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Die dargebotene Hand

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29.01.2010
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Die dargebotene Hand

Letzte Abnäher waren noch vorzunehmen.
«Also wir liefern das Brautkleid übermorgen an Ihre Adresse.» Die Angestellte des Geschäfts reichte der Kundin die Hand. «Auf Wiedersehen, Frau Engelin.»
Obwohl im sechsten Monat schwanger, hatte Stephanie Engelin sich für Weiss entschieden. Das Kleid kaschierte die Bauchwölbung geschickt. Sie dachte an Claus, dessen Rückkehr aus Boston auf morgen angesetzt war, wo er beruflich während sechs Monaten ein Projekt begleitete. Die Schwangerschaft war nicht geplant, eher einer Unachtsamkeit zuzuschreiben, doch sie freuten sich beide auf das Kind. Es gab den Ausschlag, ihrer Beziehung endlich einen familiären Rahmen zu verleihen. Die Hochzeit war auf nächste Woche angesetzt.
Mit Einkaufstaschen verschiedener Boutiquen der Zürcher Bahnhofstrasse beladen, kehrte Stephanie ins Parkhaus zurück. Der Nieselregen hatte den Einkaufsbummel etwas behindert, doch sie war mit ihrer Ausbeute zufrieden. Beschwingt vom Gefühl, mit dem Baby und Claus in einigen Tagen offiziell eine Familie zu sein, hatte sie erste Babywäsche und noch ein paar hübsche Dinge für sich erstanden.
Den Schirm und die Einkaufstaschen in der einen Hand kramte sie umständlich in der Handtasche nach dem Autoschlüssel.
„Kann ich Ihnen helfen?“
Vor ihr stand eine junge Frau, die linke Hand ausgestreckt, um ihr das Gepäck zu halten. Stephanie stutzte einen Moment. Sympathisch wirkte das Gesicht nicht, in welches sie blickte. Ein knabenhaft anmutender Kurzhaarschnitt betonte das herbe daran noch. An sich fand sie es jedoch eine nette Geste. Seit man ihr die Schwangerschaft ansah, waren die Leute, denen sie begegnete, bemerkenswert zuvorkommend, besonders die Frauen. «Oh, danke.» Sie lächelte und reichte die Einkäufe in die dargebotene Hand. Es war für sie nun einfacher, nach dem Schlüssel zu suchen.
Die am Halsansatz eindringende Stahlklinge bewirkte, dass Stephanie keinen Laut von sich geben konnte. Schmerz und Schock blockierten ihr Denken. Als ihr die Frau mit heftigen Stössen das Messer in den gewölbten Bauch rammte, begriff Stephanie, was geschah, und ein entsetzlicher Gedanke an ihr Kind durchdrang sie. Dies verkraftete sie nicht mehr und verlor das Bewusstsein.

Svenja Hilfiker war bereits früh morgens auf, in der Nacht hatten Albträume sie gequält. An sich nichts Ungewöhnliches, die innere Unruhe war immer präsent, doch diesmal waren es ungeborene Kinder, sterbend oder bereits tot, die sie heimsuchten. Mit blutbefleckten Körpern rückten sie bedrängend an sie heran. Umgebendes Fruchtwasser gab ihnen ein schemenhaftes Aussehen. Eines streckte ihr sein Händchen entgegen, als wollte es sich an ihr festhalten. Für einen Moment nahm sie das Gesicht wahr, es war ihr eigenes Ebenbild. Sie hatte aufgeschrien, wodurch sie verwirrt erwachte. Es waren Föten, die ihren Schlaf durchkreuzten.
Sei dankbar, dass es dir erspart blieb, in diese verfluchte Welt zu kommen. Lass mich also gefälligst in Ruhe.
Nach langem hin und her Wälzen schlief sie wieder ein, in die Düsternis der Albträume zurückkehrend. Das Kleine mit ihrem Gesicht war wieder da, diesmal schrie es nach Nahrung. Als sie ihm den Mund zuhalten wollte, griff es in ihr Nachthemd, den Nippel der linken Brust zwischen seine Lippen pressend. Svenja wollte es entfernen, riss an ihm, doch es saugte sich wie ein Egel fest. Das Messer. Ich muss das Sprungmesser einsetzen, um das Gör loszuwerden. Wie wild stach sie damit auf den kleinen Körper ein, doch der liess nicht locker, biss vielmehr heftig zu. Der Schmerz, den es ihr zufügte, obwohl es noch keine Zähnchen hatte, erzeugte ihr ein ungeahntes Lustgefühl. Mit jedem Stich in seinen Körper reagierte es noch kräftiger, Svenja in einem Strudel lustvoller Empfindungen stürzend, bis sie zitternd und keuchend erwachte.
Sie mochte nicht an den Traum denken, schob die Gedanken beiseite, gerade weil er ihr ein bisher nie so intensiv gehegtes Lustgefühl vermittelte. Sie wollte keine solche Empfindung, nicht auf ihren Körper bezogen. Im Blutrausch, dem sie sich nun bereits zum zweiten Mal hingegeben hatte, war es anders. Da sie glaubte, andere Menschen seien in jeder Beziehung besser gestellt, entlud sich gebündelte Wut, unbändiger Hass, der seinen Tribut forderte. Diese Momente waren ekstatische Energieflüsse, wie wenn Protonen aufeinanderprallten und explodierten, das Universum sich neu formierte. Nachher fühlte sie sich jeweils erschöpft, jedoch durchdrungen von einem unsagbaren Gefühl seelischer Ausgeglichenheit, wie wenn die dunklen Mächte der Aggression und die damit verbundenen Abstürze in ihr endgültig überwunden wären.

Sie erinnerte sich an ihre erste Messerattacke, als sie vor längerer Zeit in einem Buchantiquariat die hochbetagte Ladeninhaberin niedergestochen hatte. Diese erwischte sie, als sie ein Buch klauen wollte. Deren keifendes Geschrei brachte sie derart in Rage, dass sie ihr Messer zückte und zustach. Dies war ihr selbst überraschend, doch die Befriedigung, welche sie hernach beherrschte, gaben ihr ein Gefühl der Entlastung von ihren seelischen Qualen sowie ihrer Bedeutungslosigkeit als Person. Sie hatte Macht, war anderen Überlegen.
Svenja plagte seit damals noch verstärkter die Angst, erwischt und eingesperrt zu werden. Doch die Polizei fand nicht heraus, wer die Täterin war, obwohl die Alte überlebt hatte.

Das Klacken der hohen Absätze war es gestern gewesen, das sie zur Raserei brachte, ihre Aggression ins unerträgliche aufstachelte. Sie beabsichtigte unter einem Auto einzuheizen, um durch eine Feuerbrunst etwas Entlastung ihrer nervlichen Anspannung zu finden. Bis anhin tat sie solches nur im Schutze der Nacht. Vor allem Inhalte von Abfallcontainern eigneten sich für ein Feuerchen, meist standen sie schnell in Vollbrand und das Risiko dabei erwischt zu werden, war äusserst gering. Gestern Vormittag, ihre Unruhe steigerte sich quälend, musste etwas passieren. Als sie am Parkhaus vorbeikam, fasste sie spontan den Entschluss. Die Polizeiwache auf der gegenüberliegenden Strassenseite hemmte sie nicht, gab ihr überraschend eher noch einen zusätzlichen Kick. Sie hatte sich eben für einen Wagen entschieden, das Zeitungspapier, welches sie aus einem Abfalleimer fischte, war noch nicht zerknüllt, als sie das blöde Klacken hörte. Immer lauter, näher kommend, klack, klack, klack, klack … In nächster Nähe verstummte es. Svenja hatte vorsichtig hinter dem Auto hervorgeblickt, die junge Frau stand am Wagen nebenan, wie auf dem Präsentierteller. Die Aggression war in ihr da schon explosiv gestaut. Was fällt dem blöden Modepüppchen ein, genau hierher zu kommen und mich zu stören. Unbemerkt war sie um den andern Wagen herumgegangen und auf sie zugetreten. Eine dieser stinkreichen Frauen, die an der Bahnhofstrasse einkaufen. Dann noch dieser dicke Bauch. Wie vorweisend, seht her, ich bin gebärfähig. Mit der rechten Hand hielt sie das Sprungmesser in der Jackentasche umklammert, einen Finger auf dem Druckknopf. Diese angemalte Larve, da sind viel mehr als nur die Wimpern nicht echt. Instinktiv erinnerte sie sich an ihre erste Bluttat, die Alte hatte geschrien als stecke sie am Spiess. Sie blickte auf den Halsansatz in der offenen Bluse. Hier muss ich ansetzen, direkt über dem obersten Knochen, damit sie nicht schreien kann. Als die Frau den Kopf leicht senkte, wusste Svenja, jetzt muss es sein.
Das Gefühl des Eindringens der Klinge gab ihr einen heftigen Schub, der Blutrausch hatte sie voll im Griff. Dies war unendlich erfüllender, als nur ein Feuerchen auflodern zu lassen. Die Schwangere begriff überhaupt nicht, was ihr geschah, versuchte nach Luft zu schnappen. Ein zu komisches Bild. Erst als ich ihren Bauch malträtierte, merkte sie wohl, dass sie dran ist, wie ein kurzes Aufblitzen in ihren Augen und der zum tonlosen Schrei geöffnete Mund zeigten. «Du dreckige Schlampe, du hast nichts Besseres verdient», doch diese sackte schon am Auto angelehnt zusammen, nicht mehr fähig abzuwehren oder sich festzuhalten. Der Tritt mit dem Schuh nutzte nichts, die war weggetreten. «Verdammt nochmal, du blöde Kuh, etwas mehr Leiden, hättest du schon zeigen können». Fluchend putzte sie das Messer am Mantel der am Boden liegenden leblosen Frau ab und entnahm der Handtasche das Bargeld.
Obwohl am späten Vormittag ein Kommen und Gehen im mehrstöckigen und komplexen Gebäude war, gelang es ihr, unbemerkt das Parkhaus Urania am oberen Ausgang zu verlassen. Als sie den steilen Weg zum Lindenhof hinaufstieg, um den Hügel zu überqueren und dahinter in den kleinen Gassen abzutauchen, blickte sie intuitiv zurück, hinüber zu den Amtshäusern, in der auch die Polizeihauptwache untergebracht war. Ihr Blick war hämisch. Sozusagen vor deren Tür habe ich sie ihnen serviert.
In ihrer Erinnerung spielte sie nochmals jeden Stich durch, den sie ausführte. Überwältigt von den Empfindungen daran erfasste sie Taumel, sie musste sich festhalten und hinsetzen.
Langsam erholte sie sich wieder, ihr Atem wurde gleichmässiger. Die aufgelebte Erinnerung war intensiv. Wenn dieses unerträgliche Spannungsgefühl auftritt, werde ich mich an diesen Akt erinnern, mich ableitend ergötzen. Dies wirkt viel besser, als die blöden Tabletten.
Schleichend, wie ein Dämon, trat die Angst auf, sie könnte erwischt werden, der hässliche Widerpart mit dem sie immer zu kämpfen hatte. Nervös nestelte sie in der Tischschublade, eine Pille des Beruhigungsmittels aus der Folie drückend.
Wenn sie eine Spur hätten, wären sie längst aufgetaucht. Die können nicht wissen, wer ich bin. Es war nicht geplant, … aber mir ein unerhörter Glücksmoment.
Die Zweifel der Angst erzeugten ihr einen Moment des Zitterns, doch gewann sie wieder die Kontrolle über sich, so wie sie es auch immer schaffte, die Albträume zu vergessen. Sie hasste ihre Träume genauso wie ihr Leben, in dem sie sich nie glücklich gefühlt hatte – ausser, wenn sie solche ekstatischen Erfahrungen machte.

Im „Karl dem Grossen“, einem Restaurant des karitativen Frauenvereins, setzte Svenja sich an einen Tisch. Hier trafen sich vorwiegend sozial Unterprivilegierte, die Preise waren günstig und man konnte stundenlang vor einer Tasse Kaffee verweilen, ohne hinausgeworfen zu werden. Die Boulevardzeitung «Blick» hatte sie von unterwegs mitgebracht. Der Text auf dem Plakataushang war ihr reisserisch entgegengesprungen: «Bestialischer Mord an Schwangerer im Parkhaus.» Sie hatte vermieden, bereits auf der Strasse den Artikel zu lesen, da sie befürchtete dadurch aufzufallen.
Schnell sog sie nun die Sätze ein, erfuhr, dass die Sechsundzwanzigjährige in einigen Tagen zu heiraten beabsichtigt hatte. Geschieht ihr recht, diesem Modepüppchen. Die Nutte hatte wohl einem reichen Mann das Kind untergejubelt, um sich künftig ein sorgenfreies Leben zu machen, so wie die aussah. Ihre Wut auf die Frau war wieder gegenwärtig. Sie musste sich zusammennehmen, in diesem Zustand nicht laut zu sprechen, wie sie es manchmal tat, wenn sie sich stark erregte.
Die Zeitung berichtete von einem schrecklichen Exzess, einem Blutrausch, in dem sich der Täter befunden haben musste. Der Beschreibung nach hatten die Journalisten die Tote selbst nicht gesehen, sondern stützten sich auf die Pressekonferenz der Polizei und Aussagen jener Person, die die Tote fand. Im Bericht war dies derart aufgebauscht, dass sie staunte, mit welcher Präzision, kaltblütig und grausam sie dabei vorgegangen sein sollte. Doch fand sie Gefallen an dieser noch fürchterlicheren Darstellung, als ihr es selbst bewusst geworden war. Mit den Empfindungen, die den Täter gemäss der Zeitung angeblich getrieben haben mussten, eine Schwangere abzustechen, konnte sie wenig anfangen. Die haben ja keine Ahnung, diese perversen Schweine. Gierig las sie weiter.
Es war meine Tat! Ich habe es in die Schlagzeilen der Medien geschafft. Ich bin berühmt! Sie ergötzte sich an dieser Vorstellung, lachte sogar laut auf. Erschrocken sah sie sich um, ob jemand aufmerksam geworden war, doch die andern Gäste sassen in Gespräche vertieft oder in sich gekehrt. Niemand beachtete sie. Man kannte, aber mied sie, da sie für ihre spontan auftretende Aggressivität und Ausfälligkeit bekannt war. Beruhigt las sie weiter, manchmal tief durchatmend, als ob sie eine schwere Arbeit leistete.
Man geht von einem Täter aus, niemand kommt auf die Idee, dass eine Frau genauso mutig und zupackend handeln kann. Den erneuten Reiz laut zu lachen, konnte sie sich gerade noch verkneifen. Sie fühlte sich zutiefst befriedigt. Wenn man mich nicht gesehen hat, niemand eine Beschreibung abgeben kann, wird man nie mehr auf mich kommen. Dieser Coup war genial und nicht zu vergleichen mit der Befriedigung, wenn ich einen betrunkenen Nachtschwärmer zusammenschlug und ausnahm. Die verfügten ohnehin meist nur noch über wenig Bargeld.
Ihre Angst, die stark und an den Nerven zerrend vorhanden war, als sie von Zuhause wegging, wurde durch die aufgetretene Anerkennung überdeckt, versetzte sie in euphorische Stimmung. Dies war der Kick, den ich brauchte, um in diesem verdammten Leben endlich frei atmen zu können. Dieses Gefühl wird es mir erlauben, mich künftig vollwertig zu erleben, mehr zu sein als die meisten andern. Ihre Hoffnung klammerte sich an diese Überheblichkeit, die ihr Inneres erfüllte.

Es erwies sich als Illusion, dass sie nun Ruhe finden könnte. Bereits nach einigen Wochen zeigte sich die Unruhe wieder stark, auf die sie mit aggressiven Ausbrüchen reagierte. Dumm war sie nicht, sie wusste, dass sie bis anhin mehr Glück als Verstand hatte, nie erwischt zu werden. Ich werde künftig noch vorsichtiger sein und mich nicht auf Situationen einlassen, bei denen mich jemand identifizieren oder festhalten kann.
Der Albtraum der letzten Nacht war heftig ausgefallen und knüpfte an jene Zeit an, bevor diese qualvolle Unrast und die darauf bauenden Aggressionen voll durchgebrochen waren.
Resigniert betrat sie das Klassenzimmer, sie war zu spät dran. Mit gesenktem Kopf schaute sie vorsichtig zum Lehrer hin, in seinem Gesicht zog eine Zornesröte auf. «Ach, bequemst du dich auch hierher. Du hast es ja nicht nötig, da du so gescheit bist. Oder was war es diesmal? Musstest du noch die Kühe auf die Weide treiben oder die Schweine füttern?» Die andern Schüler machten feixende Gesichter, es war für sie ein Gaudi, wenn der Lehrer einen Grund hatte, Svenja zu rügen.
Svenja wollte erklären, doch der Lehrer unterbrach sie barsch. «Sei still und setz dich, ich will deine faule Ausrede nicht hören.»
In der Pause stand Svenja wie gewohnt allein herum, die andern Jugendlichen mieden sie, hatten sie nie gemocht und behandelten sie als Bauerntölpel. Schon von ihrer Kleidung hob sie sich ab, Modisches hatte sie nie anzuziehen. Da flog ein Ball mit voller Wucht in ihr Gesicht, sodass sie stürzte. Die Jugendlichen johlten vor Freude, einige bespuckten sie, wie sie da am Boden lag mit Tränen in den Augen, das Gesicht abtastend. Ihr Gesicht begann aufzuschwellen, es musste unförmig sein, nur undeutlich nahm sie aus den verquollenen Augen die Umgebung war. Sie war umringt von höhnischen Gesichtern, die die Zähne bleckten und über sie lachten. «So wie du aussiehst, bist du gar kein Mädchen, warst auch nie eines, du gehörst in einen Käfig», schrie ihr Rosalie entgegen. Sie war die Schönste unter allen Mädchen, eine wohlgeformte junge Frau, kam aus gutem Haus und war bei allen beliebt. Die andern Jugendlichen nahmen Rosalies Schmähruf auf und riefen «du bist gar kein Mädchen, du bist gar kein Mädchen, geh zurück in deinen Käfig.» Ein Filmriss brach die grässliche Szene ab und sie erwachte. Unwillkürlich griff sie in ihr Gesicht, das sich völlig normal anfühlte, und tastete ihren Körper ab.
Sie stöhnte. Warum musste ich in diesem Körper geboren werden, warum ich?

Bei einem nächtlichen Streifzug, sie plante eine kleine Brandstiftung, an der sie ihre Aggression abbauen könnte, wurde sie von einem Mann angegangen, einem Ausländer, der gebrochen Deutsch sprach. Er hielt sie wohl für eine vom Drogenstrich und bot ihr unverblümt dreissig Franken für einen Fick ohne Kondom. Seine Worte lähmten ihre Anspannung, die nach einem Ausbruch verlangte. Ihre Gedanken jagten sich. Dieser alte, schleimige Typ, mich als Hure zu behandeln. Der wird dranglauben müssen. Sie mochte ihre Weiblichkeit selbst nicht, und dass ein Mann nach ihr gierte, war ihr ein Brechmittel. Ihren Hass der dabei aufkam fokussierte sie ganz auf ihn, ging aber nach einem kurzen Nicken wortlos mit. Im Gebüsch einer Parkanlage, seine Hose hatte er heruntergelassen, griff er nach ihrem Körper. Überrascht, dass sich ihre Brüste knabenhaft flach anfühlten, machte er eine Bemerkung. Da explodierte sie. Hemmungslos stach sie zu. Der Mann begann gellend zu schreien und wehrte sich heftig mit Faustschlägen, weshalb sie die Flucht ergriff. Beinah hätte sie dabei ihr Messer verloren.

Verflucht, verflucht, verflucht. Wieso habe ich mich auf dieses Ausländerschwein eingelassen und ihm nicht einfach eine geknallt. Es war sie einfach überkommen, er bot sich ihr als Opfer an. Ich hätte ihm zur Krönung den Schwanz abgeschnitten und ihm in den Mund gesteckt, dieser widerlich, geilen Sau.
Immer wieder schaute sie sich um, ob sie nicht verfolgt wurde, dabei war sie bereits in einem andern Stadtteil. Die Passanten jedoch, die hier unterwegs waren, schenkten ihr keine besondere Beachtung.

Deprimiert sass sie auf dem Küchenschemel, die Angst, man könnte ihr auf die Spur kommen, war allgegenwärtig. Kürzlich hatte sie gelesen, dass in der DNA-Analyse grosse Fortschritte erzielt wurden, die erlaubten, auch alte Fälle zu klären. Hierzu reichten auch geringfügige Spuren aus, was das auch immer bedeuten mochte. Ich blöde Kuh. Wäre er mir doch nur nicht in die Quere gekommen, so ist er selbst schuld. Künftig muss ich auf Menschenabschlachtungen verzichten, es ist zu gefährlich. Dabei ist es das Wirksamste, es besänftigt meine ständigen Qualen. … Falls ich es gar nicht mehr aushalte, muss halt mal ein Tier dranglauben, wobei dies nie das gleiche sein kann. Besser ist vielleicht doch, mich an die Feuerchen zu halten, es auflodern lassen. Der Anblick dieser zerstörerischen Kraft half mir bis anhin ja meistens, die Krise einigermassen durchzustehen. Erwischen lasse ich mich nicht. Nie! Da müssen die mich schon töten, aber vorher nehme ich dann ein paar dieser Dreckskerle mit.

Ab und zu loderte ein Feuer auf, reiner Vandalismus, ohne dass Menschenleben gefährdet wurden. Mit dieser Ersatzhandlung konnte sie ihre Befindlichkeit über Jahre steuern, bis ihre inneren Qualen die zerstörerischen Zwänge massiv intensivierten, die Anzeichen, dass eine gewaltige Eruption sich anbahnt.

Sie schlich wie ein geprügelter Hund der Seepromenade entlang, das Leiden sprach aus ihrem Gesicht. Der lieblose, graue Tag entsprach ganz ihrem seelischen Tief. Ihr Blick fiel auf die Schwäne, welche im Uferbereich schwammen und aufmerksam zu vorübergehenden Passanten sahen, ob ihnen jemand Brotstücke oder Salatblätter zuwerfen würde. Allzu gerne hätte sie einem von diesen den Hals durchgeschnitten, doch ab und zu begegneten ihr Passanten, die ihre Hunde ausführten. Ihre Gedanken kehrten zurück an die Tat im Parkhaus, damals vor sechs Jahren fühlte sie sich lange Zeit befreit. Schon sechs Jahre! In ihrem Kopf hämmerte die Erinnerung, ein Lustempfinden gierte in ihr, das Messer in der Jackentasche fest umklammernd. Ich brauche es, ich brauche es ganz dringend … Sie hätte Schreien mögen vor innerem Verlangen und Schmerz, stattdessen schaute sie nur böse auf die vereinzelten Personen, mehrheitlich Frauen, die ihr begegneten. Am liebsten würde ich einer von denen das Messer in den Bauch rammen, ein Stück Fleisch herausschneiden und es ihrem Hund zum Frass vorwerfen.
In den vergangenen Jahren hatte sie die blutdürstige Erinnerung an den Babybauch mehrfach belebt, dieses Hochgefühl in seiner vollen Entfaltung ausgekostet, doch es verflachte zunehmend, obwohl sie noch immer jedes Detail abrufen konnte. Das Verlangen, wieder einmal bei einem Menschen zuzustechen, seinen Schmerz zu spüren, ihn abserbeln zu sehen, bewegte vermehrt ihre Fantasie. Einen sanften Kick hatte sie sich schon bei nächtlichen Streifzügen in Parkanlagen geholt, wo sie nach potentiellen Opfern Ausschau hielt. Es waren jedoch meist Schwule und Strichjungen, die dort aufkreuzten, und die waren ihr zu gefährlich, da sie bewaffnet sein konnten. So blieb es bei fantasierten Attacken oder auch verbalen Ausfälligkeiten.
Stark deprimiert hob sie einen Stein auf, um ihn gegen die Schwäne an Ufernähe zu werfen, als sie in einiger Entfernung eine Frau sah, die auf ein Tor des Chinagartens zuschritt. Ihr Denken blockierte einen Moment, ihre Hand wurde schlaff und der Stein fiel zu Boden. Sie sah sich um. Nur vereinzelt konnte sie weit entfernt Passanten ausmachen, die jedoch zielstrebig in andere Richtungen gingen. Die Frau zögerte nicht, trat ein.
Das ist der ideale Ort, das Schicksal hat mich erhört! Die über zwei Meter hohe Mauer, welche die Parkanlage umgibt, gewährt mir den Schutz durch Unsichtbarkeit. Ein angenehmer Schauer durchwallte ihren Körper. Hoffentlich ist sonst niemand dort, ausser ihr. Vom bestialischen Instinkt geleitet schritt sie, sich ordentlich an den Weg haltend, auf die Anlage zu. Der Trieb in ihr hatte die Witterung des Wildes aufgenommen, keine Ablenkung zulassend.

Die Türe öffnete sich schwungvoll. Kurz erschreckte sie, es könnte Aufmerksamkeit erwecken. Doch anscheinend war sie mit der andern Frau allein im Gelände. Sie sah diese eben auf das kleine, offene pagodenartige Gebäude hinter dem Teich zugehen, das von hier halbwegs durch Gebüsche verdeckt war.
Svenja nahm erst den Weg zum grossen Gebäude, sich überzeugend, dass dort niemand drin war. Die Halle war leer. Niemand, der an diesem düsteren Vormittag hier lauschige Ruhe suchte. Ihre Anspannung wuchs, die Gewissheit, mit der Frau allein zu sein, schaltete jedes Gefühl von Angst aus. Langsam schlenderte sie um den Teich, dessen Wasserfläche ruhig und dunkel dalag.
Da, die Frau sass auf einer Bank mit Blick auf das Wasser, sie musste schon älter sein, grau melierte Haare aber modisch-leger gekleidet. Völlig unpassend für ihr Alter. Eine dieser emanzipierten Zicken, die sich für was Besseres halten.
«Es ist doch immer wieder schön in diesem kleinen Park zu verweilen», sagte die Frau, welche sich ihr zugewandt hatte, als sie ihr Kommen bemerkte. «Ich komme täglich einmal hierher, seit es ihn gibt. Es dünkt mich, der Ort sei mir bestimmt.»
Svenja schwieg, in ihr steigerte sich das Gefühl der Aggression immer stärker. Die Spannung fühlte sich schon zum Bersten an, welche sie nur in einem Blutrausch wirklich befriedigen könnte.
«Kommen Sie auch öfters hierher?», die Frau schaute Svenja erwartungsvoll lächelnd an.
«Manchmal», ihre Stimme erschien Svenja selbst unnatürlich rau, die Freundlichkeit der Frau irritierte sie, war ihr unangenehm. «Heute war es mir ein Verlangen!»
«Ja, so geht es mir auch. Diese Ruhe, die es hier ausstrahlt, gibt mir Kraft und Zufriedenheit. Ich weiss nicht, wie die Chinesen es fertigbringen, eine solche Harmonie einzig mit der Gestaltung eines Gartens zu erzeugen. Aber es wirkt.»
Svenja trat einen Schritt auf die Frau zu, ihr unverwandt ins Gesicht schauend. Diese selig grinsende Fratze, als ob sie alles Glück dieser Erde besässe. Mit schnellem Griff zog sie das Messer aus der Jackentasche, drückte auf den Knopf, der die Klinge hervorfederte, und stiess mit aller Kraft zu. Die Frau schaute verwundert, schwankte vom Schlag, den sie verspürt hatte, und schrie auf, was Svenja in rasende Wut versetzte. Immer wieder stiess sie zu, blindlings auf die Frau ein, als ob sie einen winselnden Mehlsack vor sich hätte. Langsam brach die Frau, die ihren Körper beim ersten Stich noch voll aufgerichtet hatte, um sich zu wehren, blutüberströmt zusammen. Svenja war nun völlig von Sinnen, immer wieder stiess sie das Messer in den am Boden liegenden, bereits toten Körper, ihr euphorisches Gefühl bis zum letzten Stoss auskostend. Durch den gewaltigen Kraftaufwand erschöpft, sank sie neben der Toten zu Boden, ungeachtet, dass sich da bereits eine Blutlache ausgebreitet hatte. Sie lag da, irgendwie verwundert, dass die Frau sich nicht mehr bewegte und schaute auf ihr Opfer. Das Gefühl einer Schwerelosigkeit vereinnahmte sie, ein inneres Jubilieren brach durch, der Druck, der sie gequält hatte, war völlig einer unendlichen Weite gewichen.

Hundegebell drang an ihr Ohr, was sie umgehend in Alarmstimmung versetzte. Es kam von draussen, jenseits der Mauer, doch vergegenwärtigte es ihr die Situation. Schnell sprang sie auf, das blutige Messer griffbereit in die Tasche steckend, sprang sie hinaus in den Garten. Kein Mensch war zu sehen, Hunde durften nicht in den Garten, das Gebell entfernte sich nun auch. Die begangene Tat in ihrem ganzen Ausmass wurde ihr bewusst. Ich habe es getan, wieder getan, endlich, endlich! Sie lachte wie irre. Das überflutende Gefühl in ihr war noch intensiver als damals. Dieses befreiende Gefühl, welches ich beim Eindringen der Klinge verspürte, kein Drogenrausch könnte es annähernd simulieren. Ihr Atem ging schwer, sie fühlte sich überwältigt von den auf sie einprasselnden Empfindungen, ein erneutes Lachen erfasste und schüttelte sie.
In der Ferne hörte sie eine Sirene. Es musste von der Strasse her kommen, gedämpft, aber unüberhörbar. Wie ein böser Dämon tauchte in ihr die Angst auf. Die Angst des wilden Tieres, dem die Jäger nachstellten, wenn sich das Blatt wendete. Verstecken konnte man sich hier nirgends im Garten. Sie zückte das Messer, die Klinge sprang hervor, sie würde kämpfen. Die Angst vermischte sich mit Aggression, die sie in sich selbst schürte, Hass gegen diese Widersacher.
Die Sirene eines Polizei- oder eines Krankenwagens, was es auch war, wurde leiser, entfernte sich. Die Angst in ihr bewahrte aber ihren Raum. Sie empfand es bedrohlich, wie die Welt sich wieder einmal gegen sie wandte. Verdammt, verdammt noch mal, warum darf ich diesen Moment nicht in Ruhe auskosten. Ihr kamen die Tränen des Selbstmitleids, sie war das Opfer, das man immer wieder drangsalierte. Die Welt ist gegen mich, wie sie es immer war.
Svenja bemerkte ihre blutigen Hände, dann ihre Kleider, sie war gezeichnet. Ein kurzer Moment der Panik wechselte schnell in Kalkül, sie musste sich waschen. Am Ufer des Teichs wusch sie sich erst die Hände, dann begann sie die Kleider, so gut wie möglich, mit Wasser abzuspülen. Auch im Gesicht und an den Haaren klebte Blut, bemerkte sie, als sie sich über ihre struppige Frisur strich. Schnell tauchte sie noch den Kopf ins Wasser, obwohl es kühl war. Mit dem Innenteil der Jacke trocknete sie sich ab. Ich muss schnellstens abhauen, bevor hier jemand auftaucht. Ihr Instinkt funktionierte wieder einwandfrei, wie eine Bestie die sich reaktiv den Gefahren der Umwelt stellt.
Noch einmal trat sie an den Pavillon heran, schaute auf das entseelte Wesen, welches in der Blutlache lag, den Anblick sich genussvoll und tief einprägend, ehe sie mit schnellen Schritten auf das Tor zuschritt. Erst einen Spalt öffnend, spähte sie hinaus. In näherer Umgebung war niemand zu sehen, schnell schlüpfte sie hinaus und schlich an der Mauer entlang um das Gelände herum und entfernte sich von der rückwärtigen Seite über die Wiese und zwischen Gebüschen durch zur Bellerivestrasse hin.
Sie vermeinte, die Blicke der Passanten zu fühlen, denen sie in den Quartierstrassen begegnete. Es war ihr klar, dass die fleckige und feuchte Kleidung auffiel, doch niemand sprach sie an. Auf das Äussere hatte sie nie Wert gelegt, doch jetzt erweckte sie gar den Eindruck, als ob sie im Freien nächtige. Die Passanten wichen ihr aus, anscheinend froh, wenn sie nicht von ihr um Geld angegangen wurden.

Am frühen Morgen sah sie durch das Fenster, dass der Zeitungsbote ihr Haus bediente. Schnell huschte sie die Treppen hinab, einem Nachbarn die Zeitung aus dem Briefkasten klauend. Leider war es nicht der «Blick», nur die konservative «Neue Zürcher Zeitung», doch auch in dieser prangte die «Bestialische Tat im Chinagarten» auf der Titelseite. Mit dreissig Messerstichen sei die Frau abgeschlachtet worden. Dreissig! Die Zahl führte ihr die Szene des immer wieder Zustossens vor Augen, die Empfindung des Eindringens der Klinge in den Körper, sie berauschte sich daran. Dann begann sie weiter zu lesen. Der Bericht war nüchtern, aber schonungslos gehalten, enthielt jedoch keinerlei Angaben darüber, ob die Polizei über Indizien verfügte. Klar hingegen war der Zeugenaufruf, man war der Meinung, der Täter habe nicht unbemerkt entkommen können.

Seit drei Tagen hatte sich Svenja nicht mehr aus dem Haus getraut. Es war etwas eingetreten, das sie so nicht erwartete, nicht nach diesem vollendeten Akt. Sie litt unter starken Stimmungsschwankungen, die die Pole zwischen euphorischer Ausgelassenheit und panischer Angst völlig ausreizten. Manisch achtete sie zeitweise auf alle Geräusche, die von der Strasse oder aus dem Haus zu hören waren, stürzte ans Fenster, hinabblickend, was sich da tat. Dann wieder verkroch sie sich ins Bett, die Decke über den Kopf und sich wie ein Fötus zusammenrollend. Handkehrum schwelgte sie wieder in der Erinnerung des Blutbades, versuchte sich jeden einzelnen Stich detailliert in Erinnerung zu rufen, das Entsetzen im Gesicht der Frau auskostend. Dieses Gefühl … sie fand selbst nicht die richtigen Worte dafür, liess sie genüsslich auf sich einwirken, ab und zu hell auflachend. Die Hochstimmung gab ihr mehrfach den Antrieb, das Haus zu verlassen, doch spätestens an der Haustüre unten kehrte sie jeweils wieder um, da die Angst sich wie ein schrilles Alarmsignal einschaltete. Die Ungewissheit, ob eine Spur zu ihr führen könnte, wucherte wie ein böses im Hintergrund lauerndes Untier in ihr. Es blieb ihr nur, in der kleinen Wohnung herumzutigern, wie eine Gefangene in einer Zelle. Dieser Zustand schürte ihre Unruhe enorm, die Phasen ihrer Befindlichkeit schwankten nervenaufreibend.

Der Teich des Chinagartens lag friedlich da, kein Kräuseln des Wassers durch einen Windhauch. Keine aufsteigende Luftblase, die von Fischen ausging. Stille, die den Geist des Ortes bestimmte.
Doch da, das Platschen eines aufschlagenden Tropfens, noch einer, alsbald wie ein kleiner Wasserfall, der einer Quelle im Pavillon zu entspringen schien. Die Farbe des Teichs änderte sich zunehmend, das Grünliche wandelte sich, nun blutrot leuchtend wie Lack. Ein beschauliches Bild, bis ein grollendes Untier sich aus dem Wasser erhob, begleitet von einem Beben und fürchterlichem Krach.
Svenja schreckte aus dem Traum auf, grelles Licht und Nebelschwaden umgaben sie, reaktionsschnell hatte sie das Messer in der Hand, welches unter dem Kissen lag. Da traf sie ein Schlag mit voller Wucht, der sie lähmte. Durch die brennenden und tränenden Augen nahm sie eine schwarze Maske unter Plexiglas wahr, aus der sich nur hart blickende Augen hervorhoben. Noch konnte sie keinen klaren Gedanken fassen, wähnte sich in einem Albtraum, als sie aus dem Bett gerissen und zu Boden gedrückt wurde. Kühles Metall von Handschellen fixierten ihre Arme auf dem Rücken. Der Tobsuchtsanfall, in den sie verfiel, nutzte ihr nichts, sie war ein Spielball in den nicht zimperlichen Händen der vermummten Gestalten, ihnen wehrlos ausgeliefert. Da ihr Widerstand anhielt, sie sich nicht beruhigen und weder stehen noch gehen wollte, schleifte man sie erst und trug sie dann unter den Achselhöhlen gepackt die Treppe herunter.
Die Zelle im Kastenwagen war eng und kalt, nur eine schwache Notleuchte warf ein schummriges Licht durch das Gitternetz auf sie. Es dämmerte ihr, dass der gegenwärtige Horror die Wirklichkeit war, es kein Erwachen aus diesem Albtraum gab. Wie ein Häufchen Elend, einzig mit dem Nachthemd bekleidet, krümmte sie sich zusammen, die Knie an den Leib angezogen, das Gesicht darauf pressend. Die Fötusse aus dem Albtraum vor sechs Jahren kamen ihr in den Sinn, sie war nun eines von jenen, dem schrecklichen Geschehen wehrlos ausgeliefert.

 

Ergänzender Kommentar

Mit diesem Text erfülle ich meine Zusage an jene Kritiker, die forderten, dass ich auch mal eine „harte“ Geschichte in dieser Rubrik einbringen sollte. Um dies in einer mir tragbaren Form umsetzen zu können, griff ich auf tatsächliches Geschehen zurück, das sich in den Neunziger Jahren ereignete.
Das Denken und Fühlen der Prota., als Auslöser des Handelns, habe ich rein fiktiv auf diese Geschichte zugeschnitten und komprimiert. Es entsprach so nicht wirklich der real existierenden Person. Zudem änderte ich die Personennamen. Die Bestialität der Ausführungen, sowie die Orte der Geschehen, entsprechen hingegen weitgehend den Tatsachen.
Die heute 39jährige Frau, deren seelischen Lebensausschnitt ich hier stark verändert abhandelte, ist seit ihrer Verurteilung im Jahre 2001 in einer Frauenstrafanstalt verwahrt. Da sie von den einweisenden Behörden als gemeingefährlich sowie aufgrund psychiatrischer Gutachten als nicht therapiebar eingeschätzt wurde, musste sie bis im vergangenen Jahr völlig isoliert von andern Gefangenen, einzig mit ihrem Kater «Zeus» an der Seite, ihr Dasein fristen. Diese Vollzugsmassnahmen wurden im vergangenen Jahr gelockert, da es nicht konform mit dem «Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe» ist.

 

Keine Bange,

lieber Anakreon,

ich hab mich nicht verirrt, steckte gestern schon im Horror, als Du diese Geschichte eingestellt hast, nur hatt’ ich da schon den größten Teil der selbstauferlegten zeitlichen Begrenzung von durchschnittl. einer Stunde/Tag im Internet bereits hinter mir, dass nicht einmal ein schlichtes Lektorat möglich gewesen wäre. Also folgt’s heute als erstes und es sind überwiegend fehlende Kommas (in der Reihenfolge ihres Auftritts und i. d. R. kommentarlos):

… , waren die Leute[,] denen sie begegnete[,] bemerkenswert zuvorkommend, …

Es war für sie nun einfacher[,]nach dem Schlüssel zu suchen.

Obwohl am späten Vormittag ein Kommen und Gehen im mehrstöckigen und komplexen Gebäude war, gelang es ihr[,] unbemerkt das Parkhaus Urania am oberen Ausgang zu verlassen.

Schleichend[,] wie ein Dämon[,] trat die Angst auf, sie könnte erwischt werden, der hässliche Widerpart[,] mit dem sie immer zu kämpfen hatte

Man kannte[,] aber mied sie, da …

Das Verlangen[,] wieder einmal bei einem Menschen zuzustechen, seinen Schmerz zu spüren, …

Niemand[,] der an diesem düsteren Vormittag hier lauschige Ruhe suchte.

…, die Gewissheit[,] mit der Frau allein zu sein, schaltete …

Es musste von der Strasse her kommen, gedämpft[,] aber unüberhörbar.

Sie vermeinte[,] die Blicke der Passanten zu fühlen,

Der Bericht war nüchtern[,] aber schonungslos gehalten, …

…, man war der Meinung[,]der Täter habe nicht unbemerkt entkommen können.

Es blieb ihr nur[,] in der kleinen Wohnung herumzutigern, …
Was es auch schon in Sachen Zeichensetzung gewesen sein soll (ich kann ja auch was übersehn oder mich irren).

Nunja, ich weiß, Du bist nicht dafür verantwortlich, was und wie andere denken, aber hier könnte doch ein sicherlich nicht ungeliebtes Partizip angesagt sein

Die Nutte hatte wohl einem reichen Mann das Kind unter[ge]jubelt, um sich künftig ein sorgenfreies Leben zu machen, so wie die aussah.
An einer Stelle fürchtete ich, dass die mit Liebe von Dir gepflegte Tradition der Partizpienreiterei beginnen könne, aber nix da – was ließe sich gegen eine gelegentliche Pärchenbildung unter Partizipien sagen (wenn doch selbst unter Konservativen gar bald hierzulande homophile Paare „steuerlich“ in den Genuss des Familiensplitting kommen werden – wenn’s nicht nur auf Hinblick 2013 ein vorgezogener Wahlkampf ist)
…, Svenja in einem Strudel lustvoller Empfindungen stürzend, bis sie zitternd und keuchend erwachte,
kann so wenig bemäkelt werden wie
Dazu noch einen dicken Bauch vorweisend, wie ausposaunend, …
dass wir uns auf einen Fall in Sachen Modus nähern können
Diese selig grinsende Fratze, als ob sie alles Glück dieser Erde besitzt.
Besser Konjunktiv I, „als ob sie besitze …“ oder noch besser (was ja gleich im Text folgt) Konjunktiv II, worauf nur noch zwo bescheidene Anfragen folgen mögen:
Die hatten ohnehin meist nur noch wenig Bargeld auf sich.
„Auf“?, in dem Fall. Vielleicht mundartlich wie auch minim z. B. weiter oben?, & wie ich meine, eine gefährliche Stelle
… lag friedlich da, kein kräuseln des Wassers durch einen Windhauch,
könnte als „kräuselndes“ Wasser gelesen werden. Darum besser „kein Kräuseln des Wassers“

Ansonsten kann ich mir nur noch eines nicht verkneifen

«Also wir liefern das Brautkleid übermorgen an ihre Adresse.»
Hört man bei Dienstleistern nicht doch weniger Freundlich-, denn Höflichkeit, dass man meinen könnte, Anredepronomen würden auch "groß" gesprochen?, dem aber das wirklich schräge und Distanz wahrende der Geschichte folgt, trotz der Beteuerung im Anhang, wie ich finde: Das ist so schräg, dass man sich unwillkürlich fragen muss, müssen Engel immer männlich sein, wie es die Angelogie behauptet (nenne mir einer einen weiblichen Engel!, ein weites Feld zur Quotenregelung für den Homo politicus). Da isser, der weibliche Engel
Stephanie Engelin
Oder auch nur politisch korrekt: der Engel, aber die Engelin, und dann noch die Bekränzte, wenn Stefan denn nix anderes als der Bekränzte bedeutet. Hinzu gesellt sich ein
Kurzform des Nikolaus, mit Nike = Sieg(esgöttin) und Laos = Volk, was den Griechen heutigentags sicherlich Mut machen wird, dass sie’s Klappmesser unberührt lassen können.

Spitze ist die Verknüpfung des größten und wahrscheinlich auch nach seinem Großvater, dem Hammer (Gottes) gewalttätigsten Pippiniden mit der Caritas

Im „Karl dem Grossen“, einem Restaurant des karitativen Frauenvereins, setzte Svenja sich an einen Tisch,
was mich – wie nebenbei – die Täterin (Sven = nordisch suain nicht etwa, wie man von der Lautmalerei her ein Schwein vermuten kann, sondern „Jüngling“, Svenja also die Jungfer) irgendwie in Richtung Hebamme abdrängen will, die zugleich Engelmacherin wäre.

Gern gelesen vom

Friedel,
der zeitlebens große Distanz zum Horror haben wird und eher mit heiligem Unernst an das Genre herangeht. Wie sollte das Leben lebenswert sein, wenn's nix zu lachen gäbe?

 

Wo Bangen ist, ist Hoffnung. Wenn dies kein grosser Dichter formulierte, dann muss es auf meinem Mist gewachsen sein,

lieber Friedel,

so las ich denn mit wachsender Spannung deine Worte.

ich hab mich nicht verirrt, steckte gestern schon im Horror, als Du diese Geschichte eingestellt hast,

Hier machte ich kurz grosse Augen, zu früher Morgenstunde – es war 01:50 MEZ – tummeltest du dich im Internetkaffee? Doch mit geschärftem Blick und wachem Verstand, wie dein Lektorat mir zeigt, und mich auf komatöse Unterlassungssünden hinweist. Über einige, raufte ich mir die spärlicher werdenden Haare.

An einer Stelle fürchtete ich, dass die mit Liebe von Dir gepflegte Tradition der Partizpienreiterei beginnen könne, aber nix da – was ließe sich gegen eine gelegentliche Pärchenbildung unter Partizipien sagen

In einem separaten Akt hatte ich den Text nochmals auf meine Vorlieben durchgeschaut, dass die Paarbildung sich nicht zu überschwänglich ausbreite. Das Familiensplitting hatte ich da nicht mal im Auge, ebenso wenig das Adoptionsrecht, welches diesbezüglich die Politlandschaft bei uns sachte bewegt. Doch bedingt ja schon die dezimierende Natur, dass Auswüchse sich in Grenzen halten, also war mein Wille, dem nicht zu sehr zu widerhandeln.

Hört man bei Dienstleistern nicht doch weniger Freundlich-, denn Höflichkeit, dass man meinen könnte, Anredepronomen würden auch "groß" gesprochen?

Peinlich, dies könnte mir eine Verleumdungsklage einbringen! Die Geschäftsinhaber und ihre Adlaten an einer der „teuersten Meilen der Welt“ sind sprachlich sehr distinguiert, ein solcher Lapsus würde denen nie unterlaufen, weshalb ich es schleunigst änderte.

Das ist so schräg, dass man sich unwillkürlich fragen muss, müssen Engel immer männlich sein, wie es die Angelogie behauptet (nenne mir einer einen weiblichen Engel!, ein weites Feld zur Quotenregelung für den Homo politicus). Da isser, der weibliche Engel

Ich wage es kaum einzugestehen, die Engelin war wirklich eine Frau von erlesener Liebenswürdigkeit und mit dem Charme eines Engels ausgestattet. Nicht diese Stephanie in der Geschichte, die kannte ich nicht persönlich. Aber jene, die mir mit ihrem Namen Inspiration für die Benennung der Figur hier gab. Ich weiss, es ist eine sonderliche Angewohnheit, mich an Begegnungen zu erinnern und dann zuweilen mit der Namensverwendung denen eine Reverenz zu erweisen.

Spitze ist die Verknüpfung des größten und wahrscheinlich auch nach seinem Großvater, dem Hammer (Gottes) gewalttätigsten Pippiniden mit der Caritas

Da kam mir die historische Wirklichkeit zu Hilfe, da das Haus schon vor der karitativen Ausrichtung diesen Namen hatte. Doch bin ich froh, dass du diesen Namen und nicht den des Katers ansprachst, sonst wäre ich noch in Erklärungsnotstand geraten.

was mich – wie nebenbei – die Täterin (Sven = nordisch suain nicht etwa, wie man von der Lautmalerei her ein Schwein vermuten kann, sondern „Jüngling“, Svenja also die Jungfer) irgendwie in Richtung Hebamme abdrängen will, die zugleich Engelmacherin wäre.

Die phonetische Assoziation zu Svenja war mir auch durch den Kopf gegangen und liess mich zögern. Ich wählte diesen Namen dennoch, da er ganz anders als ihr wirklicher Vorname klingt, der mir für diesen Text zu sanft erschien. Letztlich rundet deine tiefere Interpretation der Namensgebung, diesen nun gar passend ab.

Gern gelesen vom

Dies freut mich sehr, da du zudem über deinen Schatten in diese Rubrik springen musstest.

Wie sollte das Leben lebenswert sein, wenn's nix zu lachen gäbe?

Jetzt hatte ich mich doch redlich bemüht ein verbales Augenzwinkern, als Merkmal meiner Geschichten, dieses eine Mal zu unterlassen. Der Ernst der Sache bedingte dies, doch ganz ohne Markierung gelang es mir anscheinend nicht, Zeus sei mein Zeuge.

Ich danke dir herzlich für dein Lektorat, deine Auseinandersetzung mit der argen Geschichte und deine Kommentare, deren humorvolle Assoziationen mich zum Schmunzeln anregten.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anakreon

Von mir gibt’s heute hauptsächlich stilistisches.

Obwohl im sechsten Monat schwanger, hatte Stephanie Engelin sich für Weiss entschieden. Das Kleid kaschierte die Bauchwölbung geschickt.
Klingt irgendwie komisch. Im ersten Satz meint man herauszulesen, dass weiße Kleider für Schwangere ungeeignet sind, weil … -und jetzt liest man im zweiten Satz- die Farbe weiß schlank macht. - Ja, aber, das ist doch gut, oder nicht?

Sie dachte an Claus, dessen Rückkehr aus Boston auf morgen angesetzt war, wo er beruflich während sechs Monaten ein wichtiges Projekt begleitete.
Allgemeinplatz, entweder wirst Du genauer oder Du streichst den Nebensatz. So wie er dasteht bringt er die Geschichte nicht wirklich weiter und der Leser wird davon auch nicht gerade gefesselt.

Die Schwangerschaft war nicht geplant, eher einer Unachtsamkeit zuzuschreiben, doch sie freuten sich beide auf das Kind. Es gab den Ausschlag, ihrer Beziehung endlich einen familiären Rahmen zu verleihen.
Das sind auch so Sätze die man als Leser überfliegt und gleich wieder vergisst. Außerdem hast Du eine unnötige Redundanz drin – eine von der Sorte „Lösch-mich“. Gemeint ist der Nebensatz: „eher einer Unachtsamkeit zuzuschreiben“. Eine ungeplante Schwangerschaft ist doch zwangsläufig einer Unachtsamkeit geschuldet, oder nicht?
Ich würde ja so was von der Art bevorzugen:
In elf Wochen würde ihr Baby Sam geboren werden. Sie nannte es jetzt schon beim Namen, den egal ob Junge oder Mädchen, Sam oder im Zweifelsfall Samantha würde immer passen. Claus hingegen nannte es Unfall.

Familiengründung Formen annahm
Klingt furchtbar - sorry! Ich berufe mich jetzt einfach mal frech auf den Styleguide, der da sagt: Wörter die auf „ung“ enden sind grausig. Na ja und „Formen annehmen“ ist auch nicht wirklich spritzig. Geistig habe ich da das Bild von einem Batzen Teig, der in einer Schüssel aufgeht, weil die Hefe gärt – das Bild finde ich jetzt weniger geeignet um den Leser zum Weiterlesen zu animieren.


erste Babywäsche und noch ein paar hübsche Dinge
Sorry, wenn ich jetzt darauf herum reite. Aber mit Babywäsche und hübschen Dinge hast Du wieder zwei Allgemeinplätze ins Spiel gebracht. Entweder Du sagst was genau sie gekauft hat, oder Du lässt es bleiben. So aber bringst Du nur unnötige Sätze ins Spiel, die dem Leser nichts bringen.


Es war für sie nun einfacher, nach dem Schlüssel zu suchen.
Die am Halsansatz eindringende Stahlklinge verhinderte, dass sie noch einen Laut von sich geben konnte.

Genug gemeckert, das hier fand ich gut.

An sich nichts Ungewöhnliches, die innere Unruhe war immer präsent, doch diesmal waren es ungeboren sterbende und tote Kinder, die sie heimsuchten. Mit blutverschmierten Körpern bedrängten diese sie schemenhaft, wie von schleimigen Schwaden umhüllt

Das wieder fand ich schlecht. Beim ersten Satz wusste ich nicht, was Du genau meinst. Bezieht sich „ungeboren“ auf die sterbenden Kinder oder auf sterbende und tote Kinder? Ich würde es so formulieren: ungeborene Kinder, die starben oder tot waren.
Der zweite Satz leidet an zu vielen Adjektiven. „Blutverschmiert“ klingt abgedroschen. Außerdem wie kann man jemanden schemenhaft bedrängen? Der Nebensatz finde ich nur bedingt hilfreich, vor allem weil „Schwaden“ etwas mit Rauch und Luft zu tun haben und schleimig –auch so ein abgedroschenes Wort- in diesem Zusammenhang nicht so recht passen will.

Sei dankbar, dass es dir erspart blieb, in diese verfluchte Welt zu kommen. Lass mich also gefälligst in Ruhe.
Diesen Satz habe ich als Gedanken interpretiert. Wenn das stimmt, dann würde ich dem Satz eine eigene Zeile gönnen. Und noch eine Kleinigkeit: Gedanken sollten aus kurzen Sätzen bestehen. Ich weiß ja nicht, wie das bei anderen ist, aber wenn ich nicht gerade schreibe, dann denke ich normalerweise nicht in Nebensätzen.

intensiv gehegtes Lustgefühl
Warum dieses „gehegte“? Kann man das nicht einfach weglassen? Wird der Satz dann nicht klarer? Und warum „Lustgefühl“ und nicht einfach „Lust“?
Hm, je länger ich über den Satz nachdenke umso undurchsichtiger wird er. Auch die nachfolgenden Sätze finde ich schwierig.
Das hier: „gebündelte Wut, unbändiger Hass“ – widerspricht sich das nicht?

An der Stelle höre ich vorerst auf. Gelesen habe ich bis hierhin:

Diese Vorstellung war ihr ein Horror.

An sich ist die Geschichte schon interessant, auch wenn Täter und Motiv schon sehr früh in die Geschichte kommen. Später, wenn ich mehr Zeit habe, werde ich die Geschichte vielleicht zu Ende lesen und noch mal was dazu schreiben. Im Moment jedoch erstmal nur soviel: Für die Länge der Geschichte finde ich die Geschichte zu träge erzählt. Sprachlich würde ich Vieles straffen und unklare Bilder wie störende Redundanzen streichen – zumindest bei mir ist dadurch sehr viel Spannung verloren gegangen.


Viele Grüße

Mothman

 

Hallo Mothman

Klingt irgendwie komisch. Im ersten Satz meint man herauszulesen, dass weiße Kleider für Schwangere ungeeignet sind, weil … -und jetzt liest man im zweiten Satz- die Farbe weiß schlank macht. - Ja, aber, das ist doch gut, oder nicht?

Was hierbei zum Tragen kommt, sind latent religiöse Gefühle, die trotz einer säkularisierten Gesellschaft noch immer in den Köpfen vieler stecken. Weiss wird als Farbe der Unschuld zugewiesen. Noch vor wenigen Jahrzehnten war es völlig undenkbar, dass eine Frau die schwanger ist, es wagen würde in Weiss zu heiraten. Da bot sich etwa hellblau an, was stigmatisierend verstanden werden konnte. Das Kaschierende, etwa durch ein überhängendes Cape, ist auch unter diesem Vorzeichen zu verstehen und nicht als Schlankmacher.

Allgemeinplatz, entweder wirst Du genauer oder Du streichst den Nebensatz. So wie er dasteht bringt er die Geschichte nicht wirklich weiter und der Leser wird davon auch nicht gerade gefesselt.

Stimmt schon, dass es für die Geschichte nicht weiter von Bedeutung ist. Dennoch, es erklärt in Kurzform, warum sie nicht früher heirateten. Ohne diese Information träte mir als Leser eine Frage auf, die unbeantwortet bleibt und zu deren Lösung ein Hinweis fehlt.

Das sind auch so Sätze die man als Leser überfliegt und gleich wieder vergisst. Außerdem hast Du eine unnötige Redundanz drin – eine von der Sorte „Lösch-mich“. …
Ich würde ja so was von der Art bevorzugen:
In elf Wochen würde ihr Baby Sam geboren werden. Sie nannte es jetzt schon beim Namen, den egal ob Junge oder Mädchen, Sam oder im Zweifelsfall Samantha würde immer passen. Claus hingegen nannte es Unfall.

Du würdest da eine gefühlsbetonte Aussage von ihr bevorzugen. Dies ist mir verständlich, es erzeugte der Figur einen intensiveren Lebensausdruck. Der Part von Stephanie ist jedoch gewollt nur kurz gehalten, bedingte aber einige Informationen, die das schreckliche ihrer Opferrolle noch untermalte.

Klingt furchtbar - sorry! Ich berufe mich jetzt einfach mal frech auf den Styleguide, der da sagt: Wörter die auf „ung“ enden sind grausig. Na ja und „Formen annehmen“ ist auch nicht wirklich spritzig. Geistig habe ich da das Bild von einem Batzen Teig, der in einer Schüssel aufgeht, weil die Hefe gärt – das Bild finde ich jetzt weniger geeignet um den Leser zum Weiterlesen zu animieren.

Zugegeben, dass die Familiengründung Formen annimmt, ist etwas gesucht formuliert. Doch mir lag daran, die Denkweise von Stephanie, deutlich von jener von Svenja abheben zu lassen. Es sind andere Sprachstrukturen, die die beiden verwenden, da sie verschiedenen sozialen Kreisen entstammen. Natürlich könnte man etwa bei Worten wie Achtung auch Vorsicht sagen, um einem Vordenker folgend sich Absolution zu erteilen. Ich befürworte durchaus die Regeln einer gepflegten Sprache, aber, ich nehme sie nicht als Diktat, sondern lasse mich inspirieren und entscheide von Fall zu Fall, was dem näher kommt, das ich ausdrücken möchte.
Ich werde mir da aber noch Gedanken machen, ob ich da eine elegantere Wendung finde.

Aber mit Babywäsche und hübschen Dinge hast Du wieder zwei Allgemeinplätze ins Spiel gebracht. Entweder Du sagst was genau sie gekauft hat, oder Du lässt es bleiben.

Natürlich bedingt eine Kurzgeschichte eine weitgehende Vermeidung von Allgemeinplätzen. Doch wenn ich von Höschen oder Lätzchen schreibe, kann ich nicht glauben, dass es die Leser mehr fasziniert. Mit Babywäsche sind ihre Gefühle angetönt, die sie beim Einkaufsbummel bewegten. Es hätte wegbleiben können, doch mir als mein eigener Leser hätte da etwas gefehlt, das die tragische Note ihres jähen Endes noch auszeichnet. Ihr Auftritt wäre mir abgehackt vorgekommen, er ist schon kurz, aber dann wäre sie zur Statistin verkommen. Insofern widerspreche ich da jenen Autoren und Kritikern, die eine knappe Sprache ohne Ausschmückungen sakrosankt preisen.

Genug gemeckert, das hier fand ich gut.

Für diese Stelle war ich auf Kritik gefasst. Der abrupte Bruch mit der heilen Welt, der übergangslos bestialische Akt, stellte ich mir für manche Leser als einen Schock vor. Da freut es mich natürlich sehr, dass dieser Teil deinen Zuspruch findet.

Beim ersten Satz wusste ich nicht, was Du genau meinst. Bezieht sich „ungeboren“ auf die sterbenden Kinder oder auf sterbende und tote Kinder? Ich würde es so formulieren: ungeborene Kinder, die starben oder tot waren.

Diesen Satz hatte ich mehrfach gewendet und gekehrt, auch in die Version, die du nennst. Ich werde ihn nun doch nochmals umstülpen, ganz glücklich bin ich damit aber noch nicht. Vielleicht fällt mir ja noch die perfekte Formulierung ein.

Der zweite Satz leidet an zu vielen Adjektiven. „Blutverschmiert“ klingt abgedroschen. Außerdem wie kann man jemanden schemenhaft bedrängen? Der Nebensatz finde ich nur bedingt hilfreich, vor allem weil „Schwaden“ etwas mit Rauch und Luft zu tun haben und schleimig –auch so ein abgedroschenes Wort- in diesem Zusammenhang nicht so recht passen will.

Das Bild, das ich da zeichnete, ist an sich surreal und kann nur als fantastischer Traum bestehen. Doch hier geht es auch um nichts anderes, Svenja erlebt es in einer Vision, die der Wirklichkeit nicht sehr nahe stehen muss. In Unkenntnis der exakten biologischen Gegebenheiten eröffnet es sich ihr so. Auch wenn manche Ausdrücke in Horrorszenarien sicher schon öfters auftraten, empfinde ich sie nicht abgenutzt, da sie hier eben genau diese Erscheinung widerspiegeln.

Diesen Satz habe ich als Gedanken interpretiert. Wenn das stimmt, dann würde ich dem Satz eine eigene Zeile gönnen. Und noch eine Kleinigkeit: Gedanken sollten aus kurzen Sätzen bestehen. Ich weiß ja nicht, wie das bei anderen ist, aber wenn ich nicht gerade schreibe, dann denke ich normalerweise nicht in Nebensätzen.

Es sind Svenjas Gedanken, die da einfliessen, darum die Kursivschreibung. An sich hatte ich es als nahtlos zum Vorgehenden verstanden, aber es stimmt schon, sie treten in der Wachphase auf, eine Zeilenschaltung ist da angezeigt.
Interessant fand ich deine Bemerkung, dass Gedanken kurz und ohne Nebensätze aufträten. An eine solche Theorie kann ich mich nicht erinnern, denkbar wäre mir aber, dass es jemand mal im Zusammenhang mit literarischen Texten formulierte, um die Aussagen prägnant aufscheinen zu lassen. Es wäre also mehr ein Stilmittel.
Dein Rückschluss auf eigene Erfahrung dürfte darauf basieren, dass du auf bewusste (kontrollierte) Gedanken abstellst, was allerdings, nur ein kleiner Teil der Denkvorgänge ist. Mir selbst wäre es nicht vorstellbar, dass ich in Gedanken nur kurze Sätze bildete, vielmehr mischen sie sich mir mit Verflochtenen, desto intensiver diese Verarbeitung läuft.
Grob gesehen kann man automatisches und kontrolliertes Denken differenzieren. Aber tatsächlich ist es ein äusserst umfangreiches Geschehen, auch wenn die Meinungen in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen auseinandergehen, je nach Schwerpunktuntersuchungen.

Warum dieses „gehegte“? Kann man das nicht einfach weglassen? Wird der Satz dann nicht klarer? Und warum „Lustgefühl“ und nicht einfach „Lust“?
Hm, je länger ich über den Satz nachdenke umso undurchsichtiger wird er.

Sicher könnte man hier einfach kurz und bündig von einer Lust schreiben, die sie bisher so nicht kannte. Mit der von mir gewählten Formulierung drücke ich aber mehr aus, die Vielseitigkeit welche Lustempfindung sein kann. Im Albtraum erfährt sie da etwas, dass sie im Wachzustand ablehnt. Dass es mit ihrem Einstechen auf den Körper einhergeht, dient als teilweisen Hinweis ihrer verdrängten Motivation. Insofern belegte ich es schon mit Sinn, wenn auch die Kürze etwas strapazierend.

An der Stelle höre ich vorerst auf. Gelesen habe ich bis hierhin:

Zitat:
Diese Vorstellung war ihr ein Horror.

Ich hoffe nur, dass ich dir mit dem Lesen des Textes keinen Horror bereitete. :D

An sich ist die Geschichte schon interessant, auch wenn Täter und Motiv schon sehr früh in die Geschichte kommen. …. Für die Länge der Geschichte finde ich die Geschichte zu träge erzählt. Sprachlich würde ich Vieles straffen und unklare Bilder wie störende Redundanzen streichen – zumindest bei mir ist dadurch sehr viel Spannung verloren gegangen.

Es war mir bei Fertigstellung klar, dass ich mit dieser Geschichte nicht alle Leser dieser Rubrik erfreuen werde. Wie ich erst beim Schreiben bemerkte, musste ich den Spannungsbogen teilweise zugunsten der Authentizität egalisieren, es galt auch Rücksichten zu nehmen, da es ja nicht frei aus der Luft gegriffen war. Insofern war es mir ein Experiment, das mir als Autor unerwartete Hürden als auch Erkenntnisse brachte. Wenn einige Leser daraus doch einen Gewinn ziehen konnten, hat es seinen Zweck erfüllt, ansonsten wäre es eine Fleissarbeit, die nur mir von Nutzen war.

Für deine Auseinandersetzung mit dem Text, deine kritische Kommentierung und nicht zuletzt das Lob, danke ich dir herzlich.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Lieber Anakreon!

Ein paar Nuancen härter als deine bisherigen Texte. Das macht sich vor allem bei den geschilderten Vorgängen bemerkbar. Eine schwangere Frau wird abgestochen, das ist schon heftig. Die Täterin zeigt keinerlei Reue, nur Befriedigung.
Interessant ist, dass die Täterin allein durch Angst vor Entdeckung in eine Phase vor dem ersten Mord zurückfällt und sich einige Jahre mit zündeln begnügt. Sind Strafen wirklich so abschreckend? Eine oft gestellte Frage, auf die es keine allgemeingültige Antwort gibt. Wie auch immer, letztendlich obsiegt bei Svenja der Drang nach umfassender Befriedigung und das Morden geht weiter.

Warum sie ergriffen wird, bleibt im Dunkel. Ist für die Story auch nicht wichtig, nur das Svenja weder Radio noch Fernseher besitzt, scheint mir etwas konstruiert.

Die Verhaftung ist übrigens grauenhaft, aber was soll’s, die Geschichte steht ja nicht unter „Krimi“. :D

Der Erzähler pflegt einen ruhigen Ton, was durchaus kein Grund zur Kritik ist. Ich meine aber, auch ohne Effekthascherei kann eine Geschichte packend geschrieben werden. Das ist hier weitgehendst gelungen. Ein negatives Beispiel meine ich hier zu erkennen:

Die am Halsansatz eindringende Stahlklinge verhinderte, dass sie noch einen Laut von sich geben konnte. Sie begriff noch nicht recht, was geschehen war, als ihr die unbekannte Frau bereits mit mehreren heftigen Stössen das Messer in den gewölbten Bauch rammte. Der auftretende Schmerz und der Schock blockierten ihr Denken. Als für einen Sekundenbruchteil ein entsetzter Gedanke an das Kind durchdrang, verlor sie das Bewusstsein.

Irgendwo habe ich letztens gelesen, ein „als“ an der richtigen Stelle, könne einen Mikro-Spannungsbogen auslösen.
Sie begriff noch nicht recht, was geschehen war, als ihr die unbekannte Frau bereits mit mehreren heftigen Stössen das Messer in den gewölbten Bauch rammte.
Hier vermittelt das „als“ (allein durch seine Position!) keine Spannung.

„Sie begriff noch nicht recht, was geschehen war,“ ist eine etwas abstrakte Aussage, die dann mit dem Zusatz „als ihr die unbekannte Frau bereits mit mehreren heftigen Stössen das Messer in den gewölbten Bauch rammte“ nicht einmal verdinglicht wird. Es besteht kein direkter Zusammenhang zwischen dem Nichtbegreifen der vorherigen Handlung (Messer in den Hals) und der weiteren Handlung (Messer in den Bauch).

Ich gehe jetzt noch einen kleinen Schritt zurück im Text.
Die am Halsansatz eindringende Stahlklinge verhinderte, dass sie noch einen Laut von sich geben konnte
„Bewirkte“ fände ich stärker als „verhinderte“. Es ermöglicht auch zu schreiben: „dass sie keinen Laut von sich geben konnte.“ Das ist unmittelbarer als „(nicht) noch einen Laut“.
Was dann? Sicherlich erfährt sie in der Sekunde einen heftigen Schrecken. Sie weiß nicht, wie ihr geschieht. Wie sieht das aus? Du vertiefst es zu spät: „Der auftretende Schmerz und der Schock blockierten ihr Denken.“ Dadurch erhält die Szene keine Dynamik. Sie wirkt statisch. Die Frau leidet nicht, sie lässt sich, mit dem dumpfen Gemüt einer Kuh, abstechen.

Am Ende der kleinen Szene:
Als für einen Sekundenbruchteil ein entsetzter Gedanke an das Kind durchdrang, verlor sie das Bewusstsein.
Okay, das „als“ befindet sich an der richtigen Stelle, nämlich am Anfang.
Aber irgendwie schlägt es keine Funken. Der Gedanke an ihr Kind, und dieser ist doch der Hammer in diesem Satz, wird hier (wieder) nicht in den richtigen Zusammenhang gebracht. Der Gedanke an ihr Kind hat nix mit dem Verlieren des Bewusstseins zu tun und umgekehrt. Es sind vielmehr die Messerstiche in den Bauch, die sie an ihr Kind denken lassen.

Ich würde den Absatz etwa so sortieren:
Die am Halsansatz eindringende Stahlklinge bewirkte, dass Stephanie keinen Laut von sich geben konnte. Schmerz und Schock blockierten ihr Denken. Als ihr die Frau mit heftigen Stössen das Messer in den gewölbten Bauch rammte, begriff Stephanie was geschah und ein entsetzlicher Gedanke an ihr Kind durchdrang sie. Dann verlor sie das Bewusstsein.

Mal abgesehen davon, dass dieser Vorschlag entholpert werden müsste, sind einige Änderungen erkennbar. Aus dem langweiligen Nichtbegreifen ist das intensivere Begreifen geworden; das Opfer ist namentlich erwähnt; der Gedanke ist nicht entsetzt (wie könnte er das auch sein), sondern entsetzlich; einige Füllwörter sind raus; auch sind umständliche Formulierungen ausgelassen, wie: der auftretende (tadaa!) Schmerz usw.; die Zusammenhänge stehen nun auch beieinander: die erste Attacke und Stephanies Schock; Messer in den Bauch bekommen und der Gedanke an ihr (nicht das!) Kind.


Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Anakreon

Ich hoffe nur, dass ich dir mit dem Lesen des Textes keinen Horror bereitete.
Nö. Sorry, falls das bei Dir blöd ankam. Ich musste eben auch schon einen anderen Kommentar von mir entschärfen („Tiefe Wasser“ von Schwups) – soll mir eine Lehre sein. In Zukunft bin ich vorsichtiger damit an einem Freitagabend, nach einer stressigen Bürowoche, noch mal einen Kommentar zu schreiben; Da läuft man einfach nicht mehr ganz rund.
Es war mir bei Fertigstellung klar, dass ich mit dieser Geschichte nicht alle Leser dieser Rubrik erfreuen werde. Wie ich erst beim Schreiben bemerkte, musste ich den Spannungsbogen teilweise zugunsten der Authentizität egalisieren, es galt auch Rücksichten zu nehmen, da es ja nicht frei aus der Luft gegriffen war. Insofern war es mir ein Experiment, das mir als Autor unerwartete Hürden als auch Erkenntnisse brachte. Wenn einige Leser daraus doch einen Gewinn ziehen konnten, hat es seinen Zweck erfüllt, ansonsten wäre es eine Fleissarbeit, die nur mir von Nutzen war.

Das mit der Rücksichtnahme kann ich verstehen, aber ich finde man merkt der Geschichte ihre Fesseln an. Das oder Du als Autor hattest selbst keinen Spaß daran die Geschichte zu schreiben. Ich kann das jetzt leider nicht an einem Beispiel festmachen und vielleicht sind das auch rein subjektive Eindrücke. Mir jedenfalls fehlt einfach dieses bestimmte Etwas.

Schöne Grüße zurück

Mothman

 

Lieber Asterix

Ein paar Nuancen härter als deine bisherigen Texte. Das macht sich vor allem bei den geschilderten Vorgängen bemerkbar.

Das beruhigt mich, dass es gelang mich der Zielsetzung etwas anzunähern, bis ich an mein Limit kam. Normalerweise hätte ich diese wahren Geschehnisse nie zu einer Geschichte verarbeitet. Klar, es sind vor allem die beiden Taten, die den Schauder ausmachen, der Grund auch, weshalb ich sie aufrollte, da es mir weniger liegt, derart blutrünstige Szenen auszudenken.

Interessant ist, dass die Täterin allein durch Angst vor Entdeckung in eine Phase vor dem ersten Mord zurückfällt und sich einige Jahre mit zündeln begnügt. Sind Strafen wirklich so abschreckend? Eine oft gestellte Frage, auf die es keine allgemeingültige Antwort gibt.

Die Gründe, welche die reale Person bewogen hatten, zwischen ihren massivsten Taten sechs Jahre verstreichen zu lassen, können nur fragmentarisch erahnt werden, da sie ihr Innenleben einkapselte. Dass sie ein Jahrzehnt Isolationshaft durchstand, weist darauf hin, wie stark ihre Persönlichkeit dennoch sein muss. Sie äusserte dazu zwar, sie werde diesbezüglich zerstört. Für die Geschichte habe ich aber die Angst auf die Phase zwischen den Taten komprimiert. In Wirklichkeit dürften für die Bluttaten aber noch situativ auftretende Kontrollverluste im Spiel gewesen sein.

nur das Svenja weder Radio noch Fernseher besitzt, scheint mir etwas konstruiert.

Die Zuspitzung ihrer Situation, wie ich es durch das Fehlen solcher Apparate darstellte, ist nicht so ausgefallen, wie es heute erscheinen mag, es gab da schon Leute, die nicht unbedingt über solche verfügten. Ich habe dies jetzt aber gelöscht und die Passage etwas angepasst, da es eigentlich unwesentlich ist.

Die Verhaftung ist übrigens grauenhaft, aber was soll’s, die Geschichte steht ja nicht unter „Krimi“.

Ich dachte daran, als ich dies abfasste, dass dir als eingefleischter Kriminologe die Haare zu Berg stehen werden. Hier ging es mir um die Dramatisierung der Szene. In Wirklichkeit war für ihre Verhaftung sicher nicht eine derart ausgestattete Sondereinheit vonnöten und schon gar nicht mit einer solchen Vehemenz.
Da ich - abgesehen von der Einleitung - die ganze Geschichte aus ihrer Perspektive aufrollte, erschien es mir angezeigt den Ausklang mit ihrer psychische Verfassung und etwas überspitzter Handlung zu untermalen, um dem Genre Rechnung zu tragen.

Der Erzähler pflegt einen ruhigen Ton, was durchaus kein Grund zur Kritik ist. Ich meine aber, auch ohne Effekthascherei kann eine Geschichte packend geschrieben werden. Das ist hier weitgehendst gelungen.

Das freut mich sehr. Da ich selbst noch zu tief mit den Inhalten verstrickt bin, werde ich es erst auf zeitlicher Distanz objektiv-kritisch neu betrachten können. Bei diesem Text insbesondere, da er mir nicht wie üblich unbefangen zufloss, sondern ich ihn konstruieren und auf die vorgegebenen tatsächlichen Eckdaten füllen musste.

Ein negatives Beispiel meine ich hier zu erkennen:

Die am Halsansatz eindringende Stahlklinge verhinderte, dass sie noch einen Laut von sich geben konnte. Sie begriff noch nicht recht, was geschehen war, als ihr die unbekannte Frau bereits mit mehreren heftigen Stössen das Messer in den gewölbten Bauch rammte. …

Du hast diese Szene auf die logischen Zusammenhänge und den Spannungsmoment für den Leser sehr genau analysiert. Mir war klar, dass das mit dem „Begreifen“ abstrakt war, doch wollte mir partout die richtige Wendung nicht einfallen.

Die Frau leidet nicht, sie lässt sich, mit dem dumpfen Gemüt einer Kuh, abstechen.

In gewisser Weise wollte ich dies wohl ausdrücken, doch es ist eindeutig falsch. Deine Worte erinnerten mich daran, als ich einmal mit ansah, wie Schweine auf die Schlachtbank geführt wurden. Ihre Panik war nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören. Ihre Empfindung signalisierte ihnen das Kommende und es war tragisch dies so zu erleben. Bei einem Menschen, der abgeschlachtet wird, dürften da mindestens ebenso starke Gefühlswallungen auftreten.

Ich habe diesen Passus nun weitgehend deinem Vorschlag entsprechend angepasst. Auch im übrigen Text bin ich noch über Kleinigkeiten gestolpert, die ich ausmerzte.

Kürzlich las ich von einem jungen Autor, der bedauerte, wenn ein Manuskript abgeliefert und druckreif sei, lasse sich nichts mehr ändern. Es ist wahrscheinlich so, dass man immer wieder neue Einfälle hätte, würde man ein Manuskript von Zeit zu Zeit durchsehen.

Ich danke dir herzlich für die Auseinandersetzung mit der Geschichte, deine analytischen und kritischen Anmerkungen, aber auch das Lob des weitgehendst gelungenen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Mothman

Ich hatte deinen Kommentar gesehen, als ich Asterix antwortete, doch fehlte mir die Zeit umgehend zu antworten, da ich noch einen Termin wahrnehmen musste. Hier bin ich nun kurz wieder.

Nö. Sorry, falls das bei Dir blöd ankam.

Blöd kam es bei mir keineswegs an, auch wenn ich einzelne Punkte differenzierte. Für den Autor ist es ja immer die Schwierigkeit, wie weitgehend oder knapp soll man etwas umschreiben, damit man sich mit dem Leser auf derselben Ebene trifft. Es bleiben dann noch immer andere unterschiedliche Einschätzungen. Als Kritiker ist man hingegen gefordert, die Augenhöhe zu wahren, um seine Bedenken konstruktiv zu vermitteln.

Das mit der Rücksichtnahme kann ich verstehen, aber ich finde man merkt der Geschichte ihre Fesseln an. Das oder Du als Autor hattest selbst keinen Spaß daran die Geschichte zu schreiben. Ich kann das jetzt leider nicht an einem Beispiel festmachen und vielleicht sind das auch rein subjektive Eindrücke. Mir jedenfalls fehlt einfach dieses bestimmte Etwas.

Du hast es schön formuliert mit den Fesseln. Vielleicht war es ungeschickt von mir, dieses Thema aufzugreifen und ich hätte länger nach einem rein fiktiven Stoff suchen müssen. Nur eben, ein unter die Haut fahrender Horror ist weniger mein Ding. Ich bewege mich lieber auf subtileren Ebenen.
Dass dir das bestimmte Etwas fehlt, ist mir schon vorstellbar, ein Leser stellt ja auch seine Erwartungen, die natürlich ohne Subjektivität nicht aufträten. Deshalb müssen sie nicht unberechtigt sein.

Ich danke dir für deinen nachmaligen Kommentar.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Moin Anakreon.

Eine durchaus interessante und gleichzeitig spannende Studie einer psychisch arg labilen Frau.
Zunächst wollte ich die fehlende Vorgeschichte bezüglich ihrer Intention bemängeln, aber nach einiger Zeit nahm ich ihr Verhalten einfach an.
Im letzen Drittel der Geschichte gehst du sehr tief in die Gefühlswelt der Protagonistin ein. Ich hoffte (besonders im Garten mit der alten Frau), dass sie sich irgendwie zum Guten wenden lässt, aber das hätte ich dir dann als unrealistisch angekreidet. Faszinierend die Kälte, die du herüberbringst.
Ich habe mir zwischendurch immer wieder etwas mehr Äußerlichkeiten gewünscht, um die Frau besser kennen- und verstehen zu lernen. Aber ich denke auch, dass gerade das Fehlen des äußeren Lebens das Grausame ausmacht.
Ist dir wirklich gut gelungen.

Eine Stelle möchte ich hier dann auch noch zitieren:

Es war für sie nun einfacher, nach dem Schlüssel zu suchen.
Die am Halsansatz eindringende Stahlklinge bewirkte, dass Stephanie keinen Laut von sich geben konnte
Dieser Sprung war für mich unendlich erschreckend. Du springst von einer harmlosen Situation ohne Vorwarnung in das Grauen! Ganz dickes Kompliment!

Fazit: Auch nicht explizit dargestelltes Grauen kann äußerst grauenvoll sein.

In dem Sinne:

Gruß! Salem

 

Hallo Anakreon

Bei dem Titel habe ich eine gänzlich andere Geschichte erwartet - würde mich interessieren, warum du "Die dargebotene Hand" als Titel gewählt hast, denn das ist ja der Name einer telefonischen Seelsorge in der Schweiz. Zufall oder Absicht?

Mit diesem Text erfülle ich meine Zusage an jene Kritiker, die forderten, dass ich auch mal eine „harte“ Geschichte in dieser Rubrik einbringen sollte. Um dies in einer mir tragbaren Form umsetzen zu können, griff ich auf tatsächliches Geschehen zurück, das sich in den Neunziger Jahren ereignete.

Interessant an der Geschichte finde ich, dass nicht die Gewalttaten im Vordergrund stehen. Klar, die Szene im Urania-Parkhaus und im Chinagarten sind explizit, wenn auch nicht allzu brutal (obwohl das immer Geschmackssache ist). Aber du konzentrierst dich ja auch auf das Innenleben deiner Figur, schilderst ihre Gedanken, ihre (Alb-)Träume. Zu diesen sagst du, sie seien rein fiktiv - mich würde interessieren, warum du hier eine Grenze ziehst, also realen Taten ein fiktives Motiv entgegensetzt. Ich nehme an, dass über die Psyche der "Parkhausmörderin" bestimmt auch einiges in Erfahrung zu bringen wäre - hast du in der Richtung recherchiert und dann entschieden, das nicht zu verarbeiten, oder ist da zu wenig drüber bekannt?

Die Idee ist auf jeden Fall spannend, auch, dass du reale Ereignisse als Basis nimmst. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich in dieser Rubrik eine solche Geschichte lese. Diesen Geschichten liegt immer eine ganz besondere Tragik zugrunde, weil man als Leser sich nicht zurücklehnen und denken kann, das hat sich einer nur ausgedacht - sondern weil halt irgendwann tatsächlich diese Mörderin einer schwangeren Frau in einem Parkhaus gegenübergestanden ist. Wenn man dann die beschriebenen Orte auch noch sehr gut kennt, bringt einen das schon zum Nachdenken, also ich lese eine solche Geschichte dann "mit anderen Augen". Ähnlich erging es mir bspw., als ich den Film "Der Hammermörder" gesehen habe, dessen Taten in meiner Heimat stattgefunden haben.

Nun gut, jetzt aber zu deiner Geschichte: Manche Dinge gefallen mir sehr gut, wie bspw. dass du auch die Psyche der Täterin beschreibst. Das finde ich interessanter als die Taten selbst - warum macht sie das? Ich finde, hier müsstest du noch tiefer gehen. Als Motiv beschreibst du mehrfach (vielleicht einmal zu oft), dass sie es als "Befriedigung" empfindet. Aber was ist die Ursache davon? Worauf geht das alles zurück? Hier ist viel Recherchearbeit gefragt, ich kann bspw. dieses Buch empfehlen, da erfährt man sehr viel darüber, wie diese Leute denken (weil sie es selbst erzählen).

Obwohl sich die Geschichte ganz auf die Mörderin konzentriert, habe ich als Leser nicht das Gefühl, sie wirklich zu kennen. Wenn du über sie schreibst, dann praktisch immer in Verbindung mit ihren Taten - entweder führt sie sie aus oder denkt darüber nach. Ich hätte es spannend gefunden, mehr über ihren Alltag zu erfahren. Zum Beispiel darüber, wie sie sich ihrer Familie / ihren Freunden gegenüber gibt. Ob sie einem Beruf nachgeht. Was sind ihre Hoffnungen, ihre Sorgen, ihre Ängste, abgesehen von ihren Bluttaten? Vermutlich wolltest du den Fokus der Geschichte nicht darauf legen, weil das dann zu sehr in Richtung "Täterprofil" geht, aber da du ja selbst damit beginnst, fände ich es einen konsequenten Schritt.

Auch kommt das Ende ziemlich abrupt. Lief die Verhaftung wirklich so ab? Falls ja, hättest du dir auch in diesem Fall zugunsten eines Spannungsbogens mehr Freiheit nehmen dürfen, finde ich. So hättest du möglicherweise schildern können, wie ihr die Polizei langsam auf die Schliche kommt - vielleicht zunächst in einer Vernehmung?

Sonstige Kommentare, die ich zum Text habe:

Sie dachte an Claus, dessen Rückkehr aus Boston auf morgen angesetzt war, wo er beruflich während sechs Monaten ein wichtiges Projekt begleitete.

"wichtiges" kann hier mMn entfallen

Der Hochzeitstermin war nächste Woche.

Das musste ich bei meiner Geschichte jetzt auch feststellen, dass das so eigentlich nicht geht - Präteritum in Verbindung mit einem Ereignis in der Zukunft? Ich bin selbst nicht ganz sicher, aber wie wäre es mit "Die Hochzeit würde / sollte nächste Woche stattfinden"?

Vor ihr stand plötzlich eine junge Frau, die linke Hand ausgestreckt, um ihr das Gepäck zu halten.

Das "plötzlich" würde ich streichen. Indem du die Frau direkt mit der wörtlichen Rede einführst, erreichst du dieses "plötzlich" schon. Wenn du es zusätzlich direkt erwähnst, schwächst du es mMn ab.

Die am Halsansatz eindringende Stahlklinge bewirkte, dass Stephanie keinen Laut von sich geben konnte. Schmerz und Schock blockierten ihr Denken.

Finde diese Beschreibung, dieses Unmittelbare und Nicht-zu-erwartende gut. Generell gefällt mir der erste Abschnitt der Geschichte.

Mit blutverschmierten Körpern bedrängten diese sie schemenhaft, wie von schleimigen Schwaden umhüllt.

Auch die Beschreibung des Traumes finde ich passend, diesen Satz allerdings zu sperrig. "Mit ... Körpern ... schemenhaft", das passt irgendwie nicht. Auch das "diese" gefällt mir nicht, ist natürlich eine Notlösung um das doppelte "sie" zu vermeiden, aber vielleicht kann man den ganzen Satz eleganter formulieren.

Nach langem hin und her Wälzen schlief sie wieder ein, in die finstere Unterwelt der Albträume zurückkehrend.

Also die "finstere Unterwelt der Albträume" ist schon ein bisschen arg dick aufgetragen, oder ;)? Ich würde zumindest das "finster" streichen.

Dort entlud sich gebündelte Wut, unbändiger Hass, der seinen Tribut forderte.

Wie ich es oben angesprochen hatte - es wäre interessant zu erfahren, woher diese Wut und der Hass kommen.

Danach, die Szene in der Buchhandlung, das nimmt zu viel Tempo aus der Geschichte. Ich würde die Szene nicht vermissen, wenn sie fehlen würde - auch wenn sich der Fall damals tatsächlich so zugetragen hat.

Das Klacken der hohen Absätze war es gestern gewesen, die sie zur Raserei brachte,

Es muss "das" sein, weil es sich auf das Klackern bezieht, nicht auf die Absätze.
Sonst ein schönes Detail mit den Absätzen, finde ich.

Eine dieser stinkreichen Frauen, die an der Bahnhofstrasse einkaufen. Dazu noch einen dicken Bauch vorweisend, wie ausposaunend, seht her, ich bin gebärfähig.

Ich muss leider generell anmerken, dass die Gedanken und die Dialoge der Personen sehr realitätsfremd, weil viel zu gestelzt klingen.
Statt: Dazu noch einen dicken Bauch vorweisend würde man doch eher denken: Und dann noch dieser dicke Bauch!

Doch fand sie Gefallen an dieser noch fürchterlicheren Darstellung, als ihr es selbst bewusst geworden war. Mit den Empfindungen, die den Täter gemäss der Zeitung angeblich getrieben haben mussten, eine Schwangere abzustechen, konnte sie wenig anfangen. Die haben ja keine Ahnung, diese perversen Schweine. Gierig las sie weiter.

Hier wäre es interessant, mehr auf diesen Gegensatz einzugehen. Was schreibt die Presse, wie sieht sie sich selbst? Wenn du das schon erwähnst, musst du da auch näher drauf eingehen, finde ich.

Es war meine Tat! Ich habe es in die Schlagzeilen der Medien geschafft. Ich bin berühmt!

Interessant. Oft werden Menschen ja dadurch angetrieben, insbesondere auch Nachahmer und Trittbrettfahrer. Allerdings passt der Gedanke nicht so richtig zu deiner Frau. Ihr ging es ja um die Befriedigung, um ihre innere Wut. Berühmt werden wollte sie nie, oder? Das ist für mich ein bisschen ein Mischmasch: Befriedigung persönlicher Bedürfnisse vs. mediale Aufmerksamkeit. Beides schwingt bei der Figur mit, ich würde mich für eines entscheiden und dann eben tiefer beschreiben.

Sie mochte ihre Weiblichkeit selbst nicht, und dass ein Mann nach ihr gierte, war ihr ein Brechmittel.

Ab und zu loderte ein Feuer auf, reiner Vandalismus, ohne dass Menschenleben gefährdet wurden. Mit dieser Ersatzhandlung konnte sie ihre Befindlichkeit über Jahre steuern, bis ihre inneren Qualen die zerstörerischen Zwänge massiv intensivierten, die Anzeichen, dass eine gewaltige Eruption sich anbahnt.

Bei diesen Stellen musst du jetzt wirklich aufpassen, dass du dich nicht verzettelst. Bei der Sache mit der Weiblichkeit gilt dasselbe: Wenn du es erwähnst, musst du es ausführen. Das ist ja jetzt ein ganz neuer Aspekt, den du da reinbringst, und ich glaube auch ein ganz zentrales Thema, da reicht ein Nebensatz nicht.
Bei der anderen Stelle: Es klingt jetzt immer mehr nach einem Bericht, einfach heruntergeschrieben. Vergiss nicht, dass du eine Geschichte schreibst, also etwas erzählen willst. Show don't tell wird zwar oft inflationär gebraucht, aber hier erscheint es mir angemessen. Gerade in der zweiten Hälfte der Geschichte wird mir was die Frau angeht zu viel analysiert, dh. du als Autor ziehst bereits bestimmte Schlüsse. Besser wäre es, das Verhalten der Frau zu zeigen und dem Leser diese Schlüsse zu überlassen, dann wäre es weniger "vorgekaut".

Es war etwas eingetreten, dass sie so nicht erwartete,

das

Der Teich des Chinagartens lag friedlich da, kein Kräuseln des Wassers durch einen Windhauch. Keine aufsteigende Luftblase, die von Fischen ausging. Stille, die den Geist des Ortes bestimmte.
Doch da, das Platschen eines aufschlagenden Tropfens, noch einer, alsbald wie ein kleiner Wasserfall, der einer Quelle im Pavillon zu entspringen schien. Die Farbe des Teichs änderte sich zunehmend, das Grünliche wandelte sich, nun blutrot leuchtend wie Lack. Ein beschauliches Bild, bis ein grollendes Untier sich aus dem Wasser erhob, begleitet von einem Beben und fürchterlichem Krach.

Den Absatz finde ich gut.

Abschliessend möchte ich sagen, dass dies ein grosses und schwieriges Thema ist, das in meinen Augen noch umfassender bearbeitet werden dürfte (Profil der Täterin). Insgesamt gefällt mir die Geschichte, insbesondere den Beginn finde ich stark. Den Mittelteil würde ich noch etwas anders strukturieren, aber unterm Strich finde ich dein "Experiment", mal eine härtere Gangart einzulegen, gelungen.

Viele Grüsse.

 

Hallo Schwups

würde mich interessieren, warum du "Die dargebotene Hand" als Titel gewählt hast, denn das ist ja der Name einer telefonischen Seelsorge in der Schweiz. Zufall oder Absicht?

Ich rechnete damit, dass der Titel bei Lesern, denen die Institution Dargebotene Hand bekannt ist, auch zweideutig wahrgenommen werden kann, obwohl es im Text keinen Bezug dazu gibt.
Als mir die Idee auftrat, die zugrunde liegenden Ereignisse als Geschichte aufzubereiten, skizzierte ich in Gedanken kurz die Szene im Parkhaus. Da sie die linke Hand darbieten musste, sprang mir dies als Arbeitstitel direkt entgegen. Mir war sofort bewusst, dass er präzis wegen dieser Telefonseelsorgeorganisation auch provokativ gedeutet werden kann und überlegte mir andere Titelvariationen, ohne zufriedenstellendes Ergebnis. So blieb ich bei der spontanen Eingebung und muss das Risiko tragen, als Enfant terrible zu gelten. :D

Interessant an der Geschichte finde ich, dass nicht die Gewalttaten im Vordergrund stehen. Klar, die Szene im Urania-Parkhaus und im Chinagarten sind explizit, wenn auch nicht allzu brutal (obwohl das immer Geschmackssache ist).

Über diesen Aspekt hatte ich gebangt, daran aufgehängt zu werden, dass es zu wenig in die untergründigen Tiefen des Horrors vordringt, auch wenn ich die Taten schrecklich finde.

Aber du konzentrierst dich ja auch auf das Innenleben deiner Figur, schilderst ihre Gedanken, ihre (Alb-)Träume. Zu diesen sagst du, sie seien rein fiktiv - mich würde interessieren, warum du hier eine Grenze ziehst, also realen Taten ein fiktives Motiv entgegensetzt. Ich nehme an, dass über die Psyche der "Parkhausmörderin" bestimmt auch einiges in Erfahrung zu bringen wäre - hast du in der Richtung recherchiert und dann entschieden, das nicht zu verarbeiten, oder ist da zu wenig drüber bekannt?

Ich fühlte mich nicht befähigt anders darüber zu schreiben, als aus der Rolle der Prota., was sich jedoch als ein zweischneidiges Schwert erwies. Einerseits schwieg sich die Täterin weitgehend über ihre Motive und ihr Innenleben aus. Da sie sich durch ihre Taten jedoch selbst ins öffentliche Rampenlicht stellte, ist es legitim, Rückschlüsse auf ihre Persönlichkeit zu ziehen. Anderseits gelten desungeachtet auch für sie Persönlichkeitsrechte, die nicht verletzt werden dürfen. Da keine diagnostisch gesicherten Erkenntnisse (öffentlich) vorliegen, erlauben auch die hypothetischen Einschätzungen keine weitergehende Spekulation. Mit der Raffung ihrer Charakteristika, dem Verzicht diese in ein Krankheitsbild einzubinden und der Erwähnung der rein fiktiven Darstellung ihres Seelenlebens trug ich diesem Umstand vollumfänglich Rechnung.

Die Idee ist auf jeden Fall spannend, auch, dass du reale Ereignisse als Basis nimmst. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich in dieser Rubrik eine solche Geschichte lese. Diesen Geschichten liegt immer eine ganz besondere Tragik zugrunde, weil man als Leser sich nicht zurücklehnen und denken kann, das hat sich einer nur ausgedacht – … Wenn man dann die beschriebenen Orte auch noch sehr gut kennt, bringt einen das schon zum Nachdenken, also ich lese eine solche Geschichte dann "mit anderen Augen". Ähnlich erging es mir bspw., als ich den Film "Der Hammermörder" gesehen habe, dessen Taten in meiner Heimat stattgefunden haben.

Dass die Idee zu zünden vermag, freut mich, da ich es mir schwerfiel einzuschätzen, ob sie greift. Ich hoffte, dass der Realitätsbezug den Charakter der Geschichte prägen und dem Leser näher gehen würde, als wenn ich die Taten und Orte verändert und den Wahrheitsanteil verschwiegen hätte.
Den Film „Der Hammermörder“ habe ich nicht gesehen, mich aber darüber informiert und verstehe, dass es unter die Haut geht, wenn die Tatorte und Umfeld einem vertraut sind, das Geschehen so in ausgewählten Teilen dadurch Identifikation bietet.
Während des Schreibens, als ich mit Zweifeln rang, und überlegte es wieder fallen zu lassen, dachte ich auch mal an Truman Capote, der mit dem in den sechziger Jahren erschienenen Tatsachenroman „Kaltblütig“, auch wahre Ereignisse aufgegriffen hatte.

Manche Dinge gefallen mir sehr gut, wie bspw. dass du auch die Psyche der Täterin beschreibst. Das finde ich interessanter als die Taten selbst - warum macht sie das? Ich finde, hier müsstest du noch tiefer gehen. Als Motiv beschreibst du mehrfach (vielleicht einmal zu oft), dass sie es als "Befriedigung" empfindet. Aber was ist die Ursache davon? Worauf geht das alles zurück?

Dies ist der Punkt, der mich zweifeln liess, ob es dem Leser genügen kann, ihre Gefühle zu kennen und aus diesen heraus die Handlungen nachzuerleben. Es gibt verschiedene Motive, warum jemand mordet, meist sind es wohl niedrige Instinkte oder Impulse im Affekt, die mit einem Auslöser (Wut, Hass, Rache, Habgier etc.) erklärbar werden. Bei ihr waren es wohl intensive Aggressionspotentiale, die durch zufälliges Zusammentreffen mit ihren Opfern zu Momenten eines Kontrollverlusts führten. Diese sind hypothetisch Zuordnungsbar, doch würde die Bezeichnung eines Syndroms den Leser nicht weiterführen und wäre hier nicht statthaft. Wäre mir bei der Recherche eine besonders schwierige Jugend oder Gewalterfahrung aufgefallen, hätte ich dies punktuell als Erinnerungen eingeblendet. So deutet es eher auf eine Fehlentwicklung bei ihr hin, die vielleicht nicht erkannt und nicht korrigiert wurde. Auch ist niemand therapierbar, wenn er nicht dazu gewillt ist.
Da es eine Kurzgeschichte aus der Perspektive der Prota. ist, erschien mir dieses Vakuum tragbar. Vielleicht fallen mir ja später mal noch Bruchstücke ein, die als Hinweisträger dienen könnten, dann werde ich es ergänzen.

Ich hätte es spannend gefunden, mehr über ihren Alltag zu erfahren. Zum Beispiel darüber, wie sie sich ihrer Familie / ihren Freunden gegenüber gibt. Ob sie einem Beruf nachgeht. Was sind ihre Hoffnungen, ihre Sorgen, ihre Ängste, abgesehen von ihren Bluttaten? Vermutlich wolltest du den Fokus der Geschichte nicht darauf legen, weil das dann zu sehr in Richtung "Täterprofil" geht, aber da du ja selbst damit beginnst, fände ich es einen konsequenten Schritt.

Dies hätte den Rahmen der Kurzgeschichte ziemlich sicher gesprengt, abgesehen davon, dass diese Dinge zu recherchieren sich als nicht einfach erwiesen hätten. Sicher wäre es ein konsequenter Schritt, doch hin zu einem Roman, was nicht in meiner Absicht lag.

Auch kommt das Ende ziemlich abrupt. Lief die Verhaftung wirklich so ab?

Auch hier galten für mich vorweg ihre Empfindungen, Verhöre wären mir da nur eine Ausdehnung gewesen. Die Ermittlungsarbeit der Polizei hatte in dieser Perspektive deshalb auch keinen Platz. Wie ich bereits Asterix gegenüber bemerkte, ist die Verhaftung nicht so verlaufen. Ich sehe darin eine Geste an Leser die Action wünschen und als Zeichen ihrer verwirrten Wahrnehmung zu diesem Zeitpunkt. Der Leser weiss nicht mehr und nicht weniger als die Prota. selbst und es endet mit ihrer Erkenntnis, dass sie verloren hat.

Sonstige Kommentare, die ich zum Text habe:

Deine sonstigen Kommentare habe ich kritisch geprüft und auch weitgehend Änderungen am Text vorgenommen, soweit es mit meiner Intention einherging. Die Passage im Buchantiquariat ist jetzt gekürzt und anders formuliert. Ich wollte dies nicht ganz fallenlassen, da es ihr ein Schlüsselerlebnis gewesen sein musste.

Zitat:
Das Klacken der hohen Absätze war es gestern gewesen, die sie zur Raserei brachte,

Es muss "das" sein, weil es sich auf das Klackern bezieht, nicht auf die Absätze.
Sonst ein schönes Detail mit den Absätzen, finde ich.

Dieses banal wirkende Motiv ist eines der wenigen Begründungen, die sie vor Gericht wirklich einbrachte.

Hier wäre es interessant, mehr auf diesen Gegensatz einzugehen. Was schreibt die Presse, wie sieht sie sich selbst? Wenn du das schon erwähnst, musst du da auch näher drauf eingehen, finde ich.

Bei der Abfassung hatte ich mir dazu Gedanken gemacht, mich aber gegen eine Erläuterung der Presse entschieden. Dass die Boulevardpresse solche Ereignisse aufbauscht, versteht sich von selbst und dürften im Tenor den Lesern vertraut sein.

Zitat:
Es war meine Tat! Ich habe es in die Schlagzeilen der Medien geschafft. Ich bin berühmt!

Interessant. Oft werden Menschen ja dadurch angetrieben, insbesondere auch Nachahmer und Trittbrettfahrer. Allerdings passt der Gedanke nicht so richtig zu deiner Frau.

Es passt schon zu ihrer Persönlichkeit. Ihr mangelndes Selbstwertgefühl kommt über den Text gestreut wie auch durch die Handlungen zum Ausdruck. Auch auf ihr äusseres Erscheinungsbild bin ich an zwei Stellen eingegangen, indirekt hinweisend auf die Spiegelung ihrer inneren Haltung. Ich habe diesen inneren Konflikt an anderer Stelle nun vorgehend noch kurz eingeflochten. Von der Psyche von „Lustmördern“ habe ich keine vertieften Kenntnisse, setze aber voraus, was für alle Menschen gilt. Es hat jeder alle Charakteranteile, die mehr oder weniger ausgeprägt sind. Einen reinen Paranoiker oder Schizoiden gibt es nicht, sie besitzen ebenso andere Merkmale, doch diese Hervorhebungen weisen sich dann als Persönlichkeitsstörung. Auch wenn die Störungsbilder in der Fachliteratur einzeln (Symptom) dargestellt werden, sind es in der Praxis Vermischungen (Syndrome), die allerdings nicht willkürlich sind, da sie einander auch ausschließende Merkmale haben. Deren Zusammenspiel, unter Hinzunahme der persönlichen Erfahrungen, ergeben die Wesensarten.
In einer Kurzgeschichte dies auszuwerten, wäre mir untauglich da komplex, weshalb ich kurze Skizzierungen vorziehe.

Bei diesen Stellen musst du jetzt wirklich aufpassen, dass du dich nicht verzettelst. Bei der Sache mit der Weiblichkeit gilt dasselbe: Wenn du es erwähnst, musst du es ausführen. Das ist ja jetzt ein ganz neuer Aspekt, den du da reinbringst, und ich glaube auch ein ganz zentrales Thema, da reicht ein Nebensatz nicht.

Das Problem ist wohl, dass ich da einen Stoff aufgriff, der sich eher in einem Roman abhandeln lässt. Dennoch denke ich, dass die Komprimierung in einer Kurzgeschichte nicht gänzlich daneben liegt. Wenn es mir nicht gelungen ist, den Leser mit dieser Form zu befriedigen, ist es natürlich enttäuschend, aber insofern eine interessante Erfahrung.

Gerade in der zweiten Hälfte der Geschichte wird mir was die Frau angeht zu viel analysiert, dh. du als Autor ziehst bereits bestimmte Schlüsse. Besser wäre es, das Verhalten der Frau zu zeigen und dem Leser diese Schlüsse zu überlassen, dann wäre es weniger "vorgekaut".

Die ganze Geschichte, bis auf den einführenden Teil, erfolgt aus der Sicht der Protagonistin. Die Erzählstimme ist nicht auktorial, sondern personal. Dadurch hat der Leser nur die Perspektive wie die Prota. es erlebt. Es wäre denkbar gewesen, diese Geschichte aus einer andern Perspektive abzufassen, doch dies wollte ich nicht, wie ich schon erwähnte.

Insgesamt gefällt mir die Geschichte, insbesondere den Beginn finde ich stark. Den Mittelteil würde ich noch etwas anders strukturieren, aber unterm Strich finde ich dein "Experiment", mal eine härtere Gangart einzulegen, gelungen.

Das freut mich sehr, dass du in der Geschichte starke Anteile entdecktest und sie dir in Konklusion doch zu gefallen schien. Das „Experiment“ dürfte eine Einmaligkeit bleiben, da ich eine andere Arbeitstechnik anwenden musste, als ich es für mich vorziehe. Wenn ich wieder Distanz zu diesen Inhalten habe, es bedingte ein vertieftes Eingehen auf die Persönlichkeit der Prota., werde ich mal wieder kritisch reinschauen und dann noch weitere Anpassungen vornehmen.

Für deine ausführliche Auseinandersetzung mit der Geschichte, deine kritischen Hinweise und die Korrekturvorschläge danke ich dir herzlich, und natürlich auch die belobten Erwähnungen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Anakreon,
da habe ich doch glatt übersehen, dir den Kommentar zu deinem Text, den ich schon vor langer Zeit schrieb, zu schicken. Du hattest wohl schon gedacht, dieses Mal schreib ich nix!? Hehe! Nein, deinen Ausflug in den Hardcore, den lass ich mir doch nicht entgehen.

Habs auch versucht zu aktualisieren, denn manches hast du ja eh schon überarbeitet. Falls doch etwas Überholtes dabei ist, sieh es mir bitte nach. Die Hitze übt einen schlechten Einfluss auf meine Gehirnwürstchen aus.

Hier ist mein Eindruck:

Also zunächst mal fand ich es überraschend, wie sehr du doch an deinem Stil ändern konntest. Ich mochte deinen alten Stil ja sowieso schon, denn er hatte etwas sehr Individuelles, unmittelbar erkennbar als dein höchstpersönliher Stil. Was nicht dagegen sprechen soll, den Stil situativ anzugleichen. Dass du das jetzt einfach so fast partizipfrei hinkriegst, neben einem kleinen bisschen Uzerei ist aus meiner Sicht ein großes Lob dabei, denn diese Anpassung des Stils halte ich für eine große Stärke und Bereicherung. Toll, dass du dazu in der Lage bist.

Zu deiner Geschichte muss ich sagen, dass ich sie ganz schön beklemmend finde. Vor allem, wenn man weiß, dass es diese Frau tatsächlich gibt und die Morde geschehen sind.
Was du find ich gut hingekiregt hast, das ist, auch für diese kaputte, gewalttätige Gestalt Bedauern und Mitgefühl im Leser auszulösen. Das finde ich immer einer Geschichte hoch anzurechnen, wenn man auch den Täter als einen Menschen durchschimmern lässt, der nicht von Geburt an so ist, wie er ist. Das entspricht wohl meinem Menschenbild, dass ich das so sehen will. Aber ich meine auch, dass ich da nicht so ganz Unrecht habe, wenn ich denke, dass die wenigsten Menschen als Monster auf die Welt kommen. Ja, auch diese harte und kaputte Frau als bedauernswertes Wesen darzustellen, das hast du gut hingekriegt.

Schwierig für mich persönlich ist es, dass man die Täterin und ihre Taten von vorneherein kennt. Dadurch entsteht eine andere Sorte Spannung als die übliche, in der ungeahnte Wendungen den Leser aufmerken lassen. Geschichten, die ersteres machen, feilen eher ein Psychogramm, punkten weniger mit einem Spannungsaufbau.
Ich persönlich mag lieber die Geschichten mit der Spannung, doch seinen Geschmack kann man ja schlecht als Maßstab für die Geschichte eines anderen setzen.

Was mir jedoch noch so ein bisschen fehlt, auch wenn ich mich voll und ganz auf deine Geschichte und deine Lesweise einlasse, das ist der background hinter ihrer immensen Wut. Diese Wut auf (für einen anderen Menschen) nichtig erscheinende Anlässe oder Verhaltensweisen, die hast du ja sehr schön gezeigt, aber ich persönlich hätte da gerne ein bisschen mehr drüber gelesen. Bzw. hinterlässt du ja in ihren Träumen eine Ahnung davon, welcher Motor sie treibt, sowas könnte aus meiner Sicht durchaus verstärkt werden.


Hier noch ein paar Einzelheiten:

Der Beginn hat mir recht gut gefallen. Diese Abnäher sind so herrlich normal. Und doch weiß man, dass mit der armen Stephanie etwas sehr Unweißes passieren wird.

Beschwingt vom Gefühl, dass die Familiengründung Formen annahm, hatte sie erste Babywäsche und noch ein paar hübsche Dinge für sich erstanden.
Die Familiengründung, die Formen annimmt, die Formulierung schmeckt mir nicht so ganz. Sie kommt mir ein bisschen zu floskelhaft vor. Der Text ist ja hier relativ nah an der jungen Frau dran, ich kann mir nicht denken, dass sie so denken und sprechen würde.

Eines streckte sein Händchen ihr entgegen, als wollte es sich an ihr festhalten. Für einen Moment nahm sie das Gesicht wahr, es war ihr eigenes Ebenbild.
So was meine ich mit den Hintergründen. Hier in diesem Traum, das hast du aus meiner Sicht erschreckend gut gemacht. Das fand ich eine furchtbare Sache, dass sie sich da als Baby sieht , das sich wie Hilfe suchend nach sich selbst streckt, und sie es dann tötet, also sich selbst, weil es wie ein Egel, wieder sie selbst, zu ihr ist. Das sagt so viel Schreckliches über sie selbst aus. Eine unangenehme, grausame Vorstellung. Eine tödliche Selbstwahrnehmung. Mit einer solchen Vorstellungswelt leben zu müssen, das klingt grausam.

Sei dankbar, dass es dir erspart blieb, in diese verfluchte Welt zu kommen. Lass mich also gefälligst in Ruhe
Auch dieser Gedanke richtet sich ja ein Stück weit an sich selbst. Und dann, wenn das Kind an sie gepresst ist, und sie sich selbst Lustgefühle als Baby bereitet, indem es sie beißt und sie es dann tötet. Das ist schon sehr krass. Man fragt sich da wirklich, wie ein Mensch eine solche Fantasie entwickeln kann und was er alles hat erdulden müssen, bis sie entstanden ist

Wenn du noch irgendwas ändern solltest, z. B. Hintergründe für die Wut und ihren Zorn zu entwickeln, dann ist es aus meiner Sicht ganz wichtig, dass du weniger einen handfesten Grund angibst, z. B. als Kind wurde sie missbraucht oder so, sondern mehr so bleibst, wie an dieser Stelle. In dieser Bilderwelt. Nichts zu deutlich aussprechen, sondern darin bleiben. Ich glaube diese Bilderwelt, die du da geschaffen hast, diese kranke Selbstwahrnehmung, das spricht für sich, es ist ja Hintergrund der Wut, ich würde es wie oben schon gesagt vielleicht noch verstärken, weil es die Intensität r Sicht auf sie noch verstärken würde. Das fand ich alles klasse gemacht.

Das Kleine mit ihrem Gesicht war wieder da, (...) bis sie zitternd und keuchend erwachte.

Die Tatsache, dass sie nicht mehr an diesen Traum denken kann und will, auch das finde ich hier stark gemacht. Sie findet durch ihre Agressionsausbrüche sogar Ruhe vor ihren Träumen, das hast du glaube ich jedenfalls geschrieben? Oder bilde ich mir das ein? Jedenfalls wäre das eine starke Idee. Dass die Exzesse ihr Ruhe verschaffen, das hast du ja geschrieben.
Dieser Traum, das war ein bisschen wie eine Eintrittskarte in ihre innere Welt, die ihre eine solche Pein verschafft, dass sie immer mehr in eine Wutspirale gerät. Für einen solchen Menschen muss es doch schlimm sein, mit dieser Innenwelt konfrontiert zu werden. Ich würde den Traum also weniger als lustvolles Erlebnis, sondern eher als etwas Peinigendes sehen.
Dann müsstest du allerdings das Problem lösen, dass sie hier träumt, obwohl sie sich doch gerade Ruhe verschafft hat durch dieGewalttat.

Sie mochte nicht an den Traum denken, schob die Gedanken beiseite, obwohl er ihr ein bisher nie so intensiv gehegtes Lustgefühl vermittelte. Im Blutrausch, dem sie sich nun bereits zum zweiten Mal hingegeben hatte, war es anders. Dort entlud sich gebündelte Wut, unbändiger Hass, der seinen Tribut forderte. Diese Momente waren ekstatische Energieflüsse, wie wenn Protonen aufeinanderprallten und explodierten, das Universum sich neu formierte. Nachher fühlte sie sich jeweils erschöpft, jedoch durchdrungen von einem unsagbaren Gefühl seelischer Ausgeglichenheit, wie wenn die dunklen Mächte der Aggression und die damit verbundenen Abstürze in ihr endgültig überwunden wären.
Hier hast du beides, dass sie an den Traum nicht denken will und dass er ihr Lust verschafft hat. Mmmh, das verstehe ich nicht. In meiner Lesart wäre es anders.


Doch gestern Vormittag war ihr Bedürfnis nach einer Spannungsableitung unaufschiebbar,

Das finde ich zu berichtend. Hätte mir noch ein bisschen mehr gewünscht, dass und wie sie unter der steigenden Spannung leidet, Träume sie quälen, irgend sowas, damit ihr Getriebensein verdeutlicht wird.

Und auch im nachfolgenden Abschnitt könnte ich mir noch etwas Bildhafteres vorstellen. Jaja, ich weiß schon, das ist viel verlangt, und ich glaube, ich könnte es selbst nicht. Es sind einfach Ideen, zu denen dein Text mich bringt.

Die Zweifel der Angst erzeugten ihr einen Moment des Zitterns, doch gewann sie wieder die Kontrolle über sich, so wie sie es auch immer schaffte, die Albträume zu vergessen. Sie hasste ihre Träume genauso wie ihr Leben, in dem sie sich nie glücklich gefühlt hatte – ausser, wenn sie solche ekstatischen Erfahrungen machte.

Guck mal, da hast du es wieder, die Träume sind eine Bedrohung für sie, das ist schon deine Idee, da würde ich bei dem Satz vorher, das Lustvolle des Traums in etwas Leidvolles wandeln.

Schnell sog sie nun die Sätze ein, erfuhr, dass die Sechsundzwanzigjährige in einigen Tagen zu heiraten beabsichtigte. Geschieht ihr recht, diesem Modepüppchen. Die Nutte hatte wohl einem reichen Mann das Kind untergejubelt, um sich künftig ein sorgenfreies Leben zu machen, so wie die aussah. Ihre Wut auf die Frau war wieder gegenwärtig.
Ja diese Wut auf Glücklichere, die wird durch deine Beschreibung sehr spürbar. Auch später wird das deutlich.

Im Gebüsch einer Parkanlage, er hatte seine Hose heruntergelassen und wollte ihr an die Wäsche, da explodierte sie.

An die Wäsche, das finde ich im inhaltlichen Zusammenhang, aber auch im Zus. mit deinem sonstigen Sprachduktus zu salopp.

Sie lag da, irgendwie verwundert, dass die Frau sich nicht mehr bewegte und schaute auf ihr Opfer. Es waren keine konkreten Gedanken, die sie in diesem Moment beschäftigten, nur dieses vereinnahmende Gefühl einer Schwerelosigkeit, ein inneres Jubilieren, der Druck, der sie gequält hatte, war völlig einer unendlichen Weite gewichen. Sie schwelgte in diesem Bad abgehobener Gefühle.
DAS Fette würde ich streichen oder kürzen.Dass sie da ungewöhnliche Gefühle hat, das kommt viel besser zum Ausdruck durch deine sonstige
Die allgemein gehaltenen Bemerkungen schwächen aus meiner Sicht hier deine sonstige Beschreibung.

Stark, wie du am Ende wieder das Bild des Fötus vom Anfang aufgreifst.

Ich habe deine Geschichte trotz Geschmacksunterschieden gerne gelesen, ich fand sie stimmig und wahrhaftig.

Bis die Tage und ich hoffe, du hast grad genauso schönes Wetter wie ich.
Viele liebe Grüße von der Novak

 

Liebe Novak

Ich sah mich im literarischen Boxring mit dem Stück beinah schon ausgezählt, da kommst du und triffst an einigen Stellen den Nerv auf Anhieb, der mich eine Runde weitertreibt. :D

Also zunächst mal fand ich es überraschend, wie sehr du doch an deinem Stil ändern konntest. Ich mochte deinen alten Stil ja sowieso schon, denn er hatte etwas sehr Individuelles, unmittelbar erkennbar als dein höchstpersönliher Stil. Was nicht dagegen sprechen soll, den Stil situativ anzugleichen. Dass du das jetzt einfach so fast partizipfrei hinkriegst, neben einem kleinen bisschen Uzerei ist aus meiner Sicht ein großes Lob dabei, denn diese Anpassung des Stils halte ich für eine große Stärke und Bereicherung. Toll, dass du dazu in der Lage bist.

Mit diesem Lob, das meine Partizipien-Kritiker doch partizipierend zur Kenntnis nehmen mögen, reicht es ja vielleicht sogar zwei weitere Runden durchzuhalten.
Der Stilwandel ist mir wohl unter dem mächtigen Druck unterlaufen, als ich merkte, dass ich mit dem Stoff in die Nesseln setze und strikte darauf achtete, die Sachverhalte und ihre Zwänge abzuwägen. Auch als Enfant terrible kann ich mir leider nicht alles leisten.

Zu deiner Geschichte muss ich sagen, dass ich sie ganz schön beklemmend finde. Vor allem, wenn man weiß, dass es diese Frau tatsächlich gibt und die Morde geschehen sind.
Was du find ich gut hingekiregt hast, das ist, auch für diese kaputte, gewalttätige Gestalt Bedauern und Mitgefühl im Leser auszulösen.

Beklemmung auszulösen war mir Absicht, wenn ich schon naiv genug war, mich „nötigen“ zu lassen als „Gastautor“ einmal in die Hardcore-Welt abzusteigen. Dass mir dies nur mit dem Hinweis auf den Realitätsbezug gelungen ist, werte ich selbst als Schwäche der Stoffverarbeitung. Diebisch freut mich jedoch, dass es bei dir Bedauern und Mitleid mit der Bösewichtin auszulösen vermochte.

Schwierig für mich persönlich ist es, dass man die Täterin und ihre Taten von vorneherein kennt.

Ich denke, dies ist grundsätzlich ein schwieriger Ansatz, da vorab Spannung verschenkt wird. Wenn es nicht gelingt, die Spannungselemente über die Geschichte hin durch die Handlungen weiter auszubauen, läuft es dann leer.

Was mir jedoch noch so ein bisschen fehlt, auch wenn ich mich voll und ganz auf deine Geschichte und deine Lesweise einlasse, das ist der background hinter ihrer immensen Wut. Diese Wut auf (für einen anderen Menschen) nichtig erscheinende Anlässe oder Verhaltensweisen, die hast du ja sehr schön gezeigt, aber ich persönlich hätte da gerne ein bisschen mehr drüber gelesen. Bzw. hinterlässt du ja in ihren Träumen eine Ahnung davon, welcher Motor sie treibt, sowas könnte aus meiner Sicht durchaus verstärkt werden.

Ich finde es schön, dass du die Bereitschaft hattest, dich unbefangen auf die Geschichte einzulassen. Aus dieser Sicht gelangst du zur Meinung, es fehle an vertiefender Darstellung, auf welchem Boden ihre Wut gewachsen war. Es geht also mit dem einig, was auch schon andere Kritiker vermerkten. Vor diesem Dilemma hatte ich mich hinter dem Drohfinger des Rechts verschanzt. Eben vor einigen Stunden wurde Hildegard Schwaninger, eine Kolumnistin, die über das Zürcher Jet-Set schrieb – ich hatte ihre Figur mal in einer Geschichte aufgegriffen -, wegen übler Nachrede zu einer happigen Geldstrafe verurteilt. Es ist also nicht ohne Brisanz, was man über andere sagt.
Du hast mir mit deinem Nachdoppeln einen Hinweis gegeben, der mir eine Hintertüre öffnete. Das sind die Träume. In diesem Rahmen lässt sich etwas Background einbauen, auch wenn man davon nicht zu viel „Furchtbares“ erwarten darf. Ich werde ein fiktives Schlüsselerlebnis einbauen, das ihr in Träumen verschroben gegenwärtig ist. Doch werde ich mich dabei an psychische Prozesse halten, die mir in ihrer früheren Umwelt für möglich erscheinen. Also nicht in klinischem Sinne ein Trauma dafür kreieren, sondern vielmehr kurz einen plausiblen Nährboden für ihre Fehlentwicklung skizzieren.

Die Familiengründung, die Formen annimmt, die Formulierung schmeckt mir nicht so ganz. Sie kommt mir ein bisschen zu floskelhaft vor.

Ich weiss, es ist etwas hochgeschraubt, literarisch wohl eher einem Adalbert Stifter zuzuschreiben, der ich nun wahrlich auch nicht bin. Ich wollte es möglichst kurz und zugleich abhebend vom Strassenjargon einbringen, etwas Besseres fiel mir nicht ein. Ich gebe mich nun geschlagen und werde daran feilen.

Zitat:
Eines streckte sein Händchen ihr entgegen, als wollte es sich an ihr festhalten. Für einen Moment nahm sie das Gesicht wahr, es war ihr eigenes Ebenbild.

So was meine ich mit den Hintergründen. Hier in diesem Traum, das hast du aus meiner Sicht erschreckend gut gemacht.

Da muss ja doch ein versteckter Hang zum Bösen in mir sein. Ich denke, dies ist Anlass mich bei Gelegenheit in Demut zu üben, um dies zu verdrängen. :lol:

Wenn du noch irgendwas ändern solltest, z. B. Hintergründe für die Wut und ihren Zorn zu entwickeln, dann ist es aus meiner Sicht ganz wichtig, dass du weniger einen handfesten Grund angibst, z. B. als Kind wurde sie missbraucht oder so, sondern mehr so bleibst, wie an dieser Stelle. In dieser Bilderwelt.

Ah, du hast es ja bereits vorweggenommen, was ich vorhin mit dem Schlüsselerlebnis antönte. Vom ersten Lesen deines Kommentars her war ich mir dieser Worte nicht mehr bewusst. Dies finde ich sehr motivierend, dass du es auch so siehst. Ich habe im Moment zwar erst eine vage Idee, wie dies aussehen wird, und kann auch nicht garantieren, dass es ebenso krass gelingt wie bei den Ungeborenen. Aber lassen wir uns überraschen.

Sie findet durch ihre Agressionsausbrüche sogar Ruhe vor ihren Träumen, das hast du glaube ich jedenfalls geschrieben? Oder bilde ich mir das ein? Jedenfalls wäre das eine starke Idee.

Ja, das ist schon so, es ist ein Wechselspiel. Sie hasst ihre Träume, die sie selbst und ihr Leben widerspiegeln, wenn auch in sehr verzerrten Bildern. Die Aggression ist der Gegenpart, der eine ableitende Funktion wahrnimmt.

Ich würde den Traum also weniger als lustvolles Erlebnis, sondern eher als etwas Peinigendes sehen.
Dann müsstest du allerdings das Problem lösen, dass sie hier träumt, obwohl sie sich doch gerade Ruhe verschafft hat durch die Gewalttat.

Ich finde es amüsant, dass dir diese Abweichung aufgefallen ist, die – wenn ich mich recht erinnere – bisher niemand aufgriff. Das Lustvolle, das sie hier erfährt, habe ich gewollt eingebracht. Es symbolisiert den Lustgewinn durch ihre Tat, aber grundsätzlich empfindet sie ihre Albträume als beständige Bedrohung. Es ist ja tatsächlich so, dass das Säugen eines Babys für eine Mutter auch Lustgewinn sein kann, was die Prota. nicht wissen kann, auch lehnt sie ihre Weiblichkeit ab, wird aber doch damit konfrontiert. – Ich werde mir diese Passagen nochmals durch den Kopf gehen lassen, vielleicht drängt sich da noch eine Änderung auf.

Zitat:
Doch gestern Vormittag war ihr Bedürfnis nach einer Spannungsableitung unaufschiebbar,

Das finde ich zu berichtend. Hätte mir noch ein bisschen mehr gewünscht, dass und wie sie unter der steigenden Spannung leidet, Träume sie quälen, irgend sowas, damit ihr Getriebensein verdeutlicht wird.

Auch da muss ich nochmals darüber nachdenken.

An die Wäsche, das finde ich im inhaltlichen Zusammenhang, aber auch im Zus. mit deinem sonstigen Sprachduktus zu salopp.

Das fand ich recht harmlos, aber vielleicht hebt es sich sprachlich doch zu sehr ab. Ich werde mich da nochmals in diese Szene vertiefen, versuchen, es in die passenden Worte zu binden.

DAS Fette würde ich streichen oder kürzen.Dass sie da ungewöhnliche Gefühle hat, das kommt viel besser zum Ausdruck durch deine sonstige

Wahrscheinlich hast du recht, ich bin in dieser Situation wohl zu sehr abgeschweift. Ich habe vorgemerkt, es zu prüfen.

Stark, wie du am Ende wieder das Bild des Fötus vom Anfang aufgreifst.

Dies geschah mir auch unerwartet. Ich hatte es nicht geplant, aber als ich mir ihre Situation in diesem Gitterkäfig des Polizeiautos verinnerliche, war es einfach da.

Ich habe deine Geschichte trotz Geschmacksunterschieden gerne gelesen, ich fand sie stimmig und wahrhaftig.

Das freut mich sehr, dass du sie in sich geschlossen und erlebbar aufgenommen hast.

Bis die Tage und ich hoffe, du hast grad genauso schönes Wetter wie ich.

Ich liebe die Sonne, aber ich leide bei Hitze. Für Sonntag haben sie bei uns 36-37°C angedroht! Falls ihr also weniger habt, schicke ich dir gerne das, was über 25 liegt, nach Frankfurt hoch. Aber nicht, dass mir dann eine Klage wegen Horror unterkommt. :shy:

Rückblickend sehe ich, es ist da einiges zusammen, das vordringlich nach Änderung verlangt. Momentan bin ich stark unter Zeitdruck – bis Ende September muss ich dreimal die Woche zu ambulanter Bestrahlung, nichts Arges, aber zeitraubend – so, dass ich wohl einige Tage mir am Stoff noch die Zähne ausbeissen muss, um die Überarbeitung der erwähnten Punkte umsetzen zu können. Ich werde es dann ohne separaten Kommentar, einfach unter der Geschichte als weitere Änderung vermerkt, einbringen.

Für deine analytische Auseinandersetzung mit der sonderlichen Geschichte und deine kommentierten Überlegungen, die mir u. a. einen Anstoss gaben, wie das fehlende Puzzleteil ergänzt werden kann, danke ich dir herzlich. Insbesondere natürlich auch für die lobenden Worte, die ich zur Motivation auch gerne einstecke.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Dies freut mich sehr, da du zudem über deinen Schatten in diese Rubrik springen musstest,
schriebst Du unter # 4 vom 10.08.2012, was keine Kunst ist, wo kein Schatten ist,

lieber Anakreon.

Aber ich will mal weniger lektorieren –
als auf eine Stelle in der „angepassten“ Fassung hinzuweisen, der zufällig ein Komma nachzureichen wäre:

Als ihr die Frau mit heftigen Stössen das Messer in den gewölbten Bauch rammte, begriff Stephanie, was geschah[,] und ein entsetzlicher Gedanke an ihr Kind durchdrang sie.

In der ursprünglichen Formulierung hieß es noch
[a]ls für einen Sekundenbruchteil ein entsetzter Gedanke an das Kind durchdrang, …
also der bloße Artikel statt des Possessivpronomens. Denkt ein tödlich verletzter Mensch wirklich an Besitz oder gar sein Eigentum? Die Frage ist rhetorisch, denn Tote geben selten eine Antwort. Aber der Besitzanspruch dringt ausgerechnet in eine nun mit mythischen Symbolen aufgeladene Passage: denn die werdende Mutter Stephanie („die Bekränzte“) verspürt nun weniger den Leibhaftigen (korrekt wäre natürlich "die Leibhaftige", aber beim Deubel ist es wie mit den Engeln: er ist männlich - kann auch gar nicht anders bei einem gestürzten Engel sein) als leibhaftig die Endlichkeit des Lebens, nämlich am eigenen Leib plötzlich und unerwartet.

Weiß die bekränzte Engelin nicht, dass es genau anders herum ist, dass wir nach einer uralten Weisheit die Erde nur von unsern Kindern geliehen haben, selbst wenn wir die Erde als Schrottplatz hinterlassen.

Das Mythische wird gar verstärkt - besonders, wenn man die folgende Änderung

[m]it blutverschmierten Körpern …
[alt] der neuen gegenüberstellt
[m]it blutbefleckten Körpern rückten sie bedrängend an sie heran,
was sich seltsam genug auf die Leibhaftige bezieht. Was mich an die unbefleckte Empfängnis denken lässt, dem dann noch so etwas wie ein Reinheitsgebot nachgeschoben wird
Umgebendes Fruchtwasser gab ihnen ein schemenhaftes Aussehen.
Fruchtbarkeitssymbolik im Horror, verstärkt durch die Symbolkraft des Wassers, dem sich dann die
Ebenbildlichkeit
zugesellt.
Da versteh ich so recht nicht, warum die
die finstere Unterwelt der Albträume
durch die eher schwächer
Düsterheit der Albträume
(die vielleicht ein wenig durch "Düsternis" gewinnen könnte). Unser armseliges Hirn produziert doch das Bild der Welt, sei diese nun oben oder unten, worin sich dann wieder gesellschaftliche Hierarchien abbilden. Oder so ähnlich - denn itzo verdampft hier bei den Söhnen Osmans - die Anatolien so wenig kennen wie ich - mein bissken Hirn, darum erst einmal genug für heute vom

Friedel,
mit dem Wunsch eines schönen Wochenendes in die Schweiz

 

Hallo Anakreon!

Was ist eine harte Geschichte? Ich glaube, sie muss zunächst authentisch sein. Nachvollziehbar, nachfühlbar. Wenn ich mit dem Opfer mitleiden "kann", dann ist das hart. Wenn ich manche Geschichten lese, die eine Grausamkeit an die andere heften, ohne sich um die Nachvollziehbarkeit zu kümmern, dann möchte ich manchmal gar keine harte Geschichte mehr lesen.

Du hast dich bemüht, das Wirken deiner Prot nachvollziehbar zu gestalten, hast einige psychologische Komponente eingebracht und zumindest den Hass auf die Welt und die Anderen konnte ich herauslesen.

Der Einstieg ist super, allerdings geht es dann konventionell weiter (Angestellte - Kundin).

Sie dachte an Claus, dessen Rückkehr aus Boston auf morgen angesetzt war, wo er beruflich während sechs Monaten ein Projekt begleitete.

Und du fängst sofort an zu erklären, das ist für mich als Leser langweilig. Beschreib doch statt dessen lieber die konkrete Situation! Dieses Gefühl der Glückseligkeit musst du daraus hervorrufen.

Schmerz und Schock blockierten ihr Denken

Hier hatte ich den "auftretenden Schmerz" notiert. Den hast du dankenswerterweise geändert, denn um den Schmerz tatsächlich nachvollziehbar zu machen, bedarf es anderer Formulierungen.
Besser so.

Die Zweifel der Angst

Ehrlich Frage: Was ist das?

Die Zweifel der Angst erzeugten ihr einen Moment des Zitterns, doch gewann sie wieder die Kontrolle über sich, so wie sie es auch immer schaffte, die Albträume zu vergessen.

Ach herrjeh, du hast manchmal eine Art die Spannung kaputtzumachen! Dieser Schnörkelstil ist sehr oft dazu geeignet:
Sie zitterte kurz, doch sie schüttelte das Gefühl ab, wie sie stets die Albträume abgeschüttelt hatte.

einem Restaurant des karitativen Frauenvereins

Sag, wen interessiert das schon?

Man kannte, aber mied sie, da sie für ihre spontan auftretende Aggressivität und Ausfälligkeit bekannt war.

Aber wäre das nicht gerade Wert gewesen, den schönen und alten Grundsatz "Show, don't tell!" zu beherzigen? Ich weiß, man hat es schon so oft gehört, aber gerade dieser Text schreit geradezu danach, umgearbeitet zu werden und endlich einige Szenen einzufügen, die genau das zeigen, was du umständlich zu erklären versuchst, mit Beschreibungen und Gedanken der Prot.

Die Gedanken der Protagonistin sind im Übrigen in der Mehrzahl ziemich süß, ich weiß nicht, aber ich denke kaum, dass irgendjemand in diesen Formulierungen denkt.
Zum Beispiel:

Es war meine Tat! Ich habe es in die Schlagzeilen der Medien geschafft. Ich bin berühmt!

Das ist mir einfach viel zu plakativ, mit dem hölzernen Hammer dahergekommen. Ich glaube nicht, dass irgendeiner dieser Serientäter so explizit denkt. Ha, ich bin ein Star, berühmt, das was ich immer schon wollte!
Da musst du viel diffiziler vorgehen. Und ja, das Ganze mehr an Handlungen festmachen.

Sie mochte ihre Weiblichkeit selbst nicht

Ja, das ist ja ein sehr guter Gedanke, um der Motivation dieser Frau auf die Spur zu kommen. Doch so, wie du das hier darbringst, streift es mich nicht mal ansatzweise. Ich möchte das sehen, dabei sein, wie sie diesen Hass gegen ihren eigenen Körper darstellt.

"Nimm die Hand von der Votze, du dreckige Sau", schrie sie. Der Mann zuckte erschrocken zurück, mehr ein Affekt. Sie rammte ihm das Messer in den Unterleib, ihr Gesicht verzog sich zu einem erleichterten Lächeln. "Ich bringe dir eine neue Öffnung dar", flüsterte sie, während warmes Blut über ihre Hände sickerte.

Ach, na ja. Die Reaktion des Opfer, bitteschön. Nicht dieses Nullachtfuffzehn-Sterben. Denn Sterben ist eine individuelle Angelegenheit.
Es gibt da diese Szene in "Ein Quantum Trost" (glaube ich). Da warten Bond und sein Opfer gemeinsam, dass der Tod das Opfer ereilt. Der Andere liegt da, röchelt, schaut Bond an, Bond macht irgendwas nebenbei. Diese Beiläufigkeit, mit der Bond über den Tod eines anderen Menschen hinweggeht, das ist Gänsehaut-treibend und sagt irre viel über seinen Charakter aus.
im Übrigen tut mir das Opfer Leid, wie es daliegt, weiß genau, was passiert und kann nichts dagegen unternehmen.

Das ist eigentlich der Hauptkritikpunkt an deiner Geschichte: Du gibst vor, eine harte Geschichte geschrieben zu haben, aber das ist keine. Das ist nur das Bild einer harten Geschichte, wie du es dir gemacht hast.

Also, mich hat sie nicht mitgerissen, schade eigentlich, denn die Gedanken, die du dir gemacht hast, waren ja nicht übel.

Schöne Grüße soweit von meiner Seite!

 

Lieber Friedel

Denkt ein tödlich verletzter Mensch wirklich an Besitz oder gar sein Eigentum? Die Frage ist rhetorisch, denn Tote geben selten eine Antwort.

Na ja, wenn ich an Bestattungsriten aus den USA denke, wo es Verstorbene geben soll, die sich in einem Cadillac oder Ähnlichem begraben liessen, hegen dies vielleicht schon welche. In schlechter Gesellschaft befinden sie sich nicht, wenn man die Pharaonen dazu addiert, die nicht nur Besitztümer, sondern auch ihre lebenden Leibeigenen für den Haushalt mit in ihre Grabkammern nahmen.

Aber der Besitzanspruch dringt ausgerechnet in eine nun mit mythischen Symbolen aufgeladene Passage:

Die Krux der Sache ist: Wer kann an einer mythisch untermalten Geschichte noch Anstoss nehmen, da dies die Szenen in andere Sphären abhebt?

Weiß die bekränzte Engelin nicht, dass es genau anders herum ist, dass wir nach einer uralten Weisheit die Erde nur von unsern Kindern geliehen haben, selbst wenn wir die Erde als Schrottplatz hinterlassen.

Diese Erkenntnis wäre ihr wohl im Nachhinein gekommen, falls – wider meines Erwartens – solches möglich wäre. Aber im Moment reagierte da der mütterliche Beschützerinstinkt.

Zitat:
[m]it blutbefleckten Körpern rückten sie bedrängend an sie heran,

was sich seltsam genug auf die Leibhaftige bezieht. Was mich an die unbefleckte Empfängnis denken lässt, dem dann noch so etwas wie ein Reinheitsgebot nachgeschoben wird

Da war mir die Vorstellung dieser Massakrierung, im Nachhinein erinnerte ich mich gar an die Darstellungen von sakraler Kunst, die die die Wunden des Gekreuzigten präzise aufzeigen. Nur so krass wollte ich es doch nicht ausdrücken.
Unbefleckte Empfängnis. Erschreckt schaute ich darauf, da es den wahren Vornamen jener Person spiegelt, die mir zur Namensgebung Pate stand. Eine Vision von dir? Oder hatte ich mit meinen Wortspielereien es selbst ungewollt offengelegt?

Fruchtbarkeitssymbolik im Horror, verstärkt durch die Symbolkraft des Wassers, dem sich dann die

Zitat:
Ebenbildlichkeit

zugesellt.
Da versteh ich so recht nicht, warum die

Zitat:
die finstere Unterwelt der Albträume

durch die eher schwächer

Zitat:
Düsterheit der Albträume

Das habe ich jetzt von meiner untergründigen Kompromissbereitschaft, die das Mythologische an einer Stelle entschärfte, an anderer aber zugleich wieder kompensierte. Mit deinem Vorschlag der Düsternis rückt es in der Sache nun wenigstens indirekt an die Wiege griechischer Mythologie, hatte Platon doch Schatten in der Höhle beschrieben.

Für deine mythologisch-kritische Auseinandersetzung – wer ahnt, zu was so ein Parkhaus Inspiration geben kann, als wäre es eine Kathedrale des Selbst – danke ich dir, die analytischen Gedankengänge haben mich in ihrer Bildhaftigkeit amüsiert.
Die beiden Änderungen sind eingebaut. Die Baustelle war ohnehin trotz der leidigen Hitze in regem Betrieb, u. a. um verschlüsselt einen Hinweis auf die zugrundeliegende Entwicklung der Prota. zu etablieren. Ob dieser die Erwartungen zu erfüllen vermag, muss sich weisen, da er gewollt Interpretationsspielraum zulässt, den der Leser selbst stärker oder schwächer gewichten kann.


++


Hallo Hanniball

Als ich deinen Beitrag zur Geschichte entdeckte, wusste ich, jetzt geht es mir ans Eingemachte. :D
Dies freut mich natürlich nicht minder, da ich so meine Darstellungsweise infrage stellen muss, gedanklich darum fechten, wieso ich es so abfasste.

Wenn ich mit dem Opfer mitleiden "kann", dann ist das hart.

Verblüffend einfach, aus einer solchen Perspektive habe ich die „Härtefälle“ dieses Genre spezifisch nie wahrgenommen. Also beinah ein Zuckerchen für Masochisten. Auch wenn ich selbst nie derartigen Lustgewinn suche, gefällt mir diese Interpretation. Doch lässt es sich wirklich auf einen einzigen Nenner herabdrücken, sind da nicht verschiedenste Variablen denkbar? Authentizität und Nachfühlbarkeit sind mir hingegen Ansätze, die mir an sich für alle Formen von Geschichten federführend erscheinen.

Der Einstieg ist super, allerdings …
fängst sofort an zu erklären, das ist für mich als Leser langweilig. Beschreib doch statt dessen lieber die konkrete Situation! Dieses Gefühl der Glückseligkeit musst du daraus hervorrufen.

Ich kann dir nicht widersprechen, vieles fliesst in der personalen Erzählspreche ein, welches aus dem direkten Erleben der Protagonisten viel unmittelbarer wäre. Hier schnitt sich die Fülle des Stoffes jedoch mit dem Vorgehen, es in eine Kurzgeschichte zu zwängen.

Zitat:
Die Zweifel der Angst erzeugten ihr einen Moment des Zitterns, doch gewann sie wieder die Kontrolle über sich, so wie sie es auch immer schaffte, die Albträume zu vergessen.

Ach herrjeh, du hast manchmal eine Art die Spannung kaputtzumachen! Dieser Schnörkelstil ist sehr oft dazu geeignet:
Sie zitterte kurz, doch sie schüttelte das Gefühl ab, wie sie stets die Albträume abgeschüttelt hatte.

Hier sehe ich unterschiedliche Lesarten, die beide ihre Berechtigung haben. Wenn ich es in der direkten Form einer Ich-Erzählerin dargelegt hätte, wäre deine Unmittelbarkeit schon zwingend. Doch so sehe ich es leichter vermittelbar, da manches sonst viel ausführlicher werden müsste, um es dem Leser nahe zu bringen.

Zitat:
einem Restaurant des karitativen Frauenvereins

Sag, wen interessiert das schon?

Folgende Momente bewegten mich dazu, dies einzublenden: Da sind die Schauplätze für diejenigen, die Zürich kennen, was jedoch die wenigsten Leser sein werden. Wäre es eine gewöhnliche Kneipe gewesen, erübrigte sich die Erwähnung, doch dem ist nicht so. In der kurzen Umschreibung verbergen sich Informationen, die ihren sozialen Hintergrund erfahrbar machen.

Zitat:
Man kannte, aber mied sie, da sie für ihre spontan auftretende Aggressivität und Ausfälligkeit bekannt war.

Aber wäre das nicht gerade Wert gewesen, den schönen und alten Grundsatz "Show, don't tell!" zu beherzigen? Ich weiß, man hat es schon so oft gehört, aber gerade dieser Text schreit geradezu danach, umgearbeitet zu werden und endlich einige Szenen einzufügen, die genau das zeigen, was du umständlich zu erklären versuchst, mit Beschreibungen und Gedanken der Prot.

Dieser Zeitpunkt wäre mir nicht plausibel gewesen, sie ihre Aggressionen ausleben zu lassen. Immerhin war es da ein Tag nach der Tat, sie musste vermeiden in der Öffentlichkeit aufzufallen. Natürlich hätte sich der Charakter der gezeichneten Person direkt dazu angeboten, weitere Ausbrüche als ihre Messerattacken darzustellen. Aber wie bereits gesagt, es lag in meiner Absicht einen gesetzten Rahmen einzuhalten, mit den beiden Mordtaten als Aufhänger.

Die Gedanken der Protagonistin sind im Übrigen in der Mehrzahl ziemich süß, ich weiß nicht, aber ich denke kaum, dass irgendjemand in diesen Formulierungen denkt.
Zum Beispiel:

Zitat:
Es war meine Tat! Ich habe es in die Schlagzeilen der Medien geschafft. Ich bin berühmt!

Das ist mir einfach viel zu plakativ, mit dem hölzernen Hammer dahergekommen. Ich glaube nicht, dass irgendeiner dieser Serientäter so explizit denkt. Ha, ich bin ein Star, berühmt, das was ich immer schon wollte!

Ich kann verstehen, dass du von einer Person, die zu solchen Bluttaten fähig ist, bestimmte Erwartungen hast. Ich las hier schon öfters zu diversen Geschichten in Kommentaren, „so denkt ein Mensch nicht“. Es dünkt mich jedoch erstaunlich, dass den Menschen ein eigenständiges, nicht rollenfixiertes Denken abgesprochen wird. Wenn es nicht zum literarisch gezeichneten Charakter der Figur passt, geht dies an oder zwingt sich sogar auf, sollte aber so formuliert werden. Mir entlockt es ansonsten ein mildes Lächeln für den Kritiker, da es eher seine Weltsicht widerspiegelt. Dasselbe gilt, wenn es sinngemäss lautet, „das Thema sei ausgelutscht“. Es kommt doch letztlich immer auf das Einmalige der betreffenden Geschichte an.
Doch hier zum konkreten Text: Es zeigt narzisstisch besetzte Emotionen, die die Prota. überkommen. Dies fügt sich durchaus in das gezeichnete Charakterbild ein. Es mag dir fremd wirken, in meiner Intention ist es jedoch stimmig.
Ich kenne die Erfahrungen und Thesen der Forensik nicht vertieft, doch ist es mir undenkbar, dass ein mehrfacher Mörder zwingend von solchen Empfindungen ausgeschlossen sein soll. Es würde bedingen, dass er Charakteranteile besitzt, die dies ausschliessen.

Zitat:
Sie mochte ihre Weiblichkeit selbst nicht

Ja, das ist ja ein sehr guter Gedanke, um der Motivation dieser Frau auf die Spur zu kommen. Doch so, wie du das hier darbringst, streift es mich nicht mal ansatzweise. Ich möchte das sehen, dabei sein, wie sie diesen Hass gegen ihren eigenen Körper darstellt.

Es geht hier um seelische Prozesse, die die Prota. aus dem Gleichgewicht warfen – und aus ihrer Sichtweise dargelegt. Ihre Körperdefinition wollte ich aus verschiedenen Gründen nicht weiter abhandeln, schon gar nicht derb. Ihr Fall ist nicht so gestrickt, dass sie die „üblichen selbstzerstörenden Merkmale“ aufwies, so was hätte letztlich auch nicht zu ihren Handlungen geführt. Auch wenn ich nachvollziehen kann, dass dies Leser ansprechen könnte, waren mir die Gründe dies nicht detaillierter auszuführen gewichtiger.

Ach, na ja. Die Reaktion des Opfer, bitteschön. Nicht dieses Nullachtfuffzehn-Sterben. Denn Sterben ist eine individuelle Angelegenheit.
Es gibt da diese Szene in "Ein Quantum Trost" (glaube ich). Da warten Bond und sein Opfer gemeinsam, dass der Tod das Opfer ereilt. Der Andere liegt da, röchelt, schaut Bond an, Bond macht irgendwas nebenbei. Diese Beiläufigkeit, mit der Bond über den Tod eines anderen Menschen hinweggeht, das ist Gänsehaut-treibend und sagt irre viel über seinen Charakter aus.

Hast du schon mal einen sterbenden Menschen festgehalten, dessen Körper sich aufbäumt, der sich dagegen wehrt? Im Moment reagiert man sehr rational, die Empfindungen holen einen später ein.
Wie du richtig bemerkst, tritt der Tod immer individuell auf. Ein Nullachtfünfzehn-Sterben kenne ich nicht, doch verschiedene Differenzierungen zwischen sanft und äusserst drastisch.
In Romanen und Filmen kann man es natürlich immer anschaulich dem Stoff angepasst darstellen, beim gegebenen Thema wäre ein ausführlicher Todeskampf sogar effektvoll gewesen. Für mich sind die gezeichneten Bilder in der Geschichte jedoch so, wie ich es darstellen wollte.

Das ist eigentlich der Hauptkritikpunkt an deiner Geschichte: Du gibst vor, eine harte Geschichte geschrieben zu haben, aber das ist keine. Das ist nur das Bild einer harten Geschichte, wie du es dir gemacht hast.

Ich verstehe und akzeptiere deinen Hauptkritikpunkt vollumfänglich. Allerdings gebe ich nicht vor, sondern versuchte einzig, einmal eine „harte“ Geschichte in diesem Genre zu platzieren, wie es mir verschiedentlich nahegelegt wurde.

Also, mich hat sie nicht mitgerissen, schade eigentlich, denn die Gedanken, die du dir gemacht hast, waren ja nicht übel.

Dass es mir nicht gelungen ist, eine Geschichte abzufassen, die dir mitreissend erschienen wäre, bedaure ich. Da die Idee auf der Realität beruht, kann ich mir nicht mal dafür einen Pluspunkt gutschreiben.
Insofern sehe ich es heute so, dass der erste Fehler war, mich auf eine Thematik einzulassen, die mir als Autor nicht entspricht. Der Zweite jedoch, mich einer aktuelleren Realität zu bedienen, um es umsetzen zu können.

Für deine Auseinandersetzung mit dem Stoff sowie deine Einwendungen und Bedenken, die mich zur Selbstbefragung der Abfolge zwangen, danke ich dir herzlich. Im Zeitpunkt, als ich diese Zeilen schrieb, bin ich noch dabei Änderungen vorzunehmen. Inwieweit deine Anmerkungen darauf Einfluss nehmen, ist mir selbst noch nicht bewusst. Eine grundsätzliche Änderung der Darlegung strebe ich jedoch nicht an.

Schöne Grüsse euch beiden und einen guten Wochenstart

Anakreon

 

Jack Ketchums "Evil" ist ein sehr gutes Beispiel: Eine absolut irre Geschichte, nicht zu glauben (obwohl wirklich passiert), die aber ohne Zweifel glaubhaft und leider Gottes auch nachvollziehbar rüberkommt. Ja, Scheiße, Mann, so könnte es gewesen sein!
Und warum? Ketchum legt seine Figuren mit Liebe an, mit Liebe zum Detail, zu den Schwächen, er lotet die Charaktere aus und sie würden innerhalb dieses Universums nichts tun, wwofür sie nicht geschaffen sind, sie sind auf eine gewisse Weise vorhersagbar.

Das meinte ich, als ich schrieb, man "könne" mit den Figuren mitleiden. Dass das ein schönes Leiden ist, das man vielleicht genießt, ist natürlich Unsinn. Es tut weh, wenn es gut gemacht ist.

Wie Ketchum das kann.

Grüße, nochmal!

 

Hallo Hanniball

Mir geht es praktisch nicht anders, wenn ich eine raffinierte, plausible Darlegung lese, wie eine Figur leidet, es ist schmerzhaft. In meiner Verteidigungsposition habe ich es etwas salopp formuliert, sorry deswegen. Der Aufhänger ist sicher, wie du im Beispiel an Jack Ketchums „Evil“ zeigst, die Liebe zum Detail und die präzise Darlegung ihrer Charaktere.
Ich hatte mir im Nachgang zu deinen Worten im letzten Kommentar dazu noch Gedanken gemacht. Ich denke, es ist einer der Schlüssel, warum dieses Genre in seinen harten Versionen derart Zuspruch findet. Es ist mir eine sehr interessante Erkenntnis, auch wenn ich es selbst letztlich nicht schaffe, derartige Handlungen und Charakteren mit der dafür erforderlichen Präzision aufzuzeigen.
Ich danke dir noch für deine Präzisierung.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

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