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Die Erwählten

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09.06.2015
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Die Erwählten

Der Tag war gekommen. Als wir aus dem Haus traten, schien die Sonne. Ich hielt einen Strauß Veilchen in der Hand und folgte meinem Mann zur Garage, in der unser Wagen stand. Als wir losfuhren, fühlte ich einen stechenden Schmerz in der Herzgegend.
„Martin, meinst du, es ist alles in Ordnung?“, fragte ich.
„Wie meinst du das? Natürlich, für mich schon. Für dich nicht?“
„Ist halt meine Mutter. Ein bisschen schlecht fühle ich mich doch.“
„Musst du nicht. Sie war ja einverstanden.“
„Hat aber lange gedauert. Wir mussten sie ganz schön überreden.“
„So ein Blödsinn! Per Gesetz müsste sie in zwei Jahren sowieso gehen.“
„In zwei Jahren. Ja. Mit neunzig wird man gezwungen. Schon komisch.“
„Denk doch mal an die Kosten. Marie will in Amerika studieren, wie sollen wir das alles bezahlen?“
„Ob Mutti Angst hat?“
„Die bekommen sicher eine Spritze. Die merken nichts. Fang bloß nicht zu heulen an!“
„Ich heul ja nicht!“

Das Altersheim Gertrudes lag am Rande der Stadt, mitten in einem Park. In den Beeten blühten erste Frühlingsblumen, auf den Bänken saßen alte Menschen in der Sonne. Wir liefen mit langen Schritten dem Eingang zu, durchschritten die Pforte und eilten durch endlose Flure dem Zimmer meiner Mutter entgegen. Die Tür stand weit offen, von meiner Mutter fehlte jede Spur.
„Sind wir zu spät? Um Himmels Willen! Martin!“
„Es ist genau zehn Uhr. Wir sind pünktlich. Absolut zur richtigen Zeit!“
„Aber Mutti, wo haben sie Mutti hingebracht?“
Eine Schwester, in weißer Tracht, kam auf uns zu. „Herr und Frau Ruppert?“
„Wo ist meine Mutter?“
„Kommen Sie bitte mit. Die Erwählten sind im großen Saal!“
„Die wer?“ Mein Herz fing zu klopfen an. War das richtig, was hier vor sich ging! Zweifel, Ängste, Panik und Zorn auf Martin, der mich am Arm packte und weiter schob.
Wir ließen uns von der Schwester führen und als sie eine Tür öffnete sah ich Blumen, Kerzen und viele Betten, die dicht aneinander gereiht standen und in denen alte Menschen lagen, die man in weiße Gewänder gehüllt und denen man Kränze aus Blumen auf die Häupter gedrückt hatte. Eine Gänsehaut rieselte mir den Rücken hinunter.
„Großer Gott, Martin!“
Ich entdeckte meine Mutter, ganz am Rande der Reihe, und eilte auf sie zu. „Hallo Mutti!“
Tränen rannen mir übers Gesicht und benetzten die eingefallenen Wangen meiner Mutter, als ich sie küsste. „Wie fühlst du dich, Mutti?“
„Es geht mir gut, Kind. Da ist ja auch dein Mann!“
Martin reichte Mutter förmlich die Hand. Ich beobachtete ihn genau, er vermied es, sie anzusehen.
Inzwischen hatte sich der Saal mit Angehörigen gefüllt. Sie drängelten sich an die Betten, betätschelten ihre Großmütter, ihre Mütter. Es gab nur einen einzigen Mann. Den Kranz hatte man ihm auf den Bauch gelegt, seine knochigen Finger zupften an den weißen Blüten, die Augen, in tiefen Höhlen, starrten an die Decke, die ebenso weiß war wie sein Totenhemd.
Ein Pfarrer betrat den Saal. Wir durften uns von unseren Angehörigen verabschieden, bevor sie mit geweihtem Wasser besprengt wurden. Mutti hielt sich die Augen zu. Sie war sehr blass, ich spürte wieder den Stich in der Herzgegend. Der Geistliche stimmte einen Gesang an.

Der Boden schwankte unter meinen Füßen, der Saal drehte sich im Kreis und als ich wieder zu mir kam lag ich draußen, im Garten, auf einer Bank.
„Martin?“
„Geht es dir wieder besser? Es ist alles überstanden. Gut, dass du ohnmächtig wurdest. Mutter wollte plötzlich nicht mehr. Ich hab‘s ihr aber ausreden können.“
„Was ist mit Mutti? Sag‘s mir Martin!“
„Die schliefen alle ganz sanft ein. Nebel und Musik von Mozart.“
„Martin?“
„Ja?“
„Ich habe Angst.“

 

Hallo Friedel, ich freue mich, dich zu lesen. Und wieder Kommafehler und Sonstiges. Sowohl die Zeichen, als auch "Sonstiges" habe ich sofort korrigiert. Die Verbesserungsvorschläge gefallen mir und ich frage mich, warum ich nicht selbst darauf gekommen bin. :D

Herzlichen Dank, Friedel!

Kommt noch dazu, dass dich mein Text zu eigenen Gedanken verleitet hat. Schauerliche Gedanken. Besonders die Sache mit dem unsterblichen Gehirn macht betroffen. Ich denke, wir haben eine unsterbliche Seele. Ist das nicht genug?


Einen schönen Abend und ein sonniges Wochenende wünsche ich dir!
Amelie

 

Hallo Feuerwanze, Danke, dass du meine Geschichte gelesen hast und ganz besonders für die schönen, lobenden Worte, die du für meinen Text gefunden hast. Ich habe mich gefreut!

Deine Geschichte, mit dem gleichen Thema, würde mich natürlich interessieren. Vielleicht gibt ihn die Festplatte wieder her?

Ich wünsche dir eine Gute Nacht!
Amelie

 

Hallo AmelieS,

Ich kann nur hoffen, dass dieses Horror-Szenario nie Wirklichkeit wird. Obwohl, gewisse Tendenzen gibt es bereits heute.
Bei uns in der Schweiz ist aktive Sterbehilfe bis heute verboten. Allerdings gibt es zwei Organisationen: Exit und Dignitas, die Hilfe zum Selbstmord anbieten und nach Abklärung sterbewilligen unheilbar kranken Personen den Giftbecher reichen. Sofern das aus uneigennützigen Motiven geschieht, bleibt es straffrei. Diese Organisationen streben auch den Altersfreitod an, d.h. dass auch gesunde alte, jedoch lebensmüde Menschen ihre Dienste in Anspruch nehmen könnten.

Ohne Volksabstimmung wäre das jedoch nicht möglich. Und ich hoffe, dass es nie dazu kommt.
Was mich immer wieder nachdenklich stimmt ist, dass kaum jemand an das Leben nach dem Tod denkt und auch daran, dass wir über unser Tun einmal Rechenschaft geben müssen.

Der bekannte Wiener Psychiater und Begründer der Logotherapie Victor Frankl, der mehrere Konzentrationslager überlebt hat sagt, dass das Leben bis zum letzten Atemzug nicht aufhört Sinn zu haben. Und dass in der Weissglut des Leidens, das Leben Form und Gestalt gewinnt.

Die Sinnfrage und vor allem auch die Sinnfrage des Leidens ist nicht leicht zu beantworten. Oft hat man keine Antwort. Einmal aber, und davon bin ich fest überzeugt, werden wir verstehen, dass alles seinen tiefen Sinn hatte und wie die Bibel sagt, alle Dinge zum Guten mitwirken müssen, dem der Gott vertraut.

Liebe Amelie, ich danke Dir, dass Du Dich an dieses schwierige und heikle Thema herangewagt hast.
Ich wünsche Dir alles Gute.
Marai

 

Die Sinnfrage und vor allem auch die Sinnfrage des Leidens ist nicht leicht zu beantworten. Oft hat man keine Antwort. Einmal aber, und davon bin ich fest überzeugt, werden wir verstehen, dass alles seinen tiefen Sinn hatte und wie die Bibel sagt, alle Dinge zum Guten mitwirken müssen, dem der Gott vertraut.

Liebe Marai, dein Kommentar hat mich erreicht. Die Antwort auf all unsere Fragen hast du gefunden: Gottvertrauen. Deine schönen Worte nehme ich mit in den Tag.

Herzlichen Dank!
Amelie

 

Hallo AmelieS,

Ich möchte mich hier nicht sprachlich dazu äußern, denn darin bist du sicher ganz gut.

Außer einer Kleinigkeit, dir mir aufgefallen ist

Wir liefen mit langen Schritten dem Eingang zu, durchschritten die Pforte und eilten durch endlose Flure dem Zimmer meiner Mutter entgegen

Ich find hier würde viel besser passen "wie liefen mit langen Schritten zum Eingang, ....."

Aber das wär's dann schon.

Die Wirkung, die deine Geschichte auf mich hatte war eher oberflächlich. Irgendwie unglaublich, nicht greifbar. Als Groteske würde ich das durchgehen lassen, als Kurzgeschichte allerdings nicht. Und wenn du so ein Thema behandelst, würde ich dem viel Mehr Platz bieten.
Grundsätzlich hat es natürlich seine Berechtigung aber wie Dion schon anmerkte, sind deine Prot nicht wirklich glaubhaft.

Sonst gut geschrieben und ich denk mal nichts anderes als die Wahrheit erwartest du von mir ;-)

LG

BRM

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo BRM, ich bedanke mich fürs Lesen und für deine ehrlichen Worte! Wer eine Geschichte einstellt, muss auf alles gefasst sein. Und das macht die ganze Angelegenheit spannend.

Du, BRM und alle anderen lieben Wortkrieger, dürfen gerne kritisieren. Ohne Kritik kein Weiterkommen!

Danke für deinen Verbesserungsvorschlag! Ich werde darüber nachdenken.

Über dein Interesse habe ich mich gefreut und wünsche dir einen schönen Abend!

Amelie

 

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