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Die Brache am Bach

Monster-WG
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10.09.2014
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Die Brache am Bach

„Szía, Tamás bácsi“, ruft die Postbotin. Sie ist etwas jünger als ich, steht also kurz vor der Rente.
„Ah, Marikka néni!“, freue ich mich. Sie ist wirklich eine gute Seele. „Wieder mehr Werbung als was G’scheits?“
„Sieht ganz so aus – leider“, bedauert sie. Sie winkt noch mal, als sie über die kleine Brücke geht.

Der Bach trennt unser Grundstück von der Brache nebenan. Malerisch fließt er dahin unter dicken Weiden, ein Idyll wie auf einem Ölgemälde. Einen tollen Ausblick hat man von hier – Wälder, Felder und Seen bis zum Horizont.
Auch die Brache war uns willkommen.
Wir freuten uns über diese Wildnis, denn wo keine Nachbarn, dort keine Kinder, kein Radau, keine Techno-Musik – wohltuende Ruhe eben. Wir wollten dieses Stück Land kaufen, es gehörte der Gemeinde. Leider war Unternehmer Miklos schneller und wir hatten das Nachsehen.

Seitdem gefällt uns die Brache nicht mehr so gut. Schwere Transporter kippen ihre Ladung ab. Bauschutt. Doch verrät beißender Geruch, dass man sich hier auch heikler Dinge entledigt. Eine Anzeige wäre bedauernswerte Naivität; wir leben schon länger im Land.
Der Gedanke, neben einer wilden Deponie zu wohnen, ist nicht anheimelnd.
Beinahe täglich verändert sie sich, wie ein schneller Wechsel der Jahreszeiten. Grünüberwuchertes wird winterweiß durch zertrümmerte Kalksteine, herbstrot und bunt durch Terrazzoböden und Fassadenbruch. Dazwischen Betonplatten abgerissener Brücken, wild übereinandergetürmt mit Hohlräumen für Fuchs, Dachs und Co.

Bald darauf ruiniert Miklos auch den Bach. Genial deklariert als förderungswürdiger Katastrophenschutz lässt er, gedeckt durch seine Duzfreunde in der Verwaltung, das Bachbett begradigen und mit Betonplatten auskleiden. Jetzt fließt der Bach doppelt so schnell – im Wettlauf mit dem Geld aus Brüssel.
Ein paar der gigantischen Akazien, Erlen und Weiden auf der anderen Seite müssten dem neuen schnurgeraden Bachverlauf weichen, aber sie fällen alle. Einer der Bachretter ist Holzhändler.

Mitte Herbst wird es dann richtig laut. Ein Bulldozer planiert das Gelände, es scheppert und poltert. Nach zwei Tagen ist eine fast ebene Fläche entstanden. Wir erkennen unser Nachbargrundstück nicht wieder. Ein kahles Feld neben einem Betonkanal. Ein großes Plakat verkündet nun: ‚Eladó – for sale’.
Wir haben kein Interesse mehr.

An einem verhangenen Novembertag gehe ich mit dem Hund an der Brache entlang. Am Vortag ist schon etwas Schnee gefallen und der mildert den tristen Anblick. Neben mir knirschen Reifen. Ah, das neue Modell von Range Rover. Hätte ich hier nicht erwartet.
„Tach, junger Mann“, sagt ein fülliges Gesicht mit Vollbart, „ist das Ormandi utca 12?“ Nach einem Hustenanfall fügt er einlenkend hinzu: „Steht ja nichts dran“ und raunzt seine Begleiterin an: „Tausendmal hab ich dir schon gesagt, du sollst im Auto nicht rauchen!“
Ungeachtet dessen verbessere ich ihn: „Mit dem ‚jungen Mann’ vertun Sie sich bisschen, aber die Adresse stimmt.“
„Okay. Dann woll’n wir mal.“
Danke sagt er nicht. Die dünne Frau mit Kajalaugen und Zigarillo steigt ebenfalls aus. Sie schaut an mir vorbei und beide gehen auf das Gelände.
- - -

Der Dezember ist ungewöhnlich mild. Das ‚Zu verkaufen’-Schild ist verschwunden und nebenan werden Gräben ausgebaggert, das Fundament gegossen, Rohre verlegt, ein Zaun errichtet. Oft fährt das Traumauto vor. Gehe ich zufällig mit dem Hund vorbei, nehmen die beiden von mir keine Kenntnis, höchstens dass er mal müde die Hand hebt, was ich durch leichtes Kopfnicken erwidere.
Nur einmal spricht er mich noch an: „Ich glaube, wir sind – oder wir werden Nachbarn. Dann sehen wir uns zur Einweihungsparty?“
Der hat ein Tempo drauf! Bin überrumpelt. „Eh ja, wenn Sie meinen – das geht ja recht zügig mit Ihrer Bauerei. Allerdings sehe ich die Betonplatte mit gemischten Gef...“ „Ach was“, unterbricht er mich, „alles bestes Material, Portlandzement vom Feinsten. Keller war gestern.“
„Nein, was ich sagen will, ist ...“
„Da machen Sie sich mal keine Sorgen, das wird ein ganz großes Ding, mit Wellness, Infinity Pool und solchen Sachen.“
Ich behalte meine Bedenken wegen der Hohlräume für mich und sage zurückhaltend: „Wir bringen auch Brot und Salz mit.“ Aber das hört er nicht mehr, er hilft der dünnen Frau beim Entzünden ihres Zigarillos.
Bald schlägt das Wetter um und Väterchen Frost übernimmt das Kommando.
Wir feiern wundervolle weiße Weihnachten, sind zu Sylvester eingeladen und freuen uns auf den Frühling.
Der allerdings bringt mächtigen Baulärm mit sich. Sägen, Betonmischer, Presslufthämmer. Für Aggi und mich keine Katastrophe, es ist noch zu kalt, um sich draußen aufzuhalten.
Ab Mai wird es auf der Baustelle leiser, es sei denn, der athletische Zimmermann dreht sein Autoradio bis zum Anschlag auf, bei geöffneten Türen.
Die Dachdecker verrichten ihre schwierige Arbeit, das Haus bekommt Kuppeln und einen Wachtturm wie aus der Tudor-Zeit, mit Schießscharten. Aggi und ich beginnen mit den Gartenarbeiten.

Der Bau nimmt Monat für Monat monströsere Züge an. Marmorne Bäder werden eingebaut, Profi-Küche, Spielsalon, Heimkino, Grillstation, zwei Typen Sauna, Gästesuiten in der oberen Etage.
Nein, ich habe nicht spioniert – das alles hat mir der Bauherr beim zufälligen Überschneiden unserer Wege mit Genugtuung aufgezählt.
Mit scheinbarem Interesse höre ich zu. Höflich zu sein fällt mir nicht schwer – meine Einwände kämen sowieso zu spät.

Im August steckt eine goldumrandete Einladung zur ‚Housewarming-Party’ im Briefkasten.
Tja, da kommen wir wohl nicht drumherum. Erste Frage: Welche Garderobe? Mit deutscher Lässigkeit würden wir den Gastgeber verletzen. Bei großem Auftritt tragen die Ungarn Gala, also finde ich tatsächlich die letzte Krawatte. Aggi trägt Kostüm. Aber wir wollen eh nicht lange bleiben.

Viktor – jetzt wissen wir, wie der neue Nachbar mit Vornamen heißt – steht am Eingang, die Palinkaflasche in der Hand. Die dünne Frau hält den Eintretenden ein Tablett mit Gläsern entgegen und jeder wird erst einmal ‚angewärmt’. Das gönnerhafte Grinsen Viktors will nicht zum abwesenden Blick der schwarzen Augen an seiner Seite passen, nur die Grimassen derer, die harten Schnaps nicht mögen, lockern die Atmosphäre. Im Hausinneren dagegen sorgen fünf Musikanten für heiteres Klima; zwei Geigen, Bass, Zymbal und Gitarre vollbringen Wunderbares. ‚Schwarze Augen’, ‚Heiße Küsse’, ‚Ein zerbrochenes Herz’, ‚Komm mit nach Varasdin, solange noch die Rosen blühn’. Diese Musik, ein großzügig eingeschenkter Palinka im Bauch – mir ist nach Tanzen zumute.
Aggi leider nicht.
Es ist wohl der Pomp, der sie erschlägt. Zu viel Gold, orientalische Bögen, Bordüren, Kapitellchen, weiße Säulen. Beide Kamine sind befeuert, was im August unüblich, aber beeindruckend ist.
Wir staunen über die Menge geladener Gäste – das könnten gut und gerne hundert sein. „Hundertfünfzig“, sagt Aggi. Na, wenn schon. Eine ungarische Feier unter hundert Personen ist ohnehin eine Peinlichkeit.

Die letzten haben ins Haus gefunden. Viktor setzt ein anderes Gesicht auf, angelt sich das Mikrofon und heißt uns alle willkommen. Ein guter Redner ist er, obschon von einem ‚bescheidenen Haus’ zu sprechen ein Raunen hervorruft.
Der Primas unterstreicht jeden markanten Satz des Gastgebers mit einem Tusch – wir fühlen uns an Karneval erinnert. Doch wir sind um neutrale Gesichter bemüht.

Viktor spricht und spricht. Vor dem Büffet im Salon würde er seinen lieben Gästen gern noch schnell das Haus zeigen. Er geht schon voran und eine unendlich lange Schlange folgt ihm. Ich umfasse die immer noch vorhandene Taille meiner Frau und wir schaudern gemeinsam beim Anblick der gigantischen Gestecke aus Kunstblumen und ihren echten Vorbildern. Solche pompösen Vasen in Silber und Gold haben wir allerdings noch nie gesehen. Im Schwimmbad wechselt die Unterwasserbeleuchtung fortwährend zwischen Blau, Grün und Rot.
Wir staunen über barocke Stuckdecken, reich geschmückte Kamine, Kronleuchter und Lüster.
Die Karawane der Geladenen zieht in die Beletage; Rufe, eher Schreie der Bewunderung hallen durch die ausgedehnten Räumlichkeiten.
Wir haben schon manche Schlossbesichtigung hinter uns gebracht, doch was hier an skurrilen Möbeln, Gardinen und Vorhängen zur Schau gestellt wird, strapaziert unser Aufnahmevermögen. Aggi schaut mich an. Ich habe verstanden, es reicht.
Aber das Büffet? Wenigstens anschauen.
Uns gehen tatsächlich die Augen über. Wir sollten zumindest probieren. Ich nehme von Wildschweinspastete und Hirschschinken, meine Frau Zander in Krebsgelee. Viktors schwere Hand legt sich auf meine Schulter. Er habe die Sachen von Budapest kommen lassen, hier in der Provinz könnten sie nur Krautwickel und gebackene Leber, unzumutbar für einen solchen Anlass. Und wir sollten noch Wein haben! Ist die beste Cuvée seiner Kellerei in Villany – für heute gerade richtig.

Wir finden Wortes des Lobes und des Dankes, der Primas feuert seine Mannen an und es wird getanzt auf Teufel komm raus. Die Musiker geben sich alle Mühe, den Gästen kräftig einzuheizen.
Dann unterbricht der Hausherr das wilde Tanzen mit heftigen Armbewegungen. Ja, was er noch sagen wollte: Primas Jancsi spielt noch eine Mazurka und dann bittet er die verehrten Anwesenden vors Haus wegen des Feuerwerks. Die Gäste sind begeistert, applaudieren, die Damen stoßen spitze Schreie aus. Dann wirbeln alle wieder durcheinander und werden immer ausgelassener.
Na gut, schauen wir uns das Feuerwerk noch an. Ist ja auch höflicher, noch etwas zu bleiben. Ich umfasse meine Frau wie in alten Zeiten und wir schwofen und stampfen zur Mazurka mit den Füßen, im Rhythmus mit den anderen. So erleben wir einen ganz vergnüglichen Abend, an einigen Stellen können wir sogar mitsingen. Plötzlich rieselt feiner Schnee von der Decke, sehr schön im hellen Licht. Ein Gag des Hausherrn? Alle sehen ihn erwartungsvoll an, doch der schaut mit offenem Mund nach oben. Ein hohes sirrendes Geräusch kommt auf, schwillt an bis zur Unerträglichkeit und dann erschüttert ein gigantischer Knall das ganze Haus. Explosion? Erdbeben? Wir sind betäubt, versuchen das Gleichgewicht zu halten. Überall steigen Staubsäulen auf, Stuckteile fallen auf die Köpfe. Wie hypnotisiert starren alle auf den riesigen Kronleuchter. Der Strahl einer gebrochenen Wasserleitung lässt dessen tausend Kristalle wie einen Regenbogen erstrahlen. Im Mazurka-Takt sackt er Meter für Meter nach unten, verliert dann vollends den Halt, kracht auf das Parkett und dreht sich in einer Wolke glitzernder Splitter einmal um die eigene Achse.
Mitten durch das Haus hat sich ein breiter Riss gebildet. Beide Haushälften haben Schieflage. Wie bei einem Schiffsunglück versuchen die Gäste hektisch, den Havaristen zu verlassen. Die Prunktreppe ist nicht mehr breit genug, dafür ist sie jetzt steiler. Als Fluchtweg nicht zu gebrauchen. Alles ist schräg – Boden, Wände, Decke.
Aus einem Kamin schlittern glühende Bohlen über die Tanzfläche und setzen die Vorhänge in Brand. Schnell brennt die ganze Fensterfront, die dicken, wertvollen Gewebe sind ergiebiges Flammenfutter. Durch die große Hitze bersten die Scheiben, es klingt wie Schüsse und steigert die Panik. Die zwischen den Fenstern stehenden Polstermöbel beginnen zu glühen und brennen bald lichterloh. Wie durch göttliche Fügung dient das Riesenloch, das der abstürzende Kronleuchter in die Decke gerissen hat, als exzellenter Rauchabzug, zumal der Tudor-Wachturm darüber wie ein Schlot wirkt. Vielleicht wären wir alle ohne diesen Trick der Vorsehung an Rauchvergiftung zugrunde gegangen.
Während auf der Beletage die Sirenen der Alarmanlage losheulen, strömt das Wasser aus den Sprinklern auf die schockierten Gäste.
„Ein Feuerwerk braucht es nicht mehr“, sage ich zu meiner Frau und streife ihr schützend mein Jacket über den Kopf. Doch das ist schon so patschnass wie ihre Frisur. Dann soll es wenigstens eine ritterliche Geste sein.

Viktor ist es gelungen, die Sprinkleranlage abzustellen. Unter anderen Vorzeichen, vielleicht bei einer Bademodenschau, wäre das im August ein Ulk gewesen. Heute Abend sehen es die Gäste anders. Fluchend und beleidigende Worte hinterlassend, quetschen sie sich über die schmale Kellertreppe ins Freie. Was dieser reiche Fatzke sich einbildet. Baut einen Palast aus Pappmaché. Da wären sie besser zu Hause geblieben.
Inzwischen ist alles Brennbare zu Asche geworden, die Hälfte der Gäste hat es schon nach draußen geschafft.

Auf unerklärliche Weise kehrt im Haus eine neue Normalität ein. Es hat keinen Zweck, sich am Notausgang zu drängeln, wenn das Buffet trotz Wasserschäden noch manche Leckerei bereithält. An den schrägen Boden hat man sich schnell gewöhnt, und nicht alles ist vom Tisch gerutscht.
Ich schau noch mal nach dem Hirschschinken, der war sehr gut, für Aggi ergattere ich Gänseleber in Blätterteig. Den aufgeweichten Teig ignorieren wir, die Gänseleber ist köstlich.
Einen Schluck Wein sollten wir noch haben. Ich geh zum großen Fass mit Viktors Initialien. Er steht daneben, in einer Hand das Glas, in der anderen den Revolver. Viktor prostet mir zu, stürzt den Wein hinunter und drückt ab – eine Sekunde, bevor ich ihm in den Arm fallen konnte. Die Kugel fliegt ihm durch beide Ohren, prallt auf Granit und durchschlägt mir die Zähne.
Meine Beine knicken ein, ich schmecke Metall und warmes Blut. Das Licht lässt nach. Die dünne Frau beugt sich über mich. Ihre Augen sind noch schwärzer geworden. Und sie werden immer größer.

- - -

Heute habe ich mein erstes Steak gegessen. Nicht das erste Steak meines Lebens, sonders mein erstes mit den neuen Zähnen, meinen vierten sozusagen. Der Tatort gegenüber liegt im Sonnenglast und es ist himmlisch still.
Nach Viktors Tod wurde der Palast geplündert. Nicht von dunklen Gestalten bei Nacht und Nebel, sondern nach Miklos’ Masterplan. Er hatte es geschafft, das verunglückte Prachtgebäude in seinen Besitz zu bringen und alles perfekt organisiert: ausreichend Paletten und Container, genügend billige Arbeiter mit dem etwas dunkleren Teint. Dann wurde alles abtransportiert, beginnend bei den Keramikschindeln und Dachrinnen über Türen, Treppen und Badewannen, bis zur letzten Schraube. Den Transport der vergoldeten Armaturen hatte er, glaube ich, selbst übernommen.
Sein Jaguar stand am Weg, als ich mit dem Hund vorbeiging. Aus dem Fensterspalt tänzelten blaue Spiralen und Bänder. Ein Blitz fuhr durch meinen Kopf: Das sind die Zigarillos! Unverkennbar. Sehen konnte ich leider nichts, die Scheiben waren abgedunkelt. Aber ich tat so und habe ihr zugewinkt.

Das aus dem Lot gekippte Mauerwerk wurde mit dem bewährten Bulldozer übers Gelände verteilt und wir hätten uns nicht gewundert, wenn abermals ein Schild darauf hinwiese, dass hier ein schöner Bauplatz zum Verkauf ansteht. Der Blick ins Land ist grandios.

Die Spaziergänge mit dem Hund sind weniger geworden. Er hat’s wie ich mit der Hüfte. Ich habe einen Steg gebaut, die Brache genügt uns als neues Revier.
Von der alten Geschichte ist nichts mehr zu sehen. Alles grünt, sprießt und gedeiht.
Die letzten Sommer waren heiß, die Gluthitze lud sich oft zu Gewittern auf und es gab den notwendigen Regen.
So entstand ein ausgedehntes Akazienwäldchen, in dem wir gern unsere Runden drehen.
Besonders zur Blütezeit. Da duftet es nach Honig.

 

Hola Jose,

Deine Geschichte lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück. Der Anfang ist mir zu zäh, der Mittelteil hat mich amüsiert und den Schluss hab' ich nicht begriffen.

Erstmal zum Anfang: Ich finde die Szene mit der Briefträgerin überflüssig, denn die zieht den ersten Teil mMn unnötig in die Länge, zumal die Frau später gar nicht mehr auftaucht. Für mich geht die Geschichte erst ab:"Der Bach trennt unser Grundstück ..." los. Auch hat mich gewundert, dass die Briefträgerin über die Brücke "geht". Ist sie nicht mit dem Fahrrad unterwegs?

Mit dem Auftritt der zukünftigen Nachbarn nimmt die Story dann an Fahrt auf. Du hast die beiden mit wenigen Worten gut charakterisiert, und ich dachte sofort: Na, das kann ja heiter werden. Wurde es dann ja auch.
Der Satz:" Die beiden sind nicht meine Wunschnachbarn" kann mMn raus, das ist zu dem Zeitpunkt schon mehr als klar. Auch, wie schön der Winter ist, und dass der Prot Weihnachten feiert, finde ich überflüssig und zieht den Text bloß in die Länge.

Den Mittelteil finde ich ziemlich gut gelungen. Allein schon der herrliche Kontrast zwischen der Mülldeponie und dem protzigen "Palast", den der neue Nachbar unwissenderweise auf selbiger bauen lässt, hat mich schmunzeln lassen. Von dem Zeitpunkt an driftet das Ganze langsam ins Absurde ab, was durch die Gedanken des Prot noch zusätzlich verstärkt wird. ( " Ein Gag des Hausherrn?")
Schön beschrieben, wie das Gebäude einstürzt, die Vorhänge brennen und der Prot sich dann mal zum Buffet aufmacht. Das ist für mich der Höhepunkt der Geschichte, das Absurde wird auf die Spitze getrieben. Hat mir gut gefallen.

Mit dem Ende konnte ich dann wieder gar nichts anfangen. Ist er jetzt tot? Aber wie kann er dann die Geschichte erzählen? Auch, dass der Nachbar sich erschießt, scheint mir ein bisschen zu gewollt.

Insgesamt hat mich die Geschichte zum Schmunzeln gebracht, aber ich denke, sie würde ihre Wirkung besser entfalten, wenn der Einstieg schneller wäre und einige Nebensächlichkeiten, die sie an manchen Stellen unnötig in die Länge ziehen, rausfliegen würden.

Viele liebe Grüße von Chai

 

Hola Chai, hola Bas,

meine ausführliche Antwort kommt noch – nur mal ganz auf die Schnelle: Vielen Dank für’s Augenöffnen! Ich war – blind wie ich bin – davon ausgegangen, dass die Leser wissen, was ich weiß:D: Die Deponie ist geglättet worden, aber nicht verdichtet. Die Hohlräume blieben. Ein solcher Untergrund trägt keinen Palast, er gibt nach. Hundertfünfzig mazurka-stampfende Füße im gleichen Rhythmus geben ihm den Rest.
Ich dachte, das deutlich gemacht zu haben:

Dazwischen Betonplatten abgerissener Brücken, wild übereinandergetürmt mit Hohlräumen für Fuchs, Dachs und Co.
„ ...Allerdings sehe ich die Betonplatte mit gemischten Gef ...“ „Ach was“, unterbricht er mich, „alles bestes Material, Portlandzement vom feinsten...“
„Nein, was ich sagen will, ist ...“
„Da machen Sie sich mal keine Sorgen,...“
Ich behalte meine Bedenken wegen der Hohlräume für mich und sage ...
Höflich zu sein fällt mir nicht schwer – meine Einwände kämen sowieso zu spät.
Tja, dachte ich. Es funktioniert bei Euch beiden nicht – und wohl auch nicht bei anderen Lesern.
Den Anfang habe ich sofort eliminiert. Zwar war ich der Meinung, auf diese Weise den Leser langsam nach Ungarn lenken zu können, aber es ist doch zu langatmig (gewesen).
Und für das Ende stelle ich heute Abend die ursprüngliche Version wieder ein – da hatte ich wohl etwas verschlimmbessert.
Tut mir leid, meine Lieben, dass die Sache holpert, aber ich hab schon den Werkzeugkasten in der Hand. Bis bald!

José

 

Hallo José,

auch ich stehe deiner neuen Geschichte etwas zwiespältig gegenüber. Der Anfang klingt für mich wie selbst erlebt. Liege ich damit richtig? So was ist natürlich prinzipiell egal und kein Problem - außer, wenn man es der Geschichte anmerkt. Denn falls ich richtig läge, würde das erklären, warum etwa zwei Drittel des Textes sehr zahm daherkommen. Ich hatte schon im Geiste einen Komm des Inhalts vorformuliert, dass mir für eine Satire die Überhöhung fehlte. Die kam dann doch noch, wenngleich verspätet, zunächst zwar nur in Bezug auf die Gestaltung des nachbarlichen Anwesens, aber dann - endlich! - in einem furiosen Schlussabschnitt, in dem der Schandfleck in Flammen auf- und in Trümmern untergeht und in dem du auch erst so bissig schreibst, wie ich mir eine Satire vorstelle. Wenn meine obige Spekulation stimmt, dann geht es also erst an der Stelle richtig los, wo der Tatsachenbericht endet und die Fiktion beginnt - wo du die Ketten der Realität abwirfst und endlich befreit aufschreibst. Falls ich allerdings falsch liege, habe ich keine Ahnung, warum die Geschichte so verläuft, warum sie so seltsam zweigeteilt ist. In jedem Fall würde ich mir wünschen, dass schon wesentlich früher - gerne weiterhin mit einem in falscher Ruhe wiegenden Einstieg - die Post abgeht.

Der allerletzte Schluss - die Kugel und was sie anrichtet - kommt mir allerdings noch einmal ... mir fehlt das richtige Wort ... irgendwie schwach vor. Nicht von der Handlung her, denn das ist natürlich ein Knalleffekt im Wortsinne. Eher, als hätte es sich der Autor ein bisschen zu leicht gemacht, als wäre ihm kein ungewöhnlicherer Abschluss eingefallen, der dem Handlungsverlauf bis dorthin angemessen wäre. Oder als hätte er dem nervigen Nachbarn - so dieser denn real ist - den Tod einfach zu sehr gewünscht. Ich hüte mich wohlgemerkt davor, einem Autor etwas unterstellen zu wollen; wie auch das Obige ist das nur der Eindruck, den die Geschichte bei mir hinterlässt.

Bitte nicht falsch verstehen, dies ist kein schlechter Text! Sprachlich ohnehin auf höchstem Niveau und zudem mit feinen Details gespickt, wie wir es von dir gewohnt sind. Aber es ist eben der Fluch guter Autoren, dass sie an eigenen früheren Leistungen gemessen werden - und da haben mich andere Texte von dir mehr begeistert.

Ein paar winzige Textstellen gab es noch, die muss ich noch einmal mit der Lupe suchen. Augenblick ...

Ein großes Plakat verkündet nun ‚Eladó – for sale’.
Vielleicht einen Doppelpunkt nach "nun"?

Allerdings sehe ich die Betonplatte mit gemischten Gef ...“
Hier müssten gemäß Friedel's Rule die Auslassungspunkte ohne Leerschritt anschließen.

Ich behalte meine Bedenken wegen der Hohlräume für mich und sage zurückhaltend: „Wir bringen auch Brot und Salz mit“.
Der Punkt will mit in die Anführungsstriche.

Portlandzement vom feinsten
"Feinsten" groß.

Ab Mai wird es auf der Baustelle zunehmend leiser
"Zunehmend leiser" klingt etwas widersinnig, denn das Geräusch nimmt ja ab und nicht zu, wenn es leiser wird. Nicht falsch, aber es hakelt etwas.

Zu viel Gold, orientalische Bögen, Bordüren, Kapitälchen, weiße Säulen.
Kapitellchen?

wir schaudern gemeinsam beim Anblick der gigantischen Gestecke aus Kunstblumen und ihren echten Vorbildern.
Wir schaudern bei (...) ihren Vorbildern?
Oder: Wir schaudern beim Anblick (...) ihrer Vorbilder?
Oder sind es gemischte Gestecke aus Kunstblumen und deren echten Vorbildern?

Gemecker auf dem vielzitierten hohen Niveau, bei den meisten anderen wäre ich ja gar nicht so weit gekommen.

Grüße vom Holg ...


PS: Da ich schon deine Antwort auf die ersten Kommentare lese: Bei mir war das mit den Hohlräumen klar und deutlich angekommen. Und auf das ursprüngliche Ende bin ich sehr gespannt.

 

Hallo José,

Huch, schon wieder dieser trockene, bitterböse Humor!

Deine Geschichte schraubt sich so richtig schön aus einer friedlichen Idylle zum absurden Supercrash hoch.

Die Mülldeponie wird gebraucht, klar, um die Hohlräume zu erklären, aber der Teil könnte für mein Gefühl etwas gestrafft werden. Der neue Nachbar und seine Frau dürften dafür gern noch eine Spur protziger im Auftreten sein, dann ist die Schadenfreude größer. :baddevil:

Eigentlich finde ich dieses coole, ungerührte Auftreten deines Pärchens klasse, deshalb war es schade, dass zumindest er am Ende noch mit in den Abgrund gerissen wird. Ich hätte den beiden ein ruhiges Leben gewünscht, in dem sie dabei zusehen können, wie sich die Natur die Brache Stück für Stück zurückholt.

Hat mich sehr unterhalte, der Text!

Viele Grüße

Willi

 

Hola hermano!

Also ich fand die Geschichte kurzweilig und habe sie gerne gelesen. Das mit den Hohlräumen fand ich jetzt nicht verwirrend oder missverständlich - im Gegenteil: schön, wie du den Bogen zurück zu diesen Baumängeln schlagen konntest. Das nennt man im Film wohl das klassische "planting".

Aber der Reihe nach:

Ich will Chai Recht geben - das mit der Briefträgerin ist eine nette, aber unterm Strich "relativ" unnötige nostalgische Einlage. Der krasse Wechsel zwischen Anachronismus und Neuzeit wird auch durch die übrigen Details gut und plastisch dargestellt. Diese Episode könntest du abkürzen - aber wer kürzt schon gerne sein Werk?!;)

Die Landschaftsbeschreibungen - insbesondere der brutal Wechsel und die Verstümmelung der Brache und des Flüsschens - sind dir dann wieder sehr schön plastisch und liebevoll gelungen. Insbesondere nach dem Hinweis, dass man die Natur erstmal komplett ruiniert, bevor man sie dann abstößt und verkauft, ist echt so typisch menschlich, dass ich am liebsten ausgespuckt hätte! Gut gemacht - so muss das!

Viktor ist ganz gut gezeichnet -was ich nicht ganz verstanden habe, ist, ob es sich bei dem Haus um ein Hotel, Ferienresort oder seinen privaten Prachtbau gehandelt hat. Ich vermute mal, um eine Kapitalanlage oder ein Hotel - andernfalls würde sein Selbstmord keinen Sinn machen, wenn's jetzt "nur" seine eigene Bude gewesen wäre.

Dein Prot ist in der Tat ein schön cooler, trockener Typ, wie Willi das auch bemerkt hat. Ich fands ziemlich lässig, wie er sich den Sprinklerregen abwischt und dann locker das Buffet abräumt - hatte ein bisschen was von Tarantino, finde ich!:thumbsup:

Ach so - einen weiteren Kritikpunkt habe ich noch: du benutzt einen Hauch zu viele Folklore-Ausdrücke und fremdsprachliche Elemente. Ich bin der ungarischen Sprache nicht mächtig und daher konnte/musste ich mir die Begriffe aus dem Kontext erschließen. Das hast du zwar leicht verständlich und geschickt plaziert, dass man immer verstehen konnte, was jetzt womit gemeint ist, aber trotzdem fand ich's too much. Stellenweise wirkte das dann irgendwie ... unecht, so im Sinne von Effekt um des Effekts willen. Weniger hätte ich besser gefunden.

Das zynische Ende mit dem Schuss durch die Ohren und dem Kopfschuss fand ich dann wiederum ganz witzig - überraschend, lapidar und passend zum gesamten Tenor der Erzählung.

Insgesamt habe ich die Geschichte gerne gelesen und mir hat sie gefallen.

Grüße vom EISENMANN

 
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Hola The Incredible Holg, hola Bas zum zweiten!

Jetzt habe ich das Maul doch ein bisschen voll genommen:

Und für das Ende stelle ich heute Abend die ursprüngliche Version wieder ein.
Das war meine ehrliche Absicht (ein bronzener Elefant rutscht vom schrägen Kaminsims und fällt dem Prot aufs Haupt, es wird ziemlich dunkel:shy:).
Aber nun sagt Ihr beiden:
The Incredible Holg: schrieb:
Und auf das ursprüngliche Ende bin ich sehr gespannt.
Bas: schrieb:
Mit dem "Ende, das ich mir nicht erklären kann" meinte ich lediglich den Schuss, ...

Oh, oh, José – jetzt kriegen sie dich an die Hammelbeine! Bin mir nicht mehr so sicher, ob Euch die ursprüngliche Version überzeugen kann. Ich muss das noch mal aufdröseln, heute Abend krieg ich’s nicht mehr hin. Bitte um eine letzte Frist.

Bin total im Stress.
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Es wird immer bunter. Jetzt kommt noch ein Vorschlag von Bas und Willi:

Bas: schrieb:
... der Erzähler von seiner Veranda aus dabei zusieht, wie der rechtmäßige Besitzer, die Natur, die Brache zurückerobert.
Willi: schrieb:
Ich hätte den beiden ein ruhiges Leben gewünscht, in dem sie dabei zusehen können, wie sich die Natur die Brache Stück für Stück zurückholt.
Ich finde, dieses Ende ist wesentlich besser als meine „ursprüngliche Version“ – und wir lassen den Prot am Leben!
Besten Dank, tapfere Krieger – auf diese Weise soll die Geschichte zu Ende gehen!
Ich kümmere mich drum.

 

Hey José,

witzig, gestern schon habe ich deine Geschichte gelesen und die ganze Zeit gedacht, warum dieses Ende? Wäre doch schöner, er würde über die Bauwüste streifen und ein paar Lupinensamen ausstreuen. Und jetzt lese ich:

Zitat von Bas:
... der Erzähler von seiner Veranda aus dabei zusieht, wie der rechtmäßige Besitzer, die Natur, die Brache zurückerobert.
Ich finde, dieses Ende ist wesentlich besser als meine „ursprüngliche Version“ – und wir lassen den Prot am Leben!

Sehr gut!

Aber von vorn. Mir hat der Text sehr gut gefallen. Auch die Postbotin am Anfang. Wenn ich die Postbotin mit Namen kenne, weiß ich sofort in was für einer Gegend ich mich befinde. Also nicht geographisch, eher so ländlich allgemein. Nettes Dörflein eben. Ich weiß nicht mal, wie meine aussieht. Da war ich schon mit Dir irgendwo, wo alles irgendwie noch richtig zu sein scheint. Nun ist sie fort, es fehlt der Geschichte auch nichts, ich wollt nur sagen, ich fands nett, ich bin mit der Post ganz gut in die Story gekommen.

Der Bach trennt unser Grundstück von der Brache nebenan. Als wir das Anwesen kauften, hat er uns gleich begeistert.

Hier bin ich gestolpert. Er - die Brache ist doch weiblich, es muss doch sie heißen? Das musste ich erst mal sortieren, bis ich darauf kam, ah - den Bach meint er. Du musst das drehen. Man nimmt immer Bezug auf das, was als letztes im Kopf ist, der Bach muss hinter die Brache im Satz.

Auch die Brache war uns willkommen.

Und überhaupt habe ich mich dem Text sehr verbunden gefühlt. Wir hatten nämlich auch 10 Jahre lang eine Brache vor dem Grundstück und jetzt bauen sie dort einen Gereatriekomplex hin. :)

Eine Anzeige wäre bedauernswerte Naivität; wir leben schon länger im Land.

Durch die fehlende Postbotin, weiß man nicht mehr, in welchem.

Bald darauf ruiniert Miklos auch den Bach. Genial deklariert als förderungswürdiger Katastrophenschutz lässt er, gedeckt durch seine Duzfreunde in der Verwaltung, das Bachbett begradigen und mit Betonplatten auskleiden. Jetzt fließt der Bach doppelt so schnell – fast so schnell wie das Geld aus Brüssel.

Sehr hübsch traurig.

Ein paar der gigantischen Akazien, Erlen und Weiden auf der anderen Seite müssten dem neuen schnurgeraden Bachverlauf weichen, aber sie fällen alle. Einer der Bachretter ist Holzhändler.

Das auch.

Viktor ist es gelungen, die Sprinkleranlage abzustellen.

Aber es brennt doch?

Auf unerklärliche Weise kehrt im Haus eine neue Normalität ein. Es hat keinen Zweck, sich am Notausgang zu drängeln, wenn das Buffet trotz Wasserschäden noch manche Leckerei bereithält. An den schrägen Boden hat man sich schnell gewöhnt, und nicht alles ist vom Tisch gerutscht.
Ich schau noch mal nach dem Hirschschinken, der war sehr gut, für Aggi ergattere ich Gänseleber in Blätterteig. Den aufgeweichten Teig ignorieren wir, die Gänseleber ist köstlich.

Aber der Rauch! Irgendwie will mir ein Brand nicht passen. Da kann man nicht im Haus bleiben und Pastete naschen. Ansonsten sehr, sehr feiner Humor. Gefällt!

Ja, jetzt noch ein paar Lupinen und Birken wachsen sehen und das Ding ist rund wie ein Ball.

Satire ist nicht so einfach, wenn es auch noch eine richtige Geschichte sein soll. Klar, mehr Satire geht immer, meist aber auch auf Kosten der Geschichte. Ich finde, es ist dir hier gut gelungen, feinen, schwarzen Humor dezent einzuflechten. Ich mag die Story voll gern. Und sehr fein sprachlich in Szene gesetzt. Muss auch noch gelobt werden.

Vielen Dank für die wirklich gelungene Unterhaltung,
mit besten Grüße, Fliege

 

Buenos dias Jose,

um die Hohlräume ging es mir nicht. Das kam schon gut raus, dass da was nicht stimmte, schließlich hat der Erzähler ja noch versucht, den Nachbarn zu warnen, nur hat der gar nicht zugehört.
Mir ging es lediglich um ein paar Längen, die den Text für mich persönlich etwas unrund gemacht haben. Aber schön, dass Du mit meiner Kritik was anfangen konntest.

Hab' 'nen schönen Tag!

Chai

 
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Lieber joséfelipe

ich finde es immer vergnüglich, deine Texte zu lesen, auch wenn sie mich auf kleine Umwege mitnehmen. Mir gefallen die versteckten politisch-sozialen Seitenhiebe. Auch hatte ich keine Schwierigkeit, das Land, in dem deine Protas leben, anhand des schönen Liederpotpourris zu entschlüsseln.

Mich beschäftigt vor allem die Frage, ob es dir auch um satirische Abrechnung mit der Integration nichtmuslimischer Einwanderer in das schöne EU-Land geht.

Das Paar hat Probleme wegen der neuen Nachbarn. Beileibe nicht nur wegen der verhunzten Natur, sondern auch wegen befürchteter Ruhestörung. Überhaupt wegen der Einbuße, die sie in ihrem kleinen Paradies erleiden müssten.
Dennoch äußern sie ihre Vorbehalte nur dezent und schließlich arrangieren sie sich, lassen sich (vor allem der Mann) einwickeln. Ihre Kritik beschränkt sich schließlich auf den miserablen architektonischen Geschmack des Nachbarn. Zuletzt halten sie sich, wie die anderen, schamlos schadlos am üppigen Büffet.

So gesehen scheint mir der tödliche Sch(l)uss durch den Querschläger ganz plausibel und äußerst gerecht vom lieben Gott. Vielleicht treffen sich ja die Nachbarn im Fegefeuer, welches ich ganz nahe unter den Hohlräumen vermute.

Wahrscheinlich bin ich die Einzige, die das so sieht. Hat aber Spaß gemacht.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 
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Hola Chai,

ich freue mich immer, (einen) Post von Dir zu bekommen. Diesmal allerdings mit (für mich) betrüblichem Inhalt:

Der Anfang ist mir zu zäh, ... ... und den Schluss hab' ich nicht begriffen.
Ja – der Anfang. Hast recht. Die mir anhaftende Geschwätzigkeit habe ich schon ans Dressurband gelegt, aber manchmal trickst sie mich aus.
Hatte den ersten Abschnitt deswegen total entfernt, fand dann aber die Sowohl-als-auch-Lösung, weil so die Leser Klarheit haben, in welchem Land die Geschichte spielt.
Auch hat mich gewundert, dass die Briefträgerin über die Brücke "geht". Ist sie nicht mit dem Fahrrad unterwegs?
Hier läuft die Postzustellung auf Schusters Rappen; ein Fahrrad fände ich auch vernünftiger.
Und der Schluss? Hab ich bisschen geändert. Auf diese Weise bleibt der Prot am Leben, ihm schwinden nur die Sinne.
Der Satz:" Die beiden sind nicht meine Wunschnachbarn" kann mMn raus, ...
Da höre ich auf Chai – ist raus.
Auch, wie schön der Winter ist, und dass der Prot Weihnachten feiert, finde ich überflüssig und zieht den Text bloß in die Länge.
Stimmt. Ist aber nur eine Zeile, und weil ich chronologisch erzählen will, ist sie mMn ev. einigen Lesern hilfreich, der Handlung zu folgen.
Mit dem Ende konnte ich dann wieder gar nichts anfangen. Ist er jetzt tot? Aber wie kann er dann die Geschichte erzählen?
Jetzt, beim aktuellen Ende (es gibt ja Vorschläge, die Brache der Natur zurückzugeben), lebt er noch – muss nur mal schnell zum Zahnarzt. Dass Tote nicht von ihrem Tod berichten sollten, es bei Satire dennoch tun, hatten wir bei der Puten-Geschichte ‚Ich bin Zyna’:shy:.
Auch, dass der Nachbar sich erschießt, scheint mir ein bisschen zu gewollt.
Sein Problem ist, Ungar zu sein. Wo ein Bundesdeutscher sagt ‚Drauf geschissen!’, bastelt der an einer Tragödie (Als die ‚Westautos’ hiesige Straßen eroberten, gab es Unmengen Tote, weil die ungewohnten PS-Stärken zu wahnwitzigen Rennen führten, zu Überholmanövern, die vor der nächsten Kurve noch lange nicht abgeschlossen waren). Aber zurück zum Text: Ich könnte mir schon vorstellen, dass ein erfolgreicher Mann bei einer solchen Katastrophe und Blamage durchdreht. Denken wir an Milliardär Merckle:D!
Aber nichtsdestoweniger – mit dem Mittelteil bist Du zurechtgekommen:
Den Mittelteil finde ich ziemlich gut gelungen.
Ach ja, da hat das Schreiben Spaß gemacht. Ist doch schön, böse Gedanken zu haben und die wenigstens schriftlich wahr werden zu lassen.
Liebe Chai, besten Dank für Komm und Tipps. Viele Grüße nach Goa.

José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Bas,

besten Dank für Deinen Kommentar. Und für die darin enthaltene Beurteilung vieler meiner Beiträge:

Bas: schrieb:
... du schüttelst Geschichtenschreiber wach, die in deinen Augen Potential verschwenden, manchmal erweckst du beinahe den Eindruck, dich persönlich angegriffen zu fühlen, wenn jemand dir etwas vor die Füße wirft, was noch ein paar Tage in der Schublade vertragen hätte, um glänzen zu können.
Tja, da hab ich’s schwer mit mir. Bin deshalb von bernadette schon kräftig abgewatscht worden.
Dabei geht es mir nicht um Literatur, weil ich auf diesem Gebiet eher zu den Ahnungslosen gehöre, sondern um die Art einiger (weniger) Mitglieder, einen Text einzustellen – oft mit einem Rutsch runtergeschrieben und dann nicht oder nicht sorgfältig genug überarbeitet, Motto: Mal seh’n, wie’s ankommt. Und da man einem Text sehr wohl anmerkt, wie viel Aufwand der Autor betrieben hat, macht mich mancher Fastfood-ähnliche Text sauer.
Lustig, dass es auch Dich getroffen hat:
Bas: schrieb:
Und ich finde das prima. Ich wollte mich am liebsten selbst in meiner Schublade verkriechen, als ich eine solche Geschichte mal auf das Forum losgelassen habe und du meinen Weg gekreuzt hast. Im Endeffekt hast du mich damit unheimlich angespornt.
Selten, dass ein Mensch meines Alters noch etwas Gutes tun darf:bib:.
Mit deiner "Brache am Bach" versetzt du mich in eine Idylle, die dann nach und nach plattgewalzt wird. Die Welt ist im ständigen Wandel und der Erzähler scheint das zu akzeptieren, auch wenn es ihm nicht gefällt.
‚Scheint zu akzeptieren’? Er muss wohl, wie Du und ich auch. Bald steigen die ersten Raketen mit Weltraumtouristen auf – es wird alles zu Geld gemacht, die Folgen spielen keine Rolle. So gesehen ist da ein Körnchen Philosophie enthalten. Und wir sind eh einer Meinung:
Bas: schrieb:
Vielleicht ist sie einfach zu nah am Leben und der Träumer in mir will nicht akzeptieren, dass die Welt so ist.
Bas: schrieb:
Und vielleicht ging es dem Autor ähnlich, anders kann ich mir das Ende nicht erklären. Mir persönlich hätte es besser gefallen, wenn der Palast in sich zusammengefallen wäre, die Anwohner sich wieder verzogen hätten und der Erzähler von seiner Veranda aus dabei zusieht, wie der rechtmäßige Besitzer, die Natur, die Brache zurückerobert.
Du bist Allende-Leser (El Palacio Imaginado). Prima Idee, doch das wäre dann leider von mir geklaut ;). Andere haben dieses Ende auch vorgeschlagen (@Willi, Fliege), und mir gefällt das ebenfalls. Auf jeden Fall werde ich das ausprobieren, befürchte allerdings, dass ein Ende mit Knall vielen besser gefällt als eine beinahe philosophische Nachbetrachtung – obwohl in wenigen Jahren auf der Brache ein Akazienwald stehen würde. Die wachsen hier wie Unkraut.
Summa summarum:
Bas: schrieb:
Denn so, wie die Geschichte jetzt ist, löst sie nicht viel in mir aus.
Das ist sehr schade, doch hier schließt sich der Kreis:
Bas: schrieb:
Im Endeffekt hast du mich damit unheimlich angespornt.
Das tust Du jetzt auch mit mir. Also schnitzen wir weiter an unseren ‚Werken’:)!

Lieber Bas, beste Grüße aus dem Land der Akazien! Sollten sich wegen der Klimaveränderung schon die ersten in Deinen Garten schleichen wollen – mach ihnen den Garaus!

José

 

Hola The Incredible Holg,

danke bestens für Deinen Kommentar! Und ich staune über Deinen Scharfsinn:

Der Anfang klingt für mich wie selbst erlebt. Liege ich damit richtig?
Jein. Die Postbotin gibt es selbstverständlich, die Brache und den Bach neben unserem Grundstück auch. Und immer, wenn ich für den Weltfrieden bete, dann auch dafür, dass die Brache brach bleiben möge.
Denn falls ich richtig läge, würde das erklären, warum etwa zwei Drittel des Textes sehr zahm daherkommen.
Sehr zahm wegen des Satire-tags? Oder einfach nur langweilig?
Den tag Satire habe ich benutzt, weil das Finale doch etwas unüblich ist – aus meiner Sicht.
The Incredible Holg: schrieb:
In jedem Fall würde ich mir wünschen, dass schon wesentlich früher - gerne weiterhin mit einem in falscher Ruhe wiegenden Einstieg - die Post abgeht.
Tja, da hab ich wohl zu lange gezögert / falsch kalkuliert. Ich dachte, ich müsse erst mal die Vorbereitungen treffen, damit das Haus auseinanderbrechen kann (Hohlräume, viel Gewicht, z.B. marmorne Bäder etc., hundertfünfzig rhythmisch stampfende Füße (300?:shy:). Hatte befürchtet, dass ein statisch bewanderter Kommentator mir erklärt, dass trotz allem ein solches Haus nicht so mir nichts, dir nichts bricht. Aber mit ‚Satire’ könnte ich mich fein herausreden.
Der allerletzte Schluss - die Kugel und was sie anrichtet - kommt mir allerdings noch einmal... irgendwie schwach vor.
... als hätte es sich der Autor ein bisschen zu leicht gemacht, als wäre ihm kein ungewöhnlicherer Abschluss eingefallen, der dem Handlungsverlauf bis dorthin angemessen wäre.
Der leidige Schluss. Damit hab ich oft Schwierigkeiten. Erst ist der Prot vor den Kamin gerutscht und der Bronzeelefant vom schrägen Sims hat ihn erschlagen; da aber brennende Bohlen aus dem Kamin schlitterten, kam das nicht mehr in Frage. Auch andere Varianten fand ich nicht wirklich überzeugend.
Und auf das ursprüngliche Ende bin ich sehr gespannt.
Das kann ich deswegen leider nicht mehr liefern. Vielleicht kriegt ein Kieferorthopäde das wieder geflickt und der Prot schaut zu, wie die Brache schöner als je zuvor unter der Regie der Natur entsteht. Und von Experten konzipierte Betonkanäle sind auch schon in Deutschland durch „Rückbau“ renaturalisiert worden:D. Das würde noch einmal frisches Geld aus Brüssel bedeuten:D.
Oder als hätte er dem nervigen Nachbarn - so dieser denn real ist - den Tod einfach zu sehr gewünscht.
Der ist Gott sei Dank nicht real. Gott sei Dank deshalb, weil ich es nicht beim Wünschen belassen hätte!!
Ich hüte mich wohlgemerkt davor, einem Autor etwas unterstellen zu wollen; ...
Bitte nicht falsch verstehen, ...
Mach ich so einen gereizten, beinahe unberechenbaren Eindruck? Oh, verstehe – ich hätte nicht vom Nachbar-Umbringen reden sollen.
... haben mich andere Texte von dir mehr begeistert.
Ich finde, dass ist eine klare Aussage. Es verhagelt mir keineswegs die Laune. Dem armen Eisenmann hab ich unlängst Ähnliches geschrieben:sad:. Ein kleiner Dämpfer ist die beste Motivation für den nächsten Text. Dafür, lieber Holg, danke ich Dir, denn Dein Urteil ist stets ab- und ausgewogen.
Die von Dir zitierten Unzulänglichkeiten habe ich ‚eliminiert’, z.B.:
Kapitälchen,
Kapitellchen?
Peinlich, peinlich.

Unglaublicher – nochmals Dankeschön und prima Badewetter!
José

 
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Hola Willi,

danke für Deine netten Zeilen.

Huch, schon wieder dieser trockene, bitterböse Humor!
A bisserl a Spaß muss scho sei.
Deine Geschichte schraubt sich so richtig schön aus einer friedlichen Idylle zum absurden Supercrash hoch.
Den Bach und die Brache hab ich tatsächlich neben meinem Grundstück, und der Bach ist wie beschrieben vergewaltigt worden – ‚sinnlose Landschaftsschändung’ wäre treffender gesagt als ‚Katastrophenschutz’. Aber es ging um viel Geld, und dann passt es schon.
Ich hatte ‚meinen Bach’ mit Findlingen und kleinen Wehren bestückt, nicht nur, weil’s so schön plätschert, sondern um die Fließgeschwindigkeit zu mindern – vorher kam der nach sehr starkem Regen schon mal aus seinem (Bach)bett. Aber im neuen Kanal schießen die Wassermassen dahin, dass einem Angst und Bange wird. Doch sie haben’s für die Allgemeinheit getan:D.

Eigentlich finde ich dieses coole, ungerührte Auftreten deines Pärchens klasse, deshalb war es schade, dass zumindest er am Ende noch mit in den Abgrund gerissen wird.
Das sehe ich auch so. Ich hab sein Schicksal bisschen beeinflusst: Er überlebt und die Geschichte (ist in Arbeit) geht so zu Ende, wie Du es Dir (und einige andere Kommentatoren) wünschst:
Ich hätte den beiden ein ruhiges Leben gewünscht, in dem sie dabei zusehen können, wie sich die Natur die Brache Stück für Stück zurückholt.
Ist das ein Deal?

Beste Grüße von
José
PS: Ich hab das neue Ende angefügt.

 
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Hola Hermanito! (Soy el más viejo:))

Freut mich sehr, dass Du mit meinem Text zurechtgekommen bist. Das klebe ich mir an den Kühlschrank:

... ich fand die Geschichte kurzweilig und habe sie gerne gelesen.
Und das nach allem, was ich Dir angetan habe?!
Ich will @Chai Recht geben - das mit der Briefträgerin ist eine nette, aber unterm Strich "relativ" unnötige nostalgische Einlage. Der krasse Wechsel zwischen Anachronismus und Neuzeit wird auch durch die übrigen Details gut und plastisch dargestellt. Diese Episode könntest du abkürzen - aber wer kürzt schon gerne sein Werk?!
Ich!
Gute Ratschläge sind immer willkommen. Nach dem Einstellen war ich selbst (fast) erschrocken, dass ich den Anfang wie eine Erzählung begonnen hatte. Hab’s reduziert – nur noch so viel, dass der Leser weiß, wo sich die Geschichte abspielt.
Insbesondere nach dem Hinweis, dass man die Natur erstmal komplett ruiniert, bevor man sie dann abstößt und verkauft, ist echt so typisch menschlich, dass ich am liebsten ausgespuckt hätte!
Da hast Du meine ganze Sympathie. Dieser grasgrüne, vermutlich unreife Apfel aus dem kümmerlichen Garten Eden (die hatten noch nicht mal einen ordentlichen Zaun, keine Rabatten, Buchsspiralen, kein nix) war es nicht – es ist das Geld, was unsere eigentlich vorhandene Würde frisst (Ich hab gut schwätzen. Bei wie vielen Millionen kippe ich um?).
... was ich nicht ganz verstanden habe, ist, ob es sich bei dem Haus um ein Hotel, Ferienresort oder seinen privaten Prachtbau gehandelt hat. Ich vermute mal, um eine Kapitalanlage oder ein Hotel - andernfalls würde sein Selbstmord keinen Sinn machen, wenn's jetzt "nur" seine eigene Bude gewesen wäre.
Ich hab mir das so gedacht, dass er seinen geschäftlichen Erfolg mit diesem ‚Pracht’bau betonieren wollte – Kapitalanlage eingeschlossen. Hierzulande ließen und lassen sich viele Großagrarier und Oligarchen Mausoleen errichten – mit oder ohne Schießscharten (habe ich meinem Text erst heute zugefügt, auch das Ende ist verändert) oder in Form von Fußballstadien jottwédé wie unser europäischer Bruder Viktor Orbán.
... du benutzt einen Hauch zu viele Folklore-Ausdrücke und fremdsprachliche Elemente.
Ja, ich kenne die Gefahr, den Leser durch so etwas zum Gaffer zu machen. Bin immer bestrebt, kein Fremdwort oder Wort einer anderen Sprache zu benutzen. (Mein Lehrstück war ‚Kopstoot’ – da wusste auch keiner was mit anzufangen. Aber Du und ich wissen natürlich, dass ‚Kopfstoß’ ein lecker Pilsje und ’ne jonge Genever ist:shy:.)
Hab mich dann noch vergewissern wollen, ob das so schlimm ist mit den ungarischen Einsprengseln: Da ist der Mini-Dialog, um klarzustellen: Marikka ist Ungarn – so wie Eisenmann Deutschland ist.
‚Eladó – for sale`? Just Lokalkolorit. Und Englisch macht sich immer gut.
... Kellerei in Villany ...
Unwesentlich zum Verständnis der Geschichte. Trotzdem möchte ich Dir diesen Namen ans Herz legen, denn ich habe unser letztes Geplänkel noch im Kopf. Du solltest wissen, dass von dort Ungarns bester Rotwein kommt. Die haben schon vor hundert Jahren die Hautevolee in Berlin beliefert. (Den Tokajer habe ich vorsätzlich verschwiegen.)
Palinka? Hmm – eigentlich hast Du recht – es häuft sich: Primas, Mazurka ...
Manchmal braucht es ewig, bis mich eine Kritik erreicht. Jetzt ist sie aber angekommen.
Gracias, hermanito.
Eisenmann, wir sind durch. Hab Dank, ich fand Deine Fairness klasse – hättest ja auch böse zurückbombardieren können.
Ohne Dein Wissen hab ich bei Dir mit Laser einen Materialtest machen lassen: Die haben einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Edelstahl festgestellt.

Bleib rostfrei!
José

 

Hallo josefelipe,

ich fass mich kurz:

Der Titel holpert brutal in meinen Ohren: Diese zwei ähnlichen Worte mit den brachialen Gutturallauten so dicht nebeneinander!

Mir hätte gereicht "Die Brache". Punkt. Kurz und würdevoll.

Oder hättest die Satire schon im Titel beginnen lassen und noch einen ellenlangen ungarischen Ortsnamen hinzugefügt, um das Ganze komplett unaussprechlich zu machen ...

Musst nix ändern, musst mir nicht antworten.
Ich wollte nur was loswerden. ;)
Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo, lieber josefelipe,

ich muss es zugeben, mich stört der Titel auch. Ich lese nie Brache, also mit r, ich les immer Bache am Bach. Und jedes Mal muss ich lachen, weil vor meinem inneren Auge eine Widsaufamilie vorbeiparadiert. Ich glaub, das ändert sich aber auch nicht, wenn da nur noch "Die Brache" stünde, wie Anne vorschlägt. Das ist für mich gelaufen. :)
Ich finde Brache eh so ein komisches Wort.

Aber das kann dir eigentlich wurscht sein, weil nur blödsinnige, kleine Befindlichkeit. Und irgendwie hat der Name auch was für sich, er ist komisch, und deine Geschichte ist eigentlich durch und durch komisch. Ja, ich fand sie sehr unterhaltsam. Und mit dem neuen Ende gefällt sie mir noch viel viel besser als vorher. Und vor allem: Die Brache hat gewonnen. Da sieht mans mal wieder.


Ein paar Kleinigkeiten, die ich anmerken will:

Der Bach trennt unser Grundstück von der Brache nebenan. Als wir das Anwesen kauften, hat er uns gleich begeistert. Malerisch fließt er dahin unter dicken Weiden, ein Idyll wie auf einem Ölgemälde. Einen tollen Ausblick hat man von hier – Wälder, Felder und Seen bis zum Horizont.
Auch die Brache war uns willkommen.
Ich habs mal schwarz markiert. Weil die Brache (die macht mich echt fertig) am Ende des Satzes steht und danach ein PP folgt, will man das er, obwohl das Geschlecht nicht stimmt, trotzdem immer auf die Brache beziehen, weil die direkt davorsteht. Das ist eine Lesegewohnheit, nicht nur bei mir, das so zu sehen, und ein bisschen würde ich daran denken beim Schreiben. Ich würde es hier umstellen.

Beinahe täglich verändert sie sich, wie ein schneller Wechsel der Jahreszeiten. Grünüberwuchertes wird winterweiß durch zertrümmerte Kalksteine, herbstrot und bunt durch Terrazzoböden und Fassadenbruch. Dazwischen Betonplatten abgerissener Brücken, wild übereinandergetürmt mit Hohlräumen für Fuchs, Dachs und Co.
Das ist mal eine Stelle als Beispiel für viele. Ich liebe nämlich deine ausufernden, opulenten Beschreibungen. Hier hat das zudem so einen feinen Humor, weil die Brache sich ja wirklich wie ein Naturstückchen benimmt mit ihren Farbwechseln, obwohl diese durch Schutt zustandekommen. Die Brache ist Natur, das ist sie aber eigentlich nur durch den Menschen, weil er sie nicht bebauen will, wenn es sich lohnt, mutiert sie ganz schnell zur Schutthalde. Trotzdem besitzt die Brache in deiner Geschichte so ein witziges Eigenleben. Und das kommt u.a. an dieser Stelle hier zum Ausdruck. Deshalb - also wegen dieses Bracheneigenlebens (verflucht, ich träum heut Nacht von einer Brache) ist das neue Ende ja so wichtig.

Aber da gibts noch mehr Witziges. Wenn zum Beispiel das ganze Haus unter den Lasten zusammenkracht und die Möbel eines nach dem anderen Feuer fangen. Und er dann seiner Aggi auf den Trümmern ein köstliches Häppchen Gänseleber überreicht. Oder ihr ritterlich im Nassen den Mantel auf die triefende Frisur legt. Das hat schon alles im besten Sinne slapstick-Charakter mit einer Prise Ironie. So kommt der slapstick auch am besten. Und wenn dann noch ein Gramm Sozialkritik dabei ist, ist es vollends gewürzt.
Also du merkst es schon, ich fand es sehr amüsant und habe es genossen.


Viktor ist es gelungen, die Sprinkleranlage abzustellen. Unter anderen Vorzeichen, vielleicht bei einer Bademodenschau, wäre das im August ein Ulk gewesen. Heute Abend sehen es die Gäste anders. Fluchend und beleidigende Worte hinterlassend, quetschen sie sich über die schmale Kellertreppe ins Freie.
Naja, so ganz leuchtet mir das nicht ein, das mit dem Rauch hast du glücklicherweise gelöst, die können nicht unter den giftigen Gasen zusammenbrechen. Egal, ob das nun realistisch sein mag oder nicht, ich fand das gelungen, weil es ohnehin ein slapstick-Inferno ist. Aber dass das Feuer nur aus der Sprinkleranlage allein alles gelöscht haben soll, leuchtet mir wie gesagt trotzdem nicht ein. Ich würde es zwar so lassen, weil es hier ohnehin den völlig realistischen Boden verlässt, es aber eventuell ein bisschen stärker betonen, dass es so ist, indem man das kurz zeigt, wie alles nass überströmt da steht.

Inzwischen ist alles Brennbare zu Asche geworden, die Hälfte der Gäste hat es schon nach draußen geschafft.
Und das passt auch nicht zum Geschehen, weil in sich unlogisch. Dann müsste das Buffet ja mit verbrannt sein. Und der Tisch. und die Blätterteigpastete.

So entstand ein ausgedehntes Akazienwäldchen, in dem wir gern unsere Runden drehen.
Besonders zur Blütezeit. Da duftet es nach Honig.
Das neue Ende ist viel viel viel viel schöner als das alte. Da war die Geschichte gar nicht rund und fertig und gut mundend zusammengebunden, jetzt passt das viel besser. Und die gute alte Brache ist wieder zu ihrer grünen Schönheit zurückgekehrt. Sogar ein bisschen eleganter und mit Honigduft.

Wie gesagt, sehr gerne gelesen und ich fands auch einfach toll, wie du an der Geschichte gewerkelt hast. ich finde, es hat sich sehr gelohnt. In diesem Zusammenhang

Von der alten Geschichte ist nichts mehr zu sehen. Alles grünt, sprießt und gedeiht.
musste ich über diesen Satz sehr lachen. Absichtlich????


Viele Grüße von Novak, die sich gerade fragt, warum sie in ihrem Kommentar so viel ans Essen denken und die Geschichte sogar in Essenstermini beschreiben musste. An mir liegts nicht. :)

 

Hey Jose,

ja, so gefällt mir das Ende auch viel besser! Dass mit den Zähnen passt wunderbar zur restlichen Absurdität der Szene.

Eine Kleinigkeit noch. Du hast geschrieben: "Vorgestern aß ich mein ersten Steak." Muss es nicht "erstes" heißen?

Genieß' die Sommertage an Deiner Brache am Bach, oder Bache am Brach. Könnte man 'nen guten Zungenbrecher draus machen.

Hasta luego,

Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Fliege, wieselmaus, Novak, Anne49 und Chai,

widrige Umstände hatten mich für einige Tage aus dem Verkehr gezogen und ich konnte Euch deshalb leider noch nicht antworten. Doch ab heute bin ich wieder geschäftsfähig und in der Lage, Eure Kommentare zu beantworten. Mit Fliege fang ich an:

Hola Fliege,
das ist ja eine Überraschung! Freut mich sehr, auch weil ich Deine Idee fürs Ende beinahe buchstabengenau umgesetzt habe – wenn man den Unterschied zwischen Lupine und Akazie nicht übermäßig aufbauscht.
Und mit dem Rauch hast Du mir einen riesigen Schreck eingejagt. Hatte ich tatsächlich übersehen, war nur auf Feuer und Sprinkler fixiert. Aber als versierte Autorin hast Du einen Riecher für Unzulänglichkeiten im Text:cool:. Danke sehr!

Wenn ich die Postbotin mit Namen kenne, weiß ich sofort in was für einer Gegend ich mich befinde
.
Ja, so war es gedacht. Allerdings war ich ziemlich geschwätzig. Beim anschließenden Streichen wiederum zu rigoros. Jetzt hoffe ich, mit knappen Worten für eine Orientierung sorgen zu können – wie bei Dir:
... ich bin mit der Post ganz gut in die Story gekommen.
Josefelipe: schrieb:
Der Bach trennt unser Grundstück von der Brache nebenan. Als wir das Anwesen kauften, hat er uns gleich begeistert.
Hier bin ich gestolpert. Er - die Brache ist doch weiblich, es muss doch sie heißen? Das musste ich erst mal sortieren, bis ich darauf kam, ah - den Bach meint er. Du musst das drehen. Man nimmt immer Bezug auf das, was als letztes im Kopf ist, der Bach muss hinter die Brache im Satz.
Ja, stimmt. Ich habe den zweiten Satz gestrichen.
Josefelipe: schrieb:
Eine Anzeige wäre bedauernswerte Naivität; wir leben schon länger im Land.
Durch die fehlende Postbotin, weiß man nicht mehr, in welchem.
Das hat sich durch die zurückgekehrte Postbotin erledigt.
Josefelipe: schrieb:
Viktor ist es gelungen, die Sprinkleranlage abzustellen.
Aber es brennt doch?
Alles war so klatschnass wie der Erzähler und seine Frau, ich glaube, da brennt nix mehr. Außerdem war er das wohl seinen geladenen Gästen schuldig, es handelte sich um kaltes Wasser:D.
Aber der Rauch! Irgendwie will mir ein Brand nicht passen. Da kann man nicht im Haus bleiben und Pastete naschen.
Doch, jetzt schon. Wg. göttlicher Fügung bzw. meinen Manipulationen am Text:
Die Dachdecker verrichten ihre schwierige Arbeit, das Haus bekommt Kuppeln und einen Wachtturm wie aus der Tudor-Zeit, ...
... glühen und brennen bald lichterloh. Wie durch göttliche Fügung dient das Riesenloch, das der abstürzende Kronleuchter in die Decke gerissen hat, als exzellenter Rauchabzug, zumal der Tudor-Wachturm darüber wie ein Schlot wirkt. Vielleicht wären wir alle ohne diesen Trick der Vorsehung an Rauchvergiftung zugrunde gegangen.
Liebe Fliege, nochmals besten Dank für diesen Tipp!
Aus der mir in die Wiege gelegten Bescheidenheit heraus verzichte ich aufs Zitieren Deines Lobes, aber ich danke Dir dafür. Wenn jemand so lange im Geschäft ist wie Du, darf man dessen Urteil für bare Münze nehmen.

Meine besten Wünsche
José

 

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