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Der Turm

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19.02.2006
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Der Turm

Die Sonne brannte.
Holger lag auf dem Dach des Turms, rauchte und blickte in den Himmel. Keine Wolken. Nichts, was ihn von seinen Kopfschmerzen ablenken konnte.
Neben ihm lag Lore. Sie würde ihm noch elf Schuss treu beiseite stehen. Mit der linken Hand streichelte er das warme Holz ihres Schafts. Elf Schuss. Fünf im Magazin, sechs in seiner Westentasche. Elf Schuss, das bedeutete elf Tote. Sich selbst eingeschlossen. Es war nur fair, wenn Lore ihn am Ende richtete.
Holger war der beste Schütze des Turms. Wie viele von den Dingern hatte er schon umgebracht? Als sie den Turm eingenommen hatten, war die Munitionskammer gut gefüllt gewesen. Holger musste Dutzende getötet haben. Aber es änderte nichts. Ob er hundert oder elf Schuss hatte. Da draußen waren mehr von denen, als er jemals würde abknallen können.
Die Luke knarrte, als Piet nach oben kletterte. Holgers Ablösung. Holger setzte sich auf und biss die Zähne zusammen, als er sein Knie belastete. Pflichtschuldig sah er einmal in die Runde. Natürlich war nirgends eine Gefahr auszumachen. Sie mochten die Sonne nicht. Wenn sie Beute witterten, hielt sie auch Sonnenlicht nicht zurück, aber in der Regel krochen sie erst im Schutz der Dunkelheit aus ihren Löchern. Außerdem hörte man sie lange, bevor man sie sah. Doch der Boss schätzte es nicht, wenn man seine Wache vernachlässigte. Gut möglich, dass Piet ihn verpfiff, sollte er ihn beim Rumgammeln erwischen.
Kein Bewohner des Turms roch gut, Piet aber stank. Das bisschen Wasser, das sie zum Waschen über hatten, trank er wahrscheinlich.
Aber Piet roch nicht nur ungewaschen ... In dem Dunst, den er absonderte, schwang etwas Ungesundes mit. Etwas Süßliches. Seine Augen wirkten fiebrig und saßen tief in den Höhlen. Dünnes Haar klebte ihm am Schädel. Er lehnte seine Armbrust ans Geländer und nickte Holger zu.
Stumm erwiderte Holger das Nicken, griff Lore und wollte sich an den Abstieg machen, aber Piet hielt ihn zurück.
»Der Professor sagt, er hat was empfangen.«
Piets Zahnfleisch hatte eine ungesunde gräuliche Färbung. Sein Mundgeruch war widerlich, als verwese etwas in seinem Maul.
»Ich dachte, das Gerät ist kaputt?«
»Hat der Professor wieder zum Laufen gekriegt.«
»Und was hat er gehört?«
Ehe Piet ihm antwortete, schloss er die Luke des Turms.
»Es soll eine Kolonie geben. Im Süden. Ein sicherer Ort, an dem wieder neu angefangen wird.« Das Flüstern machte den fauligen Atem noch schlimmer.
Holger massierte sein schmerzendes Knie. »Und was sagt der Boss dazu?«
»Er hat dem Professor das Funkgerät abgenommen.«
Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Holger sog an der selbstgedrehten Zigarette. Vom Turm aus hatte man etliche Kilometer einen guten Überblick über die Steinwüste, in der sie festsaßen.
Im Osten war die Landschaft zerklüfteter, voller gefährlicher Schatten. Im Westen reflektierte der Bus, mit dem sie einst hergekommen waren, das Sonnenlicht. Wie ein erlegtes Tier aus Stahl lag er auf die Seite gekippt im Schotter.
Im Süden konnte man den nächsten Turm erahnen. Ihr erster Versuch, dort hinzugelangen, war in dem gleichen Desaster geendet wie ihr letzter Versuch. Der lag nun beinahe drei Monate zurück. Seit diesem Tag waren sie nur noch zu sechst im Turm.
»Dir ist es doch auch aufgefallen, oder?«, sagte Piet. »Dass der Boss sich verändert hat.«
Holger sagte nichts.
»Wann bist du das letzte Mal satt geworden, Holger? Sieh dich an, du siehst aus wie ein Gespenst.«
Holger blickte Piet in die Augen und mit einem Mal erschrak er. Konnte es sein, dass er genauso aussah wie Piet? Dass auch er langsam verfiel? Wann hatte er zuletzt in einen Spiegel gesehen? Unwillkürlich fuhr er sich durch seinen Bart. Wie Stacheldraht.
»Der Professor, Feng und Bert sind auch nur noch Gerippe. Und der Boss? Sieht aus wie das blühende Leben.«
»Ich leg mich nicht mit dem Boss an«, stellte Holger klar und schnippte seinen Zigarettenstummel über die Brüstung. Von hier oben ging es gute neun Meter nach unten.
Er packte Lore und wollte sich zum zweiten Mal erheben, aber wieder gelang es Piet, ihn zurückzuhalten.
»Ich weiß, dass du Kopfschmerzen hast. Wir alle leiden darunter. Und unter Schlimmerem. Was sagt dein Knie, hm? Bert hat neulich einen Blick in die Kammer vom Boss erhascht. Der bunkert nicht nur Lebensmittel und Wasser. Da sind auch Tabletten und Medizin. Genug für uns alle.«
»Bert sieht manchmal komische Dinge«, sagte Holger. »Ohne den Boss hätten wir es nie geschafft.«
Piet nickte. »Aber der Boss ist nicht mehr derselbe. Guck dir seine Augen an. Der ist ständig high. Keine Ahnung, was er sich einpfeift, aber der ist zugedröhnt bis über beide Ohren.«
Holger war diese Veränderung nicht entgangen. Zu den Geduldigen hatte der Boss nie gehört, aber seine Gereiztheit nahm zu. Doch das galt für sie alle. Der Turm war mit seinen vier Stockwerken nicht eben klein, aber zwangsläufig geriet man aneinander.
Sich gegen den Boss zu stellen ... Er schüttelte den Kopf. Sich um seinen eigenen Dreck kümmern, das war seine Devise. Deswegen hatte er überlebt. Nur deswegen war er aus der Stadt entkommen, als der ganze Scheiß anfing. Er unterdrückte die Bilder, die hochzusteigen drohten, und schüttelte abermals den Kopf.
»In Ordnung«, sagte Piet. »Nur eins noch: Als wir den Turm erreichten, da hatte ich das Gefühl, dass wir eine Chance hätten, dass wir vielleicht überleben könnten. Und ich weiß, dass ich mit diesem Gefühl nicht allein war. Mittlerweile erinnere ich mich an diese Hoffnung nur noch wie an einen Traum. Einen Schatten, etwas, das man nicht greifen kann.«
Piet zog Rotze hoch und spuckte einen Klumpen über die Brüstung.
»Aber das ist okay«, fuhr er fort. »Damit habe ich meinen Frieden gemacht. Was auch immer die ganze Scheiße soll, wahrscheinlich haben wir sie verdient. Von einem Viech gebissen zu werden, das nehme ich in Kauf. Ich verkaufe mein Leben so teuer wie möglich und der letzte Bolzen ist für mich.«
Piet packte Holger an der Schulter und zwang ihn, ihm direkt in die gelben Augen zu sehen. Es lag eine wilde Entschlossenheit darin, der Drang zu überleben. Und eine Warnung. »Aber ich werde nicht hier drinnen krepieren, weil ihr vor dem Boss kuscht!«
Holger nickte und die Krallenhand löste sich von ihm.
Er schulterte Lore und kletterte die Leiter hinab. Die acht Sprossen waren für sein Knie immer die größte Herausforderung. Muffige Dunkelheit umfing ihn. Er klopfte das verabredete Signal und die Stahltür zum obersten Geschoss wurde aufgerissen.
Berts eines Auge linste ihn misstrauisch an. »Hat ja lange gedauert.«
Die Augenklappe verdeckte den Krater in seinem Gesicht nur unzulänglich. Auf dem schwarzen Stoff war ein stilisiertes Auge gezeichnet, das von einem Dreieck umschlossen wurde. Wenn Bert einen sitzen hatte, erzählte er gern von einer Weltverschwörung, deren gescheiterte Pläne sie dem Ausbruch des Virus‘ verdankten.
»Piet schwatzt halt genauso gern wie du«, sagte Holger und drängte sich an dem Einäugigen vorbei.
»Der Boss will dich sehen«, rief Bert ihm hinterher.
Der Turm bestand aus vier Stockwerken. Der Boss beanspruchte das dritte für sich allein. Es war das einzige Geschoss mit einem Balkon. Niemand hatte dieses Recht je in Frage gestellt.
Holger klopfte und wartete.
Der Boss öffnete, seine Gestalt füllte beinahe den ganzen Türrahmen aus. Wie immer steckte er in seiner verwaschenen Tarnuniform, so eng geknöpft, dass es schien, er müsse nur einmal Luft holen, um die Knopfleiste zu sprengen. Und wie immer war er tadellos rasiert, der Schnurrbart wie gebürstet.
Der Boss ließ ihn in eine Art Vorraum ein. Zwei Türen gingen von hier ab und Holger war überrascht, als der Boss ihn in eines der dahinterliegenden Zimmer führte. Es schien um etwas Dringliches zu gehen.
Der Raum war durch die großen Glasfenster lichtgeflutet und Holger musste die Augen zusammenkneifen. Er nahm in einem zerschlissenen Sessel Platz. Lore lehnte er an das Polster. Griffbereit. Das Sesselmuster war kaum mehr zu erkennen, doch der Stoff fühlte sich wunderbar an. Weich und spröde zugleich. Auf dem Tisch standen zwei Gläser. Der Boss machte sich an einem der zahlreichen Schränke zu schaffen und kam mit einer halb geleerten Flasche zurück. Er knallte sie auf den Tisch und die bernsteinfarbige Flüssigkeit schwappte darin. Holger leckte sich über die rissigen Lippen.
Der Sessel ächzte, als der Boss ihm gegenüber im Platz nahm.
»Holger, auf Euch konnte ich mich immer verlassen.«
Es spielte keine Rolle, was der Boss sagte, wann immer ein Wort aus seinem Mund kam, klang es wie ein Befehl.
»Darauf trinken wir.«
Diesem Befehl folgte Holger willig. Er gab ein wohliges Stöhnen von sich, als ihm der Alkohol den immerwährenden Wüstenstaub aus dem Rachen brannte. Er gönnte sich den Luxus, kurz die Augen zu schließen und der Wärme in seinem Bauch nachzuspüren. Für einen Moment ließen sogar die Kopfschmerzen nach.
»Was haltet Ihr von Piet?«, riss ihn der Boss aus seiner Entspannung.
»Er ist gut mit der Armbrust.«
»Er entwickelt sich zu einer Gefahr.« Mit Daumen und Zeigefinger strich der Boss über seinen Oberlippenbart.
»Sir?«
»Seht ihn Euch an, sein Körper verfällt.«
»Ihr meint, er ist infiziert? Aber er zeigt keine tollwütigen Symptome. Er scheint ganz bei sich zu sein.«
»Was wissen wir schon über den Verlauf einer Infektion? Bei manchen geht es schnell, andere verwandeln sich erst nach Stunden. Vielleicht kann es sogar Tage dauern. Selbst der Professor weiß nicht mehr dazu zu sagen. Sicher ist, dass wir dieses Risiko einer möglichen Infektion nicht hinnehmen können. Vollkommen klar, sagt Ihr? Er versucht, die Männer aufzuwiegeln. Er hat zum Beispiel behauptet, eine Nachricht über Funk empfangen zu haben, aber das Gerät ist unwiederbringlich zerstört. Ich habe es selbst untersucht. Nichts.«
Holger ließ sich noch einmal nachschenken.
»Einauge und Schlitzer, die halten zu Piet. Und wer weiß schon, was im Kopf des Professors vorgeht?«
Er prostete ihm zu. Das Glas sah winzig aus in der Hand des Bosses. Holger wusste, wozu diese Hände in der Lage waren.
»Ihr habt gedient, Holger. Ihr wisst, wie die Dinge laufen, wie wichtig Disziplin ist. Piet und die anderen sind Zivilisten. Sie schlagen sich wacker. Aber sie drohen die Disziplin zu unterwandern. Ohne Disziplin haben wir schon verloren, sind wir nicht besser als diese Zombies da draußen.«
»Ich behalte Piet im Auge«, versprach Holger. Es gefiel ihm, wie schwer sich seine Zunge anfühlte.
»Das wollte ich hören, Soldat!«
An der Tür steckte ihm der Boss eine Pillenschachtel zu. »Gegen die Kopfschmerzen.«
Angenehm leichtfüßig stapfte Holger den Treppenaufgang nach unten. Er nahm seine Essensration und die des Professors aus der Küche und lief ins Erdgeschoss. Dort schloss er die schwere Tür des Zellentraktes auf.
»Frühstück, Professor.«
Wie gewöhnlich kamen aus der hintersten Zelle geschäftige Geräusche. Es klirrte und klapperte leise. Dazu die murmelnde Stimme des Professors, der mit sich selbst sprach oder vor sich hin summte. Zu gern hätte Holger gesehen, was der Professor darin werkelte. Doch den Schlüssel für die Zellen verwaltete der Boss. In der Nachbarzelle lagen die sezierten Überreste eines Infizierten. Was auch immer der Professor damit angestellt hatte, an etwas Menschliches erinnerten die Fleischklumpen längst nicht mehr. Holger stellte das Blechtablett mit dem Frühstück auf die Erde und beförderte es mit einem gezielten Tritt in die Zelle des Professors.
Der Kopf des Professors zuckte in Holgers Sichtfeld. Er wirkte überproportioniert im Vergleich mit dem restlichen Körper. Wäre nicht der große Schädel, könnte er wahrscheinlich durch die Gitter seiner Zelle schlüpfen. Die krausen Haare waren angesengt, die Brille saß schief auf der Nase. Er umschloss die Gitterstäbe mit seinen dürren Händen und rief: »Holger! Ich glaube, ich hab‘s! Bitte sprich mit dem Boss, ich brauche dringend einen frischen Infizierten zum Testen!«
»Der Boss hat genug von dir. Sei froh, dass er dir deinen Kram gelassen hat und dich nicht angekettet hat.«
»Verstehst du denn nicht?« Der Professor rüttelte an den Stäben. »Ich hab das Heilmittel!«
»Das hast du schon einmal behauptet. Und dann hätte uns dein Testobjekt beinahe in Stücke gerissen!«
Holger riss seine Aluration auf und knabberte an einem Keks.
»Aber diesmal bin ich mir sicher!«, beteuerte der Professor.
Holger stopfte sich einen zweiten Keks in den Mund und nuschelte: »Keine Chance.«
Das Tablett schepperte zu ihm zurück. Der Professor hatte sein Essen nicht angerührt. Neben der Ration lag eine kleine Spritze auf dem Tablett.
»Hör zu«, rief der Professor. »Wenn ich es nicht kann, dann musst du es für mich tun.«
Holger nahm die Spritze auf und betrachtete den dickflüssigen roten Inhalt.
»Verstehst du denn nicht? Du hältst den Impfstoff in Händen, der alles verändern könnte. Du musst ihn an einem Infizierten testen. Du musst! Er wird sich zurückverwandeln. Ganz sicher!«
»Gar nichts muss ich!«, fauchte Holger und schlug die Tür unnötig heftig hinter sich ins Schloss. Erstaunt stellte er fest, dass er die Spritze noch immer in Händen hielt. Grummelnd steckte er sie in eine Tasche seiner Weste.
Dann ging der Alarm los.
Holger hastete die Stufen hoch. Da er der beste Schütze war, war seine Position auf dem Dach. Bert und Feng kamen ihm auf halber Höhe entgegen. Ihre Positionen waren im ersten und zweiten Stock.
Piet durfte das Dach erst verlassen, wenn Holger seine Wache übernehmen konnte. Der Boss würde vom Balkon aus schießen.
Holger stieß die Luke auf und hangelte sich aufs Dach. Sein Knie pochte wild.
Piet ließ den Hammer fallen, mit dem er auf die Glocke eingedroschen hatte. Überflüssigerweise zeigte er mit ausgestrecktem Arm in die Wüste.
»Wir bekommen Besuch.«
Anscheinend war heute der Tag des Erstaunens. Der Turm wurde nicht von Infizierten gestürmt. Es näherte sich ein Truck aus Westen.
»Vielleicht ändert sich ja doch noch alles zum Guten!«, sagte Piet und schlüpfte mit seiner Armbrust durch die Dachluke.
Der Truck war umgerüstet, die Karosserie mit Stahlplatten verstärkt. Der mächtige Hänger war auf die gleiche Weise gesichert. Aus vergitterten Fenstern meinte Holger Gewehrläufe ragen zu sehen. Er schnappte sich das Fernglas und besah sich den Ankömmling genauer. Ihn überkam das Gefühl eines Déjà-vus. Vor einer Ewigkeit waren sie selbst aus dieser Richtung in einem Bus gekommen. Ihr Bus war damals nicht so stark gepanzert gewesen, aber daran hatte es auch nicht gelegen. Es war die kaum mehr erkennbare Straße. Unter den Schichten von Staub und Schotter verbargen sich tückische Schlaglöcher und gefährlich spitze Steine.
Im Fahrhaus des bulligen Trucks konnte er zwei Leute ausmachen. Einen kräftigen Mann hinter dem Steuer und eine Brünette, die eine Karte hielt und wild gestikulierte. Sein Blick hatte ihn nicht getäuscht. Mindestens vier Läufe guckten aus den Fenstern des Hängers.
Holger nahm am Rand seines Blickfeldes huschende Bewegungen wahr. Natürlich hatte sie das Motorengeräusch angelockt. Er justierte das Fernglas. Erst waren es einige wenige Gestalten; gespenstischen Schatten gleich erschienen sie wie aus dem Nichts. Als spucke sie der Boden aus. Und es wurden ihrer mehr. Aus welchen Höhlen die Verdammten auch immer krochen, es waren viele. Sie vertrugen das Tageslicht nicht, aber der Hunger trieb sie raus.
Die Bewohner des Trucks hatten die Ankömmlinge ebenfalls gesichtet. Mündungsfeuer flammte auf, Schüsse peitschten durch die Wüste. Die ersten Angreifer fielen.
Holger machte sich nicht die Mühe, Lore zu entsichern. Noch war das Geschehen zu weit entfernt.
Die Schützen verstanden ihr Handwerk. Mehr und mehr der huschenden Schatten stolperten, stürzten, brachen getroffen zusammen. Das unverkennbare Gekreisch der Infizierten wehte heran. Und das Schmatzen. Zumindest bildete Holger sich das ein. Aber für einen Moment hatten die Leute im Truck Ruhe vor den Angreifern, denn die Nachrückenden fielen über ihre erschossenen Artgenossen her, die hilflos am Boden zuckten.
Da geriet der Truck ins Schlingern, als er in eine mächtige Kuhle abtauchte. Der Fahrer riss das Steuer herum, konnte aber den Zusammenprall mit dem liegenden Bus nicht mehr verhindern. Metall kreischte über Metall, Funken stoben in den Himmel, als der Truck längs am Bus entlangschabte. Der Fahrer wurde von der Wucht des Aufpralls gegen die Scheibe geschmettert. Ein roter Fleck platzte auf das Glas. Der Truck schob sich noch etwas vorwärts und verreckte dann.
Aber er war näher an den Turm gekommen, als sie damals. Sehr viel näher. Es mochten zweihundert Meter sein. Wenn die Trucker jetzt losrannten, konnten sie es schaffen.
Aber natürlich verspielten sie ihren Vorsprung. Das taten die meisten. Sie dachten zu lange nach. Und deshalb waren ihnen die Infizierten überlegen. Sie dachten nicht einen Moment lang nach, sie wurden allein und ausschließlich vom ältesten aller Triebe gesteuert: Vom Hunger.
Die Brünette war nicht untätig. Sie versuchte hinter das Steuer des Verunglückten zu kommen. Aber der massige Kerl war zu schwer für sie. Vielleicht wehrte er sich sogar noch schwach, das konnte Holger durch das Fernglas nicht genau erkennen.
Endlich sprang die Tür auf und die Frau flüchtete ins Freie.
Und als wäre das ein Signal gewesen, stürzten auch die Insassen aus dem Hänger. Insgesamt waren es neun Personen. Mindestens drei von ihnen waren Frauen. Eine Gestalt war kaum dem Kindesalter entwachsen.
Die ersten Infizierten nahmen die Verfolgung auf. Einige rannten, andere jagten in großen Sätzen, wieder andere liefen wie Hunde auf Armen und Beinen gleichzeitig. Ihnen allen war nur gleich, dass sie schnell waren. Verdammt schnell.
Holger legte Lore an. Wartete. Die Flüchtenden waren nicht wehrlos, sie schossen die Infizierten über den Haufen und lenkten damit die Nachrückenden ab. Aber sie machten denselben Fehler wie die meisten. Sie nahmen sich Zeit, die sie nicht hatten. Sie setzten das Schießen über das Laufen.
Schon wurde der erste Mann angesprungen. Lore zuckte, der Angreifer wurde zurückgeschleudert und regte sich nicht mehr.
Lore spuckte zweimal schnell hintereinander Feuer und das Kind in der Truppe gewann eine wertvolle Sekunde Leben. Es rannte weiter.
Im gleichen Moment riss ein Infizierter einer Frau die Kehle auf. Sofort waren drei andere herbei und begruben sie unter Fauchen und Fletschen.
Ein Mann wurde von zwei Angreifern angesprungen und zu Boden geworfen. Holger erschoss einen Weiteren, der mit seinen Krallen im Begriff war, den Rücken eines Jungen zu zerfleischen. Das Kind war nicht mehr zu sehen. Zwei Männer starben, wurden regelrecht zerfetzt unter einer gemeinsamen Attacke einer ganzen Meute kreischender Kreaturen. Aber das Unglaubliche geschah: Die Übrigen erreichten den Turm.
Holger konnte sich einen Jubellaut nicht verkneifen. Routiniert lud er nach. Lore warf zwei weitere Bestien zurück. Eine Dritte stürzte mit einem Armbrustbolzen im Schädel zu Boden.
Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die Trucker draufgingen, denn die Turmtür öffnete sich nicht. Verzweifelt trommelten die Überlebenden auf die Tür ein.
»Verdammt, was ist da los?« Holger feuerte, bis er nur noch einen Schuss übrig hatte, wetzte die Leiter runter und musste selbst mehrfach gegen die Schutztür hämmern, bis Bert schließlich öffnete.
»Was zur Hölle geht da unten vor?«
»Der Boss verbietet, die Fremden einzulassen!«
Holger stürzte die Treppe hinab. Er würde diesen Gewaltmarsch später bereuen, das wusste er, doch er ignorierte den Schmerz und rannte weiter.
Im Erdgeschoss waren der Boss und Feng in einem Kampf verstrickt. Feng machte seinem Spitznamen Schlitzer alle Ehre. In jeder Hand ein Messer drang er wirbelnd auf den Boss ein. Doch der große Mann bewegte sich erstaunlich leichtfüßig und wich den Klingen aus. Er lachte sogar dabei. Piet mühte sich soeben wieder auf die Beine. Er blutete stark an der Stirn. Von außerhalb drang der Lärm von Schüssen und Gekreisch in den Turm.
»Seid ihr alle verrückt geworden?«, brüllte Holger.
In diesem Moment fand die Faust des Bosses ihr Ziel. Wie eine Strohpuppe flog Feng durch den Raum, schmetterte gegen die Wand und blieb reglos liegen.
Der Boss hastete zur Tür. »Wir dürfen sie nicht öffnen! Sie könnten infiziert sein! Ich befehle ...«
Holger zog dem Boss den Gewehrkolben über den Schädel. Mit einem Grunzen stürzte er zu Boden. Holger kam es vor, als bebe der gesamte Turm.
»Piet, gib mir Deckung! Jetzt!« Damit riss er die Tür auf. Die Brünette und ein Mann in einem blutdurchtränkten Baumfällerhemd stolperten ins Innere des Turms. Ein Infizierter sprang ihnen hinterher: Eine bösartige Karikatur eines Menschen. Abgemergelt, und haarlos, die Haut schälte sich in Streifen ab, legte Schichten grauen Fleisches frei, in dem es zuckte und schwärte, als wäre die Verwesung bereits im vollen Gange. Das Gesicht schien einzig aus einem gigantischen Maul zu bestehen, entblößte groteske Zahnreihen. Sehnige Arme mit langen Krallen schnappten nach den Flüchtenden.
Piets Bolzen pflückte die Kreatur im Sprung aus der Luft und schleuderte sie zurück in die Klauen ihrer Artgenossen.
Holger warf sich mit seinem gesamten Gewicht gegen die Tür. Sie quietschte schwerfällig, dann schnappte das Schloss. Es rummste, als sich dutzende Leiber von außen dagegen schmissen.
Die Brünette rollte sich zur Seite. Sie hustete. Der Mann zuckte unkontrolliert.
»Verdammte Scheiße, er ist infiziert! Ich muss erst nachladen«, rief Piet und fummelte an seiner Armbrust herum.
Holger war vom Anblick der Verwandlung wie gelähmt.
Es sah aus, als bewegte sich etwas unter der Haut, als würden Sehnen und Knochen verschoben, als vollzöge sich die gesamte Evolution im Zeitraffer, rücksichtslos, gewalttätig. Der Mann wandte und krümmte sich, schrie. Er schrie so sehr, dass die Mundwinkel einrissen. Der ganze Kiefer war in Bewegung, verschob sich knirschend, um den riesigen Hauern Platz zu machen, die aus dem Zahnfleisch platzten.
Und die Augen. Die Augen waren das Schlimmste. Die Augen zuckten und weiteten sich, krampften zusammen in Schmerz, rollten panisch in den Höhlen, waren nur noch ein Flehen nach Erlösung. Dann platzten die Äderchen und fluteten die Augen rot. Die Pupillen verengten sich zu Schlitzen und das Zittern erstarb - und nahm alles Menschliche mit sich.
In dem Moment, als das Wesen das Maul zu jenem unverkennbarem Kreischen aufriss, drückte Holger ab. Ein sauberer Treffer zwischen die Augen. Die Kreatur regte sich nicht mehr.
Aber es war noch nicht vorbei. Draußen wurde Sturm gelaufen gegen die Tür. Doch wofür der Turm auch immer erbaut worden war, einem unbewaffneten Angriff hielt er stand. Die Mauern waren aus festem Stein, die Tür aus massivem Stahl. Das Problem lag bei den Fenstern. Im Erdgeschoss gab es keine, aber der erste Stock musste gesichert werden.
Der Boss lag bewusstlos auf dem Boden. Feng ebenfalls. Piet hielt sich seine blutende Stirn. Die Frau saß regungslos da und starrte ins Leere.
Holger erkannte, dass er nun die Befehle geben musste.
»Piet, sicher den ersten Stock! Ich kümmer mich um den Boss und Feng. Und sag Bert, er soll auf Position bleiben. Schießt nur, wenn nötig und lasst euch nicht sehen.«
Sie wussten wenig über die Infizierten, aber ihr Verhalten war nicht schwer zu durchschauen. Die Biester gerieten in Raserei, wenn sie Menschen witterten, vergaßen darüber alles, nahmen jeden Schmerz in Kauf, um an ihre Nahrung zu gelangen. Sie ignorierten, dass das Sonnenlicht ihre dünne Haut versengte, brachen sich freiwillig Knochen und rannten sich den Schädel ein - doch sobald sich länger keine Beute mehr blicken ließ, kehrte ihr Selbsterhaltungstrieb zurück. Dann verschwanden sie wieder in ihren Höhlen.
Während Piet die Treppe raufrannte, kniete Holger neben Feng nieder. Sein Knie knackte. Der Boss hatte den Schlitzer übel zugerichtet, aber Feng war hart im Nehmen. Holger verpasste ihm eine Backpfeife, dann noch eine. Fengs Augen flatterten auf. Sofort hatte er ein Messer in der Hand, aber Holger hielt sein Handgelenk fest. »Beruhig dich!«
»Ich mach den Kerl fertig!«, hustete Feng.
»Nichts wirst du. Kannst du stehen?«
Feng konnte, doch er musste sich abstützen. Noch immer hämmerte es von außen gegen die Tür. Heulen und Gekreisch drang gedämpft zu ihnen vor.
»Wir sollten ihn kalt machen!«, sagte Feng. »Er wird uns alle umbringen, wenn er wieder wach wird.«
»Vielleicht brauchen wir ihn noch.«
»Dann in eine Zelle mit ihm.«
Holger nickte. Zu zweit schleiften sie den Körper zum Zellentrakt. Holger schloss auf.
»Was ist da draußen los?«, rief der Professor aus seiner Zelle. Seine Stimme klang panisch. »Was ist mit dem Boss? Lasst mich raus, ihr könnt mich hier nicht drinnen lassen. Lasst mich raus!«
»Schnauze!«, bellte Feng, während Holger die Taschen des Bosses abtastete. Er nahm ihm alles ab, was er finden konnte. Ein Messer, Zettel, Tabletten, Kaugummis ... Aber er fand keinen Schlüssel.
»Scheiße, er muss ihn oben haben.«
Sie ließen ihn im Vorraum liegen und Holger verriegelte sorgfältig die Eisentür.
»Ihr könnt mich doch hier nicht mit ihm zurücklassen!«, kreischte der Professor, doch sie ignorierten ihn.
»Du bewachst die Tür und passt auf die Kleine auf. Ich seh oben nach.«
Feng nickte und Holger humpelte die Treppen hoch.
Bevor er nach dem Schlüssel suchte, sah er nach Piet. Er hatte sich einen behelfsmäßigen Verband angelegt und stand seitlich am Fenster, so dass er durch den Bretterverschlag blicken, er aber nicht von unten gesehen werden konnte.
»Wie sieht‘s aus?«, fragte Holger leise.
»Sie streiten sich noch um die Überreste. Die Ersten haben sich schon zurückgezogen.«
»Hast du Schmerzen?«
Piets Gesicht war blasser denn je, seine linke Gesichtshälfte mit getrocknetem Blut verklebt. Holger ließ die Szene im Erdgeschoss noch einmal vor seinem geistigen Auge ablaufen. War Piet mit dem Blut eines Infizierten in Berührung gekommen?
»Ich komme klar.«
Holger nickte und huschte hoch in den dritten Stock. Die Tür war nicht verschlossen. Er trat in den Raum, in dem er mit dem Boss erst vor kurzem gesessen und getrunken hatte, und durchsuchte die Schränke.
Bert hatte recht gehabt. Die Schränke stellten sich als wahre Schatzkisten heraus: Wasserflaschen, Alkohol, Konservendosen, eingeschweißte Rationen, Pillen, Tabletten, Ampullen, Spritzen, Verbandsmaterial. Und diverses Zeugs mehr. Aber kein Schlüssel. Die zweite Tür war verschlossen, doch es handelte sich um einfache Zimmertüren aus Holz. Holger warf sich zweimal dagegen und der Rahmen gab splitternd nach.
Das Zimmer war kleiner und beherbergte eine Matratze. Auf einem Schemel standen eine Waschschüssel und ein Spiegel. Durch das Glas zog sich ein Sprung, von dem feine Risse über die gesamte Fläche mäanderten. Holger vermied es, in den Spiegel zu sehen. Daneben befand sich eine Munitionskiste. Holger entnahm ihr die einzig noch brauchbare Waffe, einen alten Revolver. Er überprüfte die Trommel und stellte fest, dass alle acht Kammern bestückt waren. Außerdem fand er Munition für Lore. Er lud sie nach und stopfte sich alle weiteren Patronen in die Taschen seiner Weste. Zusätzlich fand er eine Leuchtpistole. Auch die steckte er ein.
Im Deckel der Kiste klemmten verblichene Fotos. Holger erkannte auf einem eine Frau und einen Mann. Auf den Schultern des Mannes ritt ein zahnlückiger Junge. Die Frau lachte den Mann an. Er war groß, in etwa so groß wie der Boss. Unwillkürlich stiegen Bilder aus einer anderen Zeit auf, als Lore noch eine Frau und kein Gewehr war. Lore. Erst als er das Foto zerriss, verschwanden die Bilder aus seinem Kopf. Dabei entdeckte er den Schlüsselring, der in einer Schlaufe steckte. Er befestigte daran gedankenverloren seine eigenen Schlüssel und blinzelte die Tränen weg.
Die Geräusche von außerhalb waren verklungen. Holger sah aus dem Fenster. Ein leichter Wind war aufgekommen und verwehte die letzten Spuren des Massakers von eben. Die Infizierten ließen nicht einmal Knochen zurück. Von eben? Wie lang hatte er auf der Matratze gesessen? Er verfluchte seine Träumerei und machte sich wieder an den Abstieg. Jeder Schritt schmerzte.
Bevor er unten ankam, wusste er, dass es Probleme gab. Lore im Anschlag trat er ins Erdgeschoss.
Die Brünette lag auf dem Steinboden, ihre Kleidung zerrissen. Feng hockte zwischen ihren Beinen, die Hose runtergelassen. Mit einer Hand presste er ihre Arme auf den Boden, mit der anderen drückte er ihr ein Messer an den Hals.
»Mach das nicht noch mal, du Schlampe!«, zischte er und verspritzte dabei Speichel.
Sie wimmerte, als er mit der Klinge langsam ihre Kehle herabwanderte.
»Lass das, Feng!«
Fengs Kopf zuckte zu Holger hoch. In seinem Blick lag ein wildes Funkeln.
»Es war ihre Idee. Halt dich da raus!«
Das Gewehr auf Feng gerichtet, kam Holger langsam näher. »Das sieht aber nicht so aus.«
»Kümmer dich um deinen eigenen Scheiß!«
»Sie ist nicht unsere Gefangene, Feng! Wir haben dringendere Probleme.«
Feng behielt den Lauf im Auge, machte aber keine Anstalten sich von der Frau zu erheben. Ihre linke Gesichtshälfte war geschwollen, die Lippen aufgeplatzt.
»Jetzt verstehe ich, du willst die Schlampe für dich«, knurrte Feng. »Denkst wohl, du bist was Besseres.«
»Vielleicht ist sie infiziert.«
Das wirkte. Zögerlich ließ er von der Brünetten ab. Sie kroch weg von ihm und raffte ihre zerfetzte Kleidung zusammen.
»Hat sie dich gebissen?«, fragte Holger.
Feng antwortete nicht, starrte die Frau an, nicht wissend, ob er sie hassen oder begehren sollte. Seine Hose hing ihm zwischen den Knöcheln.
»Hat sie dich gebissen?«
Endlich zog er sich die Hose hoch und steckte das Messer weg. »Nein, Mann, hat sie nicht.«
»Geh hoch in den Dritten. Der Boss hat Nahrungsmittel und Suff gebunkert. Wir können vom Balkon aus Wache schieben. Sag auch den anderen Bescheid. Und verarztet euch.«
»Bist du jetzt also der Boss, ja?« Das Funkeln war nicht verschwunden.
»Ich komm gleich nach.«
Feng stampfte die Treppen hoch. Erschöpft stieß Holger die Luft aus. Die Kopfschmerzen ließen ihn die Augen zusammenkneifen. Er setzte sich der Frau gegenüber, streckte das schlimme Bein aus und massierte das Knie. Lore lag neben ihm.
Die Brünette wollte vor ihm zurückweichen, doch in ihrem Rücken war bereits die Wand. Holger konnte ihr die Angst nicht verübeln. Sie hatte allen Grund zur Angst. Er spürte das gleiche Verlangen, dass auch Feng zum Überschnappen gebracht hatte. Wann hatte er zuletzt eine Frau gehabt? Und sah sie nicht aus wie Lore? Die verweinten Augen, das verfilzte Haar, sogar die blutige Lippe. So hatte auch Lore ausgesehen, kurz bevor er ihr den Schädel weggeschossen hatte. Du hast sie erlöst, verdammt! Du hast sie erlöst!
Lore.

Er quetschte heftig die Kniescheibe und biss vor Schmerz die Zähne zusammen. Es half: Der Bann war gebrochen, die Bilder verschwanden.
»Wie heißt du?«, fragte er.
Lore.
»Was?«
Sie umschlang ihre Knie mit den Armen. »Dana, ich heiße Dana.«
»Also gut, Dana, wohin wart ihr mit dem Truck unterwegs?«
»Es gibt da eine Kolonie im Süden. Sie senden Funksprüche. Da wird neu angefangen. Und sie arbeiten an einen Impfstoff.«
Er erinnerte sich an die Karte, die sie im Truck gelesen hatte. »Was habt ihr geladen?«
»Wir haben Benzin und Wasser. Ausreichend.«
Dann brach es aus ihr heraus. Holger wollte ihre Geschichte nicht hören, aber sie erzählte sie ihm ungefragt. Tränen wuschen ihr den Schmutz aus dem blassen Gesicht, während sie eine Variante der gleichen Ereignisse schilderte, wie sie alle Überlebenden berichteten. Er hörte nur mit halbem Ohr zu. Sein Kopf dröhnte und er kramte nach den Tabletten. Er hatte es selbst erlebt. Das Virus brach über Nacht aus. Ohne Vorwarnung. Zusammenbruch und Chaos. Ein Tropfen Blut oder Speichel eines Infizierten reichten aus, um Nicht-Infizierte anzustecken. Wer nicht floh, starb.
Es war nicht schlimm, dass er nicht richtig zuhörte, Dana erwartete keine schlauen Kommentare, sie musste es einfach nur rauslassen. Das wusste er von sich selbst. Nachdem sie geendet hatte, ging ihr Atem ruhiger. Holger fand die Tabletten und schmiss sich zwei davon ein. Dann nahm er noch einmal zwei. Als er sie wieder wegsteckte, berührten seine Finger etwas anderes. Vorsichtig zog er die Spritze des Professors aus einer Tasche.
»Wir könnten es noch immer schaffen!«, flüsterte Dana. Ihre Stimme bekam etwas Eindringliches. »Du willst mich doch, oder? Ich hab bemerkt, wie du mich angesehen hast. Du kannst mich haben. Ich gehöre dir. Aber bitte nimm mich mit.«
Er sah sie lange an, rollte nervös die Spritze in seinen Händen, versuchte die Stimmen zu sortieren, die in seinem Kopf durcheinanderschrien. Irgendwann ertrug er ihren flehenden Blick nicht mehr und guckte weg. Einer spontanen Idee folgend, humpelte er zu dem Toten im Baumfällerhemd. Mit den Zähnen zog er die Schutzkappe von der Spritze. Er spuckte das Plastik achtlos auf den Boden und ging neben der Leiche in die Hocke. Holger zwang sich, ihr nicht ins entstellte Gesicht zu sehen, sondern fixierte die Stelle, an der er das Herz vermutete. Er holte einmal mächtig aus und rammte die Nadel tief in den Brustkorb und drückte den gesamten Inhalt der Spritze in den Körper. Er machte sich nicht die Mühe, die Spritze wieder herauszuziehen.
»Was tust du?«
Er antwortete ihr nicht und wartete. Nichts geschah.
Erschöpft nahm er wieder ihr gegenüber Platz und seufzte. Der Professor war schon verrückt gewesen, als er sich ihnen angeschlossen hatte.
Dana rückte näher an ihn heran. Ihr zerrissenes Shirt gab den Blick auf ihren Busen frei. Sie war schmutzig und roch ungewaschen, aber verdammt, sie war eine Frau. Holger hasste sich für seine Reaktion.
»Ich tu alles, was du willst. Ich bin sicher keine Belastung«, beeilte sie sich zu versichern. »Ich kann mit einer Waffe genauso gut umgehen wie mit einem Schwanz.«
Sie kam noch näher. »Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich dir.«
Er wusste, dass er sie nicht so nah an sich rankommen lassen durfte, doch er hatte keine Kraft mehr.
»Wie weit ist es zu der Kolonie?«
»Eine Woche maximal. Aber auf der Karte sind entlang der Route Türme verzeichnet, wie dieser. Keiner weiter als einen halben Tag entfernt. Mit dem Truck kann man das schaffen. Wir könnten das schaffen. Zusammen.«
»Vielleicht bist du infiziert«, sagte er lahm.
»Bestimmt nicht. Ganz bestimmt nicht. Das würde ich doch spüren.« Neue Tränen fluteten ihr Gesicht. Holger erkannte, dass sie jünger war, als er angenommen hatte. Wesentlich jünger. Sie könnte seine Tochter sein.
Angeekelt von sich selbst blickte er weg. Und keuchte auf. »Was zum ...«
Er sprang zum Leichnam des Baumfällers. Dort lag nicht länger die entstellte Kreatur, die einmal ein Mensch gewesen war. Dort lag der Mann, wie er vor seiner Verwandlung ausgesehen hatte. Noch immer eine Leiche, aber eine menschliche Leiche.
»Es wirkt!«, flüsterte Holger. »Verdammte Scheiße, das Serum wirkt!«
Er grinste und stellte fest, dass diese ungewohnte Grimasse schmerzte.
»Wenn der Professor noch mehr davon hat, könnten wir es tatsächlich schaffen.«
Er fummelte den Schlüsselbund aus der Hosentasche und lief zur Gefängnistür. Vergessen geglaubte Gefühle der Hoffnung ließen ihn leicht werden wie eine Feder. Selbst das Pochen in seinem Knie ebbte plötzlich ab.
Er drehte den Schlüssel, riss die Tür auf und rief: »Professor, das Serum, es ...«
Weiter kam er nicht. Die Faust des Bosses erwischte ihn am Schlüsselbein und riss ihn von den Füßen. Schwer wie Blei klatschte er gegen die Wand.
»Du Amateur!«, schrie ihn der Boss an. »Glaubst du, du kannst mich ausknipsen? Mich
Er schnappte sich den Schlüssel und zog Holger am Kragen hoch, bis ihre Gesichter auf gleicher Höhe waren. Die Augen des Bosses waren rot geädert, aber es war nicht der Blick eines Infizierten, der Holger niederstarrte, sondern der Blick eines Wahnsinnigen.
Das war es nun, dachte Holger. So kurz vor dem Ziel. Aus. Immerhin starb er als Mensch.
Aber der Boss brachte ihn nicht um, er warf ihn wie ein ausgedientes Spielzeug in eine leere Zelle und schloss sie ab. Vorher nahm er ihm noch den Revolver ab und steckte ihn sich in den Gürtel.
»Ich sehe, du hast mir ein Geschenk gemacht«, lachte der Boss und fixierte das Mädchen. In seinem Lachen brach sich der gesamte Wahnsinn bahn, den er bisher kontrolliert hatte.
»Boss ...«, krächzte Holger.
»Um dich kümmere ich mich später, jetzt habe ich ein Rendezvous. Sieh zu und lerne!« Mit Daumen und Zeigefinger fuhr er über seinen Oberlippenbart und strich seine Uniform glatt.
Da der Boss die Tür des Gefängnistraktes offen ließ, konnte Holger alles durch die Gitterstäbe seiner Zelle mitverfolgen.
Dana kauerte in einer Ecke und schluchzte.
Die massige Gestalt des Bosses wankte auf sie zu. »Keine Sorge, der Boss wird sich jetzt um dich kümmern, alles wird gut.«
Sie schluchzte lauter, ihr ganzer Körper bebte.
»Schhh ...«, machte der Boss. »Schhhh ...«
Zu spät erkannte er, dass Dana nicht Tränen der Angst weinte, sondern sich gerade unter Schmerzen verwandelte. Übergangslos sprang sie ihn an. Der Mund war zu einer zähnestarrenden Grimasse aufgerissen.
Wahnsinnig oder nicht, die Reflexe des Hünen waren ungebrochen. Er fing sie im Flug ab und schmetterte sie zu Boden. Es knackte vernehmlich, doch die Dana-Kreatur war sofort wieder auf den Beinen. Mit einem Fauchen und ausgestreckten Krallen stürzte sie sich auf ihn.
Es blieb keine Zeit, den Revolver zu ziehen. Bevor sie ihn jedoch erreichen konnte, sackte sie zu Boden. In verkrümmter Haltung versuchte sie an das Messer zu kommen, das ihr plötzlich im Nacken steckte, spuckte dabei Blut und heulte ihre Wut heraus.
Feng erschien im Raum, er hatte bereits ein neues Messer in der Hand. Bert folgte ihm dicht auf, bewaffnet mit einer Pistole. Bert war unsicher, wohin er zielen sollte, auf den Boss oder die sich windende Frau am Boden.
»Was zur Hölle ist hier los?«, bellte Feng. »Wo ist Holger?«
Bevor der Boss antworten konnte, rief Holger: »Sie hat ihn gebissen, sie hat den Boss gebissen!«
»Nun beruhigen wir uns alle erstmal wieder!« Die Stimme des Bosses klang wie ein Erdrutsch.
Doch Berts Lauf hatte nun sein Ziel gefunden. Seine Hand zitterte.
»Ist das wahr?«, wollte er wissen. »Ist das wahr?« Er kreischte wie ein Kleinkind.
Der Boss war schnell, aber er war nicht schnell genug. Er hatte den Revolver bereits gezogen, doch Bert schoss als Erster. Bert war kein guter Schütze und erwischte den Boss nur am Oberarm. Der Boss wankte nicht einmal. Er drückte dreimal ab. Eine Kugel drang Bert in den Brustkorb, die andere schoss ihm sein gesundes Auge aus. Die letzte war für Feng bestimmt, doch dieser sprang beiseite und die Kugel bohrte sich harmlos in den Türrahmen. Holzsplitter flogen.
Der Boss legte neu an, doch da warf Feng sein zweites Messer und es drang dem Boss tief in den Oberschenkel. Der Boss fluchte und humpelte, wild um sich schießend, zurück auf den Gefängnistrakt zu.
Er wollte die Tür gerade hinter sich zuziehen, da warf sich Feng auf ihn. In einem Knäul aus Messern, Fäusten, Blut und Geschrei kugelten sie durch den Vorraum des Zellentraktes. Die Geräusche, die die beiden machten, unterschieden sich kaum von den Lauten der Infizierten. Ein letzter Schuss krachte, dann war Ruhe. Der Boss schob Fengs Leiche von sich und richtete seinen Oberkörper auf, lehnte sich schwer atmend gegen die kalten Gitterstäbe.
Mit einer Hand hielt er sich die Kehle, doch er konnte den Blutfluss nicht stoppen.
Er blubberte etwas, das wie »Keine Disziplin« klang, aber Holger war sich nicht sicher.
Für einen Moment sah es so aus, als wolle er seinen Bart glattstreichen, dann fiel seine Hand in den Schoß und der Kopf sackte seitlich weg. Der Brustkorb bewegte sich nicht mehr, ruhte wie eine stillgelegte Maschine.
»Holger?«
»Professor?« Holger drehte sich um. »Professor, das Serum - es hat gewirkt.«
Der kleine Mann rüttelte wie ein bebrilltes Äffchen an den Stangen seiner Zelle und jubelte: »Ich wusste es, ich wusste es!«
Holger fischte den Schlüssel aus der Tasche des Bosses und schloss seine Zelle auf. Dann ging er zur Zelle des Professors. Sie war geräumiger, verfügte über eine eigene Nasszelle. Aber sie unterschied sich vor allem in der Ausstattung. Sie hatten den Professor mit seinem ganzen Chemie-Baukasten eingeschlossen. Auf einem Tisch türmten sich Gläser und Fläschchen, sogar ein kleiner Bunsenbrenner. Die Wand war bekrakelt mit Notizen; wilde Formeln oder einfach nur wirres Zeugs.
Holger befand, dass der Professor nicht verrückter war, als alle anderen auch in dieser verrückten Welt und schloss die Tür auf.
»Hast du noch mehr von dem Serum?«
Der Professor hielt eine identische Spitze hoch »Das ist die letzte.«
»Kannst du mehr davon herstellen?«
Er schüttelte den Kopf. »Meine Mittel sind erschöpft.«
Holger fluchte. Mit gezwungen ruhiger Stimme sagte er: »Dann muss es reichen.«
Der Professor nickte grimmig und steckte die Spritze in eine Tasche seines Kittels.
Holger warf sich zwei weitere Schmerztabletten ein und erzählte dem Professor von dem Truck und der Karte.
»Sehr gut. Reiten wir also aus als Träger der Hoffnung!« Die winzigen Augen leuchteten hinter den Brillengläsern. »Bringen wir das Serum in die Kolonie. Dort gibt es sicher eine Möglichkeit, es zu reproduzieren.«
Holger nickte. »Der Plan ist einfach«, erklärte er und massierte sein Knie. »Wir schnappen alles, was wir tragen können und schleppen es in den Truck. Dann locken wir die Viecher in den Turm und hauen ab von hier.«
»Genial!« Der Professor klatschte in die Hände. »Aber ... äh ... wie stellen wir das an?«
»Ich hab da so eine Idee. Aber zuvor haben wir ein anderes Problem zu lösen. Piet ist noch irgendwo im Turm.«
Holger nahm Lore und gab dem Professor Berts Pistole.
Das Dana-Wesen rührte sich nicht mehr, als sie zum Treppenhaus schlichen.
Piet konnte auf jeder Stufe lauern, die Windung der steinernen Wendeltreppe bot ausreichend Gelegenheiten. Sand knirschte unter ihren Schuhsohlen. Sie passierten unbeschadet das erste Stockwerk. Das Zweite. Im Dritten schlüpften sie in die Gemächer des Bosses. Bert, Feng und Piet hatten ordentlich zugelangt. Das Zimmer sah aus wie nach einem Kindergeburtstag, überall aufgerissene Verpackungen und halbleere Flaschen.
Dennoch fanden sie ausreichend Proviant, um zwei Rucksäcke zu stopfen.
»Es ist vorbei«, sagte eine Stimme hinter ihnen.
Holger und der Professor wirbelten herum, die Waffen im Anschlag. Piet torkelte vom Balkon ins Zimmer. In der einen Hand hielt er eine Flasche Schnaps, in der anderen seine Armbrust.
»Es ist vorbei. Ich bin infiziert.« Er lallte. »Ich hab‘s wirklich versucht. Aber ich hab nicht abdrücken können.« Er zog Rotz hoch und Holger merkte, dass Piet weinte. »Da ist immer noch diese Hoffnung, versteht ihr? Vielleicht ... vielleicht ...«
Er nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche. »Und sich selbst umbringen, das ist ja auch Todsünde. Also, ich war nie gläubig. Und dass der ganze Scheiß überhaupt passiert ist mit dem Virus und so, da muss man doch glauben, dass wir Gott scheißegal sind. Aber wenn du dann plötzlich vor der Entscheidung stehst, deine Waffe gegen dich selbst ...«
Holger zuckte zusammen, als der Professor Piet ins Gesicht schoss.
»Ich hab ihn nie gemocht«, sagte der kleine Mann. »Aber das war ein Gefallen.«
Holger blickte den Professor an, als sähe er ihn zum ersten Mal. Dann nickte er. »In Ordnung, fangen wir mit ihm an.«
Gemeinsam hievten sie Piets Leichnam auf das Dach des Turms.
Ihn durch die Dachluke zu bekommen, ohne sich mit seinem Blut zu besudeln, war der schwierigste Teil. Als sie es geschafft hatten, gönnten sie sich schwer atmend eine Pause. Dann ging es weiter.
Nacheinander schleppten sie den Boss, Bert und Feng nach oben.
Holger versagte sein Knie einige Male den Dienst. Er fluchte und stöhnte und warf zwei weitere Schmerztabletten ein. Der Professor legte eine Energie an den Tag, die er dem schmächtigen Kerl nie zugetraut hätte.
Als die Leichen ihrer Kameraden unter freiem Himmel lagen, ruhten sie sich für einen Moment aus. Nassgeschwitzt starrten sie in die Wüste. Holger drehte sich mit zitternden Fingern eine Zigarette. Das Rauchen beruhigte ihn, im Tabak schmeckte er einen Hauch von Früher, von Normalität. Der Wind hatte zugenommen.
Sie machten sich wieder an den Abstieg. Es quietschte leise, als Holger die Außentür des Turms öffnete. Geduckt huschten sie zum Truck. Der Wind trieb Sand durch die Luft und Holger knirschte er bereits zwischen den Zähnen. Aber er begrüßte den Wind, denn er verschluckte den Lärm, den sie verursachten.
Die Türen des Fahrerhauses standen offen. Der Schlüssel steckte noch. Es war, wie Dana gesagt hatte, im Abteil hinter den Sitzen reihten sich Benzinkanister an Benzinkanister, darauf stapelten sich haufenweise Plastikflaschen. Die Karte klemmte auf dem Armaturenbrett.
»Also dann!« Holger lud seinen Rucksack ab, schnappte sich einen Kanister und eilte zurück zum Turm. Der Professor tat es ihm gleich.
Holger machte sich ein letztes Mal an den Aufstieg. Allmählich setzte die betäubende Wirkung der Tabletten ein. Sein Knie knackte, doch der Schmerz hielt sich in duldbare Grenzen. Auf dem Dach angekommen, überschüttete er die Toten mit dem Benzin. Noch immer meinte er, Piets stechenden Geruch herauszuriechen. Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Kippe und schnippte sie dann auf den Scheiterhaufen. Sofort züngelten Flammen in den Himmel. Er hastete mit zusammengekniffenen Zähnen die Treppen runter. Der Professor hatte seinen Kanister im Erdgeschoss entleert. Der Gestank nach Benzin nahm Holger den Atem.
»Die Grillparty kann steigen«, kicherte der Professor.
Sie ließen die Tür des Turms weit offen und flüchteten zum Truck. Geduckt warteten sie in der Kabine. Sie mussten nicht lange warten. Die ersten Kreaturen jagten auf den Turm zu. Wie erwartet, schenkten sie dem Truck keine Beachtung.
Es wurden ihrer mehr und mehr, am Eingang schlugen die Gierigsten ihre Klauen in die Körper derer, die ihnen den Weg versperrten. Das Gekreische war lauter als je zuvor. Der Geruch des brennenden Fleisches musste sie wahnsinnig machen. Und es drängten weitere nach, sie überrannten ihre Artgenossen, um in den Turm zu gelangen.
Zuletzt humpelten die verkrüppelten Exemplare nach. Ihre Körper waren widernatürlich verdreht, die Gliedmaßen verstümmelt oder fehlten ganz.
Beinahe entglitt Holger das Messer, das er dem Boss abgenommen hatte. Er krampfte seine Hand um den hölzernen Griff und kämpfte gegen die betäubende Wirkung der Tabletten an. Nicht jetzt, flehte er. Nicht jetzt! Es kostete ihn alle Konzentration, um der lockenden Entspannung zu widerstehen.
»Los gehts!«, rief der Professor und riss ihn aus seiner Lethargie. Holger startete den Motor des Trucks. Und würgte ihn ab. Er drehte den Zündschlüssel erneut. Röhrend erwachte das Monster aus Stahl zum Leben.
»Jetzt oder nie!«, sagte der Professor, ein unheimliches Grinsen im Gesicht. Mit einer Hand hielt er die Beifahrertür zu, die nicht mehr von allein schließen wollte, in der anderen hielt er seine Pistole.
Holger drückte aufs Gaspedal. Der Motor heulte auf, Sand spritzte in alle Richtungen, dann jagte der Truck los.
Längst nicht alle Kreaturen hatten es in den Turm geschafft. Stöhnend wandten sie sich der Quelle des Lärms zu. Dann kreischten sie und rannten los.
Von allen Seiten warfen sie sich gegen den Truck. Kreischend hieben sie auf das Metall, beulten es ein, zogen mit ihren Krallen den Lack ab, hinterließen Risse in der Panzerung. Die Fenster waren vergittert, doch es kam, wie es kommen musste: Auf Holgers Seite wurde das Gitter mit Gewalt abgerissen. Die Gestalt, die es plötzlich in den Fängen hielt, verlor das Gleichgewicht und verschwand. Doch kurz darauf explodierte Holgers Scheibe in einem Regen aus Splittern, als die nächste Kreatur mit aller Macht ihren Schädel gegen das Glas rammte. Mit einer Hand hielt Holger das Lenkrad, mit der anderen stieß er das Messer bis zum Griff in die Wange des Infizierten. Das Wesen kreischte und schnappte, verlor dann aber den Halt und riss im Fallen zwei weitere Gestalten vom Truck, denen es gelungen war, sich festzuklammern. Die Beifahrertür wurde aufgerissen. Krallen und Zähne stülpten sich in die Kabine. Doch der Professor gab gezielte Schüsse ab und schaffte es, die Tür wieder zuzuwerfen. Auf der Höhe des Turmeingangs schoss Holger seine Leuchtrakete ab. Sie zog einen Feuerschweif hinter sich her und verschwand im Innern des Turms. Augenblicklich stand das gesamte Geschoss in Flammen. Die Infizierten rannten kopflos durcheinander, kreischten und schlugen um sich, fingen Feuer, steckten sich gegenseitig an. Holger trat das Gaspedal durch. Der Professor schoss die letzte Kreatur von der Motorhaube und sie waren an der Meute vorbei. Im Rückspiegel sah der Turm aus wie ein brennender Schornstein, spuckte menschliche Fackeln aus, die herumtorkelten, übereinander herfielen, sich vom Dach stürzten.
Sie sprachen kein Wort.
Der Motor röhrte laut, ihre Ladung klapperte und schepperte. Der Wind peitschte Sand gegen den Truck.
Holger konzentrierte sich auf das tanzende Gelände. Immer wieder drohte es vor seinen Augen zu verschwimmen. Der Professor hielt umständlich die Karte und gab vor, darin vertieft zu sein.
Holger entging nicht, dass der Professor die Karte so hielt, damit er die Wunde in seinem Oberschenkel verbergen konnte. Aber Holger hatte gesehen, wie sie ihm eins der Biester zugefügt hatte.
Und Holger war sich gewiss, dass der Professor gesehen hatte, wie er selbst ins Handgelenk gebissen worden war, als das Fenster barst.
Und vor allem war er sich sicher, dass sie beide über denselben Gedanken brüteten: Das Serum reichte nur für eine Person.
Lore würde ihm in der engen Kabine nicht von Nutzen sein. Aber wie viel Schuss hatte der Professor abgegeben? Hatte er noch Reserve im Magazin? Es war alles so schnell gegangen. Und er war müde, so furchtbar müde. Holger quetschte sein Knie, um die Schwärze zu vertreiben. Der Schmerz half ihm, den Nebel zurückzudrängen, nachzudenken. Angeschnallt waren sie beide nicht. Wie beiläufig griff Holger nach dem Sicherheitsgurt.
Der Wind nahm zu. In der Ferne ragte der Südturm auf.

 

Hallo Herr Lose,

Du schaffst es finde ich mit sehr wenig beschreibenden Elementen eine sehr düstere, apokalyptische Stimmung aufzubauen.
das ist etwas, das ich auch erst lernen musste. Minimaler an die Sache ranzugehen. Nicht so viel / lang erzählen, sondern möglichst treffend zu werden. Verdichten.
Das macht richtig Spaß, bei der Korrektur Satz um Satz zu streichen. Umzuformulieren, zu schärfen. Zugegeben, hier bediene ich natürlich ein allseits bekanntes Setting. Ich hoffe dennoch, ich habe mich nicht auf den Bildern ausgeruht
Du bedienst Dich da natürlich auch an den bekannten Archetypen und Gerne-Vorbildern (sorry, die Retourkutsche musste sein ) schadet dem Text aber überhaupt nicht, finde ich - im Gegenteil.
klar, das musste ja kommen :D
HIer nehme ich das natürlich ganz bewusst in Kauf, habe mir eine Spielwiese ausgesucht, auf der ich mich austobe
Einzig gegen Ende war mir nicht klar, warum sie erst alle Leichen mühsam aufs Dach schleppen, um sie dann anzuzünden. Warum nicht einfach da, wo sie umgefallen sind?
weil dann mehr in den Turm passen, mehr darin gefangen sind, drau0en weniger sind

Ab der Stelle hatte ich auch generell da Gefühl, Du wolltest jetzt irgendwie zum Schluss kommen. Der Weg zum Truck war mir viel zu leicht. Auf dem Weg in den Turm rein sind da fast alle verreckt und der Professor und Holger spazieren dann (gefühlt) einfach so hin? Das passt nicht. Andere haben das ja auch schon geschrieben, aber so wie ich das gelesen hatte war der Truck auch einfach im Arsch und nicht mehr fahrtüchtig.
du also auch. hm. Ich guck mir das noch mal an, versprochen

ich seh mir auch noch mal die letzte Szene an, danke für den Hinweis. Schnell zum schluss kommen wolte ich eigentlich nicht.

Der unscheinbare Professor, der unvermittelt Piet ins Gesicht schießt - genial!
das schien mir wichtig, den Professor zu drehen. Es muss ja einie Bedrohung von ihm ausgehen, etwas unberechenbares, damit das Ende wirken kann

War für mich einfach der perfekte Schlusssatz . Ich glaube den aktuellen Schlussatz hast Du später ergänzt, oder? Ich würd bei der ersten Version bleiben.
Nee, der Schlusssatz stand schon vorher fest. Kurz hatte ich überlegt den Gurt als Abschluss zu lassen, aber ich finde, der Wind untermalt die Situation ganz gut. In der Turm verheißt ja Hoffnung. Fand das eigentlich ganz gut so.

Auf jeden Fall vielen lieben Dank für deine Meinung und deine Zeit. Hat mich gefreut.


Hallo Maria,

Eine Zombiegeschichte, in der endlich die Zombies als Zombies bezeichnet werden.
ja, das fand ich auch schwierig. Wie nenne ich die Viecher nun. Es ist natürlich absurd, sie gar nciht Zombies zu nennen, nach der ganzen Hollywood-Welle kennt wohl jeder den Begriff und so auch jeder Held in einer Story wie dieser
Konkret benannt habe ich sie alerdings nur 1x durch den Boss.
Letztlich assoziiere ich mit Zombies immer noch so eher lahme Typen, die stöhnen und schlafwanderig durch die Gegend schlurfen. Mit den modernen Versionen von hgeute hat dieses Bild ja nur noch wenig gemein. Deswegen habe ich mich edin bisschen drumrumgeschummelt.

Ich weiß nicht so recht. Die Figuren bestehen Großteils aus altbekannten Helden, was jetzt nicht gleich als negativ aufzufassen ist, denn sie funktionieren und das ist ja das Wichtigste. Jeder bekommt Farbe, jeder ein Gesicht, bis auf Dana, die mir etwas durchtrieben vorkam und die mir trotz all der Qual nicht gerade sympathisch war und deren Tod ich mir vielleicht gewünscht habe
das ist es doch, auf die Wirkung kommt es an. Natürlich erhält die Geschichte keinen Innovationspreis, aber sie wirkt, weil es eben in den Gesetzen des Genres stimmig ist. Mehr wollte ich gar nicht
Natürlich kann ich deinen zwigespaltenen Kommentar verstehen.

Doch die Action ist da, die Geschichte packt einen und plötzlich ist man drinnen, läuft von Zombies weg und erlebt den ganzen Scheiß mit. Und darauf kommt es doch an, oder? Einen Tiefgang hatte sie für mich. Die Figuren haben alle Rollen, die ich erwartet habe, Holger wird der Held, den ich erwartet habe, der sich gegen den Boss stellt und auch die Oberhand bekommt.
Meine Hoffnug war, dass die Geschichte damit punkten kann, dass man eben nciht genau weiß, in welche Richtung die Fäden zusammenlaufen. Das ist ja eigentlich immer das spannendste in solchen Settings, wer wird es am Ende überleben, oder halt hier: Wer sitzt mit im Truck?
Hab mir Mühe gegeben, die Figuren gegeneinander auszuspielen, mit Dana eine neue Variable einzustreuen, ...
Sie ist unterhaltsam, hat sogar Spaß gemacht, ich habe sie zu lesen nicht bereut, aber ich würde sie kein zweites Mal lesen.
der erste Teil macht mich doch glücklich genug ;) Manche Geschichten haben sich halt auch nach einmal ausgelesen. Außerordentlich viel zu entdecken gibt es hier ja nicht, höchstens den Film danach ...
Also einen dicken Dank fürs Lesen und Gedanken-mitteilen.

nur eine Sache noch

Einen Tiefgang hatte sie für mich.
fehlt hier was in dem Satz? :susp:

grüßlichst
weltenläufer

 

Warum aber ist das seit geraumer Zeit so in? Es gibt ja geradezu eine Zombie-Welle? In den USA sind das ja Gründe für den Waffenkauf.

Zombies werden gerne mit Terroristen verglichen - auch sie leben vor ihrer "Verwandlung" harmlos und unerkannt unter uns, sie schlagen zu aus dem Nichts, egal wie viele man bekämpft, es kommen immer mehr, und sie bedrohen uns in unserem Zuhause. Vielleicht erklärt das, warum Zombies in der Post-9/11-Ära ein Revival erlebt haben; schließlich gehört es ja zum Genre, gesellschaftliche Ängste zu thematisieren.

Aber erstmal - hallo weltenläufer

Du gehörst zu den Autoren hier, bei denen ich keine Bedenken habe, mich auch in einen längeren Text zu stürzen. Du schreibst auf hohem Niveau, beherrscht das Handwerk und kannst auch über viele Seiten hinweg unterhalten.

Außerdem bin ich ja ein großer Freund des Genres - Zombie-Geschichten mag ich, wobei es da seltsamerweise wenige gute Bücher gibt, da sind eher die Filme in Erinnerung geblieben. Vielleicht ist das auch ein Thema, bei dem die visuellen Effekte wichtig sind. Du bist da ja auch nah dran, soweit ich die Kommentare richtig in Erinnerung habe (ich hab sie über die letzten Tage verfolgt), hat der eine oder andere auch geschrieben, das läuft ab wie in einem Film. Ob intuitiv oder beabsichtigt, ich denke da gehst du schon in die richtige Richtung.

Ok, also um es vorweg zu nehmen, mir hat die Geschichte diesmal leider nicht besonders gut gefallen. Ich war sogar - gemessen an den Maßstäben, die ich dir zutraue - ziemlich enttäuscht davon. Ich bin nicht sicher, ob dir meine Kritik was bringt, weil du die Schwachstellen ja alle schon selbst kennst und sie auch zum großen Teil schon angesprochen wurden. Ich kann da leider nicht so drüber wegsehen.

ja, die Kritik ist berechtigt. Ging mir nicht darum, das Genre neu zu erfinden, sondern mich mal darin auszutoben. Man kann es auch als Hommage verstehen

Hier machst du es dir zu einfach. Ja, natürlich ist der Kritikpunkt - in diesem Fall war es die stereotype Figur des Professors - berechtigt, aber ich verstehe nicht, warum die Figurenentwicklung in den Hintergrund rückt, wenn man sich in einem Genre austoben oder eine Hommage schreiben möchte. Das klingt ja beinahe so, als gehören flache Figuren in dieses Genre, als würde es heißen, es ist ja "nur" eine Zombie-Geschichte, da ist das nicht so schlimm. Aber es macht einfach vieles von der Geschichte kaputt, nicht nur den Professor.

Vom Gefühl her sind da zu viele Figuren auf zu wenig Platz. Psychologische Konflikte können sich nicht entfalten, du gehst zwar auch da in die richtige Richtung und führst sie - gerade zu Beginn - ein, aber sie werden nicht ausgearbeitet. So etwas braucht Zeit, und die haben deine Figuren nicht. Zu schnell geht alles in einer Gewaltorgie unter, die Figuren nehmen sich gegenseitig aus der Geschichte. Ich denke, aus Piet, Feng und Bert hättest du eine Figur machen können, dann blieben ja zusätzlich immer noch Holger, der Professor und der Boss (und Dana später). Das wäre übersichtlicher, und du könntest einen Konflikt auch viel konzentrierter beschreiben. Für mich haben die drei - Piet, Feng, Bert - keine individuellen Züge bekommen. Klar, einer hat eine Augenklappe, der andere kämpft mit Messern - aber das sind Äußerlichkeiten, ich meine vielmehr, sie haben keinen individuellen Charakter. Piet sagt anfangs noch, dass er gegen den Boss ist, aber das sind die anderen ja auch.

Es ist ja nicht nur eine Zombie-Geschichte, was du geschrieben hast, es geht ja auch um eine Gruppe von Menschen in einem eingeschlossenen Raum (gibt es ja auch abseits des Zombie-Themas jede Menge). Bei so etwas ist die Dynamik in der Gruppe ganz wichtig. Was treffen da für Charaktere aufeinander, welche Konflikte gibt es, welche Untergruppen bilden sich und welche Interessen verfolgen die? Hier kommt das alles sehr kurz. Du führst es zwar gut ein, bringst gleich einen guten Konflikt - der Boss hat die Macht, andere lehnen sich gegen ihn auf, Holger steht hinter ihm. Das ist eine spannende Ausgangssituation, aber du kannst sie nicht sinnvoll ausarbeiten, weil bei der zweiten Begegnung von Holger und dem Boss im Text die beiden schon gegeneinander kämpfen bzw. Holger den Boss ausknockt. Und so verpufft der Konflikt. Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten spannenden Thema, das du einführst - die Angst, ein Infizierter ist unter ihnen. Auch das wird zwar gut in Szene gesetzt anfangs, aber auch nie richtig zu Ende gebracht, eine echte Dynamik in der Gruppe, dass man da von einer Entwicklung sprechen kann - sehe ich nicht. Und das sind doch eigentlich spannende Themen. Gefahr von außen - Gefahr von innen. Gerade bei der Gefahr von innen fehlt mir der Spannungsbogen, der kontinuierlich einem Showdown entgegenströmt. Es löst sich schlussendlich alles zu einfach auf. Daher ist mein Vorschlag, weniger Figuren zu etablieren. Die beschriebenen Konflikte bekommst du auch mit vier Figuren prima hin, dann hat auch jede etwas mehr Platz.

Was mich richtig gestört hat war das Verhalten von Feng und dem Boss, als das Mädchen - Dana - im Bunker auftaucht. Feng fällt sofort über sie her, dann auch der Boss, als wäre es was ganz Normales, weil ja beide so lange keine Frau mehr gehabt haben. Was waren das denn vor der Seuche für Menschen? Vermutlich auch schon Vergewaltiger, anders kann ich mir das kaum erklären. Vor allem bei Feng (gut, es wird angedeutet, dass Dana ihm dasselbe Angebot gemacht hat, wie sie später auch Holger macht – aber dennoch, er drückt ihre Arme zu Boden, fährt mit seinem Messer ihre Kehle entlang, das würde ich jetzt nicht als einvernehmlich bezeichnen) - ich meine, Feng ist am Verhungern, direkt mit dem Tod konfrontiert, die müssten doch alle unter Schock stehen. Gut, vielleicht ist der Sexualtrieb dann besonders ausgeprägt, keine Ahnung, vielleicht wolltest du auch zeigen, dass in dieser Extremsituation gesellschaftliche Moralvorstellungen und selbst der menschliche Anstand zerfallen - was auch ein sehr gutes Motiv ist, gerne verwendet (und gerne konsumiert) wird, und es spricht wieder für dich, dass du auch das aufgreifst. Aber ich sehe hier wieder dasselbe Problem wie bei den anderen zentralen Themen auch - es kommt bei mir einfach nicht rüber. Wir kennen Feng bis dato nur als messerfuchtelnden Kämpfer, ich habe keine Ahnung, ob er überhaupt eine innere Hürde überwinden musste, bevor er sich die Hosen runtergelassen hat - und falls nein, zeigt das eben nicht den Verfall menschlicher Moral in diesem apokalyptischen Szenario, sondern es ist halt lediglich ein Vergewaltiger, der eine Chance sieht (was ein viel schwächeres Motiv ist). Und wenn das alles so Unmenschen sind und Holger sozusagen der Fels in der Brandung, einer, dem auch der Anstand in dieser Ausnahmesituation wichtig ist - ja, dann frage ich mich, wie die bislang eigentlich so gut auskommen konnten. Das hätte doch früher dann auch schon ordentlich knallen müssen, oder?

Auch dass Dana sofort ihren Körper anbietet, macht sie an der Stelle mehr zu einem Klischee denn zu einer individuellen Figur. Sie ist damit reduziert auf ihren Körper, was typisch ist für viele weibliche Figuren in (meist nicht so guten) Horrorfilmen. Entsprechend bekommt auch ihre Geschichte keinen Platz, Holger hört ja nur mit halbem Ohr zu, und dann kommt aber sofort:

»Du willst mich doch, oder? Ich hab bemerkt, wie du mich angesehen hast. Du kannst mich haben. Ich gehöre dir. Aber bitte nimm mich mit.«

Versteh mich nicht falsch. Ich glaube ich erzähle dir hier nichts Neues, du hast das vermutlich alles irgendwie im Hinterkopf gehabt und dich dann eben für deine Variante entschieden - aber ich finde es keine glückliche Wahl. Das Genre ist da keine Entschuldigung für mich. Klar, du sagst, du bist in einer Blockade und wolltest was Einfaches, zum Austoben - und mit dieser Begründung kannst du auch dieser Kritik begegnen, aber ich möchte den Text auch herausgelöst aus diesem Kontext bewerten (den ich beim ersten Lesen im Übrigen auch gar nicht kannte). Ich möchte ihn an den Maßstäben messen, die ich dir zutraue, und dann finde ich es ärgerlich, wenn ein Autor mit deinem Potential die Fehler von schlechten Vorlagen wiederholt.

Einen Kritikpunkt möchte ich noch anbringen, diesmal weg von den Figuren hin zur Handlung: echte Stolperstellen werden deinem Helden (oder den beiden Helden am Ende) nicht in den Weg gestellt. Ähnlich wie auch die menschlichen Konflikte löst sich das zu leicht auf. Die Zombies verhalten sich so, dass es in die Geschichte passt - nach dem ersten Angriff verziehen sie sich, weil sie das Sonnenlicht nicht mögen (was eher an Vampire erinnert), aber doch nicht so sehr nicht mögen, dass sie nicht trotzdem hin und wieder aus ihren Verstecken kommen. Das tun sie aber erst dann, wenn es für Holger und den Professor passt (also erst dann, wenn sie bereit sind und im Truck sitzen). Klar, der Wind weht aus der richtigen Richtung - nun gut. Aber bis dahin ging ja vieles auch schon sehr glatt. Der Boss verblutet an einer solchen Stelle, dass der eingesperrte Holger sich den Schlüssel angeln kann. Und wie konnten die abgemagerten Skelette Holger und der Professor den wuchtigen Boss aufs Dach schleppen - wie soll das gehen? Auch die Sache mit dem Knie - das tut zwar immer weh, ist immer störend, aber nie ein echtes Hindernis. Es geht ja alles mit kaputtem Knie (und Schmerztabletten), der rennt dreimal den Turm hoch und runter und zum Truck und zurück und ständig wird das Knie erwähnt und ich dachte - Mensch, ja, aber warum wird da so drauf rumgeritten wenns ja doch die ganze Zeit geht? Das ist so ein Pseudo-Spannungselement, weil irgendwie klar ist, dass er nicht zusammenbricht und die Zombies ihn kriegen - das ist wie wenn in Walking Dead mal wieder jemand auf der Flucht vor den Zombies umknickt, aber humpelnd dann doch entkommt - finde ich auch schon ziemlich ausgelutscht und rate davon ab, so etwas als Spannungselement zu verwenden.

Also weltenläufer - ich weiß jetzt nicht, ob ich zu hart bin zu dem Text, aber das waren meine ehrlichen Eindrücke beim Lesen. Viele haben ihn ja sehr positiv aufgenommen, inkl. Empfehlung, und natürlich ist das auch grundsolide und sauber geschrieben. Aber vielleicht gerade deshalb: die - in meinen Augen - platten Figuren, die Logiklöcher, die einfachen Auflösungen - das sind halt alles so Zutaten, die ich auch vielen Horrorfilmen ankreide, und weil es halt wirklich auch besser geht, hat mich der Text enttäuscht. Aber wenn er dir Spaß gemacht hat beim Schreiben und vielleicht auch aus deiner Blockade rausgeholfen hat ist das prima, ich wünsch dir das auf jeden Fall. Mich als Leser hat er halt leider nicht erreicht. Aber ich möchte gerne mit einem Kompliment abschließen, und deshalb sage ich: dir traue ich viel mehr zu :)

Viele Grüße,
Schwups

 

Hallo Schwups,

vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Ich sehe, dass da viel Mühe drinsteckt und ich bin dir echt dankbar für deinen Appell. Ich glaube, ich habe noch nie einen solche liebevollen Verriss kassiert :D

Ich bin nicht sicher, ob dir meine Kritik was bringt, weil du die Schwachstellen ja alle schon selbst kennst und sie auch zum großen Teil schon angesprochen wurden.
doch, auf jeden Fall bringt mir das was. Das ist so eine von den Kritiken, die ich im Kopf behalten werde. Letztlich eine Mahnung an mich selbst, dass ich es mir nicht zu leicht machen darf.
Also, ich werde die Geschichte jetzt nicht umschreiben, denn ich bin ganz zufrieden mit dem Ergebnis, es spiegelt wider, was ich mir im Vorfeld vorgestellt habe - aber dein Kommentar macht mir bewusst, dass ich völlig ausgeblendet habe, dass es auch anders geht/ginge.
Von daher: ja, ich hab es mir einfach gemacht. So gesehen bin ich dieses Vorwurfs schuldig:
Das klingt ja beinahe so, als gehören flache Figuren in dieses Genre
Bei Holger habe ich gehofft, dass er gar nicht so flach rüberkommt. Der hat ja schon sein Päckchen zu tragen.
Wahrscheinlich hast du recht mit dem Personal. Also da habe ich mir echt Gedanken drüber gemacht, denn bisher habe ich mich immer nur an zwei Figuren getraut in meinen Kurzgeschichten, aber wenn ich so drüber nachdenke, dann könnte ich tatsächlich zumindest eine Figur ersatzlos streichen. Das wäre dann Feng oder Bert. Letzterer ist tatsächlich äußerst blass und trägt wenig zur Handlung bei.
Also eine weitere Sache, die ich mitnehme aus deinem Kommentar. Personal noch kritischer prüfen

Dass dich die Sache mit Dana so stört ... hm. Also da gehe ich jetzt nicht so mit. Ob es da jetzt ein klareres Psychogramm braucht, weiß nicht. In einer Welt, wo alles abgefuckt ist und allein das Recht des Stärkeren regiert, also da braucht es für mich jetzt nicht viel differenzierten Hintergrund, um mir ein solches Verhalten vorstellen zu können.
Das gleiche gilt jetzt für das Anbieten Danas.
Stereotyp ist es natürlich trotzdem.

Puh und das mit den Stolpersteinen ... Wieder etwas, dass ich jetzt erst dank deiner Kritik durch andre Augen sehen kann.

Insgesamt lese ich raus, dass du dir einen Anspruch gewünscht hättest, den ich gar nicht auf dem Schirm hatte.

Dass jeder Satz von dir aber trifft und ich spüre, wie ich da die ganze Zeit über rufen will: Moment mal, das soll doch so sein!, zeigt mir, dass da ne Menge dran ist an deinem Kommentar, das ich einfach ausgeblendet habe.
Weißt du, ich bin echt froh, dass dein Kommentare erst so spät kam, denn mit dieser Geschichte habe ich mich echt frei geschrieben. War schon so in meinen Selbstzweifeln versackt, dass ich das Schreiben beinahe ganz in die Tonne treten wollte. Der Spaß am Schreiben und die positiven Kommentare, das hat mich echt wieder auf Kurs gebracht. Dein Beitrag ist quasi die Aufmunterung zur Feinjustierung, auch ein bisschen dazu da, mich weider runterzuholen, zu erden.
Es macht mich stolz, dass du mir so viel mehr zutraust und ich hoffe, dass ich dich mit der nächsten Geschichte wieder mehr packen kann.
In jedem Fall wird dein Kom noch lange in meinem Kopf rumspuken.

grüßlichst
weltenläufer

 

Für Viele hat das Thema sicher seinen Reiz verloren (wenn es denn je einen gab), aber ich lese solche Stories immer wieder gern, wenn sie denn gut geschrieben sind.
Nun, bei mir ists eher umgekehrt: Der reale Horror derzeit und in naher Zukunft ist mir an sich Aufregung genug,

lieber Weltenläufer,

dass ich für das Genre an sich nix übrig hab – aber es gibt Ausnahmen, und eine liegt mir jetzt vor. Warum? Trifft ein Satz wie

Das Virus brach über Nacht aus
nicht die westl. Haltung zum Rest der Welt? Der kann selbst einen ungläubigen Halunken wie mich, der eher dem Wes- als dem Werwolf glauben schenkt, bei der Stange halten eingedenk Ebola, der Schwarzen Pest im 14. Jh. oder der vergleichbaren aktuellen fundamentalistischen Pest, wobei wir nie vergessen sollten, dass seit Jahrzehnten im Kongo und Umgebung dank industrieller Nachfrage ein Weltkrieg um Seltene Erden geführt wird, ohne die wir sicherlich nur sehr viel aufwendiger miteinander plaudern könnten.

Der Titel ließ mich zuerst wie bei Gisanne an Tellenkamp denken. Was sich schnell legte.

»Holger, auf Euch konnte ich mich immer verlassen«,
ließ mich wegen der urplötzlichen aufscheinenden hoevesceit (nhd:. Höflichkeit) nicht mehr an die DDR als an Friesland vom 9. bis 11. Jh denken. Sinnigerweise heißt der Spielfilm „Die Normannen“ mit Charlton Heston als Boss der Wikingertruppe. Die Normannen sind die Zivilisierten, die Friesen - native People und buchstäblich unheimlich wehren sich auf ur-traditionelle Weise gegen die Besatzungsmacht. Der Inhalt, wenn ich mich nach rund einem Jahrtausend noch richtig daran erinner, dass der einsame Burgfried der Besatzungsmacht mitten im flachen Land von friesischen Stämmen belagert wird und die bisherigen Herren, die jetzt eingeschlossen sind, nicht mehr wegkommen – wenn ich denn den Schinken korrekt kürzen darf, ohne das dortige Ende zu verraten. Die Namen würden sogar passen (etwa: Holger = Freund des Speers) …

Direkt zu Anfang musst ich bei diesem, Deinem keineswegs schrägen Drama einmal grinsen (wäre eh nicht bei mir zu erkennen), wenn Brust und Brüstung aufeinander prallen

Er lehnte seine Armbrust an die Brüstung und nickte Holger zu.
Was aber durchaus korrekt formuliert ist!

Dass bei der Länge des Textes noch Flusen vom Gewebe zu nehmen sind, ist wenig verwunderlich (das Gegenteil wär’s eher). Also, den größten Teil liefert die Zeichensetzung:

Hier wird das Ende des Relativsatzes verpasst

Er unterdrückte die Bilder, die hochzusteigen drohten[,] und schüttelte abermals den Kopf.
Hier genau umgekehrt
Einen Schatten, etwas[,] das man nicht greifen kann.
Aber sie drohen[,] die Disziplin zu unterwandern.
Es blieb keine Zeit[,] den Revolver zu ziehen
.
Immer wieder drohte es[,] vor seinen Augen zu verschwimmen.

Hier ist das Komma denn auch mal eher entbehrlich
Aber er war näher an den Turm gekommen, als sie damals.
(Vergleich)Ebenso hier
Abgemergelt, und haarlos, die Haut …
(die Konjunktion ersetzt das Komma ganz gut)

Und mal was ganz anderes:

»Der Boss will dich sehen«, rief Bert ihm hinterher.
Wirkt auf mich nach mehr als nur einem Aussagesatz Berts …

Ab und an hastu komplizierende Vorlieben, wie hier ein erstes Mal

Berts eines Auge linste ihn misstrauisch an.
Unglücklich, wenn auch nicht falsch (halt übertrieben umgangssprachlich) – aber hinsichtlich der nachfolgend genannten Augenklappe sogar eher entbehrlich als notwendig. Reicht nicht
Berts […] Auge linste ihn misstrauisch an.
Kommt weiter unten noch mal vor
Aber Holger hatte gesehen, wie sie ihm eins der Biester zugefügt hatte.
Warum nicht einfach
Aber Holger hatte gesehen, wie sie ihm ein[…] Biest[…] zugefügt hatte.

Ab und an glaub ich weniger an ein Zuschnappen der Fälle-Falle als an nachlassender Konzentration
… deren gescheiterte[n] Pläne …
…, doch der Schmerz hielt sich in duldbare[n] Grenzen.

Hier hab ich mal gestutzt … da waren wohl zwo Formulierungen gleichzeitig im Kopf
Der Sessel ächzte, als der Boss ihm gegenüber im Platz nahm.

Hier schnappt sie dann doch noch zu, die böse-böse Fälle-Falle
Und sie arbeiten an eine[m] Impfstoff.«
…, mit der anderen stieß er das Messer bis zum Griff in [die] Wange des Infizierten.

Sonstiges / Verstreutes

Holger versagte sein Knie einige Male den Dienst.
Hm, schwierige Konstruktion – obwohl jeder weiß, was gemeint ist. Aber wie’s da steht, muss der Eindruck entstehn, Holger verweigere dem Knie den Dienst (und dann noch im falschen Fall), tatsächlich verweigert das Knie den Dienst. Also m. E. korrekt „Holgers Knie versagte seinen Dienst“, wobei das Pronomen aufs Knie verweist.

So viel oder wenig für heute!

Gern gelesen vom

Friedel,
der unter der Prämisse, dass die Geschichte schon lange vorlag, Deinen prophetischen Blick auf kommende Seuchenherde bewundert. Was keineswegs ironisch gemeint ist (dann wäre ich mit den alttestamentarischen Propheten gekommen, unter denen ich Dich vermisst hätte, durchgehalten hätt ich auf jeden Fall schon allein wegen der gelungenen Schreibe). Aber der Elch ist zu recht an Dir vorbeigegangen, zeigt die Geschichte doch exemplarisch entgegen allen neutestamentarisch begründeten Solidaritätsbeteuerungen (Nächstenliebe), dass im Ernstfall jeder sich selbst der Nächste ist.

Jetzt aber ab nach Hagen!

 

Hallo Friedrichard,

ich danke dir für deinen Kommentar. In der Hoffnung, dass es nicht despektierlich klingt, muss ich dir aber sagen, dass es mich Mühe gekostet hat, ihn zu entschwurbeln. Ich erwische mich wie so oft bei der Frage, ob du dich nicht einfacher ausdrücken kannst, oder willst. Womöglich bilde ich mir den ironischen Unterton ja auch nur ein ;)
Den Film mit Heston kenne ich nicht, aber da ich für solche Oldies was übrig hab (in wohl dosierten Portionen), musste ich den gleich mal bingen (das googeln will ich mir ja abgewöhnen). Der kommt auf die Liste für einen entsprechenden Video-Abend ;)

Er lehnte seine Armbrust an die Brüstung und nickte Holger zu.
Mist! Sowas bekrittel ich ja auch immer in Geschichten. Noch keinem aufgefallen, puh. Geländer tut es ja auch. Ich mach mich ans Ändern.
einmal grinsen (wäre eh nicht bei mir zu erkennen)
Bart?

Danke auch für die restlichen Flusen. Da bin ich baff, das da noch so viel abzuzupfen sind. Setze ich mich noch ran.

Dein letzter Absatz ist der für mich klarste. Ohne diesen Zusatz hätte ich den gesamten Kommentar mit deutlich skeptischeren Blick gelesen.
Danke also für deine Auseinandersetzung mit meinem fiktiven Horror, obwohl dir der reale Horror eigentlich genug ist :gelb:

grüßlichst
weltenläufer

 

Ich erwische mich wie so oft bei der Frage, ob du dich nicht einfacher ausdrücken kannst, oder willst.
Nix zu danken, aber: Er kann (hier erübrigt sich der Konjunktiv, ist hier der Indikativ doch schon sehr übergreifend ...),

lieber Weltenläufer,

beschränkt sich da aber auf den Kontakt mit öffentlichen Stellen (etwa bei Wiedersprüchen gegenüber dem FA), obwohl ich mir selbst da Ironie nicht verkneifen kann, wenn ich beim "persönlichen" Kontakt dem beamteten Fachmann die Fünftel-Regelung erklären muss ... Das Leben ist so viel authentischer. Oder verstehstu da alles? Ich nicht!

Tschüss!

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo weltenläufer,

ich hab jetzt die ganzen Kommentare nicht gelesen..

Ich finde die Geschichte eine grundsolide Sache. Du sagst selbst, dass sie etwas Klassisches, Gradliniges ist - das stimmt, ist alles recht gängig; Virusinfektion, eine Gruppe von Überlebenden wird zusammengeschmissen, die sich irgendwie mit der Situation arrangieren muss. Ich finde, du hast da einen schönen Mikrokosmos aufgebaut, mit dem Turm in der Wüste, das hat so was Abgeschnittenes, sodass man sich voll auf die Charaktere und ihre Situation konzentrieren kann - schönes Ding. Nachdem das alles gesettlet ist, dann der neue Input von außen in Form anderer Überlebender, der schließlich alles zum Eskalieren bringt, was vorher angelegt wurde (der abtrünnige Piet, das Serum - sehr gut!) - auch sehr gängig. Also das Ganze ist wirklich sehr solide, sehr gut geschrieben und spannend. Für mich war's allerdings auf Dauer auch ein bisschen, hm, ermüdend sag ich mal, eben weil's so gängig ist, also von mir aus hätt's nicht so lang sein müssen. ;) Aber man wird entschädigt, weil's echt gut gemacht ist. Das Ende gefällt mir.
Ja, das ist so mein Credo.

Noch ein bisschen Kleinkram:

Ich fand diese Ihr/Euch-Anrede am Anfang komisch, das wirkte so veraltet, und dann dachte ich, du machst das, um so diesen Verfall der Ordnung innerhalb der Gruppe zu symbolisieren, weil ja später zum du gewechselt wird, aber ich fand das eher störend.

Ihr erster Versuch dort hinzugelangen, war in dem gleichen Desaster geendet wie ihr letzter Versuch.
Versuch, dort (das zweite "Versuch" könnte weg)

Einen Schatten, etwas das man nicht greifen kann.«
etwas, das

Von einem Viech gebissen zu werden, dass nehme ich in Kauf.
das

Er versucht die Männer aufzuwiegeln.
versucht, die

sie wurden allein und ausschließlich vom ältesten aller Triebe gesteuert: Vom Hunger.
"allein und ausschließlich" ist doppelt gemoppelt; vom (klein)

Sie versuchte hinter das Steuer des Verunglückten zu kommen.
versuchte, hinter

In dem Moment, als das Wesen, das Maul zu jenem unverkennbarem Kreischen aufriss
Wesen das

Mit einem Fauchen und ausgestreckten Krallen, stürzte sie sich auf ihn.
Krallen stürzte

Es blieb keine Zeit den Revolver zu ziehen.
Zeit, den

Der Boss schob Fengs Leiche von sich und richtete sein Oberkörper auf,
seinen

Er blubberte etwas, dass wie »Keine Disziplin« klang,
das

mit der anderen stieß er das Messer bis zum Griff in der Wange des Infizierten.
die Wange

Also, grundsolide Sache, schön, dass du dadurch einen neuen Schreib-Schub bekommen und dich mal ins Horror-Genre verirrt hast. ;)

Viele Grüße,
Maeuser

 

Hi Weltenläufer!

Wirklich routiniert geschrieben, also ich klebte förmlich am Bildschirm. Die anderen Kommentare habe ich jetzt nicht gelesen, denke daher, dass einiges schon genannt wurde. Wurst.
Du greifst ja ziemlich alles auf, was das Genre so hergibt. Ein Serum und ein Ort des Neubeginns als Hoffnungsträger. Natürlich kann man sich fragen, ob die beiden es noch bis ins "Paradies" (so nennt man die Zivilisation in der Hölle) schaffen. Falls ja, hätte es sich eh als große Lüge entpuppt. Aber ich finde das Ende gut gesetzt.
Hier ist es nicht die reine Idee - ist ja sehr stereotypisch -, sondern die Charaktere und das Setting, die den Plot ausmachen.
Beeindruckend fand ich, wie leicht du hier den Bewohnern des Turms eine Rolle zuteilst. Bei manchen Geschichten geht es nur um zwei Menschen und ich werde nicht mit ihnen warm. Mir passiert es auch oft, dass ich den Namen des Prota vergesse, wenn der nicht interessant ist.
Jeder hatte hier etwas Besonderes, Holger seine Lorie, Piet die Duftnote, Schlitzer und Einauge - gut, erklärt sich von selbst -, der Boss, der diese bedrohliche Aura ausstrahlt und der Professor, der ... nun, bei ihm war ich erst etwas skeptisch, weil er so typisch Zerstreuter-Professor war, aber als er dem Piet ins Gesicht geschossen hat, habe ich ihn ins Herz geschlossen. :D
Diese ganze Zombie-Apokalypse spielte für mich aber eher eine untergeordnete Rolle. Klar, das perfekte Setting, da immer eine potenzielle Spannung bleibt. Da hättest du wahrscheinlich einen ganzen Absatz darüber schreiben können, wie Holger seine Socken wäscht und im Kopf des Lesers spielt das Mantra: gleich passiert was; gleich passiert was; gleich passiert was. Da brennt die Luft!

Die Sonne brannte.
Oder eben die Sonne.
Aber das eigentliche Drama spielt sich im Turm ab.

Sie mochten die Sonne nicht. Wenn sie Beute witterten, hielt sie auch Sonnenlicht nicht zurück, aber in der Regel krochen sie erst im Schutz der Dunkelheit aus ihren Löchern. Außerdem hörte man sie lange, bevor man sie sah.
sie ... sie ... sie ... sie
Anfangs warst du noch unschlüssig, wie du die Untoten jetzt nennen sollst, oder? Später kommt ja dann oft der Begriff "Infizierte". Würde ihn schon hier einführen.

Unwillkürlich fuhr er sich durch seinen Bart. Wie Stacheldraht.
Etwas zu drastisch, finde ich. Stahlwolle gefiele mir besser.

Der Turm bestand aus vier Stockwerken.
Hattest du schon kurz zuvor im Text erwähnt. Wenn du es noch mal ins Gedächtnis des Lesers holen möchtest, schreib doch nur "Vier Stockwerke. Der Boss bewohnte das ..." So wäre das okay.

Der Sessel ächzte, als der Boss ihm gegenüber im Platz nahm.

Dann ging der Alarm los.
Was für ein Alarm? Glocken? Eine Sirene? Vllt vom Professor installiert?

Sie dachten nicht einen Moment lang nach, sie wurden allein und ausschließlich vom ältesten aller Triebe gesteuert: Vom Hunger.
Das Fettgedruckte kannste streichen.

den Rücken eines Jungen zu zerfleischen.
Eines? Ich dachte, es wäre nur ein Junge? Und außerdem: Was passierte mit dem? Ich denk mal, der wurde auch von der Horde Zombies gefressen, aber das war mir nicht gleich klar.

und die Kugel bohrte sich harmlos in den Türrahmen.
Kann raus.

Der Boss schob Fengs Leiche von sich und richtete seinen Oberkörper auf

doch es kam, wie es kommen musste:
Würde ich rausnehmen. Ist doch recht phrasenhaft.

Das Serum reichte nur für eine Person.
Wieso? Es wurde doch erst einmal erprobt. Kann doch sein, dass es für beide reicht.
Mit dem Serum habe ich so meine Probleme. Klar, das mit dem ausrottenden Virus kann's ja gar nicht geben in dem Ausmaß. Trotzdem wird mir das Serum hier wie so ein Hokuspokus-Drink verkauft. Auch dass es den toten Untoten in einen menschlichen Toten verwandelt, fand ich seltsam. Wenn das Herz nicht mehr arbeitet, kein Blut zirkuliert, kann sich das Serum doch gar nicht ausbreiten. Tot ist tot, da ist der Teint doch egal.
Der Text liest sich wirklich, als sei er dir leicht von der Hand gegangen. Aber hier hätte ich ein bisschen Nachrecherche betrieben. Also der Professor könnte doch wenigstens eine laienhafte Erklärung dazu abgeben, wie und aus welchen Bestandteilen er das Serum hergestellt hat, wie er darauf gekommen ist. Das muss ja gar nicht chemisch korrekt sein, ist ja schließlich Fantasy/Horror.
Vllt werde ich auch mal eine Zombie-Story schreiben. Dein Ding hier hat mich jedenfalls auf den Geschmack gebracht!

Schöne Grüße

Hacke

 

Hallo Maeuser,
du scheinst der ideale Leser für meine Geschichte zu sein :)
Du nimmst das alles so hin und ab wie ich es mir gedacht habe. Naja, du monierst etwas die Länge, das darf natürlich nicht sein.

das hat so was Abgeschnittenes, sodass man sich voll auf die Charaktere und ihre Situation konzentrieren kann -
toll, wenn das so ankam
Ich fand diese Ihr/Euch-Anrede am Anfang komisch, das wirkte so veraltet, und dann dachte ich, du machst das, um so diesen Verfall der Ordnung innerhalb der Gruppe zu symbolisieren
hier stehe ich auf dem Schlauch. Lediglich der Boss wird doch gesiezt? :confused:
Boah, und dann diese ganzen Fehler. Wie oft ich da drübergeguckt habe und wie viele ander Leser mir da schon Sachen rausgepickt haben. Nimmt das denn gar kein Ende :eek:
Werde ich schleunigst ausbessern.

Also, grundsolide Sache, schön, dass du dadurch einen neuen Schreib-Schub bekommen und dich mal ins Horror-Genre verirrt hast.
Noch hält der Schub an, ich hoffe, das geht auch nach dem Urlaub so weiter :heul:

Danke für deine Meinung, hat mich wirklich sehr gefreut :)
Hacke

also ich klebte förmlich am Bildschirm
soetwas als Eröffnung zu lesen, da schlägt doch das Autorenherz gleich höher :)

Beeindruckend fand ich, wie leicht du hier den Bewohnern des Turms eine Rolle zuteilst.
schön, wenn sich das so leicht liest. Ich hab mir das hier schon bewusst als Aufgabe gesetzt. Normalerweise spiele ich ja auch eher mit kleinerem Kreis.

Der Professor scheint die schwächste Figut zu sein, diese Meinung teilen ja die meisten. Ich wollte den schon ganz klassisch haben, um die Figur dann später zu brechen. Das hat ja auch funktioniert bei dir, der Moment, als er Piet ins Gesicht schießt. Da beobachte man den doch noch mal mit anderen Augen

Hattest du schon kurz zuvor im Text erwähnt. Wenn du es noch mal ins Gedächtnis des Lesers holen möchtest, schreib doch nur "Vier Stockwerke. Der Boss bewohnte das ..." So wäre das okay.
darüber denk ich nach, ist mir selbst schon aufgefallen, habs aber wieder aus den Augen verloren. Danke

Was für ein Alarm? Glocken? Eine Sirene? Vllt vom Professor installiert?
das wird gleich darauf erklärt, als er auf dem Dachgeschoss ankommt

Du hast ja noch ein paar Dinge zum Streichen gefunden. Die Stellen beseh ich mir auf jeden Fall noch mal, danke für deinen kritischen Blick

Vllt werde ich auch mal eine Zombie-Story schreiben. Dein Ding hier hat mich jedenfalls auf den Geschmack gebracht!
Tu das :) Ich würde mich drüber freuen

Lieben Dank fürs Lesen und deine Meinung.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hey,

ich nochmal kurz.

hier stehe ich auf dem Schlauch. Lediglich der Boss wird doch gesiezt?

Ich meine das hier, das erste Gespräch zwischen Holger und dem Boss:

»Holger, auf Euch konnte ich mich immer verlassen.«

»Was haltet Ihr von Piet?«, riss ihn der Boss aus seiner Entspannung.

»Seht ihn Euch an, sein Körper verfällt.«

Vollkommen klar, sagt Ihr? Er versucht die Männer aufzuwiegeln.

»Ihr habt gedient, Holger.


Das fand ich etwas komisch, dieses Ihr/Euch, das ist ja noch eine Stufe krasser als Siezen (was ich angemessener fände)..

 

Hallo Maeuser noch mal,

ah okay, dann habe ich dich richtig verstanden

ch fand diese Ihr/Euch-Anrede am Anfang komisch, das wirkte so veraltet, und dann dachte ich, du machst das, um so diesen Verfall der Ordnung innerhalb der Gruppe zu symbolisieren, weil ja später zum du gewechselt wird, aber ich fand das eher störend.
hm, das habe ich schon aus dem von dir genannten Grund so eingeflechtet. Aber es gab ja noch eine andere Stimme, die das auch schon befremdlich fand ... Hm, mir hat das eigentlich gefallen, zeigt es doch das Gefälle schön deutlich.

Ich geh noch mal in mich
grüßlichst
weltenläufer

 

Hi, weltenläufer!

Eine wirklich gut geschriebene Story die das mittlerweile schon fast langweilige Zombie-Thema spannend macht. Flüssig zu lesen, gut dargestellt (Wüste und Türme sieht man eher selten in Zombiefilmen & Co; man liest teilweise Ansätze von The Walking Dead heraus —> Bonus bei der Charakterentwicklung) und ein super Ende. Ich habe wirklich nichts auszusetzen. :D * * * * *

Eins noch:

Durch das Glas zog sich ein Sprung, von dem feine Risse über die gesamte Fläche mäanderten.

Vertippt bei "wanderten"?

MfG, FireWarrior

 

Hallo FireWarrior,

danke dir vielmals für deine lobenden Worte. Freut mich, wenn ich mit der Geschichte dem Thema wieder etwas Spannung abgewinnen konnte.
Ich habe ja ein faible für Türme, muss ich gestehen. Von the walking dead habe ich ungefähr zwei halbe Serienteile gesehen. ;) Versuche um Serien eigentlich einen Bogen zu machen, da ich sonst (gefühlt) zu viel vor der Glotze hänge. Bei der Serie ist es mir zumindest gelungen. Von daher kann ich da nicht so mitreden. Die Charaktere hatte ich auf jeden Fall nicht vor Augen.

Mäandern habe ich schon so gemeint. Vielleicht ist der Begriff zu weich...?

Danke fürs Lesen und deine Gedanken - und viel Spaß noch hier bei den wortkriegern :)

grüßlichst
weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber weltenläufer,

ich bin ja eher selten im KuGi-Bereich unterwegs, aber heute spülte es auf der Startseite diese Geschichte von dir nach oben und die Anzahl der Kommentare versprach Gutes ... oder Kontroverses. Anregung genug, um mich damit zu befassen, noch dazu, da ich Türme als literarischen Topos und Schauplatz faszinierend finde. Das isolierte Setting des Turms, dieser Mikrokosmos sozialer Interaktion, das finde ich faszinierend. Auch die kulturelle Konnotation, die Türme eben so haben. Lassen wir mal die freud’sche Erklärung beiseite, dann wird der Turm in unserem kollektiven Gedächtnis vor allem mit Magie und Mysterium assoziiert, aber auch mit Grenzen und Einschränkung von Freiheit. Außerdem stellen Türme für die handelnden Charaktere meist eine Herausforderung dar, man denke an die schwindelerregende Höhe und die Gefahr des Kletterns und des Fallens. Meist lauern in Türmen dunkle Geheimnisse oder sie beherbergen Kreaturen, die eine Gefahr für den Protagonisten darstellen. Last but not least gibt es noch eine religiöse Komponente, die stärker herauszuarbeiten wäre; der Turm als kulturell-sakraler Archetyp und Bindeglied zwischen Irdischem und Überirdischem: Kirchturm, Minarett, Zikkurat, Maya-Tempel, Geschlechterturm, Pyramide. Wie viel davon bei dir eingeflossen ist: Spannende Frage!

Das sowieso fragile Gleichgewicht wird durcheinander gebracht, als Fremde in den Turm kommen und die Stimmung kippt. Dann eskaliert alles. Ein wenig ist das ein Vorbote dessen, was nach dem Ende der Geschichte passieren könnte, wenn das Heilserum in die Kolonie gebracht wird.

Die Story ist geradlinig geschrieben, aber keineswegs simpel. Das Tempo bleibt konstant hoch, die Sprache klar und bildreich. Da ist sehr viel Fleisch am Knochen. Du spielst auch gerne mit Klischees, wobei die zweite Ebene des Professors (er schoss ihm ins Gesicht) mir am besten gefiel. Bis zu dieser Stelle hatte ich eine Mischung aus Doc Brown und Einstein vor Augen. Der "Boss" bleibt für mich ein Cartoon-Bösewicht, passt aber ins Setting.

Zu den Türmen: Wurden sie einst als Bollwerk gegen die Zombie-Plage errichtet, oder was ist ihr Zweck?

Was mir noch so aufgefallen ist:

Die Anrede "Sir." Du verwendest für deine Geschichte deutsche Namen wie "Bert, Holger, Lore, Piet etc." Ungewöhnlich genug für dein Zombie-Setting (Hollywood lernt uns ja, dass solche Katastrophen immer nur in den USA stattfinden), kommt die Anrede dann etwas komisch rüber. Wäre "Chef" nicht passender? Oder ist es eine zusammengewürfelte Multi-Kulti-Truppe? Dann würde ich durch unterschiedlichere Namen deutlicher machen.

Die Augenklappe verdeckte den Krater in seinem Gesicht nur unzulänglich. Auf dem schwarzen Stoff war ein stilisiertes Auge gezeichnet, das von einem Dreieck umschlossen wurde. Wenn Bert einen sitzen hatte, erzählte er gern von einer Weltverschwörung, deren gescheiterte Pläne sie dem Ausbruch des Virus‘ verdankten.

Sehr cool. Ich liebe solche Details. Sie bringen den Plot nicht voran, machen die Szene aber lebendig.

Da geriet der Truck ins Schlingern, als er in eine mächtige Kuhle abtauchte. Der Fahrer riss das Steuer herum, konnte aber den Zusammenprall mit dem liegenden Bus nicht mehr verhindern. Metall kreischte über Metall, Funken stoben in den Himmel, als der Truck längs am Bus entlangschabte. Der Fahrer wurde von der Wucht des Aufpralls gegen die Scheibe geschmettert. Ein roter Fleck platzte auf das Glas. Der Truck schob sich noch etwas vorwärts und verreckte dann.

Gute Action-Szene. Das liest sich wie ein Film auf der Leinwand. Gutes Kopfkino.

Die ersten Infizierten nahmen die Verfolgung auf. Einige rannten, andere jagten in großen Sätzen, wieder andere liefen wie Hunde auf Armen und Beinen gleichzeitig. Ihnen allen war nur gleich, dass sie schnell waren. Verdammt schnell.

Das ist ja das neue große Ding im Zombie-Business. Früher war der Zombie langsam und nur durch seine schiere Masse gefährlich. Seit Neuestem haben wir rennende Zombies. Ich weiß noch nicht, wie ich das finden soll. In diesem, deinem Setting ist das natürlich sinnig für die Isolation der Menschen in den einzelnen Türmen.

Sehr genial fand ich den Kniff mit Lore. Da du bereits zu Anfang sagst, dass sie nur noch 11 Kugeln im Lauf hat, zählt man automatisch mit, wenn mit ihr geschossen wird. Das treibt die Spannung zusätzlich effektiv in die Höhe.

»Seid ihr alle verrückt geworden?«, brüllte Holger.

Und wie immer beweist sich: Der größte Feind des Menschen ist der Mensch.

Eine bösartige Karikatur eines Menschen. Abgemergelt, und haarlos, die Haut schälte sich in Streifen ab, legte Schichten grauen Fleisches frei, in dem es zuckte und schwärte, als wäre die Verwesung bereits im vollen Gange. Das Gesicht schien einzig aus einem gigantischen Maul zu bestehen, entblößte groteske Zahnreihen. Sehnige Arme mit langen Krallen schnappten nach den Flüchtenden.

Cool. Habe schon weitaus simplere Beschreibungen von Zombies gelesen. Diese hier sind richtig eklig.

Außerdem fand er Munition für Lore. Er lud sie nach und stopfte sich alle weiteren Patronen in die Taschen seiner Weste. Zusätzlich fand er eine Leuchtpistole. Auch die steckte er ein.

Damit beendest du natürlich die Effektivität dieses "Survival-Aspekts". Die Spannung geht flöten, aber die hielt bis hierher sehr gut. Vermutlich ist es nur recht, dass er endlich neue Munni findet, aber ich hätte diese Knappheit noch etwas mehr ausgereizt.

»Um dich kümmere ich mich später, jetzt habe ich ein Rendezvous. Sieh zu und lerne!« Mit Daumen und Zeigefinger fuhr er über seinen Oberlippenbart und strich seine Uniform glatt.

Irgendwie hat der "Boss" etwas von diesen klassischen Cartoon-Bösewichtern.

Er blubberte etwas, das wie »Keine Disziplin« klang, aber Holger war sich nicht sicher.

:thumbsup:

Im Rückspiegel sah der Turm aus wie ein brennender Schornstein, spuckte menschliche Fackeln aus, die herumtorkelten, übereinander herfielen, sich vom Dach stürzten.

Ein tolles Bild!

Sehr gern gelesen,

x-Franke

 

Hallo x-Franke,

jetzt komme ich doch mal dazu, mich für deine Antwort zu bedanken.
Ist ja ein prächtiges Lob, was ich von dir einfahren darf. Da du dich genremäßig auskennst, freut mich das ungemein. Stark, was du zum Setting Turm sagst. Hat mich auch schon imer fasziniert. Habe da stets das Bild einer Tarot-Karte vor Augen.

Die Anrede "Sir."
bist jetzt der zweite, der das anspricht. Spüre Widerwillen, das zu ändern, obwohl die Kritik einleuchtet. In meinen Augen ist es völlig wurscht, ob multi-kulti oder nicht. Wenn das gängige System gefallen ist, dann baut wer ein Neues auf, und da gelten dann eben die Gesetze des Aufbauenden. Wenn der Sir angesprochen werden will, dann heißt er eben ab jetzt Sir. So war mein Gedanke. Aber wenn das rauskickt, dann ist das natürlich nicht richtig so. Chef klingt in meinen Ohren immer etwas ... bürokratisiert. Boss, das klingt schon so breit und wuchtig.

Sehr cool. Ich liebe solche Details. Sie bringen den Plot nicht voran, machen die Szene aber lebendig.
freut mich, ich finde solche Einstreuer auch nett, wenn sie denn nicht selbstverliebt überhand nehmen. Ich habe ja bewusst wenig zum Ausbruch und Ursprung der Seuche gesagt, aber das hier find eich ein legitimes Schlaglicht

Gute Action-Szene. Das liest sich wie ein Film auf der Leinwand. Gutes Kopfkino.
das freut mich ungemein. Letztlich ist das ja auch alles sehr filmartig aufgebaut

Das ist ja das neue große Ding im Zombie-Business. Früher war der Zombie langsam und nur durch seine schiere Masse gefährlich. Seit Neuestem haben wir rennende Zombies. Ich weiß noch nicht, wie ich das finden soll. In diesem, deinem Setting ist das natürlich sinnig für die Isolation der Menschen in den einzelnen Türmen.
ja, das fand ich am Anfang dieser Zombie-Welle auch seltsam. Das ist schon eine heftige Umkehr vom Ursprungs-Zombie, der ja eher was vom Schlafwandler hatte.

Cool. Habe schon weitaus simplere Beschreibungen von Zombies gelesen. Diese hier sind richtig eklig.
da habe ich lange dran rumgefeilt. Finde das auch immer schwer, wie viel man da reinsetzt, wie viel dem Leser überlässt. Das ist halt die erste Nahaufnahme der Kreaturen und das sollte dann auch entsprechend dettailreich sein

Irgendwie hat der "Boss" etwas von diesen klassischen Cartoon-Bösewichtern.
den Vorwurf muss ich mir gefallen lassen. Dem Prof habe ich ja bewusst eine zweite Ebene verpasst, aber den Boss wollte ich ruhig den Boss sein lassen. Der ist hier quasi die Konstante, die nur für das eine steht. Vielleicht spielt er insgeheim Geige oder faltet Papierflieger, aber das hätte dann den Rahmen gesprengt :D Ist ja sehr funktional, das Ganze.

Vielen Dank fürs Lesen und deine Gedanken dazu. Hat mich gefreut und bereichert. Guck ruhig öfter hier im KuGi-Bereich vorbei ;)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo weltenläufer,

jetzt komme ich doch mal dazu, mich für deine Antwort zu bedanken.
Ist ja ein prächtiges Lob, was ich von dir einfahren darf. Da du dich genremäßig auskennst, freut mich das ungemein. Stark, was du zum Setting Turm sagst. Hat mich auch schon imer fasziniert. Habe da stets das Bild einer Tarot-Karte vor Augen.

Habe jetzt eben mal gegooglet und ein paar sehr schöne und mystische Motive gefunden.

Vielen Dank fürs Lesen und deine Gedanken dazu. Hat mich gefreut und bereichert. Guck ruhig öfter hier im KuGi-Bereich vorbei

Habe es gerne gelesen und hoffe bald auf Nachschub. Was mich anbelangt, werde ich mich bemühen, ein wenig öfter hier querzulesen. Habe mir ja jetzt erstmal eine Pause auferlegt.

Einen guten Start in die Woche!

X-Franke

P.S. Deine Erklärung mit der Bezeichnung "Sir" finde ich einleuchtend. Kann man so lassen.

 

Hallo Weltenläufer,

zu Deiner Geschichte gibt es eine Menge zu sagen, aber die Kunst ist ja, das (vermeintlich) Wichtigste zusammenzufassen. Vorneweg: Alle Hinweise sind natürlich ganz und gar subjektiv.

Für mein Empfinden hat der Text einige gravierende Defekte. Kompensiert werden diese Mängel durch die Anschaulichkeit Deiner Beschreibungen, die beim Leser sofort Bilder entstehen lassen.

Der aus meiner Sicht entscheidende Schwachpunkt besteht in einer Erzählweise, die alle Ereignisse aus nächster Distanz aufzeichnet und nahezu ohne Reflexion, Abschweifung oder Unterfütterung aneinanderreiht. Er (Holger) macht dieses, macht jenes, geht den Turm rauf und runter, schießt, Zombies und Gejagte rennen vor dem Turm herum usw.

Das ist – wie gesagt – sehr anschaulich beschrieben, aber mir fehlt dabei ein Moment des Innehaltens, des Nachdenkens, ein Satz, der über das Beschreiben von szenischen Abläufen hinaus geht und mir nicht nur sagt, was ich sehe, sondern auch, was das – aus der Sicht des Erzählers – bedeutet.

Das Problem bei Deiner Technik besteht darin, dass sie vom Fokus her wenig Abwechslung bietet und daher die Gefahr besteht, den Leser zu ermüden. Meine Empfehlung wäre deshalb, in der Beschreibung hin und wieder zwischen den Ebenen zu wechseln.

Wenn Dir der Schritt zu einer philosophischen oder ästhetischen Reflexion ("Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der auf ein Gesicht tritt - unaufhörlich." George Orwell/ 1984) nicht zusagt, wäre eine weitere Idee, mit Hilfe von Rückschau bzw. Erinnerung häufiger in die Vorvergangenheit zu wechseln, um die Ereignisse in einen größeren zeitlichen Kontext einzubetten. Das hast Du ja ansatzweise schon gemacht. Davon könnte der Text mehr vertragen.

Ein zweiter Kritikpunkt wurde bereits von Jimmy und Schwups angesprochen: Die Figuren berühren den Leser nicht. Ich glaube nicht, dass das am Fantasy-Szenario liegt. (Tollkiens "Der Herr der Ringe" ist ja ein gutes Beispiel dafür, dass auch vollkommen fiktive Figuren wie Elben, Zauberer und Hobbits tiefe Gefühle beim Leser hervorrufen können.) Egal, in welchem Genre Du schreibst, Du solltest immer versuchen, den Leser auf der Gefühlsebene zu erreichen.

Ein letzter Punkt: Ich finde, dass sich der Text insgesamt gut liest. Aber es reichen ein paar wenige sprachliche Ausrutscher, um die Sache zu verderben. Dafür – aus meiner Sicht - ein paar Beispiele:

Vom Turm aus hatte man etliche Kilometer einen guten Überblick über die Steinwüste, in der sie festsaßen/
Berts eines Auge linste ihn misstrauisch an/
Die Schränke stellten sich als wahre Schatzkisten heraus/
Vergessen geglaubte Gefühle der Hoffnung ließen ihn leicht werden wie eine Feder

Ich glaube, wenn Du nach ein paar Wochen mit kritischem Blick über den Text gehst, wird Dir sicher die eine oder andere verdächtige Formulierung auffallen.

Ich hatte trotz aller Kritik meinen Spaß am Text und werde bei Deiner nächsten Geschichte wieder reinschauen.

Beste Grüße
Achillus

 

Hallo welti,
ich wollte dir das schon lange schreiben: Ich hab die Geschichte sehr gerne gelesen.
Es stimmt zwar vieles von dem, was andere schreiben, der Professor ist noch ein bisschen cartoonig, wie Exilfranke sagt, oder auch Achillus Aregung, die Aktion zu brechen durch reflexive Passagen kann man überlegen, aber mich stört das irgendwie nicht. Was mir gefiel, war das Spannende, die tollen filmischen Bilder. Du schaffst es hier halt, ein klassisches Motiv, die Zombies, trotzdem so ins Werk zu setzen, dass man es immer noch gerne lesen mag.
Es ist für mich ohnehin ein Drahtseilakt, in einer Horrorgeschichte spannende Handlung zu erzählen und auch schnell genug zur Handlung zu kommen, andererseits die Personen so auszugestalten, dass man sich nicht nur mit ihnen identifizieren mag, sondern sie auch vielseitig beleuchtet. Schwierige Sache einfach und ich denke, man muss sich da von Geschichte zu Geschichte jeweils entscheiden, was im Vordergrund stehen soll.
Von daher ... für mich eine Anregung, mal wiederaus meinem Schreibloch rauszukommen. Muss ja nicht was Superneues sein, es kann auch eine ganz normale klassische Geschichte sein. Macht einfach Spaß.
Viele liebe Grüße von Novak

 

Hallo Achillus,

ist mir weggerutscht, der Kommentar, sorry. Nun aber.
Erstmal einen dicken Dank fürs Lesen und Kommentieren. Du bemängelst genau das, was ich hier absichtlich so dicht ausprobiert habe. Geradlinige Erzählung ohne Umschweife und Rückblenden, ohne bemühte Erkläungsversuche etc. Die einzige Beigabe in dieser Hinsicht ist Lore, aber das habe ich bewusst dezent gelassen.
Ich persönlich bin da auch kein großer Fan von, von Rückblenden. Kann man machen, klar, habe ich auch oft genug gemacht, aber oft wirkt es doch arg bemüht und bremst den Lesefluss aus. Kann man als Innehalten bezeichnen, mja, für mich hat das oft so einen nachgeschobenen Charakter.

Das Problem, mit der mangelnden Abwechslung und der Gefahr, dass das ermüdet, da hast du natürlich recht, das ist die Gefahr. Ich hoffte natürlich, mir sei das trotz Verzicht auf einen Bruch gelungen, also das keine Ermüdung eintritt. Sollte eben ein Guss, ein Ritt werden.
Innehalten. naja, habe da ja schon auch ruhigere Passagen eingestreut, durch die die Wilderen dann wirken können. Aber ich verstehe, was du meinst.
Vermutlich bin ich immer noch zu nah dran am Text, denn mir gefällt er noch so, wie er ist. Die sprachlichen Schnitzer, die du nennst, okay, wahre Schatzkisten, das ist wirklich lahm, so isoliert zu lesen.
Freue mich, dass du trotzdem deinen Spaß beim Lesen hattest.

Novak,

du scheinst der ideale Leser für diese Geschichte zu sein :kuss:
Und so gehe ich natürlich mit allem mit, was du sagst :D
Ja, kämpf dich aus deinem Schreibloch! Schieb den Sand der hohen Ansprüche beiseite und baue eine klassische Sandburg. Kann wirklich sehr befreiend sein. Und wie es Spaß macht, diese Burg dann wieder einzureißen :D

Euch einen prächtigen Start ins neue Jahr

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo weltenläufer.
Ich habe deine Geschichte bereits vor einigen Tagen unter der Woche gelesen, aber da war es schon zu spät, um noch eine Antwort zu schreiben. (Zu spät für mich, nicht für die Geschichte)

Zuerst einmal: Sie hat mir, wie eigentlich allen anderen, auch sehr gut gefallen. Allerdings bin ich der Meinung, dass ihre Stärke im Anfang liegt. Bis zu dem Punkt, an dem sozusagen die Action richtig los geht und die infizierte Frau in den Turm gelangt, verursacht sie einen Sog, den man sich kaum entziehen kann.
Was ich besonders toll finde, ist, dass du gleich und sofort den Leser in das Szenario wirfst und er sich zurecht findet.
Hitze, eine Waffe, wenig Munition - Endzeit-Szenario, vielleicht Vampire, vermutlich aber Zombies (alles ist schließlich besser mit Zombies).
Klar, die Geschichte an sich ist nicht direkt neu, aber dein Stil ist super und dadurch macht die Geschichte richtig Spaß. Sehr schön auch die Szene, in der Holger mit Piet auf dem Dach spricht, auch über den Boss, da werden die Charaktere gleich gut beleuchtet.

Was mir aber persönlich nicht so gut gefallen hat, ist die schnelle und teils brutale Entwicklung. Klar, bei der Wahl zwischen "er oder ich" muss es schnell gehen, aber ich glaube einfach nicht, dass z. B. ein Mann, der vermutlich vor dem Weltuntergang relativ "normal" war, schon nach wenigen Minuten eine Frau vergewaltigen würde. Und der Boss kommt mir ein wenig "zu" wahnsinnig vor und auch er scheut keinen Augenblick, die Frau zu vergewaltigen. Zuvor schlägt er auf seinen ehemaligen Freund ein (vermutlich weil dieser ein Heilmittel in den Händen hält und der Boss für dieses Leben gemacht ist und nicht für das zivilisierte und daher die Heilung nicht will?) und als nächstes will er die Frau, von der er ja nicht weiß, ob sie nicht vielleicht doch infiziert ist, vögeln?
Ich glaube einfach nicht, dass Menschen solche Entscheidungen in so kurzer Zeit treffen, auch wenn die Welt sie verrückt gemacht hat.
Aber das ist natürlich nur meine Meinung.

Trotz dieser Kleinigkeit hat mich deine Geschichte sehr gut unterhalten und es hat mich sehr gefreut, dich hier zu lesen. :)

Lg
Tamira

(P.S.: Falls ich etwas widerholt habe, was bereits andere vor mir erwähnt haben, tut es mir leid, ich habe die Kommentare aufgrund ihrer Anzahl nur überflogen *g)

 

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