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Die Beerdigung
Die Sonne brennt auf das kleine Dorf nieder, was das Zeug hält. Den Trauergästen in den schwarzen Kleidern fliest der Schweiss in Strömen von den Stirnen. Eigentlich wäre heute das ideale Wetter um im Freibad ein paar Runden zu schwimmen und sich anschliessend mit einerm grossen Eis abzukühlen. Aber knapp zweihundert Menschen haben darauf verzichtet und stehen jetzt auf dem ansehlichen Friedhof. Die meisten von ihnen versuchen einen Platz unter einer der grossen Eichen zu ergattern, die in regelmässige Abständen angepflanzt wurden und jetzt angenehmen Schatten verbreiten.
"Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Leute von Christian Abschied nehmen wollen," flüstert Angelika Schneider, meine langjährige Nachbarin, ihrem Mann zu. Sie hat recht! Ich bin angenehm überrascht, dass ich von meinen Bekannten nicht einfach so vergessen werde. Alle meine Freunde sind gekommen. Auch die, die nie welche waren, aber sich dafür hielten, stehen auf dem Bestattungsplatz und haben ihre traurigtsen Gesichter aufgesetzt. Auch die Fussballmannschaft, in der ich jahrelang gespielt habe ist mit dem Vorstand angetreten und hat sogar einen Kranz gestiftet. Mensch Jungs, das wäre aber nicht nötig gewesen. Ihr hättet doch auch ohne Grünzeug am Leichenschmauss teilnehmen dürfen. Aber egal, eine schöne Geste ist es allemal. Sogar die Feuerwehr und der Schützenverein sind mit Fahnenabordnungen anwesend und haben ebenfalls Blumengestecke mitgebracht. Das war wieder ein Bombengeschäft für meine Schwägerin, die gelernte Floristin ist und für die Leute im Dorf Gestecke, Kränze und Blumensträusse bindet. Ich sehe sie vor mir, wie sie sich die Hände reibt und hämisch grinst. Glücklicher hätte es wohl kaum für sie laufen können, erst beisst ihr Erzfeind ins Gras und dann schiebt sie durch seinen Tod noch die fette Kohle ein. Der Blitz soll ihr den Schädel beim Scheissen spalten!
Ah, da kommt sie ja. Sie muss natürlich vorne weg marschieren. Natürlich im Mittelpunkt stehen. Sie und meine Schwester haben je einen Arm meiner Mutter eingehakt, deren Anblick mir ein sehr mulmiges Gefühl beschert. Wie oft hat sie zu mir gesagt, das ich nicht so schnell mit dem Auto fahren soll. Wie immer hab ich ihre Mahnung lächelnd ignoriert, obwohl ich schon des öfteren erfahren habe, das ihre Ängste nicht unbegründet sind. Nun bin ich also Ehrengast auf meiner eigenen Beerdigung, das hab ich also davon!
Obwohl, was kann ich denn dafür, das diese Wildsau ausgerechnet dann über die Strasse laufen muss, wenn ich mit hundertfünfzig Sachen angebraust komme. Die Vollbremsung und das Ausweichmanöver endete dann leider an einem Baum und mein kraft- und saftvolles Leben war dahin. Leider!
Hinter den drei Frauen trotten mein bescheuerter Bruder und mein starker und erfolgreicher Erzeuger über den Schotterweg. Hätte mein Vater nicht immer ein Gesicht wie ein Bernardiner, könnte man meinen, er würde traurig dreinblicken. Aber irgendwie kann ich das nicht glauben. Wenn in der Holzkiste, die noch immer im Leichenschauhaus steht, sein Dackel liegen würde, könnte ihm das an die Nieren gehen. Aber der Tod seines ältesten Sohnes würde ihn bestimmt kalt lassen, wenn nicht die hohen Beerdigungskosten wären. Und wieviel er für die Entsorgung meines Unfallwagens hat hinblättern müssen, möchte ich jetzt gar nicht wissen.
Das war ja klar! Die zwei wichtigsten Menschen in meinem Leben, müssen natürlich hinter dem erlauchten Kreis meiner engsten Familienangehörigen hermarschieren. Den Gesichtern nach zu beurteilen, sind die Beiden wohl die einzigen die wirklich um mich trauern. So weh es mir auch tut, meine Grossmutter und meine Lebensgefährte weinen zu sehen, so schön ist aber auch, zu wissen, das ich wenigstens bei ihnen einen Platz im Herzen eingenommen habe. Ach Ja! Wie gern würde ich jetzt Ann- Kathrin in den Arm nehmen und ihr leise ins Ohr flüstern, das ich bei ihr zu Hause im Bett warte und das weisse durchsichtige Neglige für sie bereit gelegt habe. Was werde ich ohne der leckeren Sahnetorte meiner Grossmutter tun? Ich würde am liebsten mit den Zweien mitweinen, wenn ich könnte. Bisher habe ich immer geglaubt, das ich nichts vermisse werde, wenn ich mal ins Gras gebissen habe. Pfeifendeckel! Ok, an den fünf Vollidioten, für die die Bezeichnung Mensch noch eine Ehre sein sollte und die nun an der Spitze meines Trauermarsches traben, habe ich nicht viel verloren. Aber von wem soll ich denn jetzt die Liebe und Zuneigung bekommen, die mir Ann- Kathrin und meine Grossmutter gegeben haben? Wie geht es jetzt weiter mit mir? Gibt es dort, wo ich hinkomme Frauen, Liebe und Sahnetorten? Gibt es dort Fussballmannschaften, Feuerwehren und Schützenvereine. Kann man dort Bier trinkend und rüpselnd beisammen sitzen und dreckige Witze erzählen?Währen ich darüber nachdachte, hat der Gemeindepfarrer meinen Sarg gesegnet und die Männer der Bestattungsfirma bewegen den Wagen nun auf das Loch zu, das für meine Verderblichkeit ausgehoben wurde.
He, die Kumpel aus meiner Clique sind auch da! Mann,das finde ich Klasse. Es tut mir leid, das ich nicht auf die Fete letzten Samstag kommen konnte, aber mir ist ein Baum dazwischengekommen! Schlechter Scherz am Rande!
Oh gott! Was ist denn das für ein Lärm? Ach so, der Treffer Michl und seine Blasmusiker stimmen zum Trauermarsch an. Die Fahnenträger der Vereine senken ihre Banner und die Menschen ihre Köpfe. Langsam lassen nun die Männer in den grauen Uniformen den Sarg in die Grube. Ob das meinem Körper noch weh tut, wenn einer dieser Gurte reisst? Keine Ahnung. Ich weiss eigentlich gar nichts mehr. Und verspüren geht auch nicht. Alles wird so neblig.
Also das ist nun mein Abschied von der Erde. Na gut, ich wollte es ja nicht anders. Adieu Kumpels, ich werde euch vermissen. Adieu Grossmutter, du warst die Beste. Adieu schleimige Familie, ich wünsche euch ein langes Leben, damit ich euch nicht so schnell sehen muss. Und Adieu Ann- Kathrin, ich werde keine Minute mit dir vergessen, ich liebe dich von ganzen Herzen! Adieu du schöne Welt, Sei froh, das einer weniger da ist, der dir die Landschaft versuddelt! Adieu!