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Der Wal

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09.02.2018
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Der Wal

Als der alte Mann den Blauwal sah, der auf dem Alexanderplatz lag, zog er skeptisch eine Augenbraue hoch. Es hatte die letzten Tage viel geregnet, das mochte schon sein, aber so war das berliner Wetter nun mal. Heute hatte es immer wieder genieselt, doch seit Mittag hielt der wolkenverhangene Himmel jetzt schon dicht. Und selbst sintflutartiges Schütten erschien dem alten Mann als unbefriedigende Erklärung für den Wal.
Der Alte saß in einem Café, von seinem Stammplatz aus konnte man herrlich all das geschäftige Tummeln beobachten.
Der Wal lag einfach da, mittendrin, umspült von den Menschen, die sich emsig ihren Weg um ihn herum bahnten. Da war eine junge Frau, die in ihr Handy sprach, das sie sich vor das Gesicht hielt. So funktioniert telefonieren nicht, junges Fräulein, dachte der alte Mann. Beinahe wäre sie über das Ende der Schwanzflosse gestolpert, doch ohne es zu merken, überwand sie das Hindernis.
Der Blauwal ließ sich nicht anmerken, was er von all den Leuten hielt. Pokerface. Er beäugte sie nur teilnahmslos aus den Augen, die lächerlich winzig im Vergleich zu seinem riesigen Körper wirkten.
Eine füllige Frau mit fülligen Einkaufstaschen schleppte sich quer über den Platz. Sie keuchte und stank nach Schweiß, zumindest vermutete das der alte Mann aus der Ferne. Sie blieb neben dem Wal stehen, stellte die Tüten ab, stützte sich gegen die dicke Haut und japste nach Luft. Der Wal rührte sich nicht. Wie denn auch, dachte der alte Mann. Einige Momente später packte die Frau ihre Taschen wieder an und mühte sich weiter.
Ein junger Mann kam mit langen Schritten über den Platz, in seiner linken Hand schwang ein Aktenkoffer. Mit der Rechten drückte er sein Telefon so fest gegen sein Ohr, dass der alte Mann fürchtete, der würde es gleich durch sein Trommelfell direkt in seinen Schädel hineindrücken. Der junge Mann rempelte mit seiner Schulter gegen die Seitenflosse des Wals, drehte sich um und hob sichtlich zu einer Hasstriade an. Als er sah, dass dort keine Person war, der er all seine Flüche an den Kopf werfen konnte, sprach er stattdessen weiter in sein Telefon.
Wie der Wal eigentlich hier her kommt?, fragte sich der Alte. Er wusste natürlich, wie Wetter entstand. War es möglich, dass verdampfendes Meerwasser beim Aufsteigen einen ganzen Wal tragen konnte? Der Wal dann verdutzt in der Wolke hing und hunderte Kilometer weiter mit dem Regen hinunterfiel? Verletzt war der Wal offensichtlich nicht. Auch das Wasser schien ihm nicht zu fehlen, wenn man überhaupt etwas aus seinem Verhalten ableiten konnte. Hingehen und nachfragen? Das erschien dem Alten doch etwas unhöflich. Das Tier machte keinen besonders gesprächigen Eindruck.
Einem kleinen Mädchen blieb der Mund offen stehen, als sie den Blauwal sah. Sie riss die Augen auf, quietschte dann vergnügt und lief zu ihm hinüber, um seine dicke Haut zu streicheln. Doch kaum war sie bei dem Tier angekommen, sie streckte gerade die Hand aus, da rief ihre Mutter nach ihr. Diese war in die entgegengesetzte Richtung unterwegs und hatte es eilig, wie sie die Kleine wissen ließ. Traurig schlich das Kind der Mutter hinterher.
Der Alte, der inzwischen gezahlt hatte, überlegte noch einmal, den Wal anzusprechen. Bestimmt hatte er eine spannende Geschichte zu erzählen. Aber geht mich ja eigentlich nichts an, dachte er, zuckte mit den Schultern und ging.

 

Liebes Lotterlieschen,

Vielen Dank für's Lesen! Schön, dass es dir gefällt. Ich werd die Geschichte auf jeden Fall nochmal angehen, vorerst lass ich es mal als einfache Idee stehen. Wenn "der Wal 2.0" erscheint, dann wisst ihr Bescheid, um was es geht ;)

Viele Grüße,
dein Salomon

 

Salomon,

Hab noch was gefunden:

Sie blieb neben dem Wal stehen, stellte die Tüten ab und stützte sich gegen die dicke Haut und japste nach Luft.
das erste "und" killen.

War es möglich, dass verdampfendes Meerwasser beim aufsteigen einen ganzen Wal tragen konnte?
Aufsteigen groß

Der Wal dann verdutzt in der Wolke hing und hunderte Kilometer weiter beim Regen hinunterfiel?
beim Regnen oder mit dem Regen

drehte sich um und hob sichtlich zu einer Hasstriade an.
hier würde ich "sichtlich erschrocken" besser lesbar finden

Einem kleines Mädchen blieb der Mund offen stehen,
kleinen

Peace, linktofink

 

Hi linktofink,

Hast in allen Punken recht, werd ich gleich abändern.

Danke für's LEsen und Kommentieren!

Viele Grüße, Salomon

 

Wisst ihr beide, dass ich mich ungern in Kommentare einmisch, aber hier gibt's zwo kostenlose Ratgeber - ohne dass ich mich für den Nabel der Welt halt und den Irrtum als Menschenrecht anseh - zwo Ratgeber in eins,

Salomon,
nicht so schnell alles übernehmen, was vorgeschlagen wird - selbst wenn's i. d. R. korrekt ist,

und

linktofink,

warum sollte hier - selbst wenn Salomon es nun hingenommen hat, es ist und bleibt seine Entscheidung, die hier ein bisschen (mehr ist das nicht) in Frage gestellt wird

Sie blieb neben dem Wal stehen, stellte die Tüten ab und stützte sich gegen die dicke Haut und japste nach Luft.
das erste "und" killen?

Die Regel sagt nichts darüber aus, ob jemand Komma oder eine Konjunktion wählt, die das Komma ersetzt. Das doppelte "und" verdeutlicht vielleicht Druck oder Hetze, selbst wenn Ellipsen die eigentlichen sprachlichen Brandsätze sind. Immerhin japst da jemand nach Luft - Zeichen, dass vorher die Luft wegblieb. In dem Fall sind nicht die gehetzten "und"s von ausbremsender Wirkung, sondern schon bei Kleist eine Atempause anzeigenden Kommas.

Der Wal dann verdutzt in der Wolke hing und hunderte Kilometer weiter beim Regen hinunterfiel?
beim Regnen oder mit dem Regen
Warum sollte der gebeugte Artikel "dem" bei der Präposition "bei" ("bei + dem") eine andere Wirkung haben als "mit dem"? Was mich natürlich noch zum Wortspiel "regen" (Ausdruck der Lebendigkeit, da regt sich was) und dem Abstrz im Regen (nebst Todesfolge) verführt.

Nur mal so als Anregung - auch weniger durch den Heiligen Geist als durch ein armes Würstschen, pardon, Würmchen.

Friedel,
der mit Busch (oder doch Brecht?) daran erinnert, Pfingsten sind Geschenke am geringsten ...

 

Lieber Salomon, lieber Friedrichard,

hab nur geschrieben, wo es für mich beim Lesen hakelte. Das doppelte "und" ist mir halt als durch Komma ersetzbar aufgefallen und dass der Wal beim Regen hinunterfiel, fand und finde ich merkwürdig. Mach´ damit, was du willst.

Peace, linktofink

 

hab nur geschrieben, wo es für mich beim Lesen hakelte.

Weiß ich doch,

lieber

linktofink
, mein Beitrag im Grunde auch. Ist halt nur ne Anregung.

Tschüss und noch einen schönen Restmontag vom

Friedel

 

Lieber Friedrichard,

Deinen Ratschlag, nicht alles gleich zu übernehmen, versuche ich fortan durchzusetzen. Wenn ich mir unschlüssig bin oder es mir trivial erscheint, übernehme ich den Vorschlag eigentlich immer. Auch, damit es mir nicht krumm genommen wird. Da werde ich in Zukunft besser aufpassen.

lieber linktofink,

Danke für deine Kommentare. Nimm kein Blatt vor den Mund, das machst du ja eh nicht. Persönlich nehme ich das freilich auch nicht. Und für mich heißt es dann:

Mach´ damit, was du willst.

Viele Grüße und Peace zurück,
euer Salomon

 

Hallo Salomon,

ich habe gestern Abend Deine Geschichte gelesen und ich muss sagen, ich finde sie super.

Ich war sofort drin und hatte ein Bild vor Augen, von dem Wal und den ganzen Menschen, die einfach weiter laufen. Oder die Mutter, die ihr Kind ruft, weil sie in Eile ist.

Die Menschen waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ihn wahrzunehmen.
Der alte Mann hat ihn zwar wahrgenommen, er hat sich sogar Gedanken um den Wal gemacht, hat sich aber letztlich entschieden, dass es ihn nichts angeht.

Für mich eine wahre Aussage, denn Anstelle des Wals, könnte es hier auch um einen Menschen gehen, der Hilfe braucht. Nicht selten passiert genau das, in Deiner Geschichte beschriebene.

Lustig fand ich die Gedanken des alten Mannes, ob es nicht unhöflich sei, den Wahl anzusprechen.

Insgesamt sehr amüsant zu lesen. Also von mir, Daumen hoch.

Zum Thema Schreibblockaden, kann ich wohl nichts betragen, da ich selbst gerade erst mit dem Schreiben angefangen habe.

Viele Grüße
Sandra

PS. Ich würde den Wal nicht "explodieren" lassen ;-) Ich finde die Geschichte gut so, wie sie ist. Das Ende lässt dem Leser Spielraum zum weiterspinnen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Manlio,

Schön, dass du meine Geschichte nochmal aus der Versenkung holst. Wie bist du denn darauf gestoßen?

Ich habe dein Kritik sehr genau gelesen, nachgedacht und zu Herzen genommen. Natürlich werde ich mir deine Anregungen merken und verinnerlichen. Ich hoffe, du verstehst, dass ich keine Änderungen an dieser alten Geschichte vornehmen möchte. Sie ist für mich abgehakt und auch wenn ich dir in einigen Punkten zustimme, denke ich, dass ein Text irgendwann "fertig" sein muss, egal ob man später an einigen Stellen selbst wieder unzufrieden mit ihr ist. Sonst doktort man wieder an alten Dingern rum und hat den Kopf nicht für neue Projekte frei. Ich hoffe, du kannst mir das nachfühlen und nachsehen?

Danke also für's lesen! Die Kritik war natürlich hilfreich für mich (wenn auch nicht für die Geschichte selbst).

Viele Grüße,
dein Salomon

Liebe SaWiDu,

Schön, dass du den Text gelesen hast und noch viel schöner, dass er dir zudem noch so gut gefallen hat! Freut mich sehr!

Dann wünsche ich dir viel Erfolg und vor allem Spaß bei den ersten Schritten! Du findest mich bestimmt demnächst unter einem Text von dir, ich war schon lange nicht mehr bei den Kriegern und bald hab ich endlich wieder die Zeit dafür!

Viele liebe Grüße,
dein Salomon

 

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