sie drehte sich um, als ahnte sie bereits, dass sie beobachtet wurde und schenkte ihm ein lächeln zu, dass jeden Mann schwach werden lies. Ihre Lippen schienen zu sagen: Nimm mich. Hier und jetzt, vor allen Leuten. Und er stand nur da und wusste, dass sie ihr Spiel so lange mit ihm trieb, bis sie ihn am Abend so weit hatte. Sie würde die Schlinge noch enger ziehen, mit jedem Mal, die er nicht widerstehen konnte, so lange, bis sie ihm eines Tages keine Luft mehr zum Atmen lies.
So oft wollte er sie verlassen, sie aufgeben und einen neuen Weg einschlagen, aber sie war wie eine Droge, wenn man einmal auf den Geschmack kommt, kann man nicht mehr die Finger von lassen. Er wusste, dass sie Gift für ihn war und sie gab ihm wieder und wieder die Injektion. Gift ist eine Frage der Dosis und wenn er einmal mit ihr aussetzen sollte, würde sie auf ihn warten um ihm dann den Rest zu geben. Sie war geduldig und brachte alles was sie begonnen hatte auch zu Ende.


 

Gefällt mir. Ich mag einfach deine Art zu erzählen, außerdem ist diese Story wie aus dem Leben gegriffen ;-) Nur das Ende ist eben nicht 100%ig perfekt, vielleicht fällt dir da noch was besseres ein.

 

Hallo Jingles,
vielen Dank für Deinen Beitrag. Natürlich freut es mich sehr, wenn Dir meine Geschichten gefallen und Komplimente hört man sicherlich immer gerne.

Könntest Du mir vielleicht konkret sagen, wieso Dir das Ende nicht 100% gefällt? Ich glaube zwar nicht, dass man jeden Leser zufriedenstellen kann, aber Deine Meinung würde mich schon interessieren.

Viele Grü0e
Herbert

 

Dies ist dein Ende:

"Gift ist eine Frage der Dosis und wenn er einmal mit ihr aussetzen sollte, würde sie auf ihn warten um ihm dann den Rest zu geben. Sie war geduldig und brachte alles was sie begonnen hatte auch zu Ende."

Das vermittelt mir, dass der Beschreibende der Auffassung ist, die Frau würde ihn eines Tages noch ruinieren. An und für sich ein schlüssiges Ende. Mich persönlich stört, dass du das Ende mehr aus ihrer Perspektive geschrieben hast, obwohl die eigentliche (versteckte) Hauptfigur der Autor ist, der an ihrer magnetischen Anziehungskraft leidet.

Aber vielleicht warte ich ja auch nur auf ein Ende mit einem Fanfare-Effekt, bei dem die Leserschaft weiß, wann sie mit den Füßen aufstampfen und applaudieren darf.

 

Hallo Jingles,
über die Perspektive werde ich mir wohl später noch einmal Gedanken machen,wenn ich etwas Abstand zu der Geschichte bekommen habe. Aber die Kritik finde ich doch sehr interessant.

Gruß
Herbert.

 
Zuletzt bearbeitet:

Kritikerkreis

Ein Blick auf den Titel weist darauf hin, dass es sich bei dieser Geschichte um eine Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau dreht. Meine spontane Vermutung: Au fein, da hat jemand die optimale Partnerin gefunden. Doch halt! Bereits der erste Satz macht deutlich, dass genau das Gegenteil der Fall zu sein scheint. Der Prot. hat eine Menge Wut angestaut, deren Ursache im Verhalten der Dame zu suchen sein dürfte. Mit wohl akzentuierten Worten vermittelt der Autor seinen Lesern das Bild einer weiblichen Person, die mit dem Feuer spielt und ganz bewusst für sich selbst brenzlige Situationen heraufbeschwört.

Vom zweiten Absatz an dann die ersten Hinweise darauf, weshalb sie dennoch eine unleugbare Anziehung auf den Mann ausübt. Sie beherrscht offenbar sämtliche Spielarten der körperlichen Liebe und dadurch auch ihn. Er könnte diese Art der Zuwendung sicherlich genießen, wenn sie sich auf seine Person beschränken würde. Die Frau jedoch nutzt ihre betörenden Attribute, um noch andere Opfer in ihren Bann zu ziehen, genießt die Macht, die sie dadurch erlangt.

So auch auf der Party. Nicht zum ersten Mal muss der Prot. hilflos mit ansehen, wie sie schamlos ihre Reize einsetzt, ihn durch ihre Untreue in aller Öffentlichkeit zum Trottel degradiert. Sie demütigt ihn, tritt seine Gefühle mit Füßen, und doch kommt er nicht von ihr los. Er ist besessen, süchtig nach ihrem süßen Gift. Am Ende bleibt ihm nichts als die bittere Erkenntnis, dass sie über kurz oder lang sein Untergang sein wird, da sie am längeren Hebel sitzt.

Kommentar:
Die Geschichte behandelt auf eine interessante Weise das Thema ´sexuelle Abhängigkeit`. Sollte der Prot. jemals Liebe für die Frau empfunden haben, so ist diese Emotion nun völlig auf Äußerlichkeiten reduziert, Befriedigung wichtiger geworden als der Erhalt von Selbstwert. Diese mehr als fragwürdige Basis für eine Beziehung hat der Autor entsprechend kritisch umgesetzt.

Gut gefällt mir der direkte Einstieg in den Text, wodurch die Aufmerksamkeit des Lesers schnell auf das Wesentliche gelenkt wird. Auch die Charaktere der Beteiligten sind plausibel beschrieben, könnten jedoch m. E. noch besser ausgeleuchtet, dafür Klischees wie das des fetten, reichen Herrn vermieden werden. Der Hass des Mannes überwiegt dessen Seelenqualen und lässt Mitleid des Lesers nur in beschränktem Maße aufkommen. Hier ließe sich der innere Zwiespalt des Prot. deutlicher darstellen und die aufgebaute Spannung, vor allem zum Schluss hin, verstärken.
Stilistisch erscheint mir der Text noch zu uneinheitlich. Vor allem der Wechsel zwischen sehr schön formulierten Sätzen (z. B. der mit der Schweineaxt) und weniger glücklich gewählten Umschreibungen (Zitat: Nicht etwa eine mit Gewalt, wie sie es ein Mann zu pflegen ausübt, ...) wirkt zuweilen holperig. Auch Wortwiederholungen tragen dazu bei.

Fazit: Die ungewöhnliche Thematik des Textes macht eine Überarbeitung lohnenswert, zumal der durchaus geglückte Aufbau eine gute Grundlage liefert.


Anhang:
Zur Rechtschreibung:

... prickere Situation ...
... prekäre ...
Wenn er die Augen schloss und die Welt um sich vergaß, sich ganz auf sie konzentrierte, hatte er dass Gefühl, ...
... hatte er das Gefühl, ...
... hätte er den Schmerz vielleicht verkraft und sich von ihr losreißen können.
... verkraften ...
... viertel Stunde ...
... Viertelstunde ...
... Diamantenringen ...
... Diamantringen ...
... und schenkte ihm ein lächeln zu, dass jeden Mann schwach werden lies.
... und schenkte ihm ein Lächeln, das jeden Mann schwach werden ließ.
... keine Luft mehr zum Atmen lies.
... ließ.

Hier nun ein paar Anmerkungen zum Stil:

Er hasste ihre Art, die ganze scheinheilige Palette, wie sie kaum eine andere Frau hätte besser gebrauchen können.
"gebrauchen können" klingt nicht gut. Vorschlag: Er hasste ihre Art, die ganze Palette (oder auch: Bandbreite) ihrer Scheinheiligkeit, die sie benutzte (oder auch: ausreizte), wie es kaum eine andere Frau besser hätte machen können.
Und wenn sie sich wieder einmal in eine prekäre Situation hineinschaukelte, ihn dann mit ihrer engelsgleichen Miene ansah, als wäre alles gut und als ob nichts besser sein könnte, war er selten weit davon gewesen, ihr eine runterzuhauen, ihr die Zähne ...
"davon gewesen" stimmt so nicht, sondern: davon entfernt gewesen. Es heißt auch: "Lächeln auf ihr Gesicht". Der Satz selbst wirkt allerdings nicht sehr elegant.
Nur ein Wort hätte manchmal genügt und ihr Gesicht wäre einem Helloweenkürbiskopf gleichgekommen.
Hmh. Der Vergleich hinkt. Das Gesicht kann nicht einem Kopf entsprechen.
Wie ein Aal konnte sie sich an ihn anschmiegen ... hindurchspürte.
Besser: Wie ein Aal konnte sie sich an ihn schmiegen ... hindurch spürte.
Oh ja, sie konnte ihn richtig heiß machen und wenn sie es wollte, hatte er keine Chance etwas dagegen zu tun.
Eigentlich will er ja auch gar nichts dagegen tun, da er süchtig nach ihr ist. Genauso verhält es sich mit dem nächsten Satz.
Er hasste sie nicht nur für ihre Rollen ...
Hier bewertet es der Prot. negativ. Weiter unten:
Sie schlüpfte perfekt in die Rollen.
Dort meint der Prot. dies positiv. Irgendwie ein Widerspruch.
Nicht etwa eine mit Gewalt, wie sie es ein Mann zu pflegen ausübt, wenn die Frau nicht gehorsam ist, sondern, viel kräftiger und ja, eine, die um Tonnen effizienter war.
Grammatikalisch richtig: Nicht etwa eine mit Gewalt, wie ein Mann sie auszuüben pflegt, wenn die Frau nicht gehorsam ist, sondern eine, die viel stärker, und ja, um Tonnen effizienter war. Außerdem: Druck in Tonnen zu berechnen ist klar. Macht in Tonnen?
Wer mit ihr ins Gespräch kam, hing bereits mit einem Bein in der Schlinge und mit jedem weiteren Satz zog sie diese langsam enger.
... mit dem Kopf in der Schlinge ... Da weiter unten:
Sie würde die Schlinge noch enger ziehen, mit jedem Mal, die er nicht widerstehen konnte, so lange, bis sie ihm eines Tages keine Luft mehr zum Atmen lies.
Evtl.: Sie würde die Schlinge mit jedem Mal enger ziehen, bis sie ihm eines Tages keine Luft mehr zum Atmen ließ.
Meine Lippen könnten dir den besten Orgasmus deines Lebens besorgen.
Da weiter oben das Wort "besorgt" schon einmal erscheint, evtl: ... könnten dir zum besten Orgasmus deines Lebens verhelfen.
Und er stand nur da und wusste, dass sie ihr Spiel so lange mit ihm trieb, bis sie ihn am Abend so weit hatte.
Nicht ganz eindeutige Zuordnung. Evtl.: ... bis sie ihr Opfer ...
... wie eine Droge, wenn man einmal auf den Geschmack kommt, kann man nicht mehr die Finger von lassen.
... wie eine Droge. Wenn man einmal auf den Geschmack gekommen ist, kann man nicht mehr die Finger davon lassen.


Antonia

 

Kritikerkreis

Ich möchte mich in weiten Teilen meiner Vorrednerin anschließen und meine Kritik auf zwei andere Punkte konzentrieren.

Erstens: Die Geschichte hat keine Handlung. Genaugenommen besteht sie aus einer Aneinanderreihung von mehreren Rückschauen, erst der letzte Absatz spielt tatsächlich in der erzählten Zeit. Ansonsten handelt es sich um einen Innenansicht der Hauptfigur. Ich möchte unterstreichen, dass ich es in diesem Fall nicht als negativ empfinde, dass keine spannende Handlung erzählt wird. Es ist nämlich so, dass die Rückblenden (so nenne ich sie mal, obwohl es eher allgemeine Erinnerungen sind, keine speziellen) nach und nach die Beziehung des Mannes und der Frau erhellen, und das macht die Geschichte interessant. Es geht also auch ohne Handlung. Vielleicht hätte man eine Hälfte des Schlusses nach ganz vorn ziehen können, um dem Leser die Bühne zu zeigen, auf der alles spielt. Denn im Moment erscheint vor dem inneren Auge des Lesers lediglich eine Frau, sie steht in keinem Raum und sie hat keine Kleidung an. Nur ihr Wesen wird beschrieben, alles andere bleibt nicht wie in einem Film blass und unscharf, sondern fehlt komplett.

Zweitens: Der Inhalt ist banal. Ein Mann ist sexuell abhängig von einer bestimmten Frau. Das ist alles, was die Geschichte vermittelt. Die Frau wird in aller Breite beschrieben, der Mann eher weniger. Es gibt durchaus Ansätze, darüber hinaus zu gehen, aber sie bleiben meiner Meinung nach Ansätze: Möglicherweise unterliegt der Prot einer Art Selbsthass, der vorletzte Absatz legt das nahe. Ich will nicht kritisieren, dass die Geschichte sich auf diesen einen Aspekt konzentriert. Nur soviel: Es gibt auch Storys, in denen eine solche Abhängigkeit pointiert in ein, zwei Sätzen ins Spiel gebracht wird, um sie danach zu einem wesentlichen Element einer ansonsten eigenständigen Handlung zu machen.

Bitte verbessere mal die Fehler. Vor allem das "prickere" bringt mich in die "prekäre" Situation, dass ich in meine Maus beiße, und das tut ihr weh ;) Auch das "an ihn anschmiegen" (ein an zuviel) ließ mich stolpern - aber sowas übersieht man als Autor wirklich leicht. Aber dafür sind ja wir Kritiker da.

Fazit: sprachlich okay, inhaltlich aber etwas dünn und keine neue Idee.

für den Kritikerkreis

Uwe
:cool:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Uwe,
Dein Kommentar fand ich wirklich sehr interessant. Ich denke, jetzt weiß ich, was am Wochenende zu tun ist.
:-)
Du kannst Dir ja am Sonntag mal ansehen, was ich verändert habe.

Viele Grüße
Herbert

 

Hallo!

Diese wenig beachtete Geschichte wurde im Kritikerkreis besprochen.
Vielleicht gibt es noch weitere Anmerkungen zu diesem Text.

Das Kritikerteam.

 

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