Was ist neu

Der Moses Roman des Sigmund Freud

Dass erst mit Luther Religionsfreiheit in die Welt kam, wie du, Friedel, behauptest, ist ein Witz: Die Römer hatten sie bereits – bis das Christentum sie abschaffte: Vom Toleranzedikt Kaiser Konstantins, das das Christentum anderen Religionen gleichstellte, bis zum Verbot eben dieser anderen Religionen hat man nur 70 Jahre gebraucht.

Dass Luther Kind seiner Zeit und ein gläubiger und auch noch autoritärer Kotzbrocken war, wusste er selber („Denn ich mache mich nicht zu einem Heiligen und trete hier nicht für meinen Lebenswandel ein, sondern für die Lehre Christi.“)
Diese Selbsterkenntnis macht ihn nicht besser.

Dass L. die Bauernaufstände ablehnte lag an der Auffassung, sie – die Aufständischen – missbräuchten das Evangelium.
Nicht nur das: Er befürwortete auch Hexenverfolgung, die dann in den protestantischen Ländern genauso wütete wie in den katholischen.

Und doch wird man zugeben können, dass die Wiedertäufer Kinder der Reformation und Väter der persönlichen Religionsfreiheit waren.
Du lässt nicht locker: Wenn nicht Luther dann wenigstens Wiedertäufer, oder? :D

Es waren keine Kirchenmänner, die uns Religionsfreiheit (wieder) brachten, sondern ausnahmslos Leute, die nichts mit der Religion zu tun haben wollten: Aufklärung, mein lieber Friedel, Aufklärung brachte uns das, wovon wir immer noch zehren - und die in islamischen Ländern sich verzehren, weil sie noch keine Aufklärung oder Vergleichbares zustande brachten. Wir aber marschieren wieder zurück, die Freiheitsrechte werden uns im Namen der Abwehr gegen den Terror immer mehr beschnitten.

Doch das ist das Thema des Threads „Ende einer Bewegung“, daher soll es genug sein für heute, denn hier sollte es eigentlich um Freud und seinen Moses gehen – aber so kann’s gehen. :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Nach so vielen Gedanken zur Religionsfreiheit möchte ich anmerken, daß der Begriff nur bei Existenz einer potentiellen Religionsunfreiheit überhaupt sinnhaftig wird: dafür benötigt es Herrschaft und Herrschaftswillen, den Glauben, den einzig richtigen Glauben zu haben, die Abgeschlossenheit der Systeme, die sich nicht füreinander interessieren, sondern sich voneinander bedroht sehen. In einer Gesellschaft, in der neue oder nur bisher unbekannte religiöse Wege ehrliches Interesse wecken und einen Austausch auslösen, macht der Begriff keinen Sinn, die Sprache würde ihn nicht vorhalten. So mußten die friedlich nebeneinander lebenden Bddhisten und Hinduisten und Animisten und und... plötzlich dazulernen, als eine neue Religion dazukam, die sich nicht öffnete und interessierte, sondern nur unterdrückte und vom Machthunger getrieben infiltrierte, das erste Mal. als der Islam nach Asien vordrang, das zweite Mal, als das Christentum hinterherzog. Komisch nur, daß die beiden aus derselben Ecke stammen.

 

Die Bemerkung Seths zur Religionsfreiheit ist natürlich korrekt und deckt sich mit der Erkenntnis, dass Gebote / Verbote / Gesetze nicht formuliert würden, wenn sie eine Selbstverständlichkeit wären. Dazu passt dann Dions Hinweis auf die Religionsfreiheit der Römer, zu der dann logischerweise die Intoleranz des Monotheismus gegenüber dem Polytheismus passt. Wobei sein Glaube an die Aufklärung schon die Frage aufwirft, ob die Aufklärer keine Vorläufer / Quellen hatten. Bekanntlich sagt der Volksmund, dass von nix nix komme, dass ich mal die ganz vorsichtige Anfrage stelle. iob denn die Herren Kritiker die genossenschaftliche Regierung protestantischer Gemeinden, deren Mitglieder von Gemeindegliedern gewählt sind, und mit gleichberechtigten Laien & Priestern (wie schon in der Freiheit eines Christenmenschen angelegt), und die ihrerseits ihre Pfarrer und Chefs selbst bestimmen für mehr oder weniger demokratisch als einen beliebigen aktuellen Wirtscharftsbetrieb, die staatl. Verwaltung oder die kath. Hierarchie befänden?

Umgekehrt ist bekannt, um bei den Rö,ern zu bleiben, dass es während & nach den Aufständen in Palästina von den Römern Gefangene / Versklavung gegeben hat, die Bevölkerung nicht vertrieben wurdeund idR im Lande bleiben konnte, zumindest keine Vertreibungen oder Umsiedlungen gegeben hat. So blieben die meisten Familien im Lande, während andere Gruppen anfingen, im Reich zu missionieren. Die im Lande geblieben waren überstanden auch gefahrlos die arabischen Eroberungen und wechselten vom jüdischen zum Glauben der Eroberer. Wer könnte ausschließen, dass sie nicht heute Palästinenser geheißen werden?

Um auf den Fortschritt der Religion noch einmal zurückzukommen, könnte man die Neurose als eine individuelle Religiosität, die Religion als eine universelle Zwangsneurose bezeichnen. - Was nackter Freud ist!

In jedem Falle werde ich in einer zwoten Fassung einiges aus den Beiträgen einarbeiten – ohne dass ich Freuds Arbeitsstil parodieren werde.

 

Um auf den Fortschritt der Religion noch einmal zurückzukommen, könnte man die Neurose als eine individuelle Religiosität, die Religion als eine universelle Zwangsneurose bezeichnen.

Wenn Du "Fortschritt" ironisch benutzt, okay.

 
Zuletzt bearbeitet:

Wenn Du "Fortschritt" ironisch benutzt,
was mir sicherlich nicht fremd ist. Und soweit kenn'n wir uns doch,

lieber Set!

Muss mir noch zB Messadiés Geschichte Gottes reintun und den Hosea lesen (der bestimmt das Einfachere ist), dann komm ich drauf zurück - wobei wahrscheinlich nur mehr die Einleitung incl. der zwo Vorworte unverändert bleiben wird!

Gruß

Friedel

Nachtrag: In chrismon 02.2011 findet sich ein Artikel, der wunderbar zu unserer Diskussion passt: Robert Leicht, Die Freiheit - eine Erfindung Martin Luthers und die zentrale Botschaft der Reformation. Aber welche Freiheit?

 

Hallo Leute,

eine m. E. verbesserte Fassung ist niedergeschrieben und hier eingestellt. Da sie um ein Drittel umfangreicher geworden ist als die ursprüngliche, erlaubte ich mir, dem flüchtgen Leser eine Zusammenfassung voranzustellen.

Neben kleinsten Änderungen (wie einfachen Korrekturen am Vorgefundenen) finden sich größere Ergänzungen, durch welche bisherige Beiträge eingearbeitet werden, doch kommen Größere als wir es je sein werden auch zu Wort (in der Reihenfolge ihres Erscheinens im Text:

Manetho, ägyptischer Gelehrter im 2. Jh., der uns über Hyksos berichtet;

Hamed Abdel-Samad, ägyptischer Politologe, der inzwischen einige
Medienauftritte hatte, und dem ich im Grunde die Einsicht über den mythischen Ursprung des Palästina-Konfliktes verdanke;

Hosea, Prophet im Nordreich, der uns zwar an seinem düsteren Privatleben in noch düsterer Zeit teilhaben lässt, aber die Geschichte Israels mit wenigen Sätzen wie nebenbei skizziert;

Homer, der gar nicht allzu weit weg vom Gaza-Streifen zu sein scheint;

Goethe, der seinen Hang zum Orient als literarischer Erscheinungsform nie geleugnet hat und doch eine Satire abliefert, dabei im homerischen Zwokampf

auf

Heine trifft, der im Zeitalter von Gott Mammon an ein mosaisches Rechtsinstitut erinnert.

Und nicht zu vergessen Jo, Dion und Set.

Dank Euch dreien!

Ich ahne, dass ich mir das Himmelreich zugemauert habe und summse derweil doch Heine, wenn er ein neues, besseres Lied uns will dichten „Wir wollen hier auf Erden schon / Das Himmelreich errichten. // Wir wollen auf Erden glücklich sein, ... Und wollen nicht mehr darben; / Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, / Was fleißige Hände erwarben. // Es wächst hienieden Brot genug / Für alle Menschenkinder, / Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, / Und Zuckererbsen nicht minder. // Ja, Zuckererbsen für jedermann, / Sobald die Schoten platzen! / Den Himmel überlassen wir / Den Engeln und den Spatzen. // Und wüchsen uns Flügel nach dem Tod, / So wollten wir euch besuchen / Dort oben, und wir, wir äßen mit euch / Die seligsten Torten und Kuchen.

Bis bald & viel Spaß!

Friedel

 

Alles muss man selber machen! Muss ich doch selbst drauf kommen und der Nofretete ein „te“ zusätzlich spenden.

Aber im Ernst:
Durch die Lektüre Maarten ’t Harts bin ich auf eine alttestamentarische Stelle gestoßen, dunkler als der Hosea je sein wird, durch welche die These der Ermordung des Mose – wie Hosea, Goethe, Sellin und Freud sie vertreten – im Grunde bestätigt und zugleich parodiert wird – es ist Exodus 4, 24.
Ich füge sie direkt ans Hosea Zitat an –

nicht ohne auf ein anderes dunkles Zitat in unmittelbarer Nachbarschaft zum erstgenannten zu erinnern, als dem Midianiter gewordenen Ägypter Mose der Levit Aaron als Dolmetscher gegenüber dem Volk Israel beigegeben wird, denn der „soll für dich [Mose] zum Volk reden; er soll dein Mund sein, und du sollst sein Gott sein“ (2. Mose 4, 16) und nicht nur Bruder.

Aaron wird zum Ahnherrn der Tempelpriesterschaft.

Möge der geneigte Leser das Ende des Zitats einmal selbst interpretieren.

Gruß

Friedel

 

Während der Freizeit ist mir – eher zufällig als gesucht – in einem Interview am Wissenschaftskolleg zu Berlin ein Interview untergekommen, welches die Beziehung zwischen Vater- und Sohnesglaube, Juden- und Christentum in anderem Licht aufscheinen lässt, als ich es seinerzeit in der Rezension dargestellt hab.

Es geht dabei vor allem um die Beschneidung und die Rolle Isaaks - etwa ab der Stelle

Freud zählt als weiteren Beleg neben der Absage an allen Totenkult - die konsequent angewendet ein Leben nach dem Tod und somit die Unsterblichkeit der Seele ausschließt – die Beschneidung auf …,
zu der sich eine Umkehrung der Deutung des jüdischen wie des christlichen Brotbrechens gesellt im Pessachfest und im Abendmahl.

[zitiert nach „Eine Familiengeschichte“ aus: Köpfe und Ideen, Wissenschaftskolleg zu Berlin 2012, S. 48 – 54. Die christliche Religion ist aus dem Judentum hervorgegangen. Israel Yuval beschreibt, wie sich die jüdische „Mutterreligion“ unter dem Einfluss der neuen Konkurrenz verändert hat. Das Interview führte Ralf Grötker.]

»[…]

Ralf Grötker: Eine These, die sich als roter Faden durch viele Ihrer Forschungsarbeiten zieht, lautet: Die Bezeichnung der jüdischen Religion als „Mutter“ des Christentums ist irreführend. Denn obwohl die jüdische Religion zweifellos älter ist als das Christentum, hat diese sich mit dem Aufkommen der vermeintlichen „Tochterreligion“ verändert – und zwar auf eine Art und Weise, in der das Christentum als formierende Kraft eine entscheidende Rolle spielt. Können Sie das anhand eines Beispiels erläutern?

Israel Yuval:Ich habe versucht, das anhand eines Vergleichs zwischen Ostern und dem zur gleichen Jahreszeit stattfindenden Pessachfests zu beschreiben. Ein Detail dieser Gegenüberstellung betrifft die Eröffnungsformel der Pessach-Liturgie. Der Hausvater nimmt eine Mazza, also ein Stück ungesäuertes Brot, in die Hand und verkündet: „Dies ist das Brot des Elends, das unsere Väter in Ägypten gegessen haben; jeder Bedürftige komme und esse.“ Er sagt dies auf Aramäisch, der Umgangssprache im früheren Ostteil des römischen Imperiums, wo die Juden zu Hause waren. Die Sprache und die Positionierung des Spruches zu Beginn der Liturgie setzt ihn in Kontrast zu einer anderen berühmten Formel: „Hoc est enim corpus meum“ – dies ist mein Leib.
Offenbar bildet also die jüdische Eröffnungsformel „Dies ist das Brot des Elends“ ein Gegenstück zu den Worten Jesu beim letzten Abendmahl. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“, heißt es im Evangelium. Es besteht also die Aufforderung, das Brechen des Brotes zum „Gedächtnis“ zu machen, was mit der Übernahme der Formel in die Liturgie der christlichen Messe ja auch geschehen ist. In der Pessach-Liturgie ist dies zugleich übernommen und umgewandelt worden. Nach christlicher Deutung erinnert das „Brot des Elends“ an das Leiden Jesu, nach jüdischer Auffassung dagegen an die Knechtschaft in Ägypten. Diese Erinnerung wurde aber erst in der Liturgie installiert, als das Christentum bereits existierte.

Ralf Grötker: Ein Einwand gegen diese Interpretation, den Sie auch selbst benennen, lautet: Könnte es nicht sein, dass der Passus „Dies ist das Brot des Elends“ schon viel älter ist und von Jesus für seine Zwecke adaptiert wurde?

Israel Yuval: Ja, aber das halte ich für unwahrscheinlich. Zum einen setzt die Funktion einer „Eröffnungsformel“ einen darauf folgenden Text voraus. Diesen Text, die Pessach-Haggada, gibt es aber erst seit dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert. Der Grund dafür ist, dass das Vortragen der Pessach-Haggada sich als Ersatz für eine Opferhandlung ausbildete. Notwendig geworden war dieser Ersatz durch den Verlust der Opferstätte – die Zerstörung des sogenannten Jerusalemer Zweiten Tempels im Jahr 70 nach Christus.
Außerdem gibt es noch ein anderes Indiz. Die Formel „Dies ist das Brot des Elends“ ist in den einschlägigen jüdischen Quellen älteren Datums, also der Mischna und dem Talmud, überhaupt nicht belegt. Die Formel erscheint erstmals in einer Abfassung der Pessach-Liturgie aus dem zehnten Jahrhundert. Einen so spät belegten jüdischen Text kann man deshalb wohl kaum als Quelle eines erwiesenermaßen früheren christlichen Textes betrachten. Mir fällt es jedenfalls schwer, zu glauben, dass die Juden ihr „Dies ist das Brot des Elends“ gesprochen haben sollten, ohne dabei an die ähnliche liturgische Formel der Christen zu denken. So betrachtet, ringen beide Religionen jeweils um ihr Gedächtnis.

[…]

Israel Yuval: … Normalerweise nimmt man an, dass die Mündlichkeit eine kulturgeschichtlich primitive Stufe vor der Verbreitung der Schriftlichkeit darstellt. Bei den Juden war das anders. Gleichzeitig mit der Entstehung der frühesten Bücher der Bibel, also im achten oder im neunten Jahrhundert vor Christus, war im Land Israel, im damaligen Kanaan, die Schrift verbreitet. Viel später, im zweiten oder dritten Jahrhundert nach Christus, begann jedoch plötzlich eine neue Epoche, in der es verboten war, die sogenannte neue Lehre aufzuschreiben.
Dieses Phänomen ist gewissermaßen gegen die Regel: Normalerweise entwickeln sich Kulturen von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit. Diese umgekehrte Entwicklung bedarf daher einer Erklärung. Meine These ist, dass das Verbot der Niederschrift aus ideologischen Gründen entstanden ist. Die Juden wollten schlichtweg vermeiden, dass ihre Heilige Schrift ein zweites Mal übersetzt und von anderen Kulturen übernommen würde, so wie dies mit der griechischen Übersetzung der Bibel geschehen war. Man muss sich dabei die Dimensionen dieser Texte vor Augen halten. 2.700 Seiten umfasst der Talmud. Es fällt heute schwer, sich vorzustellen, dass es bis ins achte Jahrhundert hinein nicht erlaubt war, diese aufzuschreiben.

Ralf Grötker: Wo sehen Sie weitere Belege für die Wirkung des Christentums auf die jüdische Religion?

Israel Yuval: In der Geschichte von Abraham und Isaak zum Beispiel. Gott will Abraham prüfen. In der Bibel spielt Isaak dabei nur eine Nebenrolle. Aber in den ersten Jahrhunderten wird er zur Hauptperson. In den Versionen der Geschichte, die zu jener Zeit kursieren, willigt Isaak ein, von seinem Vater Gott zum Opfer gebracht zu werden. Gegen Ende des elften Jahrhunderts, zur Zeit der Judenverfolgungen im Rheinland, beziehen sich die Juden immer wieder auf die Opferung von Isaak als einer Geschichte, die zeigt, dass man Gott gehorchen und sich opfern soll. Ich bin der Meinung, dass diese Verehrung von Isaak ein Ausdruck jüdischen Neids auf Jesus ist.
… In der Bibel befiehlt der Engel Abraham im letzten Moment, seinen Sohn nicht zu töten. Aber in den mittelalterlichen Legenden und auch in einigen älteren Erzählungen liest man, dass Abraham mit Gott zu verhandeln begann. Er wollte Gott ein Opfer bringen. Und in einigen Versionen der Legende tat er es auch. Er tötete seinen Sohn. Und was passierte danach? Der Sohn erstand wieder auf. Wie kann man bei so einer Geschichte nicht an die Kreuzigung denken? Eine Judaisierung der Kreuzigung! Und noch mehr kommt hinzu. Die Opferung Isaaks wurde zum Bestandteil der jüdischen Liturgie. Wir Juden wenden uns an Gott und bitten ihn um Vergebung der Sünden – und dabei berufen wir uns auf Isaak. Der Punkt ist: Diese Ausformung der Liturgie gab es im Judentum vor dem Christentum nicht!

[…]

Ralf Grötker: Dabei beziehen Sie aber auch solche Indizien mit ein, die gewissermaßen unsichtbar sind. Sie sprechen hier von „versteckten Diskursen“.

Israel Yuval: Ich versuche, der Psychoanalytiker meiner eigenen Kultur zu sein. Was passierte mit der jüdischen Kultur, als diese auf das Christentum traf? In der Periode, die mich besonders interessiert – dem ersten Jahrtausend –, brachten die Christen viele Bücher hervor, die explizit auf das Judentum Bezug nahmen. Die Nachbarreligion war in nahezu jedem Gebet und jedem theologischen Traktat präsent. Es gibt ein ganzes Genre von Literatur mit dem Namen Contra Judaeos. Die Juden haben nichts in der Weise hervorgebracht. Kein Wort über die Christen. Totales Schweigen. Sie haben kein Contra Christianos. Das erste polemische Buch, das von Juden gegen Christen geschrieben wurde, stammt aus dem zehnten Jahrhundert. Warum dieses lange Schweigen? Eine mögliche Antwort ist: Die Juden waren einfach nicht an den Christen interessiert. Das war lange die übliche Auslegung. Ich kann aber nicht glauben, dass es ihnen egal war. Mir scheint eine andere Erklärung plausibler: Sie wollten einfach nicht zugeben, dass sie ein großes Problem hatten. Da kommt eine neue Religion, mit einer neuen Bibel – und ihre Anhänger behaupten, dass sie die wahren Gläubigen sind.

Ralf Grötker: Wieso konnten die Juden das nicht einfach ignorieren?

Israel Yuval: Das Problem war doch, dass das Judentum immer mehr zu einer Randreligion wurde. Am Ende konzentrierte sich die einstmals weitverbreitete Religion nur noch auf zwei Zentren, eines im Land Israel, das andere in Babylonien. Was geschah mit den Juden in Alexandrien, in Kleinasien, in Nordafrika? Mit vielen Juden in Israel? Vermutlich sind sie konvertiert. In der Geschichtsforschung ist das relativ gut dokumentiert. Aber in jüdischen Quellen findet sich nichts darüber. Dieses Schweigen reflektiert Ideologie. Es ist kein Mangel an Interesse.

[…]

Ralf Grötker: Inwiefern sind diese historischen Fragen für uns heute von Belang? Sie sagen: Die Forschung hilft uns, besser zu verstehen, warum Juden und Christen so lange verfeindet waren …

Israel Yuval: Und befreundet! Ich spreche auch über positive Aspekte. In jeder Familie gibt es Zwistigkeiten. Aber die Juden waren die einzige nicht christliche Minderheit, die im christlichen Europa toleriert wurde. Man kann das Glas halb leer oder halb voll sehen. Man kann die Verfolgung der Juden durch die Christen betonen, aber auch die Toleranz, die ihnen entgegengebracht wurde. Vor einigen Jahren gab es ein Treffen zwischen der Mittelalterforscherin Carolyn Bynum, dem Ethnologen Clifford Geertz, dem palästinensischen Politiker und Präsidenten der Al-Quds-Universität in Jerusalem, Sari Nusseibeh, und mir. Eine amerikanische Stiftung, die sich vorgenommen hat, mit Hilfe der Geisteswissenschaften der Lösung politischer Probleme ein Stück weit näherzukommen, hatte uns eingeladen. Ich glaube, dass so etwas prinzipiell ein richtiger Weg ist. Wir als Historiker haben die Aufgabe, aus der zeitlichen Distanz heraus die Position unterschiedlicher Seiten nachzuvollziehen. Man wird toleranter.«

 
Zuletzt bearbeitet:

Freud beginnt mit einem Paukenschlag: Mose, der Volks- und Religionsstifter, sei Ägypter und gebe dem Volk, das er forme, „seine“ Religion, den Monotheismus des Pharao Echnaton. Die mosaische („jüdische“) Religion stelle gegenüber den Bildreligionen einen „Fortschritt in der Geistigkeit“ dar, denn Namens- und Bildverbot wie Absage von Magie und Ritus fordern und strapazieren in der Folge das menschliche Abstraktionsvermögen. Mit der prophetischen Bewegung wird die mosaische zur Buchreligion, welche die Gemeinde oder besser: dem „Volk Gottes“ zur wahren Heimat wird –
beginnt sinnigerweise mit der
Zusammenfassung und Schlussthese
meine kleine Rezension zu Sigmund Freud, „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ von 1939 und die These des Monotheismus des Echnatons habe ich in einem Kommentar zu dem „Ausbruch“ des Kollegen @Aerath vertreten und die Antwort eingehandelt
Als Ägyptologe nur ein kleiner Hinweis: Echnaton war kein Monotheist, aber das führt jetzt zu weit
(Antwort vom 1. 8. d. J. von Aerath), was mir natürlich, wer mich kennt und sei‘s nur hierorts, erst recht anstachelt, zwischen den Polen abändern oder belassen zu entscheiden.

Nun, laut Wikipedia ist schon Echnatons Vater und Vorgänger auf dem Weg zum Monotheismus, wenn die Sonne („Aton“) gegenüber anderen Gottheiten hervorgehoben wird und zu einer Triade (Echnaton – Wikipedia) der ursprünglichen Schöpfungsgötter gerinnt – wie in der griechischen Mythologie und im richtigen Leben bilden die Götter Familien, deren einzelnen Mitglieder sich nicht unbedingt hold sind) und die Kirche ist von Anfang an mit der Drei-Einigkeit Vater, Sohn, Heiliger Geist auf dem gleichen Weg, wenn die gebärfreudige Jungfrau und die Gemeinschaft der Heiligen dazukömmt, wie ja auch der Widersacher „Satan“ schon im AT auftaucht, wo doch der eine Gott(vater) gerade darinnen ein zürnender Gott ist (man betrachte nur die Geschichte beim Tanz ums Goldene Kalb).

Aber für mich ist die Entdeckung bei den kurzfristigen Nachforschungen der „Sonnengesang“ des Echnaton (Der Sonnengesang des Echnaton), der im Netz zugleich mit einer interessanten agyptologischen Bemerkung verknüpft ist,
Der Ägyptologe Erik „Hornung interpretiert den Text als frei von mythischen Vorstellungen: „Durch sein Licht erschafft er die Welt immer wieder neu. Er ist reine Gegenwart und bedarf keiner mythischen Vergangenheit mehr.“
Im Zentrum des Hymnus steht die Schöpferkraft des Aton; er erschafft nicht nur die gesamte Welt, er ist zudem ein Gott, der sich selbst schuf: er baute sich selbst mit eigenen Händen.
Sämtliche Tiere, Pflanzen, Menschen, alles Leben wird von Aton geschaffen und jeden Tag erneuert. Die Nacht, in der Aton verborgen ist, wird mit düstere Symbolik umschrieben: Gehst Du unter im westlichen Lichtland, ist die Erde in Finsternis, in der Verfassung des Todes. Die Bilder anderer Götter werden durch Bilder aus der realen Natur ersetzt und drücken, wie auch die Kunst der Amarna-Zeit, eine starke Naturverbundenheit aus: ...“, was mich sehr an die Genesis erinnert.

Weitere, an sich wichtigere Quellen als „Wikipedia“ sind
Der Monotheismus: etwas anders betrachtet » un/zugehörig » SciLogs - Wissenschaftsblogs
https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/monotheismus-versus-kindesaussetzung/(man erinnere sich der Kindesaussetzung von Oedipus bis Romulus und Remus und vor allen diesen Mythos – Moses!

Zudem etwa
https://www.fr.de/kultur/universalismus-keine-spur-11469596.htmlhttps://www.deutschlandfunk.de/seri...on-und-die.886.de.html?dram:article_id=303628https://www.bibelwissenschaft.de/wi...echnaton/ch/8fef322f3109e456f961d53ad0433625/

Mein bescheidener Beitrag schließt mit Gedanken über den Mythos, der vielleicht im „kollektiven Unbewussten“ des C. G. Jung mitschwingt, die uns alle heimsuchen:
Setzt der Mythos die „heilige“ Zahl 40 für die Wüstenjahre an, so kann getrost von wenigstens drei Generationen ausgegangen werden [Beginn nach dem Tod des Echnaton 1346, aber vor 1305 (Ramses I.), wahrscheinlicher aber noch vor 1330 (Putsch des Haremhab); Beginn der Einwanderung in Kanaan und Vermischung mit der Vorbevölkerung vor 1219 (Sieg des Merenptah). Muss ich darauf hinweisen, dass Goethe in den bereits zitierten Noten und Abhandlungen zum West-östlichen Diwan unter einem fähigen Heer- und Volksführer mit Akribie eine Wanderzeit von zwo Jahren berechnet? Hätte er uns da nicht gleich einen andern Mose machen sollen?]

Gleichzeitig bedeutet der Fortschritt aber auch Regression, wenn die Höhe der Vergeistigung der Vaterreligion nicht eingehalten werden kann. Denn um erfolgreich zu sein, übernimmt man Riten der bekehrten Völker, stellt gar die Muttergottheit wieder her [vgl. die Geschichte Isis-Io-Maria*] und übernimmt das Personal des Polytheismus wenn auch in niederer Position und nach deutschem Steuerrecht in haushaltsnaher Beschäfigung [Teufel, Engel, Heilige, arme Seelen und Minijobber u. a.]. Aberglaube und Magie feiern rüstig Urständ bis hin zu Auferstehung und ewigem Leben, was nicht allein für die Sohnesreligion, sondern auch für deren Geschwisterchen gilt. Erneut triumphieren die Ammonpriester über Echnaton, die mosaische Religion wird zum „Fossil“.
Was uns allen - nicht nur Freud - vorgeworfen werden kann, trifft auf den Mythos selber zu: das je Passende (nicht nur) aus den Mythen herauszuziehen und es den eigenen Interessen anzupassen und zurechtzubiegen.
Gibt es eine mythenfreie Wahrnehmung? Die Mythen sind ein sehr tief verankertes Deutungsmuster, das wir auf alle Geschehnisse loslassen, um sie einzuordnen und zu begreifen.
In der 18. Dynastie – mit der Ägypten zur Weltmacht aufsteigt – versucht Amenophis IV. (bei Freud: „Amenhotep“) den traditionellen Polytheismus durch eine monotheistische, einheitliche Staatsreligion zu ersetzen, in deren Mittelpunkt der Sonnengott Aton steht. Der König nennt sich nun Echnaton („Ikhnaton“), widersteht den Versuchungen magischen Denkens und verwirft die Illusion eines Lebens nach dem Tod. Die Kraft der Sonne wird als Quell allen Lebens erkannt.
Ein Sonnengott kann nicht wirklich der Gott einer monotheistischen Religion sein: die Definition Sonnengott impliziert die Existenz einer Mondgöttin, wie Wasser-Erde, Hell -Dunkel, Gut-Böse etc. Die solare Religion stellt den Sonnengott an die Spitze, im Extremfall tabuisiert sie die anderen Götter, aber sie bleiben immer Teil des religiösen Weltbildes. Eine wirklich monotheistische Religion hat einen so umfassenden Gottesbegriff, daß Alternativen und Gegensätze dazu nicht bestehen bzw. unwesentlich sind.
Ein wesentlicherer Schritt der solaren Religion ist die Ablehnung der dunklen magischen Elemente. Jedoch gehen die keinesfalls unter, sondern entwickeln sich im Verborgenen besonders prächtig weiter.

Wie dem auch sei und wird,
schönes Wochenende und bis bald

Friedel

* Ach ja: Isis mit dem kleinen Horus auf dem Schoß verehren wir heute noch unterm Weihnachtsbaum bei Kerzenlicht als Madonna (Maria) mit Kind.

Fazit, dem aufmerksamen Leser wird es nicht entgangen sein, ich werde den Text abändern. Er ist noch in alter Rechtschreibung!

Nachtrag, 4. 8.:
Exakt ein "daß" war zu korrigieren ...
Wörtl. Zitate bela"ß" ich, wie vor Jahr und Tag vorgefunden.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom