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Dicke Freundschaft
Heute konnte sich Johannes nicht entscheiden, was er zum Frühstück trinken wollte.
„Möchtest du lieber Kakao oder Kaba?“, fragte ihn seine Mutter.
„Ist das nicht dasselbe?“, fragte Johannes zurück.
„Nein, Johannes, es ist nicht dasselbe. Wenn du magst, bereite ich dir beide Getränke zu und du darfst entscheiden, welches von beiden dir besser schmeckt.“
„Ja, das wäre toll!“, freute sich Johannes.
Die Mutter bereitete beide Getränke zu; jedes für sich in eine extra Tasse, stellte sie vor Johannes auf den Tisch und ging zurück in die Küche. In der linken Tasse befand sich Kakao, die rechte enthielt Kaba. Er nahm die rechte Tasse zuerst, setzte die Tasse an seine Lippen und machte einen Schluck. Es schmeckte süß und ... nach Schokolade!
„Hmm ... das schmeckt aber lecker!“, rief Johannes, und wollte noch einen Schluck nehmen. Da fiel ihm ein, dass er auch die andere Sorte probieren möchte und stellte die Tasse mit Kaba wieder zurück an ihren Platz. Die linke, in der Kakao enthalten war, kam nun an die Reihe.
Als er probiert hatte, machte er ein sehr nachdenkliches Gesicht, fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, überlegte kurz und rief zu seiner Mutter in die Küche: "Du, Mama, der Kakao schmeckt aber komisch, irgendwie bitter ..."
Die Mutter war mit dem Aufräumen beschäftigt. Zahlreiche Teller, Tassen, Gabeln, Messer und Löffel standen noch vom vergangenen Abend da. Das musste sie noch alles in den Geschirrspüler einräumen, bevor sie mit Johannes später in den Kindergarten ging. Sie öffnete die Tür, klappte sie hinunter, zog die Korbwagen heraus, um alles einzuräumen. Sie fasste gerade eine Tasse am Henkel, hob sie hoch, da fiel ihr ein seltsames Geräusch auf. Irgendjemand redete hier, nein, weinte fast, konnte jedoch die Worte nicht verstehen. Sie war sich sehr unschlüssig, woher es kam, schaute verwundert auf die Tasse. Stellte sie hin. Da hörte sie Johannes aus dem Esszimmer rufen: "Mama, der Kakao schmeckt nicht so gut, ich nehm lieber den Kaba!"
Etwas irritiert rief sie zurück: "Dann nimm eben den Kaba, wenn dir der Kakao nicht schmeckt, Johannes!"
"Nein, Mama, der Kakao schmeckt schon gut, er ist nur so bitter!"
"Ist doch dasselbe", meinte die Mutter nun genervt, da sie den Geschirrspüler noch fertig einräumen wollte.
Dabei fasste sie noch einmal an die Tasse, die sie vorhin schon einmal in der Hand hatte. "Au!" schrie jemand und fing herzzerreißend zu weinen an. Hatte sie sich doch nicht getäuscht. Das konnte doch nicht sein, dachte sie.
Johannes hatte inzwischen die beiden Getränke fast leer getrunken. Die Tasse mit Kaba zuerst, weil es süßer schmeckte, aber die andere Tasse war auch nicht übel, weshalb er auch sie bis auf einen kleinen Rest austrank. Da hörte er ganz zart etwas Wimmern, ja fast Weinen. Er war sich nicht so ganz sicher, aber meinte, dass dieses Weinen aus der Tasse kam. Nein, es stimmte nicht. Beim genaueren Hinschauen sah er ein Gesicht. Beginnend neben dem Henkel zog es sich in die Breite. Es weinte und sprach zu ihm: "Johannes, schnell, Du musst meinem Bruder helfen!"
Johannes schaute nun intensiver, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass eine Tasse ein Gesicht haben konnte und dieses Gesicht auch noch zu ihm sprach. "Was?", fragte er, total aus der Fassung. "Wieso sprichst du?"
"Ich spreche nicht immer, Johannes, nur heute!"
Woher die Tasse seinen Namen wusste, war ihm nicht klar. Aber die Sache interessierte ihn brennend. Eigentlich wollte er nur herausfinden, ob es einen Unterschied zwischen Kaba und Kakao gab und nun kam diese Sache dazu, dass seine Tasse auch noch zu sprechen begann. Sofort rief er nach seiner Mutter, denn es machte ihm Angst.
"Mama, schnell, komm mal, meine Tasse weint!", rief er aufgeregt, stand auf und stieß dabei seinen Stuhl um, der polternd liegen blieb.
"Das kann nicht sein ..."
"Doch, komm ganz schnell her, ich zeig es dir ...", worauf er schon in die Küche rannte, um die Mutter bei der Hand zu nehmen. Die sprechende Tasse hielt sie noch in der Hand, unschlüssig was es damit auf sich hatte.
Da Johannes sie so drängend an der Hand zog, nahm sie diese kurzentschlossen mit.
"Du hast ja schon alle beide probiert!", rief sie, nachdem sie in beide Gefäße hineingeschaut hatte, die auf dem Tisch standen. Bis auf einen kleinen Rest der linken waren sie leergetrunken.
"Nein, Mama, stell dir vor, die linke, in der noch ein kleiner Rest vorhanden ist, hat mit mir gesprochen und sogar geweint!"
"Kann nicht sein, das ist nicht möglich!", sagte nun aufgeregter die Mutter, wobei sie bemerkte, dass sie ihre schmutzige Tasse in der Hand hielt. Sie stellte sie auf den Tisch neben die beiden anderen. Auf einmal sah sie, dass alle drei Gefäße eine Gesicht hatten. Die Gesichter waren alle gleich. Jedes hatte eine Stupsnase, und einen lächelnden Mund, ganz breit bis zu den Ohren in die Breite gezogen. Der Mund sagte nun etwas zu ihnen: "Ach, ist das schön, nun sind wir alle beisammen. Wir wollen nie mehr getrennt sein. Hoffentlich müssen wir morgen früh nicht wieder einsam sein!"
"Wieso einsam?", entfuhr es da Johannes, konnte es nicht glauben, was er gerade sah. Auch seine Mutter war sprachlos und schaute auf die Tassen und ungläubig zu ihrem Sohn.
"Wir können nur glücklich sein, wenn wir eine Einheit sind."
Johannes war sehr erstaunt und hakte nach: "Eine Einheit Tassen?"
"Ja, wir wollen immer zu dritt sein!"
"Verstehe ich nicht!", sagten da Johannes und auch seine Mutter wie aus einem Munde.
"Das ist doch ganz einfach, hört mal zu", sagten die Tassen eifrig.
"Jeden Morgen bekommst Du doch ein Getränk hingestellt von Deiner Mutter, das stimmt doch oder?"
"Ja ...", meinte Johannes
"Das Getränk", so sprachen die Tassen weiter, "ist nicht nur eine Sorte, das darf sie nämlich nicht sein!"
"Oh", machte er.
"Wir können nur dann glücklich und stark sein, wenn du oder auch deine Mama uns zu dritt serviert, eine Tasse Kaba, eine Tasse Kakao und die letzte gemischt. Nur so müssen wir nie mehr weinen!"
"Mama, da müssen wir unbedingt helfen, das können wir nicht machen, dass unsere Tassen traurig sind. Ab morgen trinke ich alle drei Sorten - Kaba, Kakao und ein Mischgetränk aus beiden, so braucht keines mehr zu weinen!"
"Du bist ja lustig", meinte da die Mutter, soviel kannst Du niemals trinken und stell Dir doch mal die Berge an Geschirr vor, die ich dann aufzuräumen habe!"
Natürlich verstand Johannes das absolut nicht, schließlich war Aufräumen nicht unbedingt seine Sache. Da seine Mama aber eine ganz eine Liebe war und ihm auch immer half, wenn er in Nöten war, schloss er mit ihr einen Kompromiss, der ihm spontan einfiel:
"Ich hab eine ganz gute Idee, Mama", meinte er mit freudestrahlenden Augen, "ich helfe dir jeden Morgen in der Küche und dafür bekomme ich diese drei Tassen. Sie müssen dann nicht mehr weinen und alle sind zufrieden."
Die Mutter schon etwas genervt, da sie eigentlich schon längst auf dem Weg in den Kindergarten sein müssten, war aber dennoch zufrieden mit dem Vorschlag ihres Sohnes und stimmte zu. Ab dem nächsten Tag gab es nun diese drei Tassen. Johannes half freudig, da er nicht wollte, dass seine Morgentassen traurig waren und womöglich noch einmal anfingen zu weinen. Außerdem hatte er immer wieder aufs Neue das spannende Erlebnis, sich entscheiden zu dürfen. Kaba oder Kakao oder zusammen in einer Einheit? ... spielte dann keine allzu große Rolle mehr. Spaß hatte es ihm auf alle Fälle gemacht und das wolle er nun zukünftig wiederholen.