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Der Wind streichelt die Blumen

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27.08.2001
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Der Wind streichelt die Blumen

Der Tag hatte wunderbar begonnen. Die Sonne war langsam am Horizont hervorgekrochen und ihre wärmenden Strahlen hatten sanft die Felder und Wiesen von Boranien gestreichelt. Mit den Sonnenstrahlen kamen die Tiere und brachten nach der dunklen Nacht die Vielfältigkeit des fröhlichen Tages.
Shenara rannte barfüßig über die Blumenwiese am Rande der Stadt. Wie ein weiter Teppich erstreckte sich die Pracht der Flora, farbenfroh und leicht. Shenara fühlte sich gut. Sie hatte tief und fest geschlafen, nachdem sie am Abend von Tyron, ihrem Verlobten, geträumt hatte.
An einem kleinen Bachlauf machte sie Halt und schöpfte mit der Hand das kalte Wasser. Es schmeckte köstlich. Alles war gut, alles war schön. So musste es im Paradies sein, so musste es bleiben bis ans Ende aller Tage.
Shenaras Leben zählte 17 Sonnenumläufe. Es war ein bisher sorgenfreies Leben gewesen auf dem Gut ihres Vaters, dem Herrn von Boranien, dem Fürsten der Ebene. Die Felder und Wälder lieferten alles zum Leben, was sie benötigten, sie, die Herren und die Bewohner der Stadt.
Sie dienten dem Herrn der Welt gut.
Shenara legte sich auf den Rücken ins duftende Gras und starrte in den Himmel. Dort schwebten einige Vögel elegant zwischen den Wolken dahin und in der Ferne stürzte ein Raubvogel auf seine Beute im Gras. Fressen und gefressen werden war des Lebens Lauf, aber dennoch lag über allem der Frieden.
Tyron würde bald kommen, dachte Shenara und das Lächeln, was auf ihrem Gesicht lag, verbreiterte sich. Würde er ihr ein Geschenk aus der Ferne mit? Vielleicht ein ausgefallenes Kleid? Sie war gespannt.
Sie konnte den Tag der Hochzeit kaum erwarten, voll der freudigen Erwartung. All die Gäste, die ganze Stadt würde mit ihr feiern. Die Geschenke, das gute Essen. Der Tanz. Ja, das war es, was ein junges Mädchen von Boranien glücklich machte. Ihr Herz schien in ihrem Brustkorb zu springen. Spürte sie nicht ein paar Tränen in den Augenwinkeln? Wurde ihr nicht der Hals eng? Die Vorfreude schnürte sie ein und sie musste sich befreien.
„Tyrooooon!“, schrie sie in den Morgen und lachte anschließend. Dann sprang sie auf, um ins Dorf zurück zu laufen.
Vor ihr stand Tyron!

„Meine Liebste!“ Er lachte fröhlich. Dabei strahlte sein schönes Gesicht und er ging auf sie den letzten Schritt zu. Die Umarmung fiel zärtlich aus, aber dennoch stürmisch. Ihre Lippen fanden sich und sie verschmolzen fast miteinander. Shenara vergaß fast das Atmen und riss sich los – widerwillig.
„Tyron!“, stieß sie atemlos hervor und betrachtete ihn von oben bis unten. Er trat einen Schritt zurück und breitete seine Arme aus. Komm, schau mich genau an, drückte er damit aus. Tyron maß sechs Fuß, besaß eine kräftige Gestalt, war aber keinesfalls einer dieser muskelbepackten Schläger, die durch die Lande zogen. Seine Finger waren schmal und wurden von feingeschnittenen Fingernägeln gekrönt.
Das Pochen ihres Herzens verlangsamte sich und die Aufgeregtheit wich einer wohltuenden inneren Unruhe. Tyron war der Mann ihrer Zukunft. Der Vater ihrer Kinder. Der Herr des Landgutes.
Tyron nahm sie wieder in den Arm und drückte sie zärtlich.
„Ich habe jede Nacht von dir geträumt, Liebste!“ Seine Stimme erklang im sanften Bariton und die Schwingungen seiner Worte kräuselten sich durch die Gehörgänge wie eine laue Sommerbrise.
„Die Vorbereitungen für unser Fest sind fast abgeschlossen!“, sagte sie, streichelte ihm dabei über die Wangen.
Er drückte sie etwas von sich und fasste mit einer Hand unter ihr Kinn. Sie war mehr als einen Kopf kleiner als er. Sein Blick lag mit einer gewissen Traurigkeit auf ihrem Gesicht. Sie runzelte die Stirn.
„Was ist, Tyron?“
„Shenara...es fällt mir schwer...aber...es ist Zeit, es dir zu sagen!“
„Was ist?“
Angst umklammerte ihr Herz.
„Ich habe schon mit deinem Vater gesprochen. Du warst schon fort aus der Stadt, als ich eintraf. Wir sind uns einig, dass wir die Hochzeit verschieben!“
Plötzlich war die Leichtigkeit des Morgens verflogen. Sie machte Platz für eine schwarze Decke, welche die Sonne verdunkelte. Shenara war, als würden ihr die Beine unter dem Körper weggezogen. Sie wankte etwas, fühlte sich schwindelig. Tyron hielt sie fest, sie konnte nicht fallen.
„Aber...“, brachte sie nur hervor und Tränen sickerten aus den Augenwinkeln.
„Die Hochzeit...wir wollten doch...wir haben uns doch so lange darauf gefreut, Tyron!?“
Der junge Mann sah, dass sich seine Verlobte wieder gefangen hatte und trat einen Schritt zur Seite. Er drehte ihr den Rücken zu. Sein Blick schweifte über das Blumenmeer.
„Shenara. Wir haben keine Wahl!“
„Warum?“ Ihre Stimme klang plötzlich hysterisch. Sie trat neben ihn und zerrte am Arm.
„Shenara. Der Herr der Welt ruft zur Schlacht. Der Eroberer der Welten hat mich berufen, in seinem Heer zu dienen!“
Sie starrte ihn nur aus großen Augen an. Der Herr der Welt! Ihr oberster Fürst. Der Imperator der bekannten Welt. Sie schluckte heftig und sackte dann zu Boden. Heftige Weinkrämpfe schüttelten sie. Tyron stand nur daneben und starrte weiter in die Ferne.
Es war, als ob die Vögel des Himmels mit den beiden Menschen trauerten. Ihr Singen war verstummt und die Blumenpracht auf dem Feld wirkte wie ein Flickenteppich über schmutziger Erde.

*

Der Traum kehrte in jeder Nacht wieder. Überall waren Blumen, bunt und schön. Die Sonne lachte am Himmel und eine junge Frau rannte über die Wiesen der Ebene. Eine knochige Hand tauchte am Himmel auf und pflückte einen ganzen Strauß Blumen und warf ihn ihr ins Gesicht...
Shenara schrie auf und erwachte.
Wie in jeder Nacht.
In all den Monaten und Jahren.
Wann kehrte Tyron heim - zu ihrer Hochzeit?

*

Die Hufe der Pferde scharrten unruhig. Das Schnauben ihrer Nüstern wirkte nervös. Die Männer auf den Pferden blickten angespannt in die Senke, dort, wo das Dorf stand. Die Siedlung war ungeschützt, genau die richtige Beute für ein kleines Scharmützel zwischendurch.
Das Heer des Eroberers war seit zwei Jahren unterwegs, immer auf dem Weg nach Osten. Viele Städte und Dörfer mussten sich ihm schon unterwerfen und mit jedem Sieg wuchs auch das Heer des Herren der Welt.
Seit drei Wochen war es zu keinen Kampfhandlungen gekommen. Die Ruhe machte die Männer nervös, die es gewohnt waren, immer weiter nach vorne zu marschieren und einen Kampf nach dem anderen auszufechten. Die Ruhe tat dem Körper zwar gut, aber sobald die Ermattung kam, wurde der Geist unruhig. Die Männer fühlten sich nutzlos und lagen tatenlos herum. Die Hauptleute wussten um dieses Problem und sie suchten Ausgleich in Kampfturnieren oder Überfällen auf Gehöfte und kleine Dörfer.
Tyrons Kompanie stand am Hang eines solchen Dorfes und die Krieger zogen ihre Schwerter blank. Der Hauptmann hob sein Schwert und stieß es in den Himmel. Die Krieger gaben den Tieren die Sporen und die Abteilung setzte sich donnernd in Bewegung. Das Trampeln der Hufe wurde übertönt vom Geschrei der Männer. Tyron ritt in der zweiten Reihe und sein kehliges Rufen schallte ebenfalls zum Himmel.
Die Bewohner des Dorfes wurden vom Überfall überrascht. Einige Boten hatten zwar von Truppenbewegungen berichtet, doch das Dorf lag so weit ab von den Heeresstraßen, dass sich die Menschen hier sicher fühlten.
Der Tod kam auf wilden Hufen und mit scharfen Schwertern.
Die Abteilung raste in die Straßen des Dorfes und nahm auf nichts und niemanden Rücksicht. Egal, wer im Weg stand, er wurde niedergemäht. Ober Kind, Frau, Mann oder Greis. Das Sensengericht wütete neutral ohne Unterschied.
Die ersten Hütten flackerten brennend auf und über allem stand der Gestank des Todes, das Geschrei der Todgeweihten.
Tyron sprang vor einer Hütte in der Mitte des Dorfes aus dem Sattel und schwang sein Schwert. Ein Mann, der mit einer Mistgabel auf ihn losgehen wollte, wurde in zwei Stücke geteilt, so gewaltig war Tyrons Hieb. Blut und Fleisch spritzte umher. Tyrons wilder Blick heftete sich auf den Hütteneingang. Dort war eine Bewegung zu sehen. Der junge Krieger sprang zur Tür und packte mit der freien Hand hinein. Er bekam ein Kleidungsstück zu fassen und zerrte daran. Eine Frau flog ins Freie und lag schreiend vor ihm. In den Händen hielt sie eine silberne Schüssel umklammert.
Ein passendes Geschenk für Shenara, durchzuckte es den Edelmann. Er fasste die Frau an den Haaren, hob sein Schwert und hieb ihr den Kopf ab. Dann nahm er sich die Schüssel und betrachtete diese freudig.
„Wunderbar!“, knurrte er und rannte zu seinem Pferd. Er warf noch einen letzten Blick auf den verkrümmt da liegenden Torso der Frau, die kaum älter als Shenara gewesen sein musste. Er spuckte aus und verscheuchte die Gedanken der Scham, die ihn überkommen wollten. Dies war nicht der Ort und die Zeit dafür!
Der Widerstand im Dorf war gebrochen. Alle Häuser brannten lichterloh. Niemand lebte mehr. Der Brandgeruch vermischte sich mit dem süßlichen Geruch des Todes.
Das Horn der Abteilung blies zum Sammeln.
Das Gemetzel hatte keine Stunde gedauert.

*

Tyron fettete seine Lederrüstung ein und warf hin und wieder einen Blick auf die Silberschale. Sie hatte überall in der Abteilung Bewunderung hervorgerufen. Ein wahres Schmuckstück.
Jelian, sein Zeltkamerad lag faul auf der Feldliege und rauchte eine Pfeife. Er betrachtete stumm seinen Freund.
„Du sprichst sonst mehr, Jelian!“, fing Tyron ein Gespräch an. Jelian brummte nur und paffte eine kleine Rauchwolke zur Zeltdecke. Er stützte sich auf einen Arm auf und grinste Tyron entgegen.
„Wir kämpfen schon fast zwei Jahre zusammen, Tyron!“
„Seite an Seite, mein Kamerad!“
„Denkst du oft an Shenara?“
„Jeden Tag. Ich sehne mich nach ihr.“
„Meine Verlobte ist bestimmt schon verheiratet.“
„Nicht Shenara! Sie gehört mir!“
„Kannst du dich noch an die Zärtlichkeiten erinnern, die ihr einst austauschtet?“
Tyron hielt in seiner Arbeit inne und schaute Jelian verblüfft an. „Ja...oder... auch nicht. Was man so mit einer Frau halt macht...“
„Was hast du gefühlt, als du der Frau den Kopf abschlugst?“
Tyron hielt seinen Blick auf Jelian gerichtet. Er runzelte die Stirn. Der Kamerad grinste ihn freudlos an.
„Was soll die Frage. In jeder Schlacht töten wir.“
„Ob Mann oder Kind, Frau oder...“
„Feind ist Feind. Wenn wir siegen und heimkehren sind wir reich und uns gehören viele Ländereien. Nur das zählt.“
„Ja – aber, was ist ,wenn jemand dein Dorf überfällt und Shenara tötet?“
Aus Tyrons Hals erklang ein aggressives Knurren.
„Wer sollte uns schon angreifen!“ Dann wienerte er weiter an seinem Leder und beachtete Jelian nicht mehr. Wenn er heimkehrte, würde er Shenara fette Beute mitbringen, Gold und Geschmeide. Und Diener und Sklaven. Sie würde eine wahre Braut sein, eines Herren würdig.
Er legte das Leder beiseite und widmete sich nun der Pflege seines Schwertes. An der Schneide klebten noch Reste von Blut, Fleisch und Haaren. Er tränkte einen Lederlappen ihn Öl und entfernte die Zeichen der vergangnen Schlacht.

*

Hauptmann Nesmar nahm die Hand von Tyrons Schultern. Er lächelte zufrieden. Tyron stand steif vor seinem Anführer mit starrem Blick geradeaus. Wie es sich für einen Untergebenen geziemte.
„Du kannst rühren, Zugführer Tyron!“ Diese Beförderung hatte er sich verdient, in all den vergangenen Schlachten und Scharmützeln. Sein Herz schlug heftig, obwohl er äußerlich ruhig blieb.
„Danke, Hauptmann. Ich werde ein guter Zugführer sein!“ Der alte Zugführer war in der vergangenen Nacht seinen schweren Verletzungen nach einem Jagdausritt erlegen. Nesmars Wahl war sofort auf Tyron gefallen, der vor allem durch seine mutigen und schnellen Attacken von sich Reden machte. Er würde ein würdiger Nachfolger sein.
„Der Herr der Welt braucht gute Krieger. Wir werden zu neuen Grenzen vorstoßen für den Ruhm des Imperiums. Neue Grenzen bedeuten auch neue Beute und Reichtum für uns. Denke immer daran, Tyron!“
Der frischgebackene Zugführer lächelte, grinste fast. „Ich denke an nichts anderes, mein Hauptmann!“
„Morgen marschieren wir vor Sonnenaufgang ab. Unsere Späher haben die mächtige Stadt Haggerid erkundet und wenn sie fällt, fällt das aufmüpfige Königreich der Keltrinen mit! Morgen wird unsere Armee diese Stadt überrennen!“
Tyron nickte nur, nahm Haltung ein, schlug die rechte Hand gegen seinen Schwertknauf und trat ab. Er musste seinen neuen Zug informieren.

*

Die sechszehnte Armee des Eroberers belagerte Haggerid. Sie war die schönste Hauptstadt des Ostens. Ihre filigranen Türme ragten gegen den Himmel, streichelten die Wolken. Die goldnen Zinnen spiegelten den Reichtum des Volkes wieder.
Der Reichtum, der bald dem Herrn der Welt gehören würde.
Die Armee marschierte auf, wie ein dunkler Moloch lagen die Truppen vor den Stadtmauern. Das Herz des Ostens war eingeschlossen! Die Infanterie stand sturmbereit, die Kavallerietruppen lauerten dahinter. Wie drohende Finger aus der Unterwelt erhoben sich dorthinter die Kampftürme mit den feuerspeienden Kanonen. Diese würden die Mauern zu Bruch und sturmreif schießen. Wie immer. Nichts konnte die Armee des Eroberers aufhalten. Niemand.
Tyron stand mit seiner Kavallerieeinheit weit hinten. Er würde am ersten Sturm nicht teilnehmen. Er ging zwischen seinen Männer herum und kontrollierte noch einmal einen jeden, seine Rüstung, seine Waffen und sein Pferd. Nichts entging seinem scharfen Blick.
Shewellon sah müde aus, ein junger Korporal. Er bereitete Tyron Sorgen.
„Du wirst den Angriff nicht überleben, Shellewon!“
Der junge Krieger erhob sich und starrte seinen Zugführer ängstlich an.
„Herr...!“
„Schweig! Konzentriere dich auf den Kampf. Wenn du schon stirbst, dann wie ein Mann!“ Das harte Gesicht Tyrons verzog sich kaum merklich. Die Narbe auf seiner Stirn glühte trotz der Gesichtsbräune rötlich.
„Dies ist erst meine erste Schlacht...“
„Jeder von uns hatte eine erste Schlacht vor sich. Ich kann keine Weichlinge gebrauchen!“ Jelian betrachte seinen ehemaligen Zeltkameraden mit innerer Sorge. Und Wut. Was war aus dem jungen, fröhlichen Mann geworden, den nur an seine große Liebe dachte?
„Du Sohn eines Hängebauchschweins!“, schrie Tyron plötzlich. Die Männer des Zuges zuckten alle zusammen. Tyron starrte auf die Beine Shellewons. Auf dem Boden zwischen den Beinen bildete sich eine Pfütze, die Beinkleider waren nass.
Tyrons Blick kehrte zu den Augen Shellewons zurück. Der war totenbleich geworden. An Tyrons Hals bildeten sich Zornesadern, sie schwollen dick an. Sie verschwanden aber auch so schnell, wie sie entstanden waren!
„Jelian!“ Der Angesprochene trat vor. „Nimm dieses Stück Fleisch und lehre ihm Manneszucht!“
„Nein!“, schrie Shellewon uns fiel auf die Knie. „Habt Mitleid! Nein!“
Tyron wandte sich ab und verließ den Bereich seine Zuges. Er würdigte seinen Männern keinen Blick mehr. Jelian trat an Shellewon heran und fasste ihn an den Schultern.
„Steh auf, Mann. Bringen wir es hinter uns!“
Zwei weitere Kameraden traten vor und packten den Verurteilten. Einer von ihnen entrollte eine Peitsche.
Die Schreie des Bestraften gellten über das Schlachtfeld. Sie wurden vom Krach der Kriegsvorbereitung übertönt. Sie verhallten in den Weiten des Totenackers. Shellewon war nicht der einzige, der schrie. Viele schrieen. Aber auch ihre gellenden Schreie verpufften im Nichts.

*

Das erste Bombardement war fürchterlich.
Die Feuerkugeln der Angreifer zerfetzten die Stadtmauern und zertrümmerten die Türme aus Gold, die Wahrzeichen des Wohlstandes und des Friedens.
Tyron betrachtete fasziniert das Vernichtungswerk der Feuerwerker. Welche Macht steckte hinter dieser Armee. Welch gewaltigen Kräfte! Nesmar, sein Hauptmann stand neben ihm und betrachtete die Feuersbrunst in der Stadt.
„Viele werden heute sterben!“, sagte er leise, kaum zu hören im Getöse der Schlacht.
„Die Überlebenden werden die Ernte halten!“, knurrte Tyron, den Blick nicht von der Stadt wendend.
„Im Norden soll es Barbarenländer geben, die wie wilde Keiler durch die Nordlande fegen!“
„Mit Verlaub, mein Hauptmann“, Tyron wandte seinen Kopf zu Nesmar. „Dieses Problem werden unsere anderen Armeen angehen.“ Dann schaute er wieder auf die berstenden Mauern.
„Die Eismänner sollen Frauen und Kinder fressen. Unsere!“
Tyron lachte kehlig: „Heute frisst unser Feuer den Feind! Jeden Feind!“ Seine Rechte lag auf dem Schwertgriff, die Klinge war schon millimeterlang zu sehen.
Er wollte seinen Hauptmann nochmals anblicken, doch der war gegangen.

*

Die Stadt brannte an allen Ecken.
Die Hörner bliesen zum Angriff. Die Infanterie blieb in Lauerstellung. Die Kavallerie preschte nach vorn, die Lanzen tief gesenkt. Erst die schwere Reiterei, dann die leichten Pferdekrieger mit ihren Schwertern. Eine wahre Lawine brandete auf Haggerid zu. Umtoste die geschliffenen Mauern.
„Die Gegenwehr war sehr gering“, sagte Hauptmann Nesmar zu seinen Zugführern, bevor er sie zu ihren Einheiten beorderte. Die Unterführer nickten.
„Sie sind vor Angst erstarrt!“, knurrte Tyron nur und trat als erster ab. Die Kompanie ritt erst in achter Reihe. Sie würden leichte Ernte in der Stadt halten und die letzten Widerstände für die Infanterie forträumen.
Das Trappeln von zigtausend Hufen donnerte über die Ebene vor der Stadt. Der Schrei aus Tausenden von Kehlen der Angreifer hallte gegen Haggerid.
Und verstummte, als aus den Löchern der Mauern gewaltige Wesen brachen, eine Mischung aus Wolf und Bär, aber mit gewaltigen Gliedern und verteufelt schnell.
Die Angriffswelle konnte nicht mehr gestoppt werden, waren die schweren Reiter erst einmal im Ritt, konnte sie nichts mehr bremsen. So prallten die Gegner vor der Stadtmauer aufeinander. Die Bestien brachen in die Angriffsfront ein und zerfetzten die schwergerüsteten Ritter samt ihren Pferden. Es waren Dutzende von Wesen, wie sie von Tyron noch nie gesehen worden waren.
„Das ist Magie!“, schrieen etliche Krieger seines Zuges und versuchten die Pferde zu stoppen und zu beruhigen. Aber das war nicht einfach, denn von überall drängten Berittene heran. Ganze Abteilungen brachen zusammen und wurden niedergetrampelt. Panik machte sich breit.
„Voran!“, brüllte Tyron, als er sah, wie Hauptmann Nesmar von einem Pfeil getroffen vom Pferd fiel. Die Verteidiger auf den Stadtmauern feuerten jetzt zurück! Tyron trieb sein Pferd voran, rücksichtslos. Er überrannte eigene Leute. Er kannte keine Gnade. Nur der Starke konnte führen. Würde er die Initiative nicht übernehmen, waren sie alle verloren.
Seien Männer folgten ihm. Die ganze Kompanie. Er war ihr Führer! Es war wie ein Signal. In diesem Abschnitt ging es wieder vorwärts!
Dennoch wüteten die Bestien fürchterlich unter den Angreifern.
Ein Blutbad. Der Tod fand reiche Beute. Ganze Schwadronen warfen sich auf eine Bestie und wurde fast aufgerieben, bevor eines der Monster fiel.
Tyron wusste aus Erzählungen, dass es im Osten der Welt mächtige Zauberer geben sollte, wie sie im Imperium nicht bekannt waren. Niemand beherrschte hier irgendwelche Zauberkräfte. Magie war verpönt.
Aber die Keltrinen kannten darin keine Hemmungen.
Sie lebten mit Magie und sie setzten sie als Waffe ein. Magisch gezüchtete Wesen mit gewaltigen Kräften, die ganze Armeen zerschlagen konnten.
Welch gewaltige Waffe, wenn sie auf Seiten des Imperiums stehen würde, durchfuhr es Tyron. Der Geruch von Brand und Blut kroch in sein Hirn und machte in rasend.

*

Etliche Einheiten brachen durch die Stadtmauern und trugen die Schlacht nun endlich ins Ziel. Die Infanterieeinheiten rückten vor, wurde aber oft von durchbrechenden Monstern aufgerieben.
Der General erteilte schließlich den Befehl, mit den Feuerkanonen auf die Monster zu schießen.
„Aber unsere Einheiten...“, warf ein Obrist ein. Er wurde mit der Peitsche zum Stillhalten gebracht.
„Wenn wir es nicht tun, brechen die Bestien durch. Unsere Männer sterben so oder so!“ Dem General war selbst mulmig zu mute. So begründete er seine Entscheidung, was er sonst nie tat.
Die Kanoniere taten ihre blutige Arbeit. Sie feuerten in die eigenen Reihen, über all dorthin, wo die Bestien kämpften. Hunderte Krieger starben bei dieser Attacke, ganze Kompanien des Eroberers wurden ausgelöscht.
Aber auch die Bestien vergingen im Feuer.
Das Ergebnis gab dem General Recht!
Tyron schrie in den Himmel. Die Macht der Bestien brach. Seine Einheit stand fast vor den Mauern. Die Reste der Kompanie, die er jetzt führte, donnerten auf einen Mauerdurchbruch zu. Vereinzelt kam Gegenwehr auf, aber die Gegner wurde niedergeritten
„Für das Imperium und unseren Ruhm!“ Tyron jagte als erster seiner Männer in die Stadt, Zähne fletschend und mit wildem Blick. Ganz weit hinten in seinem Gedächtnis blitzte das Bild Shenaras auf. Aber es verblasste so schnell, wie es erschienen war.

Die Bestie stand plötzlich vor ihm, fast fünf Meter hoch, wie ein Turm. Sein Pferd raste gegen den Muskelberg und brach sich das Genick. Tyron wurde ebenfalls gegen den mächtigen Körper geschleudert. Er roch den Gestank des Monsters, als er auf den Boden knallte. Der Helm verrutschte und seine Schwerthand brach. Dann spürte er etwas über sich, sah mit blutverschmierten Augen nichts mehr und spürte seinen Tod auch nicht, als der mächtige Fuß der Bestie auf seinen Kopf trat.

*

Die Schlacht währte noch mehrere Stunden. Bis die letzte Bestie fiel. Dann brandete die Armee des Eroberers über die Stadt und nahm fürchterliche Rache für die tapfere Gegenwehr. Die Krieger ließen keinen Stein mehr auf den anderen. Sie ließen niemandem am Leben. Das Gemetzel dauerte bis tief in die Nacht hinein und als die Sonne die Nacht verdrängte, erinnerte am Ort des Grauens nichts mehr an die einstige Hauptstadt Haggerid.

*

„Schau, Elena, wie schön die Blumen hier blühen!“, rief Korina ihrer Schwester zu. Beide hielten in ihrem leichten Lauf inne und schauten über die Ebene. Rote, gelbe, blaue und vielfarbige Blumen leuchteten in der Frühlingssonne. Schmetterlinge und Vögel zogen ihre Kreise und einige Hasen mümmelten im Gras.
„Ich bin gerne hier, Elena!“
„Wie es hier duftet.“
Sie hockten sich in die Blumenwiese und zupften einige Gräser und steckten sie sich in den Mund. Der leicht bittere Geschmack rollte über ihre Zungen.
„Wir werden einen schönen Strauß pflücken und ins Dorf bringen. Mutter wird sich freuen“, sagte Elena.
„Mutter ist immer komisch, wenn wir hier auf die endlose Wiese gehen!“
„Sie denkt noch immer an diese Schlacht vor fast zwanzig Jahren, die hier getobt haben soll.“
„Die Alten übertreiben bestimmt. Eine ganze Stadt in Schutt und Asche...“
„Ich glaub’ das nicht!“ Elena sprang auf und begann zu pflücken. Ihre Schwester tat es ihr nach und nach kurzer Zeit hielt jede von ihnen einen bunten Strauß in Händen. Sie lächelten sich fröhlich an.
Hufgetrappel erklang. Am Horizont tauchten zwei Reiter auf. Sie kamen schnell näher und schon bald konnten die beiden jungen Frauen ihre beiden Verlobten erkennen, die geschmeidig aus den Sätteln glitten und ihre Liebsten stürmisch in die Arme nahmen, um sie zu liebkosen und innig zu küssen. Die Mädchen kreischten vor Freude und warfen sich in die Arme der Edelmänner. Die Blumen fielen zu Boden. Vergessen war die Welt um sie herum.

Ein leichter Wind wehte über die Ebene, wo einst die stolze Stadt von Haggerid gestanden hatte und streichelte die Körper der Liebenden und die Blumen über den Gräbern.

ENDE

 

hi t-k-k,

die geschichte hat mir, bis auf das ende, ganz gut gefallen. das ende kommt mir zu aufgesetzt vor, so, als sei es nur geschrieben worden, um einen moeglichst grossen kontrast zur geschichte zu erwecken. deswegen sind es wohl auch 2 junge frauen, damit ein gespräch zustande kommen kann.

die zeit, die vergeht, geht ein wenig unter in deiner geschichte. ich habe mich gewundert, warum tyron immer haerter wird. das schicksal seiner verlobten ist ungeklaert, was ich ein wenig schade finde.

optimierungsvorschläge: am ende nur ein maedchen, sodass es weniger aufgesetzt wirkt und die synchronisitaet dem leser besser ins auge springt, deutlicher machen, dass mehr zeit verstreicht als es auf den ersten blick scheint.

stilistisch und sprachlich finde ich die geschichte toll, gratuliere, weiter so :)

glg, cherry

 

Hi t-k-k,

mit dem Schluss Deiner Story habe ich kein Problem. Mich stört vielmehr der Anfang :(
Die ganze Szene Shenara und der Hochzeit ist für die Handlung relativ unwichtig, da Du auch am Ende nicht mehr auf Shenara eingehst. Ich denke, dass es völlig ausreicht, wenn sich Tyron an seine Verlobte erinnert.
Ich würde die ersten 1 1/2 Seiten komplett streichen, und die Story mit der Schlacht beginnen lassen.
Ich gebe Illu und Vita recht, was die Veränderung von Tyron angeht. Hier solltest Du tatsächlich noch tiefer in die Gedankenwelt von Tyron einsteigen.
!lln hat dafür ja schon ein gutes Beispiel gebracht. ;)

Insgesamt hat aber auch mir die Story gut gefallen. :cool:

Gruß
Jörg

 

Danke für die guten Anregungen. Ich werde die Story nochmals überarbeiten. Mal schauen, wie stark ich sie bearbeiten werde.
Der Anfang der Story war so geplant. Diesen Anfang hatte ich die ganze Zeit so in meinem Gedächtnis. Das mit der Schlacht ergab sich erst im nachhinein. Die ganze Geschichte basiert eigentlich auf dem Lied "Sag mir wo die Blumen sind". Deshlab der Anfang und das Ende. Und die Schlacht gehörte dann natürlich auch mitten hinein. Mal schauen, was ich machen kann...

 

Hallo t-k-k,

zunächst etwas Fehlerlese:

Würde er ihr ein Geschenk aus der Ferne mit? – mitbringen

Er drückte sie etwas von sich – klingt etwas ungeschickt, vielleicht Er schob sie etwas von sich oder so

Sie schluckte heftig und sackte dann zu Boden. – sank zu Boden finde ich besser

Ober Kind, Frau, Mann oder Greis. – Ob Kind, Frau ...

Wie drohende Finger aus der Unterwelt erhoben sich dorthinter die Kampftürme
- dahinter oder dort hinten

Was war aus dem jungen, fröhlichen Mann geworden, den nur an seine große Liebe dachte? - der nur an ...

„Nimm dieses Stück Fleisch und lehre ihm Manneszucht!“ – lehre ihn ...

„Nein!“, schrie Shellewon uns fiel auf die Knie. - und fiel ...

Er würdigte seinen Männern keinen Blick mehr.
- Er würdigte seine Männer keines Blickes mehr.

Nesmar, sein Hauptmann, stand – Komma fehlt

Sie feuerten in die eigenen Reihen, über all dorthin - ... überall dorthin

Vereinzelt kam Gegenwehr auf, aber die Gegner wurden niedergeritten.
- n und . fehlen

Sie ließen niemandem am Leben. - ... niemanden


Tja, t-k-k,
“Where have all the flowers gone” - sehr schöner Song von Pete Seeger, und Du hast dazu eine schöne Geschichte geschrieben. Das einzige, was mich störte, waren die Monster ... aber wir sind ja in Fantasy und nicht in Gesellschaft.
Die sanfte Einleitung stellt wunderbar den Kontrast zur Sinnlosigkeit und Brutalität der späteren Handlung dar. Mir gefiel auch, dass Du die Figur des Jelian eingeführt hast als Element der Nachdenklichkeit und Mahnung. Der Mechanismus des „blinden“ Gehorsams kommt gut in der Entwicklung Tyrons vom einfachen Soldaten bis zum KC zum Ausdruck – dieser Mechanismus, dem auch die geschilderte Züchtigung dient, ist ein wesentliches Geheimnis des Erfolges aller Kriege, warum sie überhaupt funktionieren, selbst wenn die Mehrheit gegen den Krieg ist. Die Darstellung der „geistigen“ Entwicklung Tyrons fand ich gelungen, denn Du lässt ihn immer mal wieder zu Wort kommen:
„Er spuckte aus und verscheuchte die Gedanken der Scham, die ihn überkommen wollten. Dies war nicht der Ort und die Zeit dafür!“
Anschließend die Szene mit Jelian, dann sein Ehrgeiz als eines der Motive: „Danke, Hauptmann. Ich werde ein guter Zugführer sein!“
„Er überrannte eigene Leute. Er kannte keine Gnade. Nur der Starke konnte führen.“

Auch den Schluss fand ich gelungen und er führt wunderbar zum Ausgangspunkt zurück:
„Sag’ mir, wo die Gräber sind … Blumen weh’n im Sommerwind. Sag’ mir, wo die Blumen sind … Mädchen pflückten sie geschwind.“

Gruß PP :)

 

Die Monster waren für die Story in diesem Maße nicht geplant, aber diese Ausschmückung ergab sich bei der Erarbeitung der entsprechenden Szenen. Ich hatte mich beim Schreiben etwas in "Rage" gebracht, wie es einem Schreiberling so geht, der mitten im "Geschehen sitzt". Danke für die Kritik.

 

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