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Der Tintenfleck

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15.07.2024
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Der Tintenfleck

Lautlosen Schrittes die Haare im Wind wehend näherte sich Tanja ihrem Ziel. Ein Schneider für ihr Hochzeitskleid. Endlich, er hatte sich mit dem Antrag ja ganz schön Zeit gelassen. Kichernd dachte sie an seinen Gesichtsausdruck gestern Abend, diese wehmütigen Augen und diese unabsprechbare Liebe. Endlich jemand der es ernst meint. In diesem Kleid würde sie so gut aussehen- und dann noch ein halbwegs hübscher, reicher Mann. Das Leben fast durchgespielt.
Im Grunde brauchte sie sich jetzt nur noch den Rest ihres Lebens schön machen, nett arrangierte Obstteller an seinen Schreibtisch bringen, ein paar Bedürfnisse erfüllen und die Sache war geritzt.

Versunken in ihre Tagträume stolperte sie in einen Passanten, warf seine Tasche zu Boden woraufhin ein Tintenfleck auf den Hochzeitskleidstoff sprang. Panisch schrie sie auf. Nein! Nicht jetzt! Die Hochzeit ist schon morgen! Wut sprühte aus ihren Augen als sie den Mann fixierte. Empört starrte er zurück.
Also wirklich, Sie können hier doch nicht so in der Gegend herumstolpern! Sagte er tadelnd. Stellen Sie sich vor das würde jeder so machen! Hier, sehen Sie, ich mach es vor! Und er fing an zu stolpern, nach links, rechts, nach vorne und hinten. Warf sie um. Ja genau, so sieht das dann aus! Und er stolperte die Straße entlang. Die anderen Passanten fielen mit ein. Wie ein unter Beschuss stehendes Fussballstadion wuselten sie umher, steckten einander an, stolperten wortlos und ohne Ziel. Es war als wäre der Himmel eingestürzt, hätte sich um den Planeten gewickelt wie eine zweite Haut und hinter sich eine neue Realität hervorgebracht.
Sie blickte ihm nach. Der Tintenfleck war immer noch da.

 

Vorweg: ich bin selbst noch ganz neu hier und schreibe mal einfach, was mir ein-/auffällt zu deinem Text.
Mir ist klar, dass die Geschichte etwas grotesk und seltsam sein soll, was sie auch gut macht. Das Ende mit den außer Kontrolle geratenen Passanten hat mir sehr gefallen.
Trotzdem ein paar Dinge, die ich merkwürdig fand und bei denen ich mir nicht sicher bin, ob in einem funktionalen, will meinen zur Geschichte beitragenden, Weise.

Lautlosen Schrittes
Das ist recht spezifisch. Warum geht sie lautlosen Schrittes?

Dann die implizierte zeitliche Abfolge der Ereignisse: Gestern Antrag, heute Kleid zum Schneider, morgen Hochzeit.
Ich werte das mal schon als gewollten Bruch mit der Realität. Träumt Tanja? Ist sie psychotisch? Jedenfalls hat es mich schon früh in dieser ja sehr kurzen Erzählung stutzig gemacht, was dann wiederum den Knalleffekt des Endes ein wenig gedämpft hat.

Wie ein unter Beschuss stehendes Fussballstadion wuselten sie umher
Das Bild hat für mich irgendwie nicht recht funktioniert. Vermutlich weil ich (zum Glück) noch nie ein unter Beschuss stehendes Fußballstadion gesehen habe, muss ich das erst mal in meinem Kopf simulieren, was die Beschreibung für mich weniger hilfreich macht als hätte man einfach gesagt, dass die Leute chaotisch umher wuseln.

Es war als wäre der Himmel eingestürzt, hätte sich um den Planeten gewickelt wie eine zweite Haut und hinter sich eine neue Realität hervorgebracht.
Ähnlich mit diesem Bild. Ich mag es, insofern es das Ausmaß der Absurdität der Situation auf eine kosmische Ebene hebt. Andererseits ist mir visuell unklar, was genau geschieht. Stürzt der Himmel ein und wickelt sich um den Erdboden? Anderenfalls ist der Himmel ja eigentlich bereits die erste Haut des Planeten. Inwiefern ist die neue Realität "hinter" ihm? Dann dort wo vorher der Himmel war?

Der Tintenfleck war immer noch da.
Das Ende spricht ein wenig gegen meine Traum-Theorie, da ja Träume meist wenig Persistenz hinsichtlich ihrer Details besitzen. Insgesamt weiß ich es nicht recht zu deuten. Das ist nicht wirklich schlimm. Es fühlt sich nur ein wenig unbefriedigend an nach dem vorangegangenen Chaosausbruch, der für mich der interessanteste Teil der Geschichte ist.

Soweit meine Gedanken dazu. Ich hoffe, das hilft dir irgendwie weiter. Ich hatte auf jeden Fall meinen Spaß mit dem kurzen Text.

 

Hi KaterKarlo1564,
Danke für die skurrile Geschichte!
Beim Ende

Es war als wäre der Himmel eingestürzt, hätte sich um den Planeten gewickelt wie eine zweite Haut und hinter sich eine neue Realität hervorgebracht.
würde ich eher sagen, dass etwas in Richtung „schälen“, „neue Haut“, vielleicht „lostreten“ oder so besser passen würde. Etwas, das aus ihrer Bewegung, ihr Stolpern „organisch“ hervorkommen kann, denn sie schien ja der Auslöser zu sein.

Wie ein unter Beschuss stehendes Fussballstadion
Hier vielleicht ein Bild, das noch näher am Charakter scheint.

Und an den Stellen würde ich wörtliche Rede anzeigen:

Also wirklich, Sie können hier doch nicht so in der Gegend herumstolpern!
.. und das „sagte“ danach klein.

Stellen Sie sich vor das würde jeder so machen! Hier, sehen Sie, ich mach es vor!

Ja genau, so sieht das dann aus!

Oder hier kursiv für Gedanken:
Nein! Nicht jetzt! Die Hochzeit ist schon morgen!

Und hier fehlt das Subjekt:
Warf sie um.

Und kleine Frage: Hat die das Kleid schon an oder wie kann da ein Fleck draufkommen? Normal trägt man das doch nicht einfach so ohne Schutz durch die Stadt, oder?
Falls sie es schon anhat, würde ich darauf eingehen.

LG
Faenna

 

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