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Die Beerdigung

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27.06.2001
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Die Beerdigung

Die Sonne brennt auf das kleine Dorf nieder, was das Zeug hält. Den Trauergästen in den schwarzen Kleidern fliest der Schweiss in Strömen von den Stirnen. Eigentlich wäre heute das ideale Wetter um im Freibad ein paar Runden zu schwimmen und sich anschliessend mit einerm grossen Eis abzukühlen. Aber knapp zweihundert Menschen haben darauf verzichtet und stehen jetzt auf dem ansehlichen Friedhof. Die meisten von ihnen versuchen einen Platz unter einer der grossen Eichen zu ergattern, die in regelmässige Abständen angepflanzt wurden und jetzt angenehmen Schatten verbreiten.
"Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Leute von Christian Abschied nehmen wollen," flüstert Angelika Schneider, meine langjährige Nachbarin, ihrem Mann zu. Sie hat recht! Ich bin angenehm überrascht, dass ich von meinen Bekannten nicht einfach so vergessen werde. Alle meine Freunde sind gekommen. Auch die, die nie welche waren, aber sich dafür hielten, stehen auf dem Bestattungsplatz und haben ihre traurigtsen Gesichter aufgesetzt. Auch die Fussballmannschaft, in der ich jahrelang gespielt habe ist mit dem Vorstand angetreten und hat sogar einen Kranz gestiftet. Mensch Jungs, das wäre aber nicht nötig gewesen. Ihr hättet doch auch ohne Grünzeug am Leichenschmauss teilnehmen dürfen. Aber egal, eine schöne Geste ist es allemal. Sogar die Feuerwehr und der Schützenverein sind mit Fahnenabordnungen anwesend und haben ebenfalls Blumengestecke mitgebracht. Das war wieder ein Bombengeschäft für meine Schwägerin, die gelernte Floristin ist und für die Leute im Dorf Gestecke, Kränze und Blumensträusse bindet. Ich sehe sie vor mir, wie sie sich die Hände reibt und hämisch grinst. Glücklicher hätte es wohl kaum für sie laufen können, erst beisst ihr Erzfeind ins Gras und dann schiebt sie durch seinen Tod noch die fette Kohle ein. Der Blitz soll ihr den Schädel beim Scheissen spalten!
Ah, da kommt sie ja. Sie muss natürlich vorne weg marschieren. Natürlich im Mittelpunkt stehen. Sie und meine Schwester haben je einen Arm meiner Mutter eingehakt, deren Anblick mir ein sehr mulmiges Gefühl beschert. Wie oft hat sie zu mir gesagt, das ich nicht so schnell mit dem Auto fahren soll. Wie immer hab ich ihre Mahnung lächelnd ignoriert, obwohl ich schon des öfteren erfahren habe, das ihre Ängste nicht unbegründet sind. Nun bin ich also Ehrengast auf meiner eigenen Beerdigung, das hab ich also davon!
Obwohl, was kann ich denn dafür, das diese Wildsau ausgerechnet dann über die Strasse laufen muss, wenn ich mit hundertfünfzig Sachen angebraust komme. Die Vollbremsung und das Ausweichmanöver endete dann leider an einem Baum und mein kraft- und saftvolles Leben war dahin. Leider!
Hinter den drei Frauen trotten mein bescheuerter Bruder und mein starker und erfolgreicher Erzeuger über den Schotterweg. Hätte mein Vater nicht immer ein Gesicht wie ein Bernardiner, könnte man meinen, er würde traurig dreinblicken. Aber irgendwie kann ich das nicht glauben. Wenn in der Holzkiste, die noch immer im Leichenschauhaus steht, sein Dackel liegen würde, könnte ihm das an die Nieren gehen. Aber der Tod seines ältesten Sohnes würde ihn bestimmt kalt lassen, wenn nicht die hohen Beerdigungskosten wären. Und wieviel er für die Entsorgung meines Unfallwagens hat hinblättern müssen, möchte ich jetzt gar nicht wissen.
Das war ja klar! Die zwei wichtigsten Menschen in meinem Leben, müssen natürlich hinter dem erlauchten Kreis meiner engsten Familienangehörigen hermarschieren. Den Gesichtern nach zu beurteilen, sind die Beiden wohl die einzigen die wirklich um mich trauern. So weh es mir auch tut, meine Grossmutter und meine Lebensgefährte weinen zu sehen, so schön ist aber auch, zu wissen, das ich wenigstens bei ihnen einen Platz im Herzen eingenommen habe. Ach Ja! Wie gern würde ich jetzt Ann- Kathrin in den Arm nehmen und ihr leise ins Ohr flüstern, das ich bei ihr zu Hause im Bett warte und das weisse durchsichtige Neglige für sie bereit gelegt habe. Was werde ich ohne der leckeren Sahnetorte meiner Grossmutter tun? Ich würde am liebsten mit den Zweien mitweinen, wenn ich könnte. Bisher habe ich immer geglaubt, das ich nichts vermisse werde, wenn ich mal ins Gras gebissen habe. Pfeifendeckel! Ok, an den fünf Vollidioten, für die die Bezeichnung Mensch noch eine Ehre sein sollte und die nun an der Spitze meines Trauermarsches traben, habe ich nicht viel verloren. Aber von wem soll ich denn jetzt die Liebe und Zuneigung bekommen, die mir Ann- Kathrin und meine Grossmutter gegeben haben? Wie geht es jetzt weiter mit mir? Gibt es dort, wo ich hinkomme Frauen, Liebe und Sahnetorten? Gibt es dort Fussballmannschaften, Feuerwehren und Schützenvereine. Kann man dort Bier trinkend und rüpselnd beisammen sitzen und dreckige Witze erzählen?Währen ich darüber nachdachte, hat der Gemeindepfarrer meinen Sarg gesegnet und die Männer der Bestattungsfirma bewegen den Wagen nun auf das Loch zu, das für meine Verderblichkeit ausgehoben wurde.
He, die Kumpel aus meiner Clique sind auch da! Mann,das finde ich Klasse. Es tut mir leid, das ich nicht auf die Fete letzten Samstag kommen konnte, aber mir ist ein Baum dazwischengekommen! Schlechter Scherz am Rande!
Oh gott! Was ist denn das für ein Lärm? Ach so, der Treffer Michl und seine Blasmusiker stimmen zum Trauermarsch an. Die Fahnenträger der Vereine senken ihre Banner und die Menschen ihre Köpfe. Langsam lassen nun die Männer in den grauen Uniformen den Sarg in die Grube. Ob das meinem Körper noch weh tut, wenn einer dieser Gurte reisst? Keine Ahnung. Ich weiss eigentlich gar nichts mehr. Und verspüren geht auch nicht. Alles wird so neblig.
Also das ist nun mein Abschied von der Erde. Na gut, ich wollte es ja nicht anders. Adieu Kumpels, ich werde euch vermissen. Adieu Grossmutter, du warst die Beste. Adieu schleimige Familie, ich wünsche euch ein langes Leben, damit ich euch nicht so schnell sehen muss. Und Adieu Ann- Kathrin, ich werde keine Minute mit dir vergessen, ich liebe dich von ganzen Herzen! Adieu du schöne Welt, Sei froh, das einer weniger da ist, der dir die Landschaft versuddelt! Adieu!

 

Die Erzählperspektive hat ihren ganz speziellen Reiz. Die Idee, aus einer Beerdigung eine geradezu banale, alltägliche Sache zu machen gefällt mir absolut. Sie ist nicht unbedingt makaber geschrieben, dennoch kann sie einen gewissen schwarzen Humor nicht verbergen. Ich würde sagen, ein gelungener Balance-Akt, der sich sehr gut lesen läßt.
Deine Geschichten gefallen mir...

greets'n wishes

 

Ein breites Grinsen konnte ich mir echt nicht verkneifen, als mir "Die Beerdigung" unter die Augen kam und ich sie lesen durfte.

DAS hat doch mal was. Und weißt du, das solltest du mal auch unter HUMOR abstellen, da könnten sich einige mal ´ne Scheibe abschneiden, wie man ultratrockenen Humor schreiben kann, aus dem nicht hervorgeht, das der Autor (in diesem Fall du, Hennaboindl... ist das so´n bayrischer Begriff, oder wat?... Klingt wie´n halbes Hähnchen :p ) es unbedingt darauf abgesehen hat, mit jedem einzelnen Wort den Leser "unterhalten" zu wollen!

Nun ja, ich würde aus "meine Lebensgefährte" doch eher "meine Lebensgefährtin" machen, da beim Lesen zuerst das Wort "meine" auffällt, und der Leser sich wundert, warum hat der gute Hennaboindl denn "meine" statt "mein" geschrieben, hihi!

Und, was ganz wichtig ist: Dir hat das richtig Spaß gemacht, nicht wahr? Und hast dich auch von nervenden Nachbarskindern und Frau-Macht-Geräusche-Mit-Küchenutensilien nicht ablenken lassen. Coole Sache.

Aber, da gibt es EINE Sache, die meiner Meinung nach völlig überflüssig ist. Die Erwähnung der Ursache für den Tod von Christian! Das Weglassen dieses Vorfalls würde "Die Beerdigung" noch vieeeel interessanter machen. Allein die trockenen, manchmal fast makabren Sprüche und Feststellungen hätten völlig ausgereicht.

Und an alle, die jetzt denken, da huldigen sich zwei, die schon mehr als 87,38 Kommentare hier abgelassen haben, IHR IRRT!

In diesem Sinne: Machet jut!

Poncher

Deutschland bekommt ja demnächst ein eigenes Disneyland! - Wie das? - Bayern wird eingezäunt!

Der Brüller, oder?

Grüß die Familie! Servus!

 

Vielen herzliche Dank für deine Kritik Poncher!
Den versprochene Kasten original bayrisches Weizen(nicht weiß)bier schicke ich morgen weg. ;)
Ich stimme dir in sämtlichen Kritikpunkten zu. Das mit der Lebensgefährtin, war nicht meine Schuld, sondern die meiner Frau. Du weisst schon, Korrektur und so!
Und was den Unfall anbelangt, habe ich den mehr oder weniger als Lückenfüller eingebaut, weil ich ungern zu kurze Geschichten schreibe. Aber meiner meinung nach nimmt das der Story aber nichts. wenn du das anders siehst, mein Gott, dann musst du eben damit leben!
:p :D
War nur ein Scherz!
Mein Name ist tatsächlich Bayrisch und heisst nichts anderes als Hühnerbein!

Habedere Poncher!

 

Ich als gebürtiger Sachse (Ich danke jeden Tag dem lieben und nicht existierenden Gott, daß meine Mutter Deutschlehrerin war) und mittlerweile in Bochum lebende von Rainer trefflich genannte Querulant mag überhaupt kein Weizen! Boah, wie kann man denn DAS nur trinken? Nix für ungut, hehe!

Wie wäre es mit einem Kasten Ur-Krostitzer :D Das luppt!

Und wie gesagt... Frauen!

 

So, jetzt hast du es geschafft. jetzt ist nämlich der kleine wuschlköpfige Franzi beleidigt!
und ich dachte, du bist endlich mal ein sachse mit geschmack.(Immerhin gefällt dir eine Geschichte von mir) aber da hab ich mich wohl geiirt. wie kann man nur so ezwas wie Ur-Köstritzer trinken? <IMG SRC="smilies/puke.gif" border="0">

 

Nöööööööööööööö Henna,

da IRRST du dich! Bitte nicht "Köstritzer" mit "Krostitzer" verwechseln! Das eine is´n Schwarzbier, das andere ´n astreines Pils! Und verflucht schwer aufzutreiben, hier, wo sie alle, würg, Fiege und so´n Scheiß trinken. Okay?

Und "geiirt", hihi, deine Frau schläft schon, was?

Grüße aus´m Ruhrpott... "Tief im Westen..."

Jo mei, Bayern wird eh Meister!

Poncher

Um Gottes Willen, hab ich dich schon wieder beleidigt? Bist du etwas 1860-Fan? Hihi!

 

Jo wos, da Poncha issa Sachs! :eek: Des hätt i jetz net docht. Und a Gaudibursch no dazu.

Ich hab mal eine Road-Tour mit einem Sachsen gemacht, und hab nie kapiert warum er immer "Gänsefleisch" zu mir gesagt hat:
"Na ei verbübsch! Gänsefleisch mal üffn Verkehr üffpassen."

Na, oba jetz amoi zum Gickalhaxn. Des G'schichtl is scho net schlecht, gell. Mei, s'liagt hoit a an da Erzählperschpektivn, des mocht hoit scho eps her, woistas. Ge', i sog's jo imma, mit de Wuidschweidl, des is hoit scho a Plog. Wiast schaugst haut's di in Baam owie, und bist hi. Aussis, gell.
;)

 

He, Bayern-Hendl! Coole Geschichte, obwohl es vermutlich zwei Billionen Variationen davon gibt. Aber man fragt sich halt recht gerne, wie das so ist, wenn man die eigene Beerdigung miterlebt? Das hat was...

Dein trockener Humor gefällt mir, wenngleich ich denke, dass du etwas mehr hättest einbringen können.
Übrigens: Als ich das letzte Mal bei einer Beerdigung war habe ich mich über einen Wirt geärgert, der ein Riesengeschäft damit machte und uns ein Essen herstellte, das ich nur teilweise und anstandshalber runterwürgen konnte - der Arsch hat das fettigste Fleisch genommen und dazu widerliche Sauce und so... Vermutlich mit dem Gedanken: Na, beschweren wird sich da wohl keiner trauen! :mad:

Und überhaupt: Kann so was nicht lustiger ablaufen? Mit flotter Musik, die man gerne gehört hat, als man noch unter den Lebenden weilte, anstatt diesem Trauermarsch, bei dem man am liebsten gleich selber tot umfallen würde? Kann mir doch keiner erzählen, dass ihm der gefällt!!!

Na ja, meine Meinung halt. Ein weniger mehr Lockerheit (siehe Mexiko) im Umgang mit Gevatter Tod wäre für die Betroffenen vielleicht mehr Trost, als wenn man sie noch mehr deprimiert...

 

Ich geb dir Teilweise recht, mit deinen Behauptungen. Wenn ich auch sagen muss, dass mich das heuchlerische an solchen Beerdigungen schon immer nagekotzt hat. Auf dem Friedhof sind sie alle dem Herzkasperl und dem Kreislaufzusammenbruch nah, würde am liebsten dem Verstorbenen hinterherspringen und später beim Leichenschmaus wird sich die Birne vollgekippt und dreckige Witze erzählt.
Wenn Trauern, dann doch bitte nicht nur für die Zuseher!
Naja! So ist sie halt mal unsere Gesellschaft!
:mad:

 

Und nach spätestens 200 Jahren erinnert keine Urkunde, kein Grabstein, nichts mehr an dich. Das gibt einem schon zu grübeln...

 

Ich weiss nicht, ob mir das zu grübeln geben würde. Das einzige was ich mir wünsche, wenn es mal so weit ist, das ich bei den menschen, die mir etwas bedeuten und denen auch ich etwas bedeute in Erinnerung bleibe.
Aber das liegt am weinigsten an den Hinterbliebenen als einem selbst!

 

Komischerweise bleiben die größten Schweinehunde am besten im Gedächtnis ... Schlag mal ein Geschichtsbuch auf!

 

@Hennaboindl

Auf dem Friedhof sind sie alle dem Herzkasperl und dem Kreislaufzusammenbruch nah, würde am liebsten dem Verstorbenen hinterherspringen und später beim Leichenschmaus wird sich die Birne vollgekippt und dreckige Witze erzählt.

Aber genau dafür ist doch der Leichenschmaus da.

@Rainer

Gratuliere zum Senior!!!

 

Ja, stimmt, bin jetzt senior. Dann passt die Geschichte ja irgendwie... :)

Was ist die nächste Stufe?

 

Danach kommt der Geist In Der Maschine. Siehe Stephy und Ben.
Nach der Beerdingung also.

 

Wobei sich natürlich die Frage stellt: WOZU das ganze?!? :D

Kennst du GMX? Und GIMIX? Früher gab es da ein Punktesystem. Da bekam man als Mitglied Punkte für Forenbeiträge, Gästebucheinträge und so weiter. Und dann gab´s natürlich eine wunderschöne Liste wo alle aufgelistet waren mit ihren Punkten (und man genau wusste, dass die ersten eine so unmöglich hohe Punktezahl hatten, dass sie irgend ein Script oder so verwendet haben zum Schummeln).
Irgendwann vor einem Jahr krachte GMX so richtig schön zusammen und die meisten Gästebücher wurden gelöscht, manche Nicknames und angeblich sogar Accounts. Also musste GIMIX neu aufgebaut werden und dabei wurden die Punkte ersatzlos gestrichen. Der Clou: In den nächsten Wochen war die Streichung der Punkte DAS Thema schlechthin! Man konnte sich von diesen blöden Punkten nix kaufen, hatte keine Vorteile daraus, nichts, es waren einfach nur Punkte, als würde ich dir hier zehn Punkte verleihen. Aber ein Haufen Leute war total sauer und lamentierte herum!
Na ja, nur so als wahre Anekdote.

Hoffentlich werde ich jetzt mit Respekt behandelt und auf Rosen gebettet, wie es sich geziemt für einen Weisen aus dem Guten-Morgenland.

 

Hoffentlich werde ich jetzt mit Respekt behandelt und auf Rosen gebettet, wie es sich geziemt für einen Weisen aus dem Guten-Morgenland.

Wie geasgt, von den Punkten kann man sich nix kaufen, und es gibt keine Vorteile.

:p ;)

 

Auch von mir herzliche Glückwunsch zu Senior, Rainer!
Wie du das in so kurzer Zeit geschafft hast ist für mich ein Indiz dafür, dass du wohl keine Frau, Freundin oder Freund haben musst!Armer Kerl, musst du tatsächlich selbst kochen, putzen und Socken stopfen? Das schaffst du schon! Reden kannst du ja mit der Wand oder wie man bei dir sehr gut sieht mit dem PC!
Und für den Rest... da gibt es ja immer noch die Hand Marie! Das gute alte treue Stück!

 

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