Hallo @PAKES1986
und willkommen hier bei den Wortkriegern.
Ich war mir nicht sicher, ob ich mich an einen Kommentar zu deinem Text wagen soll. Dein Text stellt so viele Fragen, auf die ich auch keine Antwort habe. Er öffnet so viele Türen, dass man gar nicht weiß, durch welche man zuerst gehen soll. Letztlich entschied ich mich, das Risiko einzugehen, mir die Finger zu verbrennen.
Handelt es sich überhaupt um eine Kurzgeschichte? Das war die erste Frage, die mir beim Lesen in den Sinn kam. Ich würde die Beantwortung lieber den erfahreneren Mitgliedern überlassen. Für mich ist es eher die Skizze eines Textes, der sich philosophischen Fragestellungen zu nähern versucht. Es könnte sich jedoch auch um den Abriss eines Romans, oder gar einer Reihe, handeln. Auf diesen Gedanken komme ich unten nochmal zurück.
Dein Text ist sehr kurz, greift dennoch viele Themen auf und beschränkt sich auf das Aufgreifen. Du streifst künstliche Intelligenz, Konsequenzen fortschreitender Automatisierung, Bedeutung der Arbeit, Resilienz und Anpassungsfähigkeit der menschlichen Gesellschaft, Religion. Die einzelnen Themen greifen ineinander und ergeben ein Ganzes, allerdings wird keines dieser Themen tiefer behandelt.
Ich möchte die philosophischen Aspekte deines Textes gar nicht vertiefen, da es den Rahmen sprengen würde. Nur einen Gedanken in diese Richtung erlaube ich mir. Kennst du die ewige Wiederkunft des Gleichen, einen zentralen Gedanken der Philosophie von Nietzsche? Ich stieß zum ersten Mal darauf, als mein damaliger Professor in fortgeschrittener Stochastik im Rahmen der Ergodentheorie den Wiederkehrsatz von Poincaré einführte. Dein Text hat diese Assoziation in mir hervorgerufen. Entschuldige den kleinen Exkurs, aber ich musste einfach diese einmalige Gelegenheit nutzen, das zu erwähnen
Aus technischer Perspektive empfinde ich deinen Text fragwürdig. Mir ist natürlich bewusst, dass eine Geschichte keinen Anspruch erhebt, realistisch zu sein. Wenn du deinen Text jedoch vor dem Hintergrund des aktuellen AI-Booms schreibst, möchte ich ihn dennoch stärker an der Realität messen.
Wie @Tiranu_qas geht auch mir alles zu schnell. Ein Beispiel kommt gleich zu Beginn deines Textes.
So hatten die Menschen von einem Tag auf den anderen nichts mehr zu tun.
So funktioniert das nicht. KI ist eine Technologie, die man nicht von heute auf morgen entwickelt. Selbst aktuell, wo wir die Hardware-Voraussetzungen haben, um fortgeschrittene KI entwickeln und betreiben zu können, passiert das nicht derart schnell. Dadurch, dass es sich um einen Prozess handelt, der einige Zeit beansprucht, können sich Wirtschaft und Gesellschaft anpassen. Und das passiert auch im Moment.
Und da es für sie nichts zu tun gab und es ihr langweilig auf der Erde wurde, beschloss sie, den Planeten zu verlassen, um das Universum zu erforschen.
Das ist ein interessanter Gedanke, allerdings bezweifle ich, dass eine derart hoch entwickelte KI eine isolierte Entität wäre, die einfach mal so den Planeten verlassen könnte. Ich sehe es vielmehr so, dass KI mit der Welt sehr stark verflochten sein wird. Und ich glaube auch nicht, dass es die eine KI geben wird, sondern verschiedene, miteinander vernetzte, dezentral gehostet. Oder denkst du, dass eine KI alle anderen ausschalten wird?
Vielleicht überarbeitest du deinen Text nochmal mit Blick durch die technologische Brille. Gerade heute findest du jede Menge Informationen dazu, wie sich KI entwickelt und zu welchen Veränderungen sie führt.
Schließlich möchte ich auch noch ein paar Worte dazu äußern, wie ich den Text durch die Brille des kreativen Schreibens wahrnehme.
Eines Tages erfand die Menschheit eine KI.
Warum hebst du diesen Satz fettgedruckt hervor? Es wirkt wie eine, unnötige, Zwischenüberschrift. Ich würde den Satz ganz normal dem Fließtext hinzufügen.
Da gingen den Menschen die Augen auf und sie erkannten, dass sie verloren waren.
Das hätte ich eher erwartet, nachdem die KI die Erde verlassen hat, da die Menschen dann ziemlich aufgeschmissen gewesen sein dürften.
Ich kann mich auch nicht an die Abfolge der Ereignisse und die Kausalkette gewöhnen. Ein Beispiel: Warum fangen die Menschen wieder an Speere zu schnitzen, wenn ihnen langweilig ist und Arbeit fehlt? Diesen Niedergang der Gesellschaft und Rückschritt in die Steinzeit erschließt sich mir nicht.
Wir sehen alles aus einer Perspektive, die über dem Geschehen schwebt. Wir sind nicht mittendrin, wodurch eine große Distanz zwischen Leser und Geschichte aufgebaut wird. Zoom doch mal hinein und nimm uns mit zu den Akteuren deiner Geschichte. Wie erleben die Menschen das Wirken der KI, ihr Verschwinden, den Mangel an Arbeit und die damit verbundene Sinnlosigkeit, den Niedergang der Gesellschaft?
Wie du evtl. selber schon merkst, verdienen all diese Fragen eine eigene Geschichte. Wie ich oben bereits schrieb: "Es könnte sich jedoch auch um den Abriss eines Romans, oder gar einer Reihe, handeln." Daher würde ich dir empfehlen, einen Aspekt deines Textes herauszugreifen, ihn zum thematischen Schwerpunkt zu machen und zu einer Geschichte auszuarbeiten.
Viele Grüße,
Markov