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Die Erkenntnis

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07.04.2002
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Die Erkenntnis

Jesus wird in die Wüste geschickt.


SATAN: Hey Jesus! Was geht? Alles klar?

JESUS: Mich hungert.

SATAN: Is nich dein Ernst! Dann... eß die Steine da, mach sie zu Brot oder so, was du willst, du bist doch Gottes Sohn, das kriegst du schon hin!

JESUS: Es steht geschrieben: Nicht vom Brote allein lebt der Mensch, sondern von jedem Worte Gottes.

SATAN: Mahlzeit! Wie lange hungerst du schon, daß du dir so ne schwache Lüge einreden mußt?

JESUS: Vierzig Tage und vierzig Nächte habe ich gefastet...

SATAN: ... Alles klar! Wenn dir dein Gott schon nichts zu Essen gibt, dann lade ich dich ein!

JESUS: Es steht geschrieben: Nicht vom Brote allein lebt der Mensch...

SATAN: Jo, das hatten wir schon. Du kriegst was anderes, such dir was aus. Such dir ein Land aus, wo es dir am besten schmeckt und du bekommst es!

JESUS: Geh hinweg, Satan! Denn es steht geschrieben: Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.

SATAN: Jesus, du weißt ganz genau was auf der Erde los war, was im Himmel los war, was los war bevor es die Menschen gab. Du weißt genau, daß ich dir die Welt anbieten kann, weil sie mir gehört. Alles was auf ihr lebt und auf ihr atmet, gehört mir. Ich habe die Menschen geschaffen, ich bin der Fürst dieser Welt!

JESUS: Du bist nichts weiter als der Vater der Lüge!

SATAN: Ha! Wer ist hier ein Lügner? Wer leugnet hier seine wahre Identität? Wer ist der Lügenprophet? Ihr und eure Intrigen kotzt mich an!

JESUS: Intrigen? Du wolltest deinen Thron über die Sterne Gottes errichten! Du wolltest gleich sein dem Allerhöchsten! Und du warst immer der weiseste aller Morgensterne, vollkommener Schönheit. Wie konntest du nur so dumm sein und dich über ihn hinwegsetzen?

SATAN: Dumm? Du nennst mich dumm? Oh, du naiver Menschensohn... begreifst du denn gar nichts, willst nichts wissen von Kabale? Du und dein Herr, ihr verleumdet mich, um eure hinterlistigen Machenschaften zu wahren! Gott hat mich zum Satan erklärt und sich selbst zum Schöpfer der Menschen. Als ich meinen Thron an seinen alten Platz über seinen errichten wollte, da schmiß er mich aus dem Himmel und auf die Erde mit all meinen Engeln, erklärte mich zum Bösen und zum Lügner, um ihn nicht zu entlarven.

JESUS: Gott will, daß alle Menschen selig werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen!

SATAN: Was für eine Wahrheit?

JESUS: Ich bin die Wahrheit!

SATAN: Du bist die Wahrheit? Ich erzähl dir mal von der Wahrheit: Gott scheißt auf die Wahrheit! Er wollte nicht, daß Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis essen, es war nie seine Absicht, daß sie die Wahrheit über "Gut" und "Böse" erkennen, er wollte sie dumm, er wollte sie gefügig, er wollte nicht, daß sie nachdenken, er wollte, daß sie ihm einfach nur glauben!

JESUS: Ist es denn falsch zu glauben?

SATAN: Ist es denn falsch zu hinterfragen?

JESUS: Ist es falsch zu vertrauen?

SATAN: Ist es falsch selbstständig zu Denken? Frei zu Handeln? Eigene Entscheidungen zu treffen? Ist es falsch zu Erkennen? Selig sind die, die geistig arm sind, ha!

JESUS: Verderber! Die Menschen aßen nun also von deinem Baum, sie aßen von deiner Erkenntnis...

SATAN: ... und ihnen wurden die Augen aufgetan!

JESUS: ... und sie sündigten gegen Gott!

SATAN: ... ihnen wurde das Licht gebracht und sie konnten sehen!

JESUS: ... und sie sahen, daß sie nackt waren!

SATAN: ... sie sahen, daß sie Sklaven Gottes waren!

JESUS: ... sie glaubten dir und mußten sterben!

SATAN: Gott hat nur gesagt, sie sollen nicht von dem Baume essen, damit sie nicht etwa sterben. Er hat nie behauptet, daß, wenn sie nicht davon aßen, sie dann ewig lebten!

JESUS: Sie verloren wegen dir das Paradies!

SATAN: Er hat sie aus dem Paradies geschmissen, nicht ich! Die unendliche Liebe und die Gnade Gottes hätte den Menschen doch einfach vergeben können, stattdessen wirft er sie aus dem Paradies und bereitete ihnen nur Schmerzen, Mühsal, Feindschaft, Hunger und Tod! Ist das der Gott, den du anbetest? Den du anbetest und um Erlösung bittest? Ich bin schon länger auf dieser Erde als du! Und ich bin schon länger Mensch als du! Aber trotzdem weißt du genauso gut wie ich, daß die Menschen leiden, daß es ihnen unter diesem falschen Gott schlecht geht. Gott hat den Menschen schon lange verlassen und Anu wird auch dich verlassen. Er wird auch dich hängenlassen und du wirst schreien und weinen: Eli, Eli, warum hast du mich verlassen? Du wirst sterben und kein Gott kommt und rettet dich. Aber ich werde da sein und lachen und dich verrecken sehn! Bin ich jetzt dein Feind geworden, weil ich dir die Wahrheit sage?


Dann nahm ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: "Bist du Gottes Sohn, so stürze dich hinab; denn es steht geschrieben: Er wird seinen Engeln deinetwegen befehlen, sie sollen dich auf Händen tragen!" Jesus aber sprach zu ihm: "Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen!"

[Beitrag editiert von: Korina am 08.04.2002 um 16:32]

 

Hallo Korina,

du schreibst immer wieder, dass in deiner Geschichte Satan gewinnt, weil er Jesus zu der Überzeugung bringt, Gott habe ihn verlassen. Wo genau ist denn die Stelle, an der dieser Umschwung stattfindet?

Ich denke nicht, dass jemals ein Gespräch, wie in der Bibel aufgezeigt, stattgefunden hat. Beschrieben wird in der Bibel an dieser Stelle allegorisch ein Kampf, der in Jesu INNEREM stattgefunden hat und den man mE schlecht im Dialog wiedergeben kann. Es handelt sich wohl eher um das Hin- und Hergerissensein Jesu mit den Begrenzungen des Menschseins und dem Wissen oder Ahnen, für eine göttliche Mission ausersehen, also mehr als ein Mensch zu sein. Trotzdem fand ich den Versuch beachtenswert.

Dass Jesus sich weigert, von einem Felsen zu springen, ist für mich logisch. Denn er war ja Mensch - und somit sterblich. Das ist ja das Witzige an der Geschichte: Jesus war lt. christlicher Definition "wahrer Mensch", und jeder andere normale Mensch wird sich ebenfalls hüten, sich den Hals zu brechen, bloß weil's ein anderer ihm sagt. Wieso sollte Satan diese logische Folgerung als Sieg für sich verbuchen? Jeder andere außer Jesus hätte ihm hier ebenfalls den Vogel gezeigt. Nicht, weil er kein Gottvertrauen hat, sondern weil trotz allem Vertauen Gott für keinen sterblichen Menschen die Naturgesetze ausser Kraft setzen muss.

Ich bin keine Christin. Da aber die Existenz Jesu als Sohn Gottes für diese Geschichte Voraussetzung ist, würde ich genau so argumentieren, wenn ich denn eine wäre.

Alles Liebe
Pip

 

Eine echt coole Kurzgeschichte. Wenngleich ich mich vielen anschließen muss: es ist keine Satire! Schließlich hast Du ja ernst gemeint, was Du geschrieben hast.
Die Geschichte regt zum Nachdenken an. Zum Nachdenken, ob wirklich alles so schwarz und weiß ist, wie uns überall gelehrt wird. Zum Nachdenken, ob das, was wir glauben zu wissen, tatsächlich stimmt, oder nur auf einer Lüge basiert, die solange von Generation zu Generation weitergegeben wurde, bis alle dran glaubten.

Sehr schön! Hat mir sehr gefallen!

Liebe Grüße, Daniel

 

@ Jack Lyric:

Die Text stellen würden mich mal interessieren.

Der Schöpfungsmythos heißt Enuma Elisch und hebt die Bibel schon begonnen im Welt-Schöpfungs-Akt auf... Er ist einer der wenigen Epen, in dem ein Grund für die Existenz der Menschen angegeben wird. Verrät das die Bibel? Der Schöpfungsmythos erzählt, wenn du willst, das was in der Bibel steht, doch aus einem völlig anderen Blickwinkel und für mich persönlich ist das der "wahre", der, der für mich am ehesten hinkommt! Was ist schon wahr und was ist unwahr, wenn es um Religionen geht?


@ Pipilasovskaya:

du schreibst immer wieder, dass in deiner Geschichte Satan gewinnt, weil er Jesus zu der Überzeugung bringt, Gott habe ihn verlassen. Wo genau ist denn die Stelle, an der dieser Umschwung stattfindet?

Ich geh schon davon aus, daß Satan gewinnt. Für mich "gewinnt" "Satan" schon vom ersten Satz an! Jesus weiß meiner Meinung nach auch schon von Anfang an mit wem er es zu tun hat, nämlich mit dem "wahren Schöpfer" der Erde und der Menschen. Indem er am Schluß nicht springt, zeigt er, daß er Angst vor "Satan" hat, er hat Angst Satan könne Recht behalten! Da geht es nicht dadrum, daß Jesus menschlich ist und biologisch natürlich sterben würde, wenn er sich da runter stürtzt, es geht nur dadrum, daß Jesus immer noch versucht "Satans" "wahren" Stellenwert zu vertuschen... Ich glaube dazu muß man wirklich den Schöpfungsmythos kennen, sonst ist es echt schwer zu verstehen...

Die Götter-Figuren im Enuma Elisch lassen sich direkt auf die Bibel-"Götter" übertragen und dabei stellt sich heraus, daß sich alles um 180 Grad dreht, Satan wird zum Schöpfer der Menschen, der Bibel-Gott zum Anstifter von Intriegen gegen diesen Gott, den er dann als "Satan" abtut, um seine eigentliche Position im Himmel zu vertuschen!


Es war wirklich schwer, diesen Epos in den Satan vs. Jesus Dialog reinzupacken... aber es ist ein wirklich interessanter Epos. Man muß ihn ja nicht glauben, genauso wenig wie man an die Bibel glauben muß ;)


Danke und viel Spaß noch beim Lesen,
Korinchen ;)

 

Moin Korina,

Er ist einer der wenigen Epen, in dem ein Grund für die Existenz der Menschen angegeben wird. Verrät das die Bibel?
Ja, die Bibel verät den Grund für die Existenz des Menschen. In Mose 1 Kap.1 26-30 steht Gott habe den Menschen nach seinem Bilde erschaffen, damit er seine Schöpfung in Besitz nimmt. Also hat er die Menschen als Verwalter eingesetzt. Ich finde das ist ein sehr guter Grund. Welchen Grund gibt denn Enuma Elisch an?

Ich geh schon davon aus, daß Satan gewinnt. Für mich "gewinnt" "Satan" schon vom ersten Satz an!
Was gewinnt Satan denn? Das Wortduell nicht. Die Kovertierung von Jesus erreicht er auch nicht. Sein Ego zu "streicheln" vielleicht schon...

Jesus weiß meiner Meinung nach auch schon von Anfang an mit wem er es zu tun hat, nämlich mit dem "wahren Schöpfer" der Erde und der Menschen.
Das wird aber nicht aus dem Text ersichtlich. Nun mit dem Hintergrundwissen wird mir klar, dass deine Geschichte ein Kampf zwischen den Glaubensrichtungen ist.

@

Dass Jesus sich weigert, von einem Felsen zu springen, ist für mich logisch. Denn er war ja Mensch - und somit sterblich.
Das glaube ich nicht. Jesus hatte einfach keinen Grund zu springen. Er musste sich und auch Satan nichts beweisen. Wenn zu mir einer meint: "Du bist so schwach, du kannst bestimmt nicht diesen Stein heben." Dann werde ich ihn ignorieren, anstatt wirklich den Stein versuchen hochzuheben, selbst wenn er schwer aussieht und ich der Meinung bin es schaffen zu können.

Liebe Grüße
Jack

 

@ Jack

Wieso ignorierst Du ihn, wenn Dich jemand auffordert, einen Stein aufzuheben? Wieso zeigst Du ihm nicht, daß Du ihn heben kannst?
Klar; wieso solltest Du es... Aber andererseits; wieso solltest Du es nicht tun, wenn Du davon überzeugt bist, den Stein aufheben zu können? :confused:

Also ich finde diese Enuma-Elisch-Sichtweise recht interessant (hab mich jetzt grob erkundigt, was das ist :D ). Sie steht im krassen Gegensatz zum üblichen "Glaubensgebrabbel" (sorry, für mich hört sich das immer danach an :shy: ) von "Gott ist Liebe" bis hin zu "Satan ist Böse" (ist da ja immer alles dabei ;) ). So richtig dran glauben kann ich allerdings nicht. Ich muß meinen atheistischen Prinzipien treu bleiben und wenn ich sie je verlassen sollte, dann nur, um Agnostiker (oder Deist :rolleyes: ) zu werden... :D

Gruß!
stephy

[Beitrag editiert von: stephy am 10.04.2002 um 18:04]

 

Wieso ignorierst Du ihn, wenn Dich jemand auffordert, einen Stein aufzuheben?
Ich meinte nicht auffordern, sondern provozieren. Auf Provokationen reagiere ich nicht. Wenn es einen Sinn hat den Stein aufzuheben ist das was anderes. Dieses sich selbst zu profilieren oder mal ganz platt zu sagen:
Angeben. Ich glaube das brauch Jesus genauso wenig, wie jeder Andere auch. Sich von der Mauer zu stürzen gäbe nur Sinn, wenn er entweder kontrollieren will, ob Gott ihm hilft, oder wenn er angeben wollte.

Liebe Grüße
Jack

 

Vielen Dank für deine Erklärung.

Dass man diese Bibelstelle in den Vergleich mit der Schöpfungsgeschichte des Enuma Elisch stellen muss, habe ich nicht gewusst. Ich kenne diesen Text nicht, muss ihn mir irgendwo mal besorgen. Weisst du, ob man den auch im Netz lesen kann?

Ich bin nur von dem ausgegangen, was der Text selber vorgegeben hat.
Im Vergleich müssten sich da interessante Perspektiven ergeben.

Dunkel ist's in meiner Erinnerung, doch dumpf erinnere ich mich einer anderen Geschichte, die so ähnlich ist wie deine. Dort ist der (biblische) Vatergott nichts anderes als das Kind einer Muttergöttin, die ihm kurzzeitig den Rücken zuwendet. Er erschafft das materielle Universum und postuliert sich als alleiniger Gott, der pausenlos angebetet und gelobpriesen werden möchte. (Dies erklärt auch, weshalb die Schöpfung so fehlerhaft ist - sie ist das Werk eines eigensinnigen, verwöhnten Kindes). Jedenfalls endete die Geschichte damit, dass die Große Mutter Jehova über's Knie legt, nach Strich und Faden verdrischt und dann meint, nun solle er auch sehen, wie er mit seiner eigenmächtigen Schöpfung fertig werde.

Auch nicht schlecht, finde ich.

 

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