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Die Apriltraurigkeit

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23.08.2013
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Die Apriltraurigkeit

April ist schon ein komischer Monat. Und das hat mit diesem blöden Spruch – April, April und so weiter – nichts zu tun. Es ist nur so: immer wenn das anfängt; Knospen, T-Shirts, Eisdielen, und dann diese Ahnung in der Luft, dass es irgendwohin gehen muss ... ich weiß nicht, mich macht das alles ein bisschen traurig. Also ich denke schon, dass mit mir deswegen etwas nicht stimmt, aber ich bin jetzt nicht depri oder so.
Hier bei Tante, in Lichterfelde, da schleicht sich diese Traurigkeit nicht so heran wie zuhause, sondern reißt gleich alle Türen auf, springt aus dem Wetterflimmern am Horizont heraus – ist ganz schwer zu beschreiben. Das fühlt sich gleichzeitig so bitter und fies an, aber auch irgendwie süß. Als hätte man knapp einen wichtigen Zug verpasst, den man, Hand aufs Herz, eigentlich gar nicht nehmen wollte.
Jedenfalls komme ich im April nicht so gerne zu Tante, nur dieses Mal ging´s nicht anders, unter keinen Umständen, da spielte meine bescheuerte Apriltraurigkeit keine Rolle mehr.

Tantes Wohnung ist sehr sehr schön. Ganz modern alles, mit diesen weißen Plastikstühlen, die ein Vermögen kosten, Glas, viel Licht, wenig Möbel – nicht so ein Oma-Paradies, wie man jetzt denken könnte, mit riesigen Bauernschränken und verblichenen Lampenschirmen, wie´s bei Opa war, ne ne, so ist es hier gar nicht.
Tante ist gut in ihren Sechzigern, aber immer noch hipstermäßig unterwegs. Gewesen jedenfalls, ja, vor dieser Sache. Immer sagte sie, man muss mit der Zeit gehen, Anna, man altert nur, wenn man in der Vergangenheit lebt. Und ich finde, das stimmt auch, im Kern ist es wahrscheinlich absolut richtig, nur als Tante dann diesen Betonaffen kaufte, zum Stützen von dem schiefen Regal aus dem Internet, da dachte ich mir doch kurz, dieser Affe ist eher der Zeit voraus oder vielleicht neben der Zeit – aber ich hab von solchen Dingen auch nicht wahnsinnig die Ahnung.

Lichterfelde. Wie schön das klingt. Warum sich nicht alle Stadtteile und Städte so schöne Namen gegeben haben, das habe ich nie verstanden. Ich meine, bei der Gründung war man doch frei, da konnten die Bürger oder wer auch immer da verantwortlich war, doch ruhig auf den Tisch hauen und sagen, wir heißen jetzt Morgenhügel oder Sonnenauen oder wasweißich wie, das wäre doch nicht verboten gewesen. Und stattdessen ... . Bei uns, zum Beispiel, da gibt es einen Stadtteil, der heißt einfach „Kalk“ – malerisch ist was anderes. Und ein bisschen weiter außerhalb, da steht eine richtig hässliche Hochhaussiedlung, und die heißt, das ist kein Scherz: „Mülldorf“ – ist klar ...

Aus Tantes Fenstern kann man über hunderte Dächer sehen, aus manchen Schornsteinen qualmt es sogar – Kamine sind natürlich obergemütlich – und weit weg, am Horizont, staut sich manchmal gelber Dunst. Als wäre dort das Tor zu einem Wolkenkönigreich oder einer Irrlichtfabrik. Ich kann mich für Stunden auf die Fensterbank fläzen, mir das anschauen. Richtig heimelig, mit Kuschelsocken, Milchkaffee und alles. Tante hat natürlich eine von diesen ganz modernen Kaffee-Maschinen, wo George Clooney Werbung für macht. Den finden wir beide ziemlich gut, den Mr. Clooney. Jetzt nicht die Filme unbedingt, aber das ist schon ein schöner Mann, keine Frage. Und der Milchkaffe schmeckt auch ziemlich toll, da braucht sich Mr. Clooney nicht genieren.

Das Beste an Lichterfelde befindet sich aber genau gegenüber von Tantes Haus. Zuerst kommt da eine Straße, zweispurig, aber nicht wild befahren, dann Brachland, von Gräben durchzogen, so als hätte jemand dem Boden die Adern rausgerissen, wo Gestrüpp überall aus der Erde sprießt und dahinter eine riesige, gelbe Mauer, ein halbes Fußball-Feld groß, mindestens, das ist die Rückwand des Eckhauses an der Kreuzung Brüsseler/Haagener. Und auf der gesamten Fassade befindet sich nichts, wirklich gar nichts, wenn man die paar Graffitis unten nicht zählt, Robocop is back in town, außer einem Fenster, ziemlich mittig ist das, mit Rahmen, verglast, da baumelt sogar eine Gardine dahinter. Also ein ganz gewöhnliches Fenster eigentlich, nur dass es eben ganz allein aus dieser riesigen, gelben, blinden Mauer in die Welt blickt. Und dieses Fenster kann ich mir viel länger anschauen als diese Mirage mit der Irrlichtfabrik hinter den Schornsteindächern, einfach weil das ganz real ist, weil das Menschen tatsächlich so gedacht und gebaut haben und weil mich das daran erinnert, wie großartig Menschen sein können, wenn man sie nur lässt.

Ich spinne mir da natürlich total das wirre Zeug zusammen, wer da alles wohnen könnte und wie es dahinter aussieht. Manchmal stelle ich mir das gruselig vor, manchmal magisch, aber immer so geheimnisvoll, dass es mir einfach die Brust zerreißt, so sehr will ich erfahren, wer, wie und wieso da jemand hinter diesem einzigen Fenster in der riesigen, gelben Mauer lebt.
Vielleicht ist das nur eine alberne Mädchenträumerei, sehr wahrscheinlich sogar ist es das, aber ich glaube schon, dass die Wohnung hinter dem Fenster einem jungen Mann gehört. Vielleicht nicht wahnsinnig jung, könnte schon so Anfang dreißig sein, aber diesen Mann würde ich gerne kennenlernen, sehr gerne sogar, ja.

Ich hab da so ein kleines Geheimnis. Die Außerirdischen, an die glaube ich. Ich mag da auch nicht viel drumrum reden, von wegen wie unwahrscheinlich das doch sei, dass wir alleine in dem Universum sind, bla.., jedenfalls gibt es so eine Art Internetradio – musst du schon gut suchen – dort kann man im Weltall lauschen. Früher habe ich viele Nächte davor verbracht, immer rumgespielt an den ganzen Reglern, da konnte man auch mit anderen Suchenden chatten. Manche waren richtig fiebrig, vielleicht auch ein bisschen verrückt, vor allem die Russen. Ist ein paar Jahre her. Aber jedes Mal wenn ich auf dieses Fenster blicke, überkommt mich das Gefühl, dass der Typ dahinter auch dieses Radio hört. Irgendwie bin ich mir da total sicher.
Und dann stelle ich mir vor, wir könnten das zusammen tun. Wir würden am Fenster sitzen, um uns herum ist alles schummerig, unten hoppeln die Kaninchen im Gestrüpp, und wir zwei fangen die Wellen.

First contact. Anna Hille und ihr supergut aussehender Navigator sind die ersten Botschafter der Erde. Die erste intergalaktische Autobahn führt direkt nach Lichterfelde, vor Tantes Fenster. Sie ist natürlich komplett geräuschlos und fast unsichtbar. Weil Anna Hille so eine Spitzenbotschafterin ist.
Aber Tante, keine Sorge, ich bleibe hier. Da kann mich das ganze Universum auf Knien anflehen, ne ne, meine hoch verantwortungsvollen und extrem spannenden Botschafterpflichten kann ich auch von Lichterfelde aus erfüllen, da muss sich der intergalaktische Premier-Präsidenten-Rat nach uns richten.
Das Glöckchen bimmelt und ich befinde mich wieder in Tantes Wohnung. Der Milchkaffee ist kalt geworden, heute hängen die Wolken sehr tief.
Leoni sagt, sie kann das Bimmeln ihrer Mam nicht mehr ertragen, das packe sie einfach nicht. Sie habe dann immer das Gefühl, mit dem Absatz in den Gleisen zu stecken und die Bahn rase auf sie zu und die Lokomotive dröhne und die Bremsen quietschen fies und sie sei ganz allein auf dieser Welt.
Ich glaube ja, Leoni übertreibt. Auf jeden Fall ist sie einen Tacken zu theatralisch. Aber ein paar andere, die mittwochs auch in unsere Gruppe kommen, sagen, sie kennen dieses Gefühl, Leoni treffe den Nagel auf den Kopf.
Ich weiß nicht, mir macht das Glöckchen nichts. Ich finde, es bimmelt relativ sanft, unaufdringlich, und im Grunde ... was soll Tante auch groß machen, anders geht nicht, sie kann gerade so diesen roten Knopf drücken. Sie macht es eh ganz selten, mich rufen, ich schaue ja regelmäßig nach dem Rechten, stecke meinen Kopf in die Tür, schleiche auf Zehenspitzen um das Bett herum, wahrscheinlich hört Tante das meiste gar nicht mehr – sie ist ganz woanders grade.
Das Parkett ist ziemlich glatt. Gewienert, gebohnert, ich weiß gar nicht genau, was man damit gemacht hat, aber Tante ließ es immer machen, mindestens einmal im Jahr, da war sie fest, und ich nehme Anlauf – das Wohnzimmer ist riesig wie ein kleiner Tanzsaal – gehe leicht in die Hocke und rutsche auf meinen Kuschelsocken und rutsche und rutsche und bleibe kurz vor den Flügeltüren stehen, mache noch ein paar Schritte durch den Flur und betrete Tantes Zimmer.

Es riecht hier natürlich nicht gut. Das ist einfach so, da kann man nichts dran ändern. So viel kann man gar nicht lüften und es stört mich auch nicht weiter. Aber zum Glück weiß Tante nicht, wie ihr Zerfall einem in die Nase beißt. Meine immerjunge Hipstertante würde sich schämen.
Hier drin ist es schummerig. Nur in der Ecke leuchtet die kleine Leselampe mit einer von diesen alten Glühbirnen drin, die so ein angenehmes Licht machen. Tante hatte einen ganz Schrank davon gehortet, bevor es diese europäische Änderung gab – mir können diese Bürokraten nichts, sagte sie. Man müsse ja nicht immer mit der Zeit gehen.
Im Radio spielen sie etwas Klassisches, ein Streichorchester. Tante mag sowas. Noch vor ein paar Wochen wippte sie leicht mit dem Fuß, wenn sich irgendwo zwischen den Frequenzen Tschaikowski verirrte oder Pachabel, aber das ist jetzt auch vorbei.

Ich lupfe die Decke, schaue nach, aber die Windel ist in Ordnung. Da passiert eh nicht viel im Moment, durch diesen Schlauch kriegt Tante nur das Nötigste. Als ich noch klein war, sagte Tante am Tisch immer: Anna, man muss das Essen zum Mund führen und nicht den Mund zum Essen - und als sie ihr diesen Schlauch legten und Tante mal kurz zu Bewusstsein kam, sagte sie das wieder. Und weil sie nicht lachen konnte, habe ich einfach mal für uns beide gelacht, obwohl sich in meinem Hals ein ganz schöner Brocken bildete. Und jetzt geht mir dieser Spruch gar nicht mehr aus dem Kopf.
Ich setze mich auf die Bettkante, nehme ihre Hand, sie drückt ganz leicht, ich drücke zurück – wir verstehen uns gut. Hast du Schmerzen, frage ich, aber das muss ich gar nicht fragen, ist nur so, Kommunikation, verbal, irgendwie fühle ich mich besser, wenn ich laut mit Tante spreche, und sie hört mich ja manchmal.
Die Ärztin meinte, wenn Tante wach ist, dann hat sie Schmerzen. Das sei eigentlich nicht zu ertragen, was einer in Tantes Stadium für Schmerzen habe, könne sich ein gesunder Mensch nicht vorstellen – da helfe nur Morphium.

Das Fläschchen am Nachttisch ist noch halb voll. Wenn die Ärztin kommt, schreibt sie immer die Milliliter auf – das ist eine ganz heikle Sache, meinte sie mal. Aber Tante und ich haben da was vereinbart. Vor einem Monat etwa, als sie noch ein bisschen reden konnte. Und nein, es ging nicht um Sterbehilfe, das wollte Tante nicht von mir verlangen, obwohl ich´s gemacht hätte, vielleicht. Es ist aber wohl so, dass wenn man die Dosis immer leicht erhöht, einem jedes Mal ein bisschen mehr in die Venen schießt, als für die Linderung nötig, es auch schneller vorbei geht, das Ganze.
Unsere Ärztin, die Palliativmedizinerin – sie weiß Bescheid. Da haben wir nie drüber gesprochen, aber sie weiß Bescheid. In der Gruppe, mittwochs, da sagen auch alle, die Ärzte wissen Bescheid, in solchen Fällen gäbe es wohl immer eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Arzt und den Angehörigen. Da werde auch nicht so genau aufgeschrieben, wie viel in einem solchen Fläschchen noch drin ist am Ende.

Nachdem das mit dem Morphium erledigt ist, bleibe ich noch ein wenig auf dem Bett sitzen und halte Tantes Hand. Ihr Gesicht ist ganz bleich, zerknautscht, ein bisschen wie ein Welpe sieht sie aus, wie ein kranker Welpe.
Meine kleine, süße Tante, du bist so geschrumpelt, du würdest lachen. Wenn du dich sehen könntest, Tante, aber das mit dem Spiegel und Schminken machen wir ja nicht mehr. Wo Enzo nicht mehr kommen darf. Das finde ich wirklich albern von dir.
Aber ich verrate dir was, Tante, Enzo kommt trotzdem noch, fast jeden Tag. Er beteuert natürlich, er würde nur dem armen Mädchen was zu essen bringen – das arme Mädchen soll übrigens ich sein – schleicht aber um deine Tür herum wie ein trauriger Märzkater. Ich muss dir gestehen, ich hab ihn einmal schauen lassen, aber nur ganz kurz, wirklich. Tut mir leid.
Aus seiner Trattoria bringt mir Enzo total die teuren Sachen mit, da lässt er sich nichts sagen. Täglich wechselnde Speisekarte. Mhmmmm... Oberlecker! Gestern Nacht zum Beispiel, gab´s Pasta mit schwarzen Trüffeln, richtig fein. Enzo schämte sich ganz aufrichtig, dass er nur eine Plastikschachtel dafür hatte, der ist so süß.
Wir saßen bis drei Uhr in der Küche, tranken Wein und haben uns super unterhalten. Ich glaube, so lange haben wir noch nie miteinander gesprochen. Was er mir alles über dich erzählt hat, Tante – dein Lover ist ein ziemliches Plappermaul, so viel ist klar. Wie ihr früher nach Hoppegarten gefahren seid, jedes Wochenende, wenn´s Rennen gab – das findet Enzo noch immer sehr romantisch. Der Damaskus hatte es dir also richtig angetan, Tante, eine Hengste wie die Nachte schwarze – ich musste so lachen. Manchmal glaube ich, dass Enzo immer seinen Akzent auspackt, wenn er einen aufheitern will, das ist wirklich sehr sehr nett von ihm. Aber fünfzig Tausend Mark auf der Rennbahn zu lassen, Tante, das ist schon ein bisschen viel, findest du nicht?
Er fragte auch, wie das bei mir mit Schule aussieht. Enzo kennt aber schon den Unterschied zwischen Schule und Uni, oder? Vielleicht verwirrt ihn das ein bisschen, weil es bei mir Fachhochschule heißt, ist auch egal eigentlich.
Er versteht natürlich, dass es grad schwierig ist, wo ich ja hier sein muss, aber er meinte auch, dieses eine kleine Jahr kann ich locker aufholen. Er behauptet, ich sei total das schlaue Mädchen und so schön, so schön, einfach bellissima. Mit dem Jahr, das ich aufzuholen habe, hat meine Schönheit nicht direkt was zu tun, war aber trotzdem angenehm zu hören. Das kann er wirklich gut mit den Komplimenten, dein Enzo, ich hab´s ihm am Ende fast geglaubt.
Weißt du, Tante, irgendwie ist Enzo voll das Klischee, aber ein richtig angenehmes. So entspannt unironisch, sein Witzrepertoire hat er bestimmt schon seit Jahrzehnten nicht mehr ausgetauscht und man weiß bei ihm, gleich kommt was Nettes, das tut wirklich gut. So einen Opa hätte ich gerne. Tut mir leid, Opa, wenn du das irgendwie hörst.

Draußen dämmert es. Die Wolken sind ganz eng an die Dächer gerückt, die Laternen flackern, unten auf der Straße ist rein gar nichts los. Ich sitze wieder auf meinem Beobachtungsposten. Das Fenster ist gekippt und ich kann durch den Spalt das Knattern der Ampeln hören. Aus der Mauer gegenüber leuchtet es. Hinter der Gardine huscht ein Schatten vorbei. Zuerst nach links, dann nach rechts, schließlich bleibt die Silhouette genau in der Mitte stehen. Sie spaltet das gedämpfte Licht entzwei. Wenn man leicht zurückzoomt und das Sichtfeld mit den Fingerspitzen justiert, sieht das Haus aus wie ein einäugiges Ungeheuer auf der Lauer. Aber man muss sich schon ein bisschen anstrengen, ansonsten sieht es einfach nur aus, wie eine Wand mit Fenster drin.

Chulo bringt mir die Leine. Der Verschluss schleift über das Parkett und dieses Geräusch ist so vertraut und treu, dass meine Nasenspitze anfängt zu zwicken. Vielleicht werden auch meine Augen feucht. Was für ein Quatsch! Ich wische schnell mit dem Ärmel drüber.
Chulo hat zwei lange Ohren und ist der süßeste Hund auf der ganzen Welt. Den habe ich, seit ich elf bin und er darf in meinem Bett schlafen. Chulo ist uns in Spanien zugelaufen und ich habe so lange geweint, bis Mutter mir erlaubte, ihn mitzunehmen.
Wir zwei gehen jetzt auf Kaninchenjagd, Chulo. Wir werden uns das fetteste und faulste Kaninchen aussuchen, so ein fieses Kapitalisten-Kaninchen, umstellen es, hetzen es über das ganze Feld und kurz bevor es auf seinen Baum klettert, schnappst du zu, okay? Heute werden wir es schaffen, Chulo, und dann steht ganz offiziell fest, dass du der allertollste Jäger bist im ganzen Universum. Ich verspreche dir, dass ich deine Ehrung bei dem intergalaktischen Premier-Präsidenten-Rat auf die Tagesordnung bringe. Das boxen wir schon durch, keine Sorge. Für dich werde ich mein ganzes Botschaftergewicht in die Waagschale werfen. Und das Kaninchen schenken wir Tante – die wird sich riesig freuen.
Wir durchstreifen das ganze Brachland, finden aber kein fieses Kapitalisten-Kaninchen. Im Grunde finden wir gar kein Kaninchen. Zwar raschelt es fast in jedem Gebüsch, aber Chulo interessiert sich nicht für die Geräusche. Er bleibt ganz eng bei mir, schleicht um meine Beine, holt zwei-drei Mal den Tennisball, den ich in die Dunkelheit schmettere, kämpft aber nicht darum. Es gibt kein Hin- und Herzerren, wie Chulo es sonst gerne mag, er legt mir den Ball einfach vor die Füße und schnaubt.
So wird es nichts mit der intergalaktischen Ehrung, Chulo, das ist mir eindeutig zu wenig Enthusiasmus. Aber Chulo war sowieso nie hinter Auszeichnungen her.

Ich nehme den Ball, hole aus und werfe ihn hoch in das Auge des Ungeheuers. Es fehlen zwei Meter. Ich versuche es nochmal, diesmal stimmt die Höhe, aber ein tückischer Windstoß treibt den Ball zu weit nach links. Ich werfe noch ein paar Mal, doch es sieht fast so aus, als wären die Luftströme da oben, in zehntausend Meter Höhe, nicht in den Griff zu bekommen.
Irgendwann höre ich Enzo meinen Namen rufen. Er steht am Rand des Brachlands mit einer weißen Tüte in der Hand und winkt. Es ist mir vorher nie aufgefallen, dass Enzo eigentlich ein ganz kleiner und schmächtiger Mann ist. Aus der Nähe wirkt er so firm und kernig und wie ein stillgelegter Damm, der so freundlich ist, ein paar Rinnsale durchzulassen.
Heute hat Enzo Saltimbocca a la romana mitgebracht. Ehrlich gesagt, bin ich kein besonders großer Schnitzel-Fan, doch ich freue mich so überschwänglich, als hätte ich die letzten drei Tage ausschließlich Steine gelutscht. Der Wein ist aber toll, irgendwas aus Apulien, klingt und schmeckt nach amore auf der Dachterasse.
Während des Essens schweigen wir. Das kann man mit Enzo ganz wunderbar tun. Wenn ich ihn ansehe, strahlen seine Augen. Es sieht ein bisschen so aus, als würde sich die Sonne in den Meereswellen spiegeln. Aber manchmal, wenn er glaubt, ich würde an seinem Schnitzel herumsägen, legt sich ein Schleier über sein Gesicht. Vielleicht leidet Enzo ja auch an der Apriltraurigkeit.

Nachdem ich den Tisch abgeräumt habe und wir einander ein paar Minuten einfach so gegenüber sitzen, fragt mich Enzo: „Kennst du die dia de los muertos?“
„Ist in Mexiko, oder?“, sage ich, „so ne Party.“
Enzo lacht und die Meereswellen sind wieder da. „Sowas in der Art. Deine Tante und ich sind da mal gewesen. Irgendwo in der Nähe von Cancun. Ich weiß gar nicht mehr, wie dieses Dörfchen hieß. Ist bestimmt zwanzig Jahre her.“
„Stimmt es, dass die Mexis da nachts auf den Friedhof gehen und die Toten essen?“
„Jetzt red doch kein Quatsch, Anna.“
„Hab ich aber mal so gelesen. In der National Geographic. Ist ein alter Aztekenbrauch.“
Enzo lehnt sich zurück in den Stuhl, lässt den Wein im Glas kreisen und sagt: „Du bist genau wie deine Tante.“ Der Schleier wird ihm zu schwer und er senkt den Kopf.
Dann glaubt er wahrscheinlich, dass ich ihn so nicht sehen darf, räuspert sich und fragt: „Weißt du, worauf ich hinaus will?“
„Ja“, sage ich, „ich weiß. Der Tod ist ein Teil des Lebens und so.“
„Genau“, sagt Enzo, „in den letzten Tagen musste ich ganz häufig an diese Reise denken. Sie hatten alle Straßen mit Blumen überschwemmt, die allerkleinste Gasse leuchtete bunt bis in den Himmel. Chrysanthemen, Ringelblumen und dann noch eine Blume, leider habe ich vergessen, wie die heißt – dabei war das die wichtigste. Irgendwie vergesse ich so viel in letzter Zeit.
Deine Tante war die schönste Frau in der ganzen Stadt, daran erinnere ich mich aber ganz genau. So weiß und stolz, ein bisschen wie eine Elfenkönigin.“
„Tante glaubt ja, sie würde aussehen wie Nicole Kidman. Nur ein bisschen kleiner, pummeliger und ohne rote Haare“, sage ich.
„Ja“, sagt Enzo, „ein bisschen kleiner. Zum Glück. Damals wollte ich ihr einen Blumenkranz auf den Kopf legen, sie sagte aber, sie findet das kitschig. Da haben wir uns ordentlich gestritten. Danach hat sie zwei Tage nicht mit mir geredet und ich wünschte mir, dass man mich gleich da auf diesem Friedhof begräbt. Damit sie mal wegen mir traurig ist.“
Wir schweigen eine Weile, Enzo gießt uns mehr Wein ein und ich stelle mir vor, wie er alleine durch diese blumigen Straßen irrt, weil Tante ihn nicht ins Zimmer lässt, und ununterbrochen flüstert: Perdonami, mia principessa, perdonami. Dann drängen noch mehr Albernheiten in meinen Kopf und ich fange an zu kichern. Und Enzo fängt auch an zu kichern, ein bisschen unsicher, aber sicher genug, um den Schleier in den Wellen zu versenken.
„Ich find das gut mit dem Teil des Lebens“, sage ich, „auch wenn das, im Grunde genommen, großer Quatsch ist.
„Ja“, sagt Enzo, „so fühlt es sich irgendwie sicherer an.“
Ich gehe zum Kühlschrank und hole das Tiramisu raus, das ich heute früh gemacht habe. Das sollte eigentlich noch ein paar Stunden ziehen, aber ich muss Enzo unbedingt ein Stück davon anbieten. Jetzt gleich. Ich stelle die Schale auf den Tisch und wir beide fangen an zu löffeln, als wäre es unser Ritual. Konzentriert und entschlossen stopfen wir die Torte in uns hinein bis auf den letzten Rest Mascarpone auf dem Schüsselrand, dann lecken wir die Löffel ab. Ist ganz gut geworden, finde ich.
„Enzo?“
„Mmh?“
„Müssen wir die Tante auch essen, wenn sie tot ist?“
„Ich denke schon.“
„Obwohl wir keine Mexis sind?“
„Mmh.“
Und dann sitzen wir einfach lange lange da und streicheln unsere vollgefressenen Wampen.

Nachdem Enzo gegangen ist, trinke ich den Wein leer und schleiche in Tantes Zimmer. Im Schneidersitz hocke ich auf dem Teppich neben ihrem Bett, lege meine Arme übereinander auf die Matratze und stütze mich auf. Ich spüre, wie Tantes Atem erlischt. Nur noch ein winziges Flackern ist übriggeblieben. Dass es unbedingt im April passieren muss. Chulo tapst hinein und legt mir seinen Kopf in den Schoss.
Auf Tantes Decke krabbelt eine Fliege. Sie kriecht in die Falten im Stoff, klettert an einer anderen Stelle wieder heraus, minutenlang verfolge ich ihre Bewegungen, es sieht so furchtbar ziellos aus. Ich glaube, es ist das erste Insekt, die ich dieses Jahr sehe. Na du hast aber auch nicht mehr lange, flüstere ich. Aber denk dran, der Tod ist ein Teil des Lebens, das gilt für euch Fliegen ganz besonders.
Im Radio spielen sie Elton John. Candle in the wind. Tante, das kannst du nicht machen, das ist so furchtbar schnulzig. Warte bitte noch einen Moment. Und ich glaube, Tante hört mich. Sie würde sich das nie verzeihen, auf dieser Note zu gehen. Und wir warten zusammen. Tante, Chulo, die Fliege und ich.
Als nächstes kommt irgendwas mit Geige.
Ich bleibe noch zehn Minuten neben Tante sitzen, vielleicht zwanzig, vielleicht zwei Stunden. Vielleicht sind meine Augen ein bisschen feucht geworden. Vielleicht habe ich auch richtig hart geweint. Ich weiß, es ist gerade etwas Großes passiert, aber so fühlt es sich gar nicht an. Ich ärgere mich darüber, aber das einzige, woran ich denke, ist, dass ich mittwochs nicht mehr in diese bescheuerte Gruppe gehen werde. Dann stehe ich auf, schalte das Radio aus und lösche das Licht.
Wieder im Wohnzimmer lehne ich mich an die Fensterbank und presse mein Gesicht gegen das kalte Glas. Das Ungeheuer gegenüber schaut mich mit seinem leuchtenden Auge an. Nachts kann man die Außerirdischen am Besten hören.
Ich werfe mir die Jacke über und hebe den Tennisball vom Boden auf. "Komm, Chulo, wir versuchen´s nochmal."

 

Hallo @ranundband

ist ne schöne Geschichte, die ans Herz geht. Mit ner erstaunlichen Anzahl guter Bilder.
Der Italiener, der Junge gegenüber, der Hund, ach, die ganze Geschichte.

Ich glaube, dass die ganze Gender-Thematik keine Rolle spielt, weil es ziemlich wurschd ist, ob dein Erzähler eine Frau ist oder ein Mann.

So was, das bleibt, das ich nicht vergessen werde. Das ist schon viel, sehr viel, was man über eine Geschichte sagen kann. Mehr als gerechfertigt deshalb Jubel und Empfehlung.

Was mir nicht gefällt ist dieser gewollt-fluffige, auf coolness ausgerichtete Tonfall. (ist vielleicht Geschmackssache, aber diesen Stil ertrage ich auch Dauer nur, wenn ne ordentliche Satire draus wird, das hast du aber nicht vor, so wie ich es lese)

Paar Beispiele:

da spielte meine bekackte Apriltraurigkeit keine Rolle mehr.
Tante ist gut in ihren Sechzigern, aber immer noch hipstermäßig unterwegs.
usw.

Wie gesagt: die vielen wunderbaren Stellen wiegen alles auf
viele Grüße
Isegrims

 
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Macht man doch auch nach Sigur Ros und Björk Konzerten, ich jedenfalls will da von niemanden was Negatives hören ;).

Wirst du aber - und zwar von mir!!! Denn Björk klingt bei ihren Gesangs-Versuchen wie ne angerostete Gießkanne, die grad von einem Laster plattgewalzt wird! "Army of me" ist so ziemlich der einzige Song, den man sich (halbwegs) antun kann, ohne vorher ne Flasche Wodka zu exen! Island hat eine relativ hohe Selbstmordrate - kein Wunder bei der Musik! Da brechen ja sogar schon die Vulkane vor Verzweiflung aus!:D

Aber lass uns besser nicht die Diskussion von diesem Text hier in Richtung einer untalentierten Gummi-Kreische verschieben - das wäre den übrigen Kommentatoren und randundband gegenüber unfair. Du darfst mich gern über PM beleidigen!;)

 
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Kurz nur zu der Frage ob weiblich oder männlicher Protagonist:

. Ich kann mich für Stunden auf die Fensterbank fläzen, mir das anschauen. Richtig heimelig, mit Kuschelsocken, Milchkaffee und alles.

Das passt meiner Ansicht nach nur auf ein Mädchen/Frau. Ich seh sie in Jogginghose, selbstgestrickten Socken, angezogenen Knien, zusammengestecktem Haar und mit einem großen Glas, aus dem oben der weiße Schaum hervorquillt und das sie dicht mit beiden Händen unter der Nase hält, auf der Bank sitzen.

 
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bernadette schrieb:
Kurz nur zu der Frage ob weiblich oder männlicher Protagonist

Dazu fällt mir auch noch was ein. Mir war das spätestens ab der sechzehnten Zeile klar:

Immer sagte sie, man muss mit der Zeit gehen, Anna, man altert nur, wenn man in der Vergangenheit lebt.

 

ernst
also von mir aus musst du dich wirklich nicht für deine Begeisterung rechtfertigen. Ich fands nämlich total super. Lass dir bitte nicht den Spaß an meiner coolen Geschichte versauen. :D
Es ist echt komisch. Ist schon was her, dass ich was kommentiert habe, gestern wieder zum ersten Mal seit Monaten, aber ich erinnere mich noch wie es war, dass ich mir auch bei tollen Geschichten dachte, jetzt such doch mal nach Kritikpunkten, randundband, ansonsten bist du hier als Kritiker unten durch. Und es gibt natürlich immer was an einem Text auszusetzen. Man kann ja schon mit einer Einstellung an einen Text rangehen, ich werde da jetzt mal drüberstolpern. Oder man hat einfach eine andere Erwartung an das Thema oder an die Struktur oder an die Protas oder bevorzugt einfach einen anderen Stil. Oder man unterstellt dem Autor die eigene Erzählintention usw. Oder man will halt einfach kritisch sein. Kenn ich alles von mir selbst.
Soll nicht heißen, ich bin hier nur, weil ich gelobt werden möchte. Natürlich passt nicht immer alles. Und es ist toll, dass hier so viele kritische Köpfe dabei sind und auch bei diesem Text habe ich sehr wertvollen Input bekommen, zu der Stimmigkeit der Figur oder zu der Überromantisierung (dazu später). Aber ich fände es insgesamt sehr schade, wenn die intensive Beschäftigung mit der Literatur einen im Endeffekt dazu bringen würde, die Literatur nicht mehr genießen zu können. Dann wäre das Ganze doch für den Arsch. Egal. Ernst, mach weiter so. Sei ein Gefühlsdusel, ich finds gut.
Peeperkorn

Hallo. Du räumst hier also ab die letzten Monate. ;) Bin gespannt, was du so schreibst.
Hab die meisten Änderungsvorschläge übernommen, auch die Eintagsfliege habe ich gekillt. Muss da aber, glaube ich, nochmal ran, hab nicht die glücklichsten Formulierungen gewählt.

Zitat Zitat von randundband Beitrag anzeigen
Ich weiß, es ist gerade etwas Großes passiert, aber so fühlt es sich gar nicht an. Ich ärgere mich darüber, aber das einzige, woran ich denke, ist, dass ich mittwochs nicht mehr in diese bescheuerte Gruppe gehen werde.
Alles korrekt, aber ganz kleine Stolperfalle: Einen Moment lang denkt man, sie ärgere sich darüber, dass etwas Grosses passiert ist.

Ja, hmm... Stimmt. Habs vom Flow bisher nicht besser hingekriegt. Ich denke, ich werde die Stelle eh nochmal angehen, nach dem Tipp von JoBlack, die Figur ein bisschen mehr leiden zu lassen, dann werde ich auch an der Formulierung feilen.
So, das war's, randundband. Mehr habe ich nicht. Ehrlich gesagt, weiss ich nicht so recht, was diese Geschichte in einer Textwerkstatt zu suchen hat. Zwischen zwei Buchdeckeln, zusammen mit weiteren solch feinen und berührenden Texten, das könnte ich mir vorstellen. Und so habe ich den Text auch gelesen. Einfach beeindruckend. Nebst den Bildern und dem subtilen Zugang zum Thema hat mir die Erzählstimme sehr sehr gut gefallen.

Mensch, das tut natürlich total gut. Wäre natürlich cool, irgendwann mal etwas zu veröffentlichen. Aber wenn ich so an Autoren denke, die ich super finde, denke ich, randundband, da bist du einfach noch lange nicht. und dann habe ich das Gefühl, es bringt gar nichts, irgendwo was einzuschicken.

Aber Peeperkorn, vielen Dank für deine ermutigenden Worte, ich hab mich total gefreut.
bernadette

Hallo. Ich erinnere mich noch sehr gut an meine misslungene Maskenball-Geschichte und an deinen vernichtenden Kommentar. Ne, ne, das war keine schöne Erfahrung. Hab da nicht so toll geschlafen die eine Nacht.
Diesmal bin ich echt gut davon gekommen.

Hmmm, das ist jetzt ein ganz persönliches Problem, aber ich sage das einfach. Ich habe mit mehreren Tanten mein Leben verbracht: Tante Hanna, Tante Ida, Tante Monika ... egal. Mir wäre nie in den Sinn gekommen, eine, auch wenn ich nur eine gehabt hätte, diese eine nur Tante zu nennen. Die ganze Geschichte durch hat mich das rausgehauen, wenn ich immer nur Tante gelesen habe. Der Begriff Tante ohne einen Namen dazu ist in unserer Gegend eher abwertend. Das nur am Rande.
Ach so. Ich kenn das anders. Vor allem hat die Frau, die mir so ein bisschen Vorlage für Anna gestanden hat, immer einfach nur von Tante gesprochen und die wohl auch so genannt. Kam für mich total natürlich die Art.

Das fühlt sich gleichzeitig so bitter und fies an, aber auch irgendwie süß, wie ein Geigenspiel in den dunklen Straßen des Warschauer Ghettos vielleicht, 1942, am besten noch bei schiefem Regen.
Sorry, das ist mir eine Schippe zu viel. Auch das vielleicht mindert für mich nicht ab, dass der Erzähler das irgendwie erlebt oder wenigstens einen direkten Bezug haben sollte. Da wird für mich ein Bild hergezogen, was betroffen macht, aber für die Erzählerin unpassend ist.

Ist zu dick, hast recht. Hab ein anderes Bild genommen, mit dem abfahrenden Zug. Das passt, glaube ich, besser zu der Apriltraurigkeit.

Wenn ich bei google mastadontisch eingebe, bekomme ich keinen einzigen Treffer. Aber deine relativ junge Protagonistin kennt diesen Ausdruck?

Mist, ich fand mastodontisch so ein cooles Wort. Kann sie das echt nicht können? Ich mein, es ist doch möglich, dass irgendein Erwachsener in ihrem Umfeld das gerne verwendet hatte und sie übernahm es einfach. Manchmal überraschen einen Leute doch mit irgendwelchen Ausdrücken. Nicht? Na ja, ich werde es vllt ersetzen. Wird nicht einfach sein.
Mirage - das sind Worte, die malen, die singen,
Und deswegen können die auch unmöglich raus. ;) Jedenfalls kannte ich das Wort mit achtzehn und Anna kennt das halt auch.
Wenn das Glöckchen ihrer Mutter bimmelt.
Dieser fettmarkierte Satz fällt mir jedesmal beim Lesen auf und ich denke: Der ist zuviel.
Ja, das kommt mit dem Holzhammer. Hast du auch nicht vergessen? Das Glöckchen, Mensch, wenn es bimmelt. Bedrückend!!!
Hab ich rausgenommen.

Aber ich habe da auch Brüche drin, wo ich denke, das passt für mich nicht so ganz, weil sie zu erfahren, zu altersweise, daher erzählt.

Ich werde an den Brüchen arbeiten. Das ist wirklich ein Einwand, den ich nachvollziehen kann und da werde ich nachbessern.

edit: Nachdem ich barnhelms Kritik gelesen habe, fiel mir wieder ein, dass ich das mit dem
„Müssen wir die Tante auch essen, wenn sie tot ist?“
„Ich denke schon.“
„Obwohl wir keine Mexis sind?“
eigentlich auch noch herausgreifen wollte. Das hat mich auch etwas irritiert, diese Frage.

Ach komm, das meint sie ja nicht ernst. Sie versucht immer herumzualbern und keck zu sein, gerade gegenüber Enzo, weil das so einfacher ist für sie mit der Situation umzugehen und auch weil sie Enzo irgendwie aufmuntern will. Da wird ja auch vorher auf den mexikanischen Brauch Bezug genommen.
„Stimmt es, dass die Mexis da nachts auf den Friedhof gehen und die Toten essen?“
„Jetzt red doch kein Quatsch, Anna.“
Ich meine, an diesem Tag basteln die Mexikaner ihre Toten aus Zucker und essen sie dann. Hoffentlich habe ich da nichts durcheinander gebracht.

Jedenfalls, Bernadette, vielen Dank für deinen Besuch und deinen kritischen Blick, ich freue mich, dass du die Geschichte mochtest.

Liebe Grüße

ich mach (hoffentlich) morgen weiter

 

Hallo barnhelm!

vielen lieben Dank für deine lobenden Worte. Ich freue mich sehr, dass die Geschichte dich erreichen konnte und du in ihr Menschlichkeit und Phantasie siehst. Das ist eine ganze Menge.

Das fühlt sich gleichzeitig so bitter und fies an, aber auch irgendwie süß, wie ein Geigenspiel in den dunklen Straßen des Warschauer Ghettos vielleicht, 1942, am besten noch bei schiefem Regen. Die Kerzen flackern, Feygele, armes Feygele ... heieiei – mich verwirrt es immer arg und ich ärgere mich über meine melodramatische Ader.
Ich finde nämlich, dass ein guter Text so starke Bilder nicht nötig hat. Das ist für mich zu manipulativ. Und gerade, wenn man deinen Text weiterliest, wird so deutlich, dass es diese Stelle nicht gebraucht hätte. Aber vielleicht geht es nur mir so.
Ja, ich habe diese Stelle verändert. Ich weiß nicht, ob ich sie gleich als manipulativ ansehen würde, aber es passt halt nicht zu der Erzählerin.

Probleme hatte ich allerdings mit dieser Stelle:

Enzo?“
„Mmh?“
„Müssen wir die Tante auch essen, wenn sie tot ist?“
„Ich denke schon.“
„Obwohl wir keine Mexis sind?“
So dumm ist sie doch nicht. Und, was soll diese Stelle eigentlich sagen, bedeuten? Weder kann man sie aus dem mexikanischen Todesbrauch ableiten, noch aus deiner Geschichte. Nach meinem Gefühl passt diese Sequenz nicht, wirkt für mich fast wie ein Fremdkörper, irgendwie zu stark.


Echt? Ich hab das jetzt schon an bernadette geschrieben, das war natürlich nur eine Albernheit von Anna, sicher nicht ernst gemeint. Ich find auch, dieser Spruch passt ganz gut zu ihrem Grundoptimismus.
Ansonsten, barnhelm, vielen Dank für deinen Besuch und deine Zeit.
Liebe Grüße

Hallo Kanji

weil ich es wörtlich nehme, wenn du schreibst, es würde dich interessieren, was mich verwirrt hat.

Um Anna als eine Träumerin wahrzunehmen, die das Leben in allen Facetten annehmen kann mit Wärme und Gelassenheit , hätte ich nicht so viele Bilder benötigt: Lichterfelde (Berlin?) als "Wolkenkönigreich", zwei mal die "Irrlichtfabrik", die Beschreibung des Fensterblicks, der "alte Mann", die "Außerirdischen", das "Weltall", "Art von Internetradio", die "Russen" und dann noch die "intergalaktische Autobahn" mit Anna als "Botschafterin".

Für mein Hirn too much information, weil Bilder. Für mich wirkte sie dadurch teilweise zu "klein" und zu versponnen


Ich meinte das auch vollkommen ernst. Nimm mich ruhig wörtlich.
Ich sehe das mit den Bildern anders. Man würde sehr viel weniger über die Figur erfahren, wenn diese ganzen Sachen unerwähnt blieben. Der Fokus der ganzen Geschichte liegt ja auf dem Innenleben von Anna. Was du alles als überflüssig ankreidest macht meiner Meinung nach wesentliche Aspekte ihres Charakters aus. Ich weiß nicht, sie hängt da den ganzen Tag in der Wohnung und schaut aus dem Fenster. Dieser Blick nach draußen, ihre Fantasien, das Weltall, die Rumspinnereien mit Außerirdischen, das ist doch alles ihre Flucht von der Realität. Ich wüsste gar nicht, was da bleiben würde, wenn ich diese ganzen Dinge wegnähme. Da würde Anna gar nicht mehr so rüberkommen, wie man sie hier kennen lernt. Das ist ja keine Geschichte, die von A nach B geht. Es soll schon das Gefühl entstehen, dass sie einfach vor sich herplaudert. Sicherlich könnte man das eine oder andere etwas kürzen, da braucht es wahrscheinlich nicht jeden Satz, aber von der Struktur braucht es nach meiner Ansicht einer gewissen Zerstreuung.
Gut. Danke dir auf jeden Fall für deine erneute Rückmeldung. Ich freue mich, dass du den Text trotz der (zu) vielen Bilder mochtest.

Liebe Grüße
randundband

 

Hallo @randundband,

ich wollte auch gern mal schauen, was für ein Text denn das ist, der hier eine Empfehlung bekommen hat. Es ist eine wirklich sehr schöne Geschichte. Ich habe mich allerdings auch mit dem Einstieg etwas schwer getan. Die sehr spezielle Satzgestaltung (zT sehr lange Sätze, mitunter große Brüche mittendrin) fand ich teilweise etwas schwierig zu lesen.

Und ich finde, das stimmt auch, im Kern ist es wahrscheinlich die richtigste Aussage auf der Welt, nur als Tante dann diesen Betonaffen kaufte, zum Stützen von dem schiefen Regal aus dem Internet, da dachte ich mir doch kurz, dieser Affe ist eher der Zeit voraus oder vielleicht neben der Zeit – aber ich hab von solchen Dingen auch nicht wahnsinnig die Ahnung.

Zuerst kommt da eine Straße, zweispurig, aber nicht wild befahren, dann Brachland, von Gräben durchzogen, so als hätte jemand dem Boden die Adern rausgerissen, wo Gestrüpp überall aus der Erde sprießt und dahinter eine riesige, gelbe Mauer, ein halbes Fußball-Feld groß, mindestens, das ist die Rückwand des Eckhauses an der Kreuzung Brüsseler/Haagener.

Da drohst du, mich immer mitten im Satz zu verlieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie schlicht und ergreifend genauso verworren und ohne Punkt und Komma denkt, aber vielleicht gibt es einen Mittelweg, wie man ihren Gedankengang festhalten kann ohne dass der Leser/ich auf der Strecke bleibt/bleibe. ;)

Aber je besser ich Anna kennen gelernt habe, umso lieber habe ich weiter gelesen, ungeachtet aller Hürden. Und ihre Ideen und Bilder sind absolut großartig! (Abgesehen vom kapitalistischen Kaninchen. Da ging für mich kein Weg rein.) Ich hätte sie aber eher für fünfzehn gehalten und selbst dafür ist sie stellenweise zu naiv und stellenweise zu altklug.

Ein paar kleine Fehler habe ich gefunden:

malerisch ist was anderes.Und ein bisschen
Leerzeichen zwischen den Sätzen.

mit Kuschelsocken, Milchkaffee und alles.
... und allem? Klingt in meinen Ohren besser.

Kaffee-Maschinen
Kaffeemaschinen, wenn mich nicht alles täuscht ...

bla..,
Braucht noch ein Leerzeichen und einen Punkt zu einem vollständigen 'bla ...'

Aber jedes Mal KOMMA wenn ich auf dieses Fenster blicke, überkommt mich das Gefühl, dass der Typ dahinter auch dieses Radio hört.
Ha! Ich finde mal bei jemand anderen einen Kommafehler! YES! ;)

und im Grunde ...KOMMA was soll Tante auch groß machen, anders geht's nicht,
(STRIKE!)

wie ihr Zerfall einem in die Nase beißt
Da stolpere ich jedes Mal drüber. In der Nase beißt? In die Nase sticht? Ich weiß es nicht.

Ich lüpfe die Decke
ich lupfe ...

holt zwei-drei Mal den Tennisball,
Der Bindestrich zwischen zwei und drei sieht komisch aus. Vielleicht 'zwei, drei Mal'?

Schnitzel-Fan
Schnitzelfan

dochich freue mich
Bitte ein Leerzeichen.

NaKOMMA du hast aber auch nicht mehr lange, flüstere ich.

aber das einzige, woran ich denke
das Einzige

Wieder im Wohnzimmer lehne ich mich an die Fensterbank und presse mein Gesicht gegen das kalte Glas.
Würde hier ein Komma nach 'Wohnzimmer' setzen.

Der letzte Absatz hatte wesentlich kürzere, prägnantere Sätze. Ob gewollt oder Zufall, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall fand ich ihn dadurch wesentlich kraftvoller.

Schöne Geschichte. Zauberhafte Anna.

Liebe Grüße
Zantje

 

Hallo Ane,

ich hab mich gefreut, eine Geschichte von Dir hier zu finden, muss aber gestehen, dass ich mich dem allgemeinen Lob nicht so richtig anschließen kann.

Das ist natürlich sehr schade.

Die Apriltraurigkeit sagt mir trotz Erklärung nichts und irgendwie hatte ich bei dem Titel ohnehin gehofft, dass das subtiler eingebaut und nicht gleich zu Beginn erklärt wird.

Die Apriltraurigkeit muss man wahrscheinlich selbst mal erlebt haben, ansonsten versteht man das nicht. Ist wohl so eine spezielle Form der Melancholie.
Ich denke, die Apriltraurigkeit steht hier für die Verdrängung. Anna will ihre eigentliche Trauer über den bevorstehenden Tod der Tante nicht wahrhaben und schiebt es auf die Apriltraurigkeit. So in etwa war es gedacht.
Dann eine Beschreibung, wie die Tante drauf ist, obwohl sie so nicht mehr drauf ist.
Na ja, Annas Gefühl zu der Tante speist sich natürlich aus ihrer Erinnerung, da ist es doch wichtig, etwas aus dieser Erinnerung zu erzählen.
Als nächstes kommen die Gedanken über Lichterfelde. Ich weiß nicht, ob sich das mit dem Lichterfelde in Berlin decken soll, aber ich hatte das halt auf dem Schirm und, vielleicht kennst Du das ja, wenn man einen Flecken kennt, dann verbindet man alles mögliche damit ( in meinem Fall ist das halt nichts, was diesen Ort wirklich licht wirken ließe), was der Name nur bündelt. Ich denke bei Reinickendorf auch nicht an einen Fuchs usw.
Ja, ist das Berliner Lichterfelde gemeint. Sie findet ja auch vor allem den Namen schön. Und den Blick aus dem Fenster. Das ist halt Annas Art, die Dinge schön zu sehen.
Ich kann an all diesen Punkten einfach nicht hineinfinden, in Deinen Text.
Nach oder irgendwo während dieser für mich gefühlten Hürden, bemerke ich, dass der Erzähler eine Frau ist und das fühlt sich dann an wie in ein Loch fallen.
Ja, das ist halt so. Für mich passt die Stimme zu einer jungen Frau, du sagst ja auch leider nicht, woran du deine Vermutung für den männlichen Erzähler festmachst.

Schade natürlich, dass du mit dem Text nichts anfangen kannst, aber ich danke dir natürlich trotzdem sehr für deine Zeit.

Liebe Grüße
randundband

 

Hallo randundband,

erst hatte Schwierigkeiten in Deine Geschichte hineinzukommen und habe den ersten Teil quergelesen, dann aber hat sie mich gepackt. Sehr eindrucksvoll ein schwieriges Thema umgesetzt. Durch die junge Protagonistin erhält sie eine gewisse Leichtigkeit und Normalität. Dies widerum ruft bei mir zwiespältige Gefühle hervor, da ich gerade erst selber die Schwere der häuslichen Pflege erlebt habe.

Ich ein Problem damit, dass eine knapp Zwanzigjährige derart mit der häuslichen Pflege ihrer Tante betraut ist, dass sie ein Jahr ihres Studiums wiederholen muss. Die Tochter Leonie hingegen taucht nur ganz kurz als Randfigur auf.

Jetzt noch Textarbeit:

"Gewesen jedenfalls, ja, vor dieser Sache." - entweder habe ich überlesen, um welche Sache es geht. Die Frage bleibt für mich offen.


"Ich weiß nicht, mir macht das Glöckchen nichts. Ich finde, es bimmelt relativ sanft, unaufdringlich, und im Grunde"
-
"Ich nehme den Ball, hole aus und werfe ihn hoch in das Auge des Ungeheuers. Es fehlen zwei Meter. Ich versuche es nochmal, diesmal stimmt die Höhe, aber ein tückischer Windstoß treibt den Ball zu weit nach links. Ich werfe noch ein paar Mal, doch es sieht fast so aus, als wären die Luftströme da oben, in zehntausend Meter Höhe, nicht in den Griff zu bekommen."
-
"Ich bleibe noch zehn Minuten neben Tante sitzen, vielleicht zwanzig, vielleicht zwei Stunden. Vielleicht sind meine Augen ein bisschen feucht geworden. Ich weiß, es ist gerade etwas Großes passiert, aber so fühlt es sich gar nicht an. Ich ärgere mich darüber, aber das einzige, woran ich denke, ist, dass ich mittwochs nicht mehr in diese bescheuerte Gruppe gehen werde."

Diese vielen "Ich"-Wiederholungen finde ich nicht so gelungen.

-
"Tante hat natürlich eine von diesen ganz modernen Kaffee-Maschinen, wo George Clooney Werbung für macht."
hier würde ich schreiben: "wofür George Clooney Werbung macht"
-
"Und ich finde, das stimmt auch, im Kern ist es wahrscheinlich die richtigste Aussage auf der Welt, nur als Tante dann diesen Betonaffen kaufte, zum Stützen von dem schiefen Regal aus dem Internet, da dachte ich mir doch kurz, dieser Affe ist eher der Zeit voraus oder vielleicht neben der Zeit."
die richtigste oder die wichtigste ?
Der Satz liest sich schwer. Meiner Meinung nach, besser zwei Sätze daraus machen.
-
"aber ich hab von solchen Dingen auch nicht wahnsinnig die Ahnung" - eher wahnsinnig viel Ahnung. Insgesamt werden im Text sehr viel Füllwörter verwendet und häufig die Sätze damit begonnen. Oft werden die Sätze mit "Und" begonnen. Das finde ich nicht so elegant.
-
"" malerisch ist was anderes.LEERZEICHENUnd ein bisschen weiter außerhalb, da steht eine richtig hässliche Hochhaussiedlung,
-
"Das Beste an Lichterfelde ... - Diesen Absatz finde ich zu mächtig. Der zweite Satz lenkt den Blick vom Wesentlichen weg.
-
"Sie ist natürlich komplett geräuschlos und fast unsichtbar. Weil Anna Hille so eine Spitzenbotschafterin ist." - Das verstehe ich nicht.
-
"Sie habe dann immer das Gefühl, mit dem Absatz in den Gleisen zu stecken und die Bahn rase auf sie zu und die Lokomotive dröhne und die Bremsen quitschen fies und sie sei ganz allein auf dieser Welt." - statt "und" Kommas setzen. -quietschen-
-
"wie ihr Zerfall einem in die Nase beißt." oder 'einem in der Nase beist ?'
-
"Tante hatte einen ganzEN Schrank davon gehortet"
-
"ist auch egal eigentlich." oder - 'ist eigentlich auch egal' ?
-
"Das Fenster ist gekippt und ich kann durch den Spalt das Knattern der Ampeln hören. Aus der Mauer gegenüber leuchtet es." - Das verstehe ich nicht: knatternde Ampeln und Mauern aus denen es leuchtet?
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"Aus der Nähe wirkt er so firm und kernig und wie ein stillgelegter Damm, der so freundlich ist, ein paar Rinnsale durchzulassen." - 'kernig' passt logisch nicht zu dem kleinen und schmächtigen Mann und 'firm' nicht zu dem undichten Damm
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"Perdonami" - Was soll sie ihm verzeihen? Ich bin des Italienischen nicht so firm, aber ich glaube es bedeutet: Verzeihen Sie mir bitte
-
Tiramisu ist keine "Torte", vielmehr ein Dessert
-
"Ich glaube, es ist das erste Insekt, "DAS" ich dieses Jahr sehe.
-

In Deiner Geschichte malst Du eine Menge sehr schöner Bilder, wie beispielsweise das Fenster in der Wand oder die Sonne in den Meereswellen. Du hast viel Phantasie und bringst sie dem Leser bildhaft rüber. Das gefällt mir und macht Spass beim Lesen. Alles im Allem eine rührende Geschichte, die an's Gemüt geht und die ich gerne gelesen haben
Liebe Grüsse mej

 

Hallo nastro,

da geb ich gern meinen Dreier dazu.
Gefällt mir gut, Deine Geschichte, technisch sauber geschrieben und tatsächlich zünden die Bilder im Kopf. Der Ton des Erzählers ist originell und fehlerfrei durchgezogen.
Hab voriges Jahr auch einen sehr lieben alten Verwandten verloren und kenne diese Apriltraurigkeit, Du hast sie gut beschrieben.

Schön, dass es dir gefallen hat. Vor allem das mit dem Erzählton war eine heikle Sache, fand ich. Aber als ich mich einmal eingestimmt hatte, ist es so richtig aus mir rausgeflutscht. Das hat echt Spaß gemacht, mal eine zwanzigjährige Frau zu sein. ;)

„mit diesen weißen Plastikstühlen…“ – upps, da hängts bei mir schon wieder, sehe bei der Beschreibung weißer Plastikstuhl den billigsten Baumarktstuhl vor mir und dann kommt „die ein Vermögen kosten…“

nastro, glaub mir, es gibt Plastikstühle die ein Vermögen kosten. Das ist modern, ich kann da auch nichts für.

„mastadontischen“ – Mastodon hieß das Tierchen, stimmts? – „falben“ kenne ich nicht.
Ja ja, das Tierchen ist ausgestorben und hat die falben mitgenommen. Da ist ungefähr jeder zweite drübergestolpert.

„Warum sich nicht alle Stadtteile und Städte so schöne Namen gegeben haben“ – musst Du nach Island gucken, dort klappts Aber Lichterfelde ist - indeed - ein toller Städtename.
Unbedingt. Island ist schon seit langem im oberen Mittelfeld meiner Wunschzielliste.

Abschließend halte ich es mit ernst: „Warum soll ich aufschreiben, wie es mir das Herz zerfetzt?“

Kann ich auch nicht besser sagen, Danke


:D freut mich sehr, nastro, danke für deinen Besuch.

hallo Eisenmann,

auch ich habe mir deine Geschichte durchgelesen und muss ehrlich sagen, dass ich die vielen lobenden Kommentare zwar nachvollziehe, allerdings nicht teile - auch wenn ich mir damit jetzt vielleicht den geballten Grimm der lobenden Leser aufhalse - aber was soll's, damit müssen wir dann wohl leben!

Ja, ich lebe jetzt schon seit Tagen damit, ist nicht so schön. Na ja. Schade schade. Aber so lange du sagst, es sei Geschmackssache ... was soll man da machen.

Zunächst dein Stil - zu viel, zu dick, zu ausgewalzt. Das ist kein objektiver Kritikpunkt, sondern Geschmackssache. Und bei mir hat er in seiner epischen Ausuferung mit Hang und Tendenz zu "Von-Hölzchen-aufs-Stöckchen" dazu geführt, dass ich irgendwann nur noch quergelesen und überflogen habe.

Ich habe bisher nie von Hölzchen aufs Stöckchen geschrieben, aber hier fand ich das Assoziative passend und habs einfach laufen lassen. Das ist jetzt nichts, was ich rechtfertigen werde. Für mich hat die Figur so funktioniert. Dennoch habe ich mir einige deiner Kritikpunkte zu Herzen genommen. Einige andere sind für mich nicht nachvollziehbar.

das George-Clooney-Fan-"Gelaber"
bleibt drin, habe ich aber gekürzt.

ich hatte da den Eindruck, man hätte beinahe schon jeden Satz irgendwo schon zwei-, oder drei-, oder viermal gelesen.

dass sie in stilistischer, erzählerischer und dramaturgischer Hinsicht einwandfrei ist. Keine Frage - das ist sie. Daher kann und will ich eigentlich als persönliches Fazit für mich zu dem Schluss kommen, dass es sich hier um eine Geschichte handelt, die gut geschrieben und gut erzählt ist.

Widerspricht sich für mich irgendwie. Wenn man das Gefühl hat, dass man einen Satz schon vier Mal gelesen hat, dann ist es doch nicht gut erzählt. Es sei denn du liest Thomas Bernhard, aber er ist ja auch kein Erzähler.
Und dann finde ich die Kritik ganz komisch
die Sache mit Enzo und Enzo und noch mehr Enzo ...
Welche Sache? Das ist hier eine Figur, die spielt halt in der Geschichte mit. :hmm:

Was die Erzählung bzw. die Geschichte angeht, so ist die zweifellos sehr ergreifend und traurig - das ist verständlich.
Na Gott sei Dank, wenigstens das.

Wirklich gut haben mir da jedoch (ironischer weise) die Passagen mit Chulo gefallen. Ohne Witz - das ungewisse bzw. traurige Schicksal des kleinen spanischen Flohfängers hat mich wesentlich mehr "ergiffen"
Keine Sorge, Chulo gehts gut. Weiß auch nicht, warum sein Schicksal ungewiss oder traurig sein soll. Das ist Annas Hund,
Den habe ich, seit ich elf bin und er darf in meinem Bett schlafen. Chulo ist uns in Spanien zugelaufen und ich habe so lange geweint, bis Mutter mir erlaubte, ihn mitzunehmen.
die wird ihn schon wieder mit nach Hause nehmen.

ihre elfenhafte Beschreibung als Mix aus Nicole Kidman und der Schneekönigin - irgendwann hast du mich damit abgehängt. In meiner Lesevorstellung war das ja schon kein Mensch mehr, sondern ein überätherisches Fabelwesen, dass jetzt in ein märchenhaftes Never-Neverland hinter dem Regenbogen entschwebt.

Hab sie jetzt klein und dick gemacht. Die lassen sie nicht ins Never-Neverland rein.

Aber hierbei handelt es sich jetzt keineswegs um einen "Verriss",
Ey, Eisenmann, hat dir halt nicht gefallen, das ist schon in Ordnung.

sondern ich zolle dir dennoch ehrlich gemeinten Respekt für deine Geschichte,
Danke dafür.

Liebe Grüße
randundband

 

Hallo Fliege,
ich habe mich sehr über deinen Besuch gefreut.

Ich frage mich aber auch gerade, ob ich sie ebenso gut gefunden hätte, wenn ich jetzt total erholt und entspannt und so wäre, ob ich dann nicht motzen würde, ey - da steckt aber viel Romantik drin. Ich mein, der Tante ein Pflegejahr/Jugendjahr zu schenken, junge Frau und reibt sich da auf und macht das mit einer solchen Liebe und Hingabe und ohne Frustration und Egozentrik, die sitzt abends am Küchenfenster und ist damit vollauf zufrieden - die ist doch kein wirklicher Mensch, sondern eine gute Fee. Und auch über das Sterben, die Qualen der Tante, all das wird ausgeblendet. Die Kamera fängt eben nur die Momente ein, die für eine solche Geschichte benötigt werden.

Ja, mag sein. Das ist eine freundliche Welt mit einer positiven Figur. Ich dachte mir, zu dem Thema gibt es schon genug depressives und schweres Zeug, wollte daher etwas schreiben, was Mut macht und lebensbejahend ist. Eine Geschichte muss ja nicht immer die Realität abbilden. Manchmal kann man sich ja auch einfach Hoffnungen machen, die Beschissenheit wird sich schon noch einstellen.

Ich habe mich bei der Zigarette danach entschieden, das ist ein Märchen. Ein schönes Märchen über Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit, in dem eben für alle alles gut ist. Das ist schön. So was will ich nach einem ätzenden Arbeitstag abends auf der Couch lesen und mein Vertrauen an meine Mitmenschen wieder aufbauen.

Das ist toll. Mehr wollte ich nicht.

Wie Ane hab ich auch über den weiblichen Erzähler gezuckt. Vielleicht, weil ich bei deinem Nick einfach von einem männlichen ausgehe. Macht man ja immer irgendwie. Also, man erwartet unterbewusst (warum eigentlich?) bei einem Ich-Erzähler Geschlechtsgleichheit mit dem Autor. Ich finde, darüber sollte mal eine Bachlorarbeit geschrieben werden, warum das so ist. Ich habe mich dann gefragt, ob es allein an deinem Nick liegt, oder ob ich bis dahin einfach keine Frau "gehört" habe. Ich kann mir die Frage nicht beantworten. Ich kann keine Stelle konkret benennen, wo ich sagen würde, so redet aber keine Frau und dennoch ... ich weiß nicht, ich hatte mich auch weiterhin mit der weiblichen Form schwer. Würde mich jetzt interessieren, ob es mir im Maskenball genau so ergangen wäre. Dann wüsste ich die Antwort. Voreingenommenheit oder es liegt tatsächlich daran, dass es weniger nach Frau für mich klingt. Warum auch immer. Begründen kann ich das nicht.

Also das kann ich einfach nicht verstehen. Für mich klingt die Erzählstimme sowas von weiblich. Ich kann mir diese Frau total gut vorstellen, wie sie da plaudert, am Fenster hängt und Milchkaffe schlürft. Auch dieser Akt der Aufopferung, das würde ein Mann, wenn überhaupt, doch irgendwie anders angehen, viel pragmatischer und kühler. Damit will ich keine Gender-Diskussion lostreten.

Abgesehen davon, mochte ich ihre Flucht in die Phantasiewelt. Ich mochte die Hauswand mit genau dem einen Fenster, die Außerirdischen und die Kapitalisten-Kaninchen, die auf Bäume klettern können. Groß! Manchmal habe ich gedacht, ja, sie sitzt eindeutig zu lang, zu einsam, zu eingesperrt da am Fenster.

Ohne die Flucht wäre das ja auch wirklich nicht gegangen. Dann gäbe es keine positive, sondern eine frustrierte, unglückliche Figur, gerade weil es eine so junge Frau ist, die kaum die nötige Reife besitzt, so etwas in der Klarheit der Wirklichkeit zu meistern.

Sehr schön. Wirklich. Habe ich gern gelesen. Sie wird mir nicht ewig im Kopf bleiben, aber für den Moment, genau mein Ding. Und da sind wirklich viele, viele menschelnde und herzende Dinge drin, eben ein Text für die Aprilwetterstimmung .

Vielen Dank, Fliege, das höre ich sehr gerne.
Danke für deine Zeit.

Liebe Grüße
randundband

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo randundband,

deine Geschichte hat etwas Besonderes. Von einigen Sätzen wie

Hier bei Tante, in Lichterfelde, da schleicht sich diese Traurigkeit nicht so heran wie zuhause, sondern reißt gleich alle Türen auf, springt aus dem Wetterflimmern am Horizont heraus ...

oder

Als wäre dort das Tor zu einem Wolkenkönigreich oder einer Irrlichtfabrik.

Ich meine, bei der Gründung war man doch frei, da konnten die Bürger oder wer auch immer da verantwortlich war, doch ruhig auf den Tisch hauen und sagen, wir heißen jetzt Morgenhügel oder Sonnenauen oder wasweißich wie, das wäre doch nicht verboten gewesen.

oder auch

Sie spaltet das gedämpfte Licht entzwei. Wenn man leicht zurückzoomt und das Sichtfeld mit den Fingerspitzen justiert, sieht das Haus aus wie ein einäugiges Ungeheuer auf der Lauer. Aber man muss sich schon ein bisschen anstrengen, ansonsten sieht es einfach nur aus, wie eine Wand mit Fenster drin.

die mich einfach verzaubert haben, bis hin zu dieser eigentümlichen Stimmung, die den ganzen Text umgibt – echt schön! Traurig, aber schön! Anfangs musste ich mich auf Anna einlassen, ihre manchmal wirren, durch unfassbar viele Kommata unterteilten Sätze. Aber als ich dann bei ihr war, hat alles total zusammengepasst. Ich sehe Anna am Fenster sitzten, wie sie träumt, das Ungeheuer betrachtet, den Außerirdischen lauscht. Und doch ist sie in manchen Situationen abgeklärt, betrachtet Leoni zum Beispiel als zu dramatisch. Das hat in mir den Gedanken ausgelöst, dass Anna zwar eine Träumerin, aber auch sehr stark ist.

Ach, ich weiß auch nicht, so viel will ich dazu gar nicht sagen. Schön zu lesen war es!
RinaWu

 

Hallo jobär,

vielen Dank für deinen Kommentar und deine Zeit.

eigenartigerweise hatte ich sehr schnell - anders als @Fliege - den Eindruck, dass der Icherzähler ein jüngeres weibliches Wesen ist. Warum? Keine Ahnung.

Sage ich doch.:teach: Für mich klingt die Stimme auch absolut weiblich.

Ich denke auch, dass man die Geschichte besser mitleben kann, wenn man ähnliche Situationen erlebt hat. Das jahrelange Sterben meiner Schwiegermutter - das habe ich bei Deiner Geschichte sehr bald vor Augen gehabt und dann mitten im Februar diese Apriltraurigkeit.

Ich habe eine solche Situation nicht bewusst erlebt bzw. erinnere ich mich zu dunkel daran. Vielleicht stellte ich das Ganze deswegen auch viel positiver dar, als es in Wahrheit ist. Die negativen Gefühle sind hier ja überwiegend ausgeblendet.

Ich habe Deine Geschichte sehr gerne gelesen

Das ist schön. Vielen Dank für deine Rückmeldung.

nochmal wieselmaus

Ich hatte dieses Gefühl auch schon als junges Mädchen, ich war aber auch nicht "depri oder so".Es ist eher Melancholie, eben dieses Bewusstwerden des Vergänglichen gerade im aufbrechenden Frühling. Das ist wirklich bitter und süß zugleich, und nur schwer nachvollziehbar, wenn man nicht davon betroffen ist. Irgendwo habe ich gelesen, dieses Gefühl sei der Romantik (als Epoche) zuzuordnen. Noch heute packt es mich, wenn ich Schubert-Lieder höre.

Das ist interessant. Ich hatte dieses Phänomen nie wirklich verorten können. Früher dachte ich echt, dass mit mir deswegen etwas nicht stimmt. Dieser Kontrast mit dem schönen Wetter hat mich immer arg irritiert. Aber jetzt finde ich es gut, dass es das gibt. In der Zeit hat man einfach einen sehr besonderen Blick auf die Welt.

hallo JoBlack

schön, dass du bei meiner Geschichte vorbeischaust. Ich war vllt ein Jahr nicht mehr hier, es sind so viele neue Leute dazu gekommen, toll, dass es noch die richtig alte Garde gibt, die schon die alte Garde war, als ich mich angemeldet hatte. Ich sehe grade, dass man dir zum zehnjährigen Forumjubiläum gratulieren kann. Zu dem Anlass sollte ein best of geben, oder sowas.

us der Empfehlung entnahm ich, es handele sich um eine weibliche Erzählerin und für mich wars dann weiblich und daher hatte ich nicht die Probleme wie einige Vorkommentatoren. Das ist tatsächlich eine Voreingenommenheit der Leserschaft, dass jeder Ich-Erzähler das Geschlecht des Autors haben müsste. Andererseits bestätigt man auch in 90% der Fälle diese Voreingenommenheit, indem man selbst aus der für einen geschlechterbequemen Perspektive schreibt.

Vllt sollte man aus dem Profil das Geschlecht streichen. Ich hätte nicht gedacht, dass dieses Geschlechtsding zu einem Thema wird. Aber gut, dass es für dich funktioniert hat.

Ich hatte aber eher ein Altersproblem, was ja bernadette schon angesprochen hatte. Für mich war das eher ein Mädchen im Alter von allerhöchstens 17 und keine Studentin. Für eine Studentin ist sie mir zu naiv - keine Frage, diese Studentinnen gibt es auch, aber das bedeutet nicht, dass es gut ist und ich davon lesen will. Man hat im Kopf immer so Prototypen, und in meinem Kopf gibt es keine 20jährige, die so etwas sagt wie "das ist die richtigste Aussage der Welt".
Wenn eine 13 Jährige das sagen würde, dann würde man das ja bisschen süß finden.
bei einer 16-17 jährigen ist es naiv und ab 18 klingts leicht dümmlich. Und das ist deine Erzählerin nicht. Sie ist reflektiert, auch wenn der Großteil davon Verdrängung ist und Eskapismus in den Weltall, weiß sie genau, was um sie passiert.

Ich hab einige Sachen angepasst. Da waren ein paar Sachen, die haben echt nicht gepasst, war nicht ausgewogen. Ich denke, die gröbsten Schnitzer sind behoben. Die soll auf keinen Fall dümmlich klingen. Dass sie ihrem Alter in einigen Punkten voraus ist, finde ich aber nicht weiter schlimm, für mich ist es ja eine besondere Frau. Hab ich aber trotzdem hier und da verändert. :hmm: Na ja.

Jetzt lass sie leiden, Mann!
Ich frage mich die ganze Zeit, wieso gestehst du ihr nicht ein paar traurige Momente zu, die Geschichte heißt schließlich Apriltraurigkeit. Wenn man schafft, die Protagonisten sympathisch zu machen, dann muss man reinhauen. Ich folge ihr bis jetzt gerne, aber die muss jetzt langsam auch mal zusammenbrechen, ohne theatralisch zu sein. Vielleicht würde tatsächlich eine Konfrontation mit Leonie nicht schaden. Ich verstehe schon, dass die Geschichte auf leise gestellt ist, aber es ist auch so eine Realitätsverleugnung. An manchen Stellen denke ich, sie kommt einfach mit der Situation viel besser zu recht als ihre Cousine. Aber woher hat sie die Idee, nicht weinen zu dürfen. Selbst der Hund ist traurig. Ich habe das Gefühl du hast Angst irgendwie kitischig oder deprimierend zu klingen.

Boah.. ich hab da jetzt echt lange rumüberlegt. ich kriegs nicht so hin, dass es in die Geschichte passt. Ich verstehe diesen Einwand sehr gut. Natürlich kann sie weinen und gleichzeitig stark sein. Aber mir fehlt einfach grade die Inspiration, um die Figur um diese Facette zu erweitern. Ich habe da ein paar Sachen versucht, aber es wirkt nicht organisch. Wahrscheinlich muss ich die Geschichte einfach mal ruhen lassen und dann wieder rangehen. Wenigstens habe ich zum Ende, an der Stelle wo du meintest, ein bisschen nachgebessert, aber einen richtigen Tränenfluss mit herzerreißenden Aussagen habe ich nicht mehr hinbekommen.

Freut mich, dass du die Geschichte insgesamt gut fandest. sehr schön. Danke für deine Zeit und deine Gedanken.

Hallo Isegrims

ist ne schöne Geschichte, die ans Herz geht. Mit ner erstaunlichen Anzahl guter Bilder.
Der Italiener, der Junge gegenüber, der Hund, ach, die ganze Geschichte. Ich glaube, dass die ganze Gender-Thematik keine Rolle spielt, weil es ziemlich wurschd ist, ob dein Erzähler eine Frau ist oder ein Mann.

So was, das bleibt, das ich nicht vergessen werde. Das ist schon viel, sehr viel, was man über eine Geschichte sagen kann. Mehr als gerechfertigt deshalb Jubel und Empfehlung.


Schön, schön, schön. Ich muss jetzt einfach die ganze Zeit sagen, wie schön ich das finde. Freue mich, dass die Bilder scheinbar für die meisten funktioniert haben und dass die Geschichte funktioniert hat und alles.

Was mir nicht gefällt ist dieser gewollt-fluffige, auf coolness ausgerichtete Tonfall. (ist vielleicht Geschmackssache, aber diesen Stil ertrage ich auch Dauer nur, wenn ne ordentliche Satire draus wird, das hast du aber nicht vor, so wie ich es lese)

Ja, naja, so redet Anna halt. Ist gar nicht gewollt, finde ich. Sie plaudert halt. Vllt ist sie stellenweise auch ein bisschen zu cool, aber das ist ja auch eine Art sich zu schützen, die Traurigkeit zu bewältigen. "bekackt" habe ich übrigens gestrichen.

Vielen Dank für deinen Kommentar.
Zantje, mej, RinaWu

ich kriegs grad einfach nicht mehr hin euch zu antworten. Nach dem Arbeitstag macht mein Kopf nicht mehr mit. Und heute Nacht gehts in den Urlaub. Ich antworte euch angemessen, wenn ich wieder zurück bin. Vielen Dank schon mal an dieser Stelle für eure Kommentare. ich habe mich sehr gefreut.

 

Hallo Zantje,
tut mir leid für die arg verspätete Antwort.

Ich habe mich allerdings auch mit dem Einstieg etwas schwer getan. Die sehr spezielle Satzgestaltung (zT sehr lange Sätze, mitunter große Brüche mittendrin) fand ich teilweise etwas schwierig zu lesen.
Ich kann diesen Einwand nachvollziehen, aber, wie du selbst anmerkst, so redet Anna eben. Das war die Erzählstimme, für die ich mich entschieden habe, da hatte ich den flow, und da muss ich in Kauf nehmen, dass es nicht jedem passt. Die Sätze sind zwar teilweise etwas länger, aber da gibt es, soweit ich das überblicke, keine Verschachtelungen drin, insofern halte ich das für gut lesbar. Und ich habe natürlich die Satzkonstruktionen auf den konkreten Inhalt abgestimmt, ich habs jedenfalls versucht.
Ich freue mich, dass dir die Geschichte im allgemeinen und Anna im besonderen insgesamt doch zugesagt hat.
Und danke für die Fehlersuche.
mej

auch bei dir muss ich mich für die Verzögerung entschuldigen. Danke für deinen Kommentar.

Sehr eindrucksvoll ein schwieriges Thema umgesetzt. Durch die junge Protagonistin erhält sie eine gewisse Leichtigkeit und Normalität. Dies widerum ruft bei mir zwiespältige Gefühle hervor, da ich gerade erst selber die Schwere der häuslichen Pflege erlebt habe.

Mir war genau dieser Aspekt wichtig. Ich habe das zwar selbst bislang nicht erlebt, aber ich gehe stark davon aus, dass die häusliche Pflege eine ziemlich deprimierende Sache ist. Eine Bekannte von mir hat das ganze aber, ähnlich der Anna, im jungen Alter und zwar relativ alleine durchgezogen und hat es dennoch geschafft, ihre Leichtigkeit nicht zu verlieren. Das fand ich sehr cool und bewundernswert und so wurde ich zu der Geschichte inspiriert.

Ich ein Problem damit, dass eine knapp Zwanzigjährige derart mit der häuslichen Pflege ihrer Tante betraut ist, dass sie ein Jahr ihres Studiums wiederholen muss. Die Tochter Leonie hingegen taucht nur ganz kurz als Randfigur auf.

Tja.. da weiß ich jetzt auch nicht. Das ist eben die Konstellation, die ich gewählt habe. Anna hat sich halt dazu entschieden und die Pflege übernommen. Leonie ist übrigens nicht die Tochter. Sie ist nur bei Anna in der Gesprächsgruppe für pflegende Angehörige.

Danke auch für deine Anmerkungen im Einzelnen. Ich hoffe, ich komme irgendwann dazu, das eine oder andere zu überarbeiten.
Vielen Dank für deinen Besuch und dein Lob, ich hab mich gefreut.
RinaWu

und meine letzte Entschuldigung für heute. Sorry für die Verspätung.

Danke dir für deinen Kommentar und deine Zeit. Ich freue mich, dass du die Geschichte so liest und Anna so siehst, wie ich mir das gewünscht habe und wie ich es selbst tue.
Schön, wenn dir das Lesen eine Freude bereitet hat.

Liebe Grüße an euch drei
randundband

 

Hallo randundband,

ich müsste eigentlich etwas ganz anderes tun, das schlechte Gewissen, als ich anfing, deine Geschichte zu lesen, verlor sich aber sehr rasch.
Einfach deshalb, weil mich deine Geschichte packen konnte.

Der Anfang wirkt etwas verwirrend. Ich fragte mich, was das nun werden soll, eine pfiffige Geschichte über den Aprilblues oder doch etwas dramatisches? Die Handlung nimmt sehr langsam Fahrt auf und während ich dies anfänglich nicht so gelungen fand, würde ich doch am Ende der Geschichte fest behaupten, dass das Tempo völlig in Ordnung ist. Genau in dieser Taktung muss so ein Plot verarbeitet werden, nicht hektisch, nicht thrillend, aber auch nicht schwerfällig und schleppend, sondern irgendetwas dazwischen. Das ist dir gut gelungen.

Irgendeiner der Kritiker schrieb, dass diese Geschichte zusammen mit noch einigen weiteren von dir zwischen zwei Buchdeckel gehöre. So sehe ich das auch. Sie gehört eindeutig zu denjenigen Geschichten, die ihre Empfehlung voll verdient haben und die ein weiterer guter Beleg dafür sind, wie hoch das Niveau hier ist. Dazu hast du mit dieser Geschichte zweifelsohne beigetragen.

Dass ich, so wie es auch schon jemand anderes geschrieben hatte, an manchen Stellen zu viel an Emotionalem erlesen habe, ist wie immer bei solchen Geschichten, eher ein Problem des Lesers. Mancher verträgt mehr, mancher weniger, mancher fühlt sich überfüllt mit gefühlsbetonten Sequenzen, andere fordern sie geradezu. Ich glaube, da gibt es kein richtig oder verkehrt.

Dir ist eine runde, tiefgründige Geschichte gelungen und darüber freue ich mich sehr.

Lieben Gruß

lakita

 

Hm, warum,

lieber randundband,

hab ich diesen schönen Text seinerzeit verpasst?,

die Hochsaison an Steuerverklärungen die wie die jahreszeitlichen Zyklen sich bis dato zwischen März und Mai wiederholen (demnächst für die Rechtgläubigen der diebischen ELSTER wird die Saison verlängert), kann es nicht gewesen sein und dass ich so was wie überhaupt eine titelgebende

... Apriltraurigkeit
kennte, kann es auch nicht sein - der April weiß eben nicht nur des Reimes wegen, was er denn wolle, womit ich schon auf ein kleines Problem hinweise, hier etwa
Er fragte auch, wie das bei mir mit Schule aussieht
mit einem einfachen Beispiel darstelle und auf den verschwiegenen Konjunktiv verweise (statt "aussieht" aussehe), der Konjunktiv, der Gerüchteweise besonders in der Redewiedergabe (wie hier) langsam sterbe (nein, ich zweifel ja daran, also besser): stürbe, also auch schon bettlägrig sein wird wie die Tante. Aber wo Kaninchen Bäume besteigen ist die Phantasie größer, als die Grammatik je regeln könnte! Und damit ist auch klar, dass es nicht der erste Satz sein kann:
April ist schon ein komischer Monat.

"Warum lacht dann keiner?", könnt ich sagen. Tu ich aber nicht. Manchmal ist einem komisch zu Mute (ohne jemandem zumuten zu wollen, dass er denn nun endlich lache). So spricht man halt. Und Anna, die Icherzählerin, eben auch. Andere gehn sofort zur Ambulanz, wenn ihnen nicht zum Lachen komisch zu Mute ist. Die Icherzählerin eben nicht, sondern bleibt, steht der Tante bei.

Der April hat tatsächlich

mit diesem blöden Spruch ... nichts zu tun.

(Auslassungspunkte ersetzen tatsächlich den ansonsten üblichen Punkt am Ende des Satzes, wie hier
Und stattdessen ... [...] Bei uns, ...
also weg mit dem Fliegenschiss von Punkt! Grammatisch korrekt braucht man seit der unseligen Rechtschreibreform nur noch bis drei zählen können, das dann aber auch in der unschönen Wiederholung des gleichen Buchstaben.)

Und sind wir nicht alle "Mexi", die wir meist gedankenlos, weil man's halt so tut, am Abendmahl symbolisch Leib und Blut unsres Bruders zu uns nehmen - selbst in kleinsten Häppchen und Schlückchen - da müssen wir gar nicht erst in Freuds Totem und Tabu oder anderen großen Werken nachschauen. Dafür ist diese leichtfüßige Geschichte über die Trauer während des Sterbens viel zu poetisch-naiv, ehe sie dann doch plötzlich und unerwartet eine echte Lücke reißen wird und Gevatter Hein das Tantchen hoffentlich behutsam bei der Hand nimmt und entführt.

Zwo, nee drei Trivialitäten, die denn doch korrigiert werden sollten:

"Mit" i. d. R. mit Dativ, wie hier

Richtig heimelig, mit Kuschelsocken, Milchkaffee und alle[m].
und 'nem vergess'nen Komma, das sonst vereinsamt
Aber jedes Mal[,] wenn ich auf dieses Fenster blicke, ...

Und abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie das Wort vorm "Oberlecker" ausgesprochen wird
Mhmmmm... Oberlecker!
zeigen die Auslassungspunkte an, dass da noch wenigstens ein Buchstaben fehle. Besser zwischen dem letzten Buchstaben und dem ersten Auslassungspunkt eine Leerstelle.

Sehr gern gelesen vom

Friedel

 

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