Was ist neu

Deutsche Autoren

Hallo JuJu,

dann will ich auch mal tippen, pardon, ’n Tipp abgeben: Was mir in letzter Zeit unters Auge gekommen ist von den „neuen“ ist zumeist Kindskram, mit Ausnahme etwa einer

Herta Müller, die ich bis zu ihrem Skandinavienaufenthalt gar nicht kannte (es geht auch ohne viel Marketing!, dann aber auch radikal). Da wäre die Atemschaukel zu nennen, die freilich sehr sperrig ist und dennoch dem Gulag ironische und poetische Seiten abgewinnen kann – es werden in dem Roman Aufzeichnungen aus dem russischen Straflager eines andern Siebenbürger Dichters, Oskar Pastior (+ 2006) verarbeitet. Also Verdichtung pur.

Dann wäre
Arno Geiger zu nennen, der nun wiederum auch die komischen Seiten seines erkrankten Vaters im alten König in seinem Exil – Alsheim eben – aufzeigt.

Ausdrücklich warnen muss ich vor den bei Vorläufern gegebenen Empfehlungen Wells und Suter. Wenn Dich interessiert, was einer trägt und welche Farbe des Nagellacks jemand bevorzugt, dann sag ich: nur zu!, Lifestyle nimmt ja auch einen Großteil des Zeitmagazins ein, freilich redigiert der Diogenesverlag – bei dem beide veröffentlichen – miserabel. Eine Rezension zu Suter findet sich auch hier auf kg.de, die naturgemäß eher schlicht ausgefallen ist. Dem Büchlein und Marketing angemssen, wie ich find.

Jelinek und Bernhard kann man blind empfehlen, weil beide auch anecken und nicht nur Wohlgefallen auslösen – und beide sind dem Theater verbunden. Die Qualität Jelineks zeigt sich nicht nur im Nobelpreis, sondern auch in div. anderen Lobpreisungen. Mit Holzfällen könnte man beginnen ...

Richtig was lernen – z. B. wie rezensiert werden kann – kannstu bei Joachim Kaiser, der sich in dem mit der Tochter erarbeiteten biografischen Werk als letzter Mohikaner bezeichnet (was dann auch der Titel wird). Den schätz ich höher ein als MRR, was nicht bedeutet, dass der schlichter wäre! Unterhaltsam wie lehrreich sind sie beide. Unter den jüngeren Kritikern gefällt mir allein Thea Dorn (deren Pseudonym alles sagt: die weibl. Form TheoDor W. Adornos). Wie das Pseudonym, so die Frau, die auch Kriminalromane schreibt.

Mark Twains Ansichten und Auslassungen übers Deutsche wirstu sicherlich kennen. Karl Kraus hat sich seinerseits in den ersten Ausgaben der Fackel über den alternden und verbitterten Mark Twain hergemacht ... und setzt sich ständig mit dem Sprachgebaren & der Un- und Abarten auseinander. Man muss nun nicht 25000 Seiten Fackel lesen, die „Sprachlehre“ gibt’s gebunden und als Taschenbuch für die Innentasche.

Wenn Du was ganz Altes lesen willst, empfehl ich zur Abwechselung von den Schweizern zunächst
Adolf Muschg mit dem roten Ritter (1993; die aktuellste Ausgabe des Parzival, die ich kenn, aber’s erfordert Sitzfleisch: ein Wälzer) oder den handlicheren
Urs Widmer (viel Humor, der blaue Siphon und sein Kongo sind selbst für meine Verhältnisse schräg). Empfehlen darf ich noch
Gottfried Keller (manches Auge dreht sich nun nach innen) mit den Leuten aus Seldwyla – schon an den Einleitungen zu jedem Band wirstu sehen, um wie viel Jahrzehnte sozialer Entwicklung die Deregulierung seit den 1980-rn die Welt zurückgeworfen hat, dass der Oliver Twist Dickens bald wieder aktuell wird. Um auf den Geschmack zu kommen rat ich, mit dem einzigen Märchen in der Sammlung anzufangen: Spiegel das Kätzchen. Satire pur!, kein zeitgebundenes Kabarett und erst recht keine modische Comedy mit einer winzigen Halbwertszeit.

Und wenn Du Dich nicht mehr fürchtest vor Wortkaskaden, die als seitenlange Sätze daherkommen, dann sollte der Kohlhaas dran sein: ein Western zu Luthers Zeiten, der sogar eine historische Quelle im Händler Hans Kohlhase aus Berlin hat. Der Brandenburger Kaufmann beginnt - nach diversen erfolglosen Versuchen bürgerliches Recht gegenüber dem Sachsen von Zaschwitz durchzusetzen – eine Fehde und wird am 22. März 1540 gerädert. Kleist sollte man aber nicht an der Grammatik messen!, sonst wird er gewalttätig wie die meisten seiner Texte.

Wenn Du eine intelligente Witzesammlung suchst, warum nicht Freuds Witz und seine Beziehung zum Unbewussten?

So, das mag genügen.

Gruß

Friedel

 

Noch nachgereicht zum Thema Kurzgeschichten / Erzählungen deutscher Zeitgenossen:

Ingo Schulze - Simple Storys

Judith Herrmann - Sommerhaus, später

ist in beiden Fällen zu lange her - so fünf oder sechs Jahre - als dass ich halbwegs sichere Inhaltsangaben oder Stilbeschreibungen machen könnte. Die müsstet ihr selbst nachlesen und schauen, ob was für euch dabei sein könnte. Ich weiß aber noch, dass ich die jeweils verschlungen habe; sehr gute Literatur.

 
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Oh Mann - gut dat der Kubus daherkam, hab ich doch einen der Urväter deutscher Nachkriegskurzgeschichten vergessen: Heinrich Böll, Dr. Murkes gesammelts Schweigen und das Ende einer Dienstfahrt, letzteres ein Denkmal für seinen Freund Beuys (es kommt nicht allzu häufig vor, dat Kölle und D'dorf eine solche Verbindung eingehn!).

 

Juli Zeh schreibt auch verdammt stark. Witz, ein bisschen Nostalgie und ein fantastisches Sprachgefühl.

 

Was ich noch empfehlen kann sind zwei Bücher von Zoran Drvenkar, Sorry und Du. Vor allem Du ist aussergewöhnlich, da es (wie der Titel schon verrät) bis auf ein Kapitel komplett in der 2. Person Singular geschrieben ist. Sprachlich fand ich es klasse, manche Abschnitte waren so gut formuliert, dass ich sie mir beinahe ausgedruckt und aufgehängt hätte ... also das kann ich ohne zu zögern empfehlen.

 

Vor allem Du ist aussergewöhnlich, da es (wie der Titel schon verrät) bis auf ein Kapitel komplett in der 2. Person Singular geschrieben ist.
Für mich wäre das, ehrlich gesagt, ein Grund das Buch nicht anzufassen. Empfiehlst du das Buch also wegen oder trotz der Perspektive?

 

Solche Pauschalaussagen sind immer blöd, gibt es genauso über die 1. Person Singular und manchmal werden sie gar noch mit Wertungen wie unliterarisch verbunden.
Die 2. Person singular ist so außergewöhnlich nicht, wird vor allem in Liebesschnulzen und Trennungsvorwurfsgeschichten von jedem zweiten versucht, was ihr wohl den schlechten Ruf brachte. Aber für sie gilt, was für jedes Stilmittel gilt: Es muss der Geschichte dienen. Ich kenne einige davon, in denen auch die zweite Person hervorragend umgesetzt ist.

 

Für mich wäre das, ehrlich gesagt, ein Grund das Buch nicht anzufassen. Empfiehlst du das Buch also wegen oder trotz der Perspektive?

Wenn du so fragst, eher wegen der Perspektive, aber nicht nur allein deshalb. Mich hat das Buch auf ganzer Linie überzeugt (Sprache, Handlung, Figuren), die Perspektive fügt sich da einfach nahtlos ein. Es springt oft zwischen den Personen hin und her, und jedes Kapitel trägt als Überschrift den Namen der Person, die jeweils mit "Du" angesprochen ist. Das ist gewöhnungsbedürftig am Anfang, aber mir hat das sehr gut gefallen - vor allem, weil mehrere Erzählfäden nach und nach zusammenlaufen.

Ich kenne sonst keinen Roman in der 2. Person Singular (kann mich jetzt nicht mal an eine Kurzgeschichte erinnern ausserhalb des Forums), liegt dann aber vermutlich daran, dass ich die von sim genannten Genres nicht lese ...

 

Für mich wäre das, ehrlich gesagt, ein Grund das Buch nicht anzufassen.

Wo ist eine Pauschalaussage?
Es wäre natürlich auch keine Pauschalaussage, schriebe ich, der Nick JoBlack über einer Geschichte wäre für mich ein Grund, sie nicht zu lesen. ;)

Keine Angst, der Nick wäre eher ein Grund, sie zu lesen, aber die Aussage oben ist eindeutig eine Pauschalaussage.

 

Jetzt sei nicht so kleinkariert. :P Die Aussage mag pauschal gemeint sein, aber dann nur für mich, deswegen auch der Zusatz: Für mich.

Bis jetzt konnte ich mich und meinen Geschmack ganz gut einschätzen, ich brauch nicht noch ein Buch, um dies zu bestätigen. :p

Es gab bis jetzt zwei Bücher, die mich begeisterten und in dieser Perspektive geschrieben wurden, die habe ich allerdings vor fünf, sechs Jahren gelesen, ich bin mir sicher, heute würde ich sie doof finden.

 
Zuletzt bearbeitet:

Helmut Krausser. Mir geht seine arrogante Art manchmal auf den Sack, und in vielen seiner Bücher hat er dann auch wirklich lange Leerlauf, aber die poetischen Stellen, die er raushaut, sind es wirklich wert.

Jörg Fauser. Nie ist besser über Drogenkonsum in deutscher Sprache geschrieben worden (meine subjektive Meinung), und seine Krimis sind auch nicht von schlechten Eltern.

Wolf Wondratscheck. Seine Gedichte (Chuck's Zimmer) sind sehr gut, und die neueren Sachen auch.

 

Auch schon etwas älter, aber für mich ein besonderes Buch:

Marlen Haushofer, Die Wand. (Nix für Action-Freunde).


Stefan Zweig hat psychische Vorgänge (bzw. deren Auswirkungen) sehr scharf beobachtet und stilsicher beschrieben.

 

Hallo JuJu,


ich finde an deutschsprachigen Romanen gut oder anders gesagt, was bei mir Nachhall hinterließ:

Elke Heidenreich: Alte Liebe, Nurejews Hund, Erika
(ich mag ihre Sprache, aber noch viel mehr bewegen mich ihrer Aussagen)

Jurek Becker: Stille Tage
(seine Aussagen finde ich immer wieder beeindruckend)

Irmgard Keun: Das kunstseidene Mädchen
(Keuns Sprache ist in diesem Roman das Erlebnis gewesen)

Ich hoffe, ich werde nicht für arrogant gehalten, dass die nachfolgenden Romane mich nicht so beeindruckt haben, wie die anderen.

Es sind lauter deutschsprachige Texte, die mich unterhalten haben, und an manchen Stellen, aber nicht nachhaltig, beeindruckt haben:

Frank Schätzing: Der Schwarm
(Thriller, wenn du Action magst, spannende Unterhaltung, aber auch nicht mehr als das)

Heinz Strunk: Fleckenteufel
(hatte einen seltsam eigensinnigen Humor)

Daniel Glattauer: Gut gegen Nordwind, Alle sieben Wellen
(ist deswegen ganz interessant, weil es um eine virtuelle Begegnung geht)

Sven Regener: Herr Lehmann, Der kleine Bruder
(eine Form von amüsanter und somit unterhaltender Eigenschau)

Stefanie Zweig: Katze fürs Leben
(ihre Katzensicht fand ich gelungen)

Andrea Maria Schenkel: Tannöd
(unterhaltsam, weil mal ein Krimi in anderer Verpackung, aber das wars dann auch schon)

Wladimier Kaminer: Mein deutsches Dschungelbuch, Russen Disko etc...jede Menge Titel
(ist für ein Häppchen zwischendurch immer gut. Autor ist Deutschrusse in Berlin und schaut mit ironischem Blick auf das merkwürdige Treiben der Deutschen und auch in seiner Heimat an)

Tommy Jaud: Resturlaub, Hummeldumm, Millionär, Vollidiot
(wer seinen Humor mag, fühlt sich gut unterhalten, aber es bleibt alles sehr flach klamaukig)

Bernhard Schlink: Selbs Betrug, Die gordische Schleife
(vermutlich hatte ich das Pech, die falschen Romane zu erwischen, ich fand ihn höchst unauffällig)

Heinrich Steinfest: Die feine Nase der Lilli Steinbeck
(ein Krimi, dessen Plot, ja eigentlich mehr die Figuren, durch ihre phantasievollen Charaktereigenschaften beeindrucken konnte, von dem werde ich noch mehr lesen)

Karen Duve: Regenroman
(unauffällig und doch nicht langweilig)

Michael Kumpfmüller: Die Herrlichkeit des Lebens
(interessante Geschichte)

Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt, Beerholms Vorstellung
(gute Unterhaltung, aber leider auch nicht mehr)

Christoph Hein: Frau Paula Trousseau
(trotz fehlender Spannung hatte dieser Roman seinen Reiz)

Frank Göhre: Abwärts, St. Pauli-Nacht
(guter Krimiautor)

Frank Goosen: Pokorny lacht
(Bochumer mit erfrischender Schreibe)

Christiane Brückner: Jauche und Levkojen, Nirgendwo ist Poenichen
(wenn du Familienromane, die in der Zeit vor und nach dem 2. Weltkrieg spielen, dann sind diese beiden Romane meine Empfehlung)

Martin Suter: Der Koch
(manchmal erschlägt er einen mit seinen Details, die die Geschichte nicht so recht voranzubringen vermögen)

 
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Das firmiert zwar unter Kinderbuch, aber … Michael Endes Unendliche Geschichte hält auch eine grandiose Verständnisebene für philosophisch behauchte Erwachsene bereit.

Ich lese das gerade mal wieder mit Genuss, nachdem ich per Youtube aus reiner Langeweile rekapitulierte, wie schlecht die Filme waren. Obwohl, der erste von 1984, der nur die erste Hälfte des Buchs abdeckte, der ging ja. Die aber den zweiten, und ganz besonders die, die den dritten verbockt haben: Leute, das sind keine Sequels, sondern eher Sehqualen und sind zu Recht gefloppt. Den Verantwortlichen ist eine solch gravierende Verantwortungslosigkeit gegenüber ihrer Filmvorlage und dem jüngeren Publikum vorzuwerfen, dass ich versucht bin … — ach, das wird spätestens jetzt offtopic.

Naja, von jemandem, der mit dem buchgetreuen Hörspiel aufgewachsen ist und irgendwann das Buch geschenkt bekam, das übrigens in zwei Farben gedruckt ist, weshalb sogar ich Banause die zwei Handlungsebenen auseinanderhalten kann :D, von so einem ist wohl auch kein anderes Urteil zu erwarten. Außerdem ist die Erkenntnis, dass Sequels den einzigen Zweck haben, rücksichtslos und mit minimalem Aufwand bereits gesähte Erwartungen zu ernten (auszubeuten), ja eigentlich auch nicht neu.

Ich will nur sagen, dass mir Ende leid tut, er hat das nicht verdient.

Übrigens ist Ralf Isau in der Tat mal ein würdiger Nachfolger (oder eher Vorfolger, „Prequel”) gelungen: Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz.

Ach ja, auch bemerkenswert ist Walter Moers. Ihm ist eine eigene Fortsetzung seines großartigen Werks Die Stadt der träumenden Bücher im Ansatz gelungen: Das Labyrinth -"-. Aber da auch dieses Buch in der Mitte endet, gerade wo es spannend geworden wäre, habe ich mir geschworen, mir die Fortsetzung höchstens aus der Stadtbücherei zu leihen. Das habe ich auch mit dem Labyrinth gemacht, wenn ich ehrlich bin, aber dies ist eine andere Geschichte …


Viele Grüße und eigentlich wollte ich gar nicht hier sein,
-- floritiv.

 

Hat schon jemand Botho Strauß genannt?
Ich habe jetzt nicht übermäßig viel von seinem Werk gelesen, aber einige seiner Kurzgeschichten sind wirklich schön.

 

Hat schon jemand Botho Strauß genannt?
Ich habe jetzt nicht übermäßig viel von seinem Werk gelesen, aber einige seiner Kurzgeschichten sind wirklich schön.
Dem kann ich nur beipflichten, absolute Empfehlung: Mikado. Wer die Geschichte vollkommen versteht, schreibe mir. =)

 

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