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Die erste Brille

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11.04.2005
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Die erste Brille

Am Tag danach bekam ich meine erste Brille.

Am Abend zuvor hatte mich mein Vater gefragt, ob ich mit in die Oper gehe. Meine Eltern waren Abonnenten, und jetzt war meine Mutter vom Husten geschüttelt. Husten während der Aufführung war nicht sonderlich beliebt, auch nicht auf den billigen Abo-Plätzen.

Draußen war es bitterkalt, im Novemberfrost trieben sich vereinzelt Schneeflocken herum. Meine Mutter behauptete, sie könne riechen, wenn Schnee kommt. Sie hatte bis dahin immer Recht gehabt. Nur diesen Schneefall hatte sie nicht erschnuppert. Vermutlich wegen ihres Schnupfens. Der erste Schnee, meine erste Oper, ein Tag voller Premieren.

Wir fuhren mit der Trambahn in die Stadt. Den restlichen Weg gingen wir zu Fuß. Die Oper war nicht weit weg vom Münchner Marienplatz. Mein Vater zeigte mir die Baustelle, wo sie gerade einen Schnellbahn-Tunnel unter der Stadt hindurch trieben und erzählte mir, worum es in der Oper "Hoffmanns Erzählungen" ging. Ich war mit Flockenzählen beschäftigt und bekam nur die Hälfte mit.

Keine Ahnung, wie lange ich schon kurzsichtig war. Eine Brille hatte ich noch nicht, mit dem Zusammenkneifen der Augen konnte ich einigermaßen scharf stellen. In der Oper schien es unwichtig, solange die Ohren in Ordnung waren. Dachte ich.

Wir nahmen weiter hinten Platz. Zur Bühne war es trotzdem nicht weit. Ein dicker roter Vorhang hing herab. Die Menschen um mich herum husteten. Meine Mutter hätte also ruhig in die Oper gehen können. Die Lichter verdunkelten sich. Worum es in „Hoffmanns Erzählungen“ ging, wollte sich mir nicht erschließen. Hätte ich nur meinem Vater besser zugehört. Menschen sangen sich gegenseitig an, ich konnte nicht viel damit anfangen. Warum in aller Welt begeisterten sich Leute für so etwas?

Ab dem Zweiten Akt waren solche Fragen vollkommen egal. Da stand dieses Mädchen auf der Bühne. Ich kniff die Augen zusammen. Ungefähr mein Alter, ein wallendes, altmodisches, weißes Kleid, lange blonde Haare. Unter dem Kleid ragten die Zehenspitzen ihrer nackten Füße heraus. Es stand am linken Bühnenrand. Den Grund dafür und alle Einzelheiten dieser hinreissenden Erscheinung konnte ich durch meine zusammen gepressten Augenschlitze gerade so erfassen. Die Gefühle nahmen ihren Lauf.

Ihr zartes Gesicht war mir zugewandt, ihre Augen drückten Bescheidenheit und Wärme aus. Je länger ich sie ansah, desto mehr verflüchtigten sich alle anderen Wahrnehmungen. Den Gesang hörte ich nicht mehr und auch nicht mehr das unterdrückte Gehüstel um mich herum. Meine Wangenmuskeln schmerzten zunehmend unter der Anstrengung des dauerhaften Ausgleichens meiner zu kurz geratenen Sehschärfe.

Gedanken und Gefühle kreisten nur noch um dieses Mädchen am Bühnenrand. Warum konnte so etwas nicht in meiner Klasse sitzen? Zum ersten Mal in meinem Leben war ich verknallt. Seltsam war, dass ich mich über meinen Zustand nicht wunderte, obwohl ich in diesem Moment eine völlig neue Art der Liebe kennenlernte. Ich liebte meine Eltern, ich liebte mein Spielzeug, ich liebte Fußball. Die vierte Variante traf mich in den Bauch wie ein hart geschossener Elfmeter.

Ab und zu blickte ich verstohlen zu meinem Vater hinüber. Ob er etwas bemerkte von meiner Aufgeregtheit? Ich hatte den Eindruck, alles gut unter Kontrolle zu haben, bis er mich fragte, ob "sie" mir gefällt. Hatte er mich ertappt? Ein zögerliches Nicken war meine Antwort. Mein Gesicht wurde heiß, bis klar wurde, dass er nicht das Mädchen gemeint hatte, sondern die Oper. Von mir aus hätte sie den Rest meines Lebens andauern können. Tat sie aber nicht.

Auf dem Nachhauseweg trug ich in Gedanken das Bild des Mädchens durch den Flockenwirbel vor mir her. Mein Vater fragte mich noch einmal, ob mir die Aufführung gefallen hatte. Meine Begeisterung war ehrlich, wenn auch aus dem einen Grund, den ich für mich behielt. Um Nachfragen zu Einzelheiten aus dem Weg zu gehen, fügte ich rasch hinzu, nicht alles genau gesehen zu haben. Er sah in meine kurzsichtigen Augen und versprach mir eine Brille.

Ich spürte noch eine Weile meine angestrengten Gesichtsmuskeln, die mir geholfen hatten, meinen Blick zu schärfen für das namenlose Mädchen, das am linken Bühnenrand auf eine Kulissenwand gemalt war.

 

Hallo nictita,

leider spricht mich Deine Geschichte nicht so sehr an. Es entsteht hier für mich nicht die groß angekündigte Verbindung zwischen dem Opernbesuch und der neuen Brille. Die Spannung beim Lesen der Geschichte bestand für mich darin, zu erfahren, was es mit dem Kauf der neuen Brille nun auf sich hat. Ich wartete auf einen Schlüsselmoment, der mir offenegt, weshalb die Brille nun gerade nach dem Opernbesuch gekauft wurde. Aber Fehlanzeige. Am Ende der Geschichte werde ich nicht fürs Lesen belohnt, sondern bin so klug als wie zuvor ;-) Die Brille wurde eben am nächsten Tag gekauft. Ein wenig fies für mich als Leser mit all meinen großen Hoffnungen...

Die Geschichte des "zum ersten Mal verliebt seins" in der Oper finde ich sehr spannend und man könnte diese Idee sicher gut ausbauen. Auch dass der Prot. sich verliebt und die Schöhnheit seiner Angebeteten zu erkennen glaubt, obwohl seine Sehfähigkeit eingeschränkt ist, finde ich einen sehr schönen/interessanten Aspekt. Vielleicht hängst du deine Geschichte aber lieber nicht an der Brille auf? Beispielsweise könntest du mit einem Satz anfangen wie "und da war es um mich geschehen". Ja neee, ist jetzt auch nicht der Hammer, aber nur um mal so eine Idee zu geben. Also und danach beschreibst du die Handlung in der Oper und es stellt sich heraus, in welcher Weise es um den Prot eben geschehen war. Was ich damit sagen will: Wenn du die Geschichte schon in einen Rahmen setzt, dann würde ich das sinnvoll gestalten. Du könntest natürlich die Idee der Brille als Aufhänger auch beibehalten, aber dann zB den Vater fragen lassen, wie der Prot. den männlichen Darsteller fand. Wenn dieser dann nicht antwortet, könnte der Vater etwas sagen wie: "Du brauchst wohl wirklich mal einen Brille, wenn du nicht einmal den Hauptdarsteller erkannt hast. Es schien mir auch so, als hättest du die ganze Zeit sehr angestrengt und konzentriert nach vorne sehen müssen"... natürlich jetzt auch nicht der Hammer ;-) aber etwas in der Art. Es würde eine gewissen Komik in die Situation bringen und hätte mich als Leser die Geschichte mit einem Lächeln und einem gelösten Rätsel beenden lassen :-)

Am Tag danach bekam ich meine erste Brille.

Am Abend davor


Am folgenden Tag.. Am vorherigen Tag.. Am tag zuvor.. diese Wendungen hätten meiner Meinung nach auch weniger plump geklungen.
Je länger ich sie ansah, desto mehr verflüchtigten sich alle anderen Wahrnehmungen. Ich hörte den Gesang nicht mehr und auch nicht mehr das unterdrückte Gehüstel um mich herum. Ich spürte jedoch zunehmend meine Wangenmuskeln, die für das Zusammenkneifen meiner kurzsichtigen Augen stark beansprucht waren.

sehr, sehr schön :-) Mach was draus!

lieben Gruß,

Eine wie Alaska

 

Hallo nictita,
mir geht es anders als Alaska, ich finde, es gibt kein ungelöstes Rätsel, sondern sehr wohl einen Bezug zwischen Brille und Opernbesuch: Sich zum allerersten Mal so richtig zu verlieben, das ist ja schon mal was - aber dann ausgerechnet in eine buntlackierte Bühnendeko! Dumm gelaufen. Ich finde schon, dass das Grund genug ist, zur Brille zu greifen, obwohl ... manchmal hat es auch Vorteile, wenn man den Gegenstand seiner Verehrung nicht so ganz genau sieht ...
Du siehst, nictita, mir gefällt diese kleine Grundidee deiner Geschichte gut. Sie wird mit Sicherheit nicht mein Leben verändern, aber sie unterhält mich und bringt mich zum Schmunzeln und das ist manchmal genau das, was man braucht. Mir gefällt auch die trockene, humorvolle und lapidare Art, in der du deine Geschichte aufgebaut und geschrieben hast. Mir gefällt auch gut, dass du die Auflösung, wie es denn dann ganz genau zum Brillenkauf kam etc., unausgesprochen lässt.
Aber da ich selbst unerfahren bin beim Schreiben und Kommentieren, weiß ich leider nicht genau, ob Alaska mit ihren Hinweisen doch Recht hat und du die Auflösung etwas klarer machen solltest.
Wie auch immer ...

Ich habe diese nette kleine Anekdote sehr gerne gelesen und schreib dir einfach mal ein paar Sätze, die mir besonders gut gefallen haben:

Draußen war es bitterkalt, vereinzelt trieben sich Schneeflocken herum. Meine Mutter sagte immer, dass sie riechen könne, wenn Schnee kommt. Sie hatte bis dahin immer Recht gehabt. Nur diesen Schneefall hatte sie nicht kommen riechen. Vermutlich wegen ihres Schnupfens. Der erste Schnee, meine erste Oper. Ein Tag voller Premieren.

Warum es mir gut gefällt? Keine Ahnung, ist einfach so ein bisschen schmunzelig geschrieben und ich genieße es als Leserin.
Ich sah diese herumstromernden Flocken und die Gurke der Mutter, die jetzt auf einmal schmählich versagt. Und natürlich der Premierendreiklang. Ich fand es einfach schön.

Auch der Anfang gehört zu den Stellen, die mir gefallen, mir gefällt ulkigerweise gerade das
Am Tag danach ...
Am Abend davor ...

Grund: Dieser Beginn, sozusagen mit dem Ende anzufagen, ohne es zu benennen, das fand ich so interessant, dass ich als Leserin stutzte und weiterlesen wollte.
Außerdem fand ich die Verwendung gerade dieser beiden Wörter danach / davor gelungen - irritierend zwar, aber doch gelungen, weil es mir wie ein Spiel erschien zwischen den beiden Vorsilben und ihren Nachsilben. Und dazwischen sitzt eine Brille ...
Vielleicht/Wahrscheinlich ist so ein Geschichtenbeginn schon mal dagewesen, ich lese das oft in Kritiken hier und merke, dass ich als Leserin oft doch recht unbedarft bin.
Aber ich denke mir auch, dass sehr sehr viel schon mal dagewesen ist und auf das WIE und den neuen Zusammenhang kommts an.

Ein kleiner Hinweis:

Und überhaupt zum Ersten Mal erfahren würde, was es heißt, massiv verliebt zu sein.
zum ersten Mal
Darüberhinaus würde ich mir an dieser (für mich einzigen Stelle) eine andere Formulierung überlegen. MASSIV gefällt mir da nicht, du willst ja die ganz neuartige Qualität dieses speziellen Liebesgefühls ausdrücken - und massiv ... ? Liegt aber vielleicht auch nur an meinem Wortgeschmack.

Also - schön war´s ...

Du siehst: zwei Leser, fünf verschiedene Eindrücke ...

Viele Grüße
Novak

 

Hey nictita,

nette, kleine Anekdote die zu unterhalten vermag. Nur hin und wieder hatte ich weniger Freude an so Formulierungen, da wollen so manche Sätze mehr, als was zu leisten am Ende im Stande sind.

Am Abend davor hatte mich mein Vater gefragt, ob ich mit in die Oper gehe.

Das ginge doch auch etwas liebevoller, nicht so im Protokollstil ;).

Meine Eltern waren Abonennten, und jetzt war meine Mutter vom Husten geschüttelt.

Abonennten - Abonnenten
vom Husten geschüttelt - mag ich, kauf ich

Und überhaupt zum Ersten Mal erfahren würde, was es heißt, massiv verliebt zu sein.

Das ist ein Nachtretesatz, irgendwie steckt es im vorangegangenen Satz ja schon drin, der kommt so ... wie mit der Faust in den Leser geprügelt ;).

Ich sollte eines Besseren belehrt werden.

Das sind so Allgemeinsätze, hundert Mal gehört und langweilig.

ich wartete gespannt auf die erste Oper meines Lebens.

Ich wartete gespannt darauf, dass der Vorhang sich hob. Oder so ähnlich, weil, dass es die erste Oper seines Lebens ist, weiß man inzwischen ja.

ihre leuchtenden Augen drückten Bescheidenheit und Wärme aus

Er kann ihre Augen sehen, aber nicht, dass sie aus Sperrholz ist? Ei, ei, ei - Autsch!

Je länger ich sie ansah, desto mehr verflüchtigten sich alle anderen Wahrnehmungen.

Da Du dieses Verflüchtigen im weiteren genauer beschreibst, kannst Du auf diesen Allgemeinsagesatz auch gut verzichten.

Ich gehörte nur noch diesem bezaubernden Wesen auf der Bühne. Mein Puls wollte sich nicht mehr beruhigen, Hitzewallungen trieben mir den Schweiß auf die Stirn.

Ja, so steht es ungefähr in ach so vielen Büchern. Gern genommen im vergangenen Jahrhundert :).

Seltsam war, dass ich mich über meinen Zustand nicht wunderte, obwohl ich in diesem Moment eine völlig neue Art der Liebe kennenlernte. Ich liebte meine Eltern, ich liebte mein Spielzeug, ich liebte Fußball. Drei verschiedene Arten, zu lieben. Jetzt kam mit Wucht eine vierte Variante hinzu.

Das ist auch irgendwie nicht geschickt.
Ich liebte meine Eltern, ich liebte mein Spielzeug, ich liebte Fußball. Das ist ein schöner Satz, damit könnte der Absatz gut beginnen und dann: Das hier war neu. Weder der Anblick eines Fussballes, noch der meiner Eltern hatte mich je so berauscht ...

Obwohl ich mich an das Geschehen auf der Bühne nicht im Geringsten erinnern konnte.

Auch wieder so ein ... ach. "Oh, natürlich hatte sie das." - sagt doch eigentlich schon alles.

Ich hörte den Gesang nicht mehr und auch nicht mehr das unterdrückte Gehüstel um mich herum. Ich spürte jedoch zunehmend meine Wangenmuskeln, die für das Zusammenkneifen meiner kurzsichtigen Augen stark beansprucht waren.

Ich gehörte nur noch diesem bezaubernden Wesen auf der Bühne.


3x Ich am Satzanfang zeugt nicht gerade von liebevoller Satzgestaltung ;).

Nichts von Dauer, aber ein netter Zeitvertreib für Zwischendurch.
Beste Grüße Fliege

 

Hallo nictita

Meine Eltern waren Abonennten, und jetzt war meine Mutter vom Husten geschüttelt.

Da zwängst du zwei grundsätzlich verschiedene Sachen in einen Satz, sodass ich mich irritiert fragte, was soll an dieser Stelle die Zusammenführung von Abonnent und Husten? Dass der Husten die Mutter vom Opernbesuch abhielt, kam dann richtigerweise später.

Wir fuhren mit der Trambahn in die Stadt. Den Rest gingen wir zu Fuß bis zur Oper.

Für den Nicht-Münchner-Leser steckt hier ein logischer Hürdensprung. In die Stadt ist mir zu vage, so klein ist diese nun nicht. Ich denke es ist eine der S-Bahnen, die unter dem Marienplatz halten. Mit einer kleinen Ausformulierung würde es ein präziseres Bild geben.

Keine Ahnung, wie lange ich schon kurzsichtig war. Eine Brille hatte ich noch nicht, mit dem Zusammenkneifen der Augen kam ich noch sehr gut zurecht. In der Oper war es ohne Belang, solange die Ohren in Ordnung waren. Ich sollte eines Besseren belehrt werden.

Diese Umschreibung fand ich goldig, es liess mich in den Jungen hineinfühlen.

Draußen war es bitterkalt, vereinzelt trieben sich Schneeflocken herum.

Das sich + herum erübrigt sich in meinem Leserbild.

Wir nahmen weiter hinten Platz. Zur Bühne war es trotzdem nicht weit.

Es war schon zu Beginn erwähnt, dass die Abonnementsplätze weiter hinten liegen. Es würde also reichen, wenn sie von ihrem Platz in hinteren Rängen doch gute Klangwirkung und Sicht auf die Bühne haben.

Ich kniff die Augen zusammen, und sah sie auf der Bühne.

Das sie wirkt mir zu unpersönlich, von der nachfolgenden Beschreibung her handelt es sich um ein junges Mädchen. Als Leser gäbe dies mir umgehend ein Bild, vom Alter her eher eine Statistin, doch sticht sie durch ihre Grazie aus dem Ensemble hervor. – Auch wenn sich die Wirklichkeit am Schluss anders erweist, es ist so, ein junges Mädchen ist der Reiz.

Mein Puls wollte sich nicht mehr beruhigen, Hitzewallungen trieben mir den Schweiß auf die Stirn.

Oh je, da hat es ihn ja bös erwischt. Die Hitzewallungen wirken überzeichnet, doch wenn ich die Jahreszeit berücksichtige, ein Grippevirus im Anzug, ist es mir dann doch eine schön und plausibel untermalte Dramatisierung.

Ich dachte noch lange Zeit an das namenlose Mädchen, das am linken Bühnenrand auf eine Kulissenwand aufgemalt war.

Das war mir jetzt eine Überraschung, mit der ich nicht rechnete. Aber ein klassisches Motiv, dass sich ein Jüngling in das Bild eines schönen Mädchens verliebt.

Also ich für meinen Teil habe es gern gelesen. Die Geschichte kommt mit wenigen Elementen aus und liess mich das Empfinden des Jungen einfühlend wahrnehmen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hey ho, nictita!

Ich habs gelesen, also kann ichs auch gleich kommentieren.

Die Sprache wirkt altbacken und so habe ich den Eindruck, die Geschichte wird zwar heute erzählt, aber der Erzähler ist schon alt - der Zeitpunkt, an dem die Geschichte spielt, liegt also weit in der Vergangenheit.

Das mit der Brille fand ich nicht spannend, ich wollte eigentlich wissen, ob sich was ergibt aus der Sache mit dem Jungen und dem Mädchen, wobei ich nicht weiß, womit ich gerechnet habe, aber vielleicht war auch gerade das das Interessante, das ich nicht wusste, wohin es läuft.

Am Ende wars ja dann doch nur das Beobachten. Und die erste Liebe für ein gemaltes, idealisiertes Mädchen.

Kurz: Ich fands unterhaltsam.

Bis bald,
yours

 
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Hallo nictita,

irgendwie ist relativ schnell klar, dass es sich um eine Pointengeschichte handelt. Die Banalität der Geschehnisse (jemand verliebt sich auf den ersten Blick in eine Opernsängerin, auf der Kurzsichtigkeit wird so herumgeritten) und des Titels verraten es.
Die ersten zwei Sätze finde ich übrigens ziemlich gut, die ziehen in die Geschichte, nur schade, sie geht für mich einfach nicht auf. Allein deshalb, weil die Pointe nicht logisch ist: Warum weiß er denn bevor er die Brille bekommt, dass das Mädchen, in das er sich so verknallt hat, aufgemalt ist? Dadurch, dass diese Abfolge verdreht ist, ergibt die Pointe einfach keinen Sinn und lässt die Brille völlig bezuglos zur Geschichte dastehen. Und nicht zuletzt: Warum sollte selbst die größte Blindschleiche eine aufgemalte (und somit starre) Figur für einen Menschen halten?
Sorry, aber bei Pointengeschichten sollte man echt verdammt perfektionistisch sein.

Viele Grüße,
strudel

PS: Achja, das mit dem Schneeriechen ist auch abgedroschen, Fräulein Smillas Gespür für Schnee ist einfach zu bekannt. Solche Motive kann man natürlich aufgreifen, aber hier steht es ja auch in keinerlei Bezug zur Geschichte. So ist es für mich einfach nur ein übernommenes Bild, das den einzigen Zweck erfüllt, schön (und damit irgendwie kitschig) zu sein.

 
Zuletzt bearbeitet:

Sooo viele Kommentare in so kurzer Zeit. In anderen Rubriken dauerts länger. Herzlichen Dank Euch allen.

Alaska: Deine Kritik des fehlenden Zusammenhangs zwischen Opernbesuch und neuer Brille ist berechtigt, ich habe einige Ergänzungen eingebaut.

Novak: Freut mich, wenn's gefallen hat. "Massiv" ist gestrichen.

Fliege: Danke fürs Zerfieseln. 80% der Einwände sind für mich nachvollziehbar. Gerade der Hinweis zur "vierten Variante" hat, denke ich, zu einer etwas originelleren Gestaltung beigetragen. Wie auch an anderen Stellen. Was die "leuchtenden" Augen betrifft: Ich habs entfernt, auch wenn Pastellfarben auf Sperrholz bzw. Kulissenleinwand durchaus leuchten können...

Anakreon: Vielen Dank für die nicht weniger einfühlsame Kritik. Die Stadt München kommt nun stärker zum Zuge, "Puls" und "Hitzewallungen" sind aufgelöst.

yours-truly: ("fand's unterhaltsam") Passt. Mehr soll die kleine Story auch nicht.

Marai: Danke und Smiley.

Apfelstrudel: Offenbar ist Einiges nicht so klar geworden, wie ich es beabsichtigt hatte. Deshalb habe ich einiges umgeschrieben. Er sieht ja einigermaßen scharf, wenn er die Augen zusammenkneift. Er sieht auch, dass das Mädchen nur aufgemalt ist. Hilft aber nix. Den Bezug zwischen Opernbesuch und Brille habe ich nun verdeutlicht.

Zu Fräulein Smilla muss ich widersprechen. Das "Schneeriechen" ist eine uralte Geschichte. War schon bei meiner Großmutter so, laaange vor Smilla. Nicht ich habe auf Peter Høegs Roman zurückgegriffen, eher hat Høeg andersrum das alte Motiv des "Schneeriechenkönnens" aufgegriffen, es ist deshalb nicht verbraucht.

Grüße an alle
Nic

 

Hej nictita,

den Anfang find ich toll. Die Überschrift und der erste Satz machen angenehm neugierig.

Gestört hat mich das hier:

Nur diesen Schneefall hatte sie nicht kommen riechen.
Ist das witzig gemeint? Schön klingt es jedenfalls nicht. Wie auch immer, mir würde ein schlichtes:"Nur diesen Schneefall hatte sie nicht gerochen." besser gefallen.
Oder: Nur diesen Schneefall hatte sie nicht riechen können.

Der letzte Satz macht mir alles kaputt.

ENTWEDER ich setzte voraus, dass er von Anfang an wusste, dass es sich nur um ein Bild handelt.
Das ganze Brillenthema wirkt auf mich dann nur noch wie ein Mittel zum Zweck, damit die Pointe funktioniert.
Zudem fällt mir (unaufmerksam wie ich bin) erst hier auf, dass es sich bei dem Erzähler um einen eher oberflächlichen Menschen handeln könnte (kaum zu glauben, dass sich in seiner Klasse kein Mädchen mit langen blonden Haaren finden lässt, das er in seiner Phantasie barfuß sein lassen und in ein altmodisches Kleid stecken könnte. Statt dessen lässt er sich alles servieren und nimmt dafür in Kauf, dass sie nur als Sperrholz ist, ts, ts, ts ... )

Ich meine, er ist kurzsichtig, Augenzusammenkneifen hin oder her. Um Details kann es ihm gar nicht gehen. Das hat schon fast etwas von Satire, wie er sich hier verliebt.

Gedanken und Gefühle kreisten nur noch um dieses Mädchen am Bühnenrand.
Das fänd' ich spannend, wie da ein konkreter Gedanke aussehen würde. Ein wirklich verliebter Gedanke.

ODER er hat sich verliebt, weil er kurzsichtig ist und nicht gleich geschnallt hat, dass sie nur aus Holz und Farbe ist.
Unglaubwürdig.

Also mit dem Ende werde ich nicht gut Freund.
Ansonsten fand ich's nett.

LG
Ane

 

Hallo Ane,

Danke für die Kritik. Die Formulierung mit dem "riechen" ist tatsächlich Müll. Ich habe es umgeschrieben.

Was ist passiert? Ein Knirps verguckt sich in das Bühnenbild eines Mädchens. Das Erlebnis verhilft ihm anderntags zu einer Brille.

Natürlich muss es ihm um Details gehen. Man will doch möglichst genau sehen, was einem gefällt. Also kneift er die Augen zusammen, was das Zeug hält. Der Rest interessiert ihn ja auch nicht besonders.

Was seine Klassenkameradinnen betrifft: Ist es tatsächlich so, dass man alles, was man attraktiv findet, auf andere X-Beliebige projeziert?

"Oberflächlich" trifft natürlich zu, da er "nur" in eine äußere Erscheinung verschossen ist. Was kann denn der junge Kerl schon wissen...


Dank & Gruß
Nic

 

Hallo nictita!


Erste Liebe, ein neues Gefühl, das die Sicht auf das andere Geschlecht verändert, verbunden mit dem Erhalt einer Brille, die auch die Sicht verändert. Eine schöne Parallele, wie ich finde.

Nur sind für mich diese Dinge noch nicht richtig verknüpft.
Mich stört die angehängt Pointe, dass das Mädchen nur ein Gemälde auf einer Kulisse sei. Sie zerstört das Thema, sie macht aus der Geschichte eine (billige) Anekdote.
Ich finde es unpassend, das der Vater die Initiative zum Brillenkauf ergreift. Der müsste doch eher im Interesse des Jungen liegen.

Zumindest das Ende ist nochmals zu überdenken, falls deine Erzählabsicht sich mit meiner Auslegung der Geschichte deckt.


Die Gefühle nahmen ihren Lauf.
Das ist nichtssagend und dazu überflüssig, weil das, was da seinen Lauf nimmt, in den folgenden zwei Absätzen sehr schön beschrieben wird.

Die Menschen um mich herum husteten. Meine Mutter hätte also ruhig in die Oper gehen können.
und
und auch nicht mehr das unterdrückte Gehüstel um mich herum
Auf das Husten wird zu viel herumgeritten. Thema, bzw. Motiv ist nicht das Husten in der Oper.

Gruß

Asterix

 

Hallo nictita!

Schade, dass den wenigsten der Bezug zwischen der Handlung deiner Geschichte und der Handlung der Oper im zweiten Akt klar sein dürfte. Nur dass hier der Blick ohne Brille der verschleierte ist, dort der Blick durch die Brille. Das Resultat bleibt gleich.

Und obwohl ich die Oper kenne, fiel mir die Parallele erst zum Schluß auf. Vermutlich war ich auf der falschen Fährte. Ich dachte, der Junge verliebt sich in Diana Damrau (für andere Leser: eine bekannte Sopranistin, die eben erst in München in "Hoffmanns Erzählungen" sang) und damit in den Gesang selbst. Dann hätte ich nämlich eine Parallele zur Geschichte meines Freundes, der es auch der Damrau zu verdanken hat, selbst Sänger geworden zu sein. ;)

Sollst du als Autor die Parallele für Nicht-Wissende verdeutlichen? Nee, das muss auch ohne dieses Wissen funktionieren.

Ein kleiner Kritikpunkt erübrigt sich auch: ich halte es für unwahrscheinlich, dass das gleiche Bühnenbild für die folgenden Akte verwendet wird, wie es hier impliziert wird. Aber es muss ja bereits der zweite Akt sein.

Noch was winziges: Man bekommt die Brille nicht am gleichen Tag bzw. Tags danach. Man schaut danach.

Wir fuhren mit der Trambahn in die Stadt. Den restlichen Weg gingen wir zu Fuß. Die Oper war nicht weit weg vom Münchner Marienplatz.
Das geht bestimmt eleganter. "Wir fuhren mit der Tram bis zum Marienplatz und gingen die kurze Strecke zur Münchener Staatsoper zu Fuß." oder so.

Ich war mit Flockenzählen beschäftigt und bekam nur die Hälfte mit.
Da widersprichst du dir später selbst. Er bekommt gar nichts mit. "Ich zählte lieber die Flocken (anstatt zuzuhören)"

Und der Abschnitt mit "Keine Ahnung, wie lange ich schon kurzsichtig war..." steht so kaum im Zusammenhang. Integriere das doch einfach in den darauffolgenden, der Blick auf die Bühne, der Beginn der Oper, da kommt die Kurzsichtigkeit doch erst so zum Tragen.

Soviel zur Geschichte. Schade, dass ich es nicht in die derzeitigen Münchener Aufführungen schaffte. :( Warst du?

Grüße, Pit!

PS: Am 29.12 auf arte läuft ein Zusammenschnitt der derzeitigen Produktion. Wen es interessiert!

 

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