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Der perfekte Mensch

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24.04.2003
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Der perfekte Mensch

Denn es tanzten einst die Sterne in jener unerreichbaren Ferne.

Eigentlich konnte niemand mehr genau sagen, wie es angefangen hatte. Mit dem Herz der Welt waren auch wir gestorben.

Es gab keinen Untergang, wie man ihn in alten Filmen sieht. Die Apokalypse stellte sich als stechender Schmerz heraus. Man wusste einfach, dass alles vorbei war, und lebte irgendwie weiter.

Es geschah an einem Dienstag, als ich den toten Hund entdeckte. Maden zerfraßen und Fliegen umschwirrten das verweste Fleisch. Im seelenlosen Kadaver hatte sich Frieden eingefunden, wie es uns in den Kathedralen indoktriniert wurde.

Alles findet seinen Weg zum Gerechten, um zu büßen auf alle Zeit für jene Schuld, was aus dem Planeten bloß geworden ist.
Während ich von dem leblosen Tier aß, überkamen mich Zweifel ob meines Glaubens. Konnte dies die Wahrheit sein?

Es sind Bilder, und meistens sind sie grau. Wer von Erinnerung zehrt, hat die Zukunft als Mahlzeit im Gespräch. Die Menschen um mich herum sterben innerlich, und wenn sie damit fertig sind, kippen ihre makellosen Hüllen um wie Pappaufsteller im Wind.

Daheim wusch ich mir Maden, Blut und Gedärm vom Gesicht. Ekelte mich über das eigene Spiegelbild. Wie viele Generationen schon pulsierte diese Abscheu tief in meinem Inneren?

Ich ging früh schlafen.

Letzten Freitag war es wohl. Jemand hatte einen Witz erzählt, zu dem ich nicht lachen konnte. Ich schiss mir stattdessen in die Hose, holte den Schwanz empor und pisste diese ganze witzige Kollegschaft an, die anschließend doch nicht mehr lachte.
Sie verstehen einfach nicht, dass jene Welt nicht mehr existiert. Ihr Herz steht still und sie muss beerdigt werden.

Das ist es wohl. Die Welt zu Grabe tragen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Cerberus,

mit jedem toten Menschen geht eine Welt zugrunde, und Katastrophen oder schleichender Zerfall können die gemeinsame Welt einer Gesellschaft untergehen lassen. Meinst du etwas davon?
Ich finde den kurzen Text kräftig im Ausdruck, aber etwas diffus in der Aussage. Die verwendeten Bilder und die Heftigkeit erinnern an die Expressionisten, bei denen liest man auch dramatischen Pathos, Vorgefühl der Katastrophe und sie verwendeten Wörter, die man in Gesellschaft auch heute normalerweise nicht sagt. ich kann damit schon was anfangen und ich halte so wütenden Ausdruck auch durchaus für angemessen in anbetracht des Puzzles der Gegenwart, dem während des Suchens immer mehr Teile zu fehlen scheinen.
ich würde aber vorschlagen, das Ganze etwas mehr zu verpacken und den Text dem Leser nicht mit dem nackten Arsch zuerst entgegen zu schleudern, auch wenn das zum Inhalt passt.
Bei dieser Schuld und Sühne-Thematik wäre es spannend, nachzuspüren, wer da in heutiger Zeit die Funktion der Kirche übernommen hat. wenigstens hier im Norden hat sie unter den Leuten meines Alters kaum noch Einfluss.

Grüße
Kubus

 

Wer von Erinnerung zehrt, hat die Zukunft als Mahlzeit im Gespräch
- war ich – ein notorischer Herumtreiber in alten und darum heutigentags „dunklen“ Welten - jemals beim Höllenhund zu Besuch? In meinem Alter sollte ich mich darauf vorbereiten.

Da bin ich,

Cerberus81,

wenn auch erst 61, weil ich mich frage, warum dieses Kleinod drei Wochen und mehr ohne Kommentar geblieben ist. Da wird sich doch keiner drüber zu Tode grübeln, um dann nach Niflheim, pardon, wir sind ja bei’m Griechen, mit Persephone wider jeden Hades zu flirten?! Das ist – bis auf zwei ggfs. vertretbare Schnitzer – ein wunderschönes Werk – passend zum Nebelmond zwischen Allerheiligen und Totensonntag - aber auch für die Auferstehung, pardon, die Wiedergeburt des Osiris-Kind durch die jungfräuliche Isis. Aber ja doch, schließlich wird spätestens mit dem Dreikönigstreffen ein Kindermord angeregt.

Die zwo potenziellen Schnitzer sind „eigentlich“ überflüssige Wörter:

Eigentlich …
ist „eigentlich“ und i. d. R. überflüssig wie ein Kropf, denn hätte es denn einer „uneigentlich“ genauer sagen können? Reicht vielleicht ein
[… ] niemand [konnte] mehr genau sagen, wie es angefangen hatte.
Ähnliches trifft auf das noch schwammigere
... irgendwie ...
zu: Ginge nicht ebenso gut
Man wusste einfach, dass alles vorbei war, und lebte … weiter.

Gerne gelesen & sicherlich nicht ein letztes Mal!

Gruß

Friedel

 

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