- Beitritt
- 12.04.2007
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Der Moses Roman des Sigmund Freud
Zusammenfassung und Schlussthese: Freud beginnt mit einem Paukenschlag: Mose, der Volks- und Religionsstifter, sei Ägypter und gebe dem Volk, das er forme, „seine“ Religion, den Monotheismus des Pharao Echnaton. Die mosaische („jüdische“) Religion stelle gegenüber den Bildreligionen einen „Fortschritt in der Geistigkeit“ dar, denn Namens- und Bildverbot wie Absage von Magie und Ritus fordern und strapazieren in der Folge das menschliche Abstraktionsvermögen. Mit der prophetischen Bewegung wird die mosaische zur Buchreligion, welche die Gemeinde oder besser: dem „Volk Gottes“ zur wahren Heimat wird –
was freilich die Gegenreaktion eines „Antiintellektualismus“ erzeugt. Für ein weiteres Motiv des selbst von Freud fälschlich als „Antisemitismus“ bezeichneten Anti-Judaismus greift er auf den früher entwickelten Mord am Urvater zurück. Paulus gehe den fortschrittlichen Weg, den die Vaterreligion eingeschlagen habe, nicht mit, wenn die Sohnesreligion den Christen von der Erbsünde (dem Vatermord) durch Opfertod des Sohnes befreie, dass der christliche Vorwurf laute: »Sie [Anmerkung: die Juden] wollen es nicht wahrhaben, daß sie Gott gemordet haben, während wir [Christen] es zugeben und von dieser Schuld gereinigt worden sind.«
Die Heimat des Juden ist darum weniger ein Land, da Milch und Honig fließen und die Füße fest auf dem Boden stehen können, als der Verstand.
Der Moses Roman des Sigmund Freud
„Eine Nation ist eine Gruppe von Menschen, die durch einen
gemeinsamen Irrtum hinsichtlich ihrer Abstammung und
eine gemeinsame Abneigung gegen ihre Nachbarn geeint ist.“
K. Deutsch
„Es ist bei der Entstellung eines Textes ähnlich wie bei einem Mord“, bei dem sich die Tat selber als einfacher erweisen mag, als hernach ihre Spuren zu beseitigen, behauptet 1937 Sigmund Freud in der Abhandlung Wenn Moses ein Ägypter war …
Das substantivierte Verb entstellen gibt sich hier zweideutig: nicht mehr nur die Erscheinung wird verändert, sie wird auch an eine andere Stelle gebracht, verschoben. Da bedarf’s oft einiger Mühe, den versteckten, unterdrückten und verleugneten Stoff „abgeändert und aus dem Zusammenhang gerissen“ an andrer Stelle zu finden. [Anm: Zitate nach Sigmund Freud, Studienausgabe, hier: Bd. IX, S. 493; Werke Freuds sind unter gutenberg.de eingestellt.]
Wie aber – zum Teufel noch einmal! - kommt Freud mehr als 70 Jahre nach seinem Tode hier unter?, wird sich selbst der geneigte Leser fragen - was auch sofort erläutert sei: Freud hat nicht nur die reale, sondern auch die literarische Welt verändert, mit den Studien über Hysterie und Neurosen, indem er das Unbewusste in die Forschung einbezieht, vor allem mit der Traumdeutung. Wiewohl seine Theorien immer schon umstritten sind, strahlen sie in alle Bereiche der Moderne und Postmoderne hinein. Mag manches des umfangreichen Werkes überholt sein, seine stilistische Brillanz bleibt unbestritten, niemand muss Freud hinter Dostoevskij oder einem beliebigen andern Großen der Weltliteratur verstecken. Manchem Bücherschrank brächte das eine oder andre Werk Freuds einen Gewinn. Denn der da Mythen deutet, schafft zugleich neue Mythen in des Wortes ursprünglicher Bedeutung. Ich, Es und Über-Ich wie auch der Ödipuskomplex – um nur einige seiner Begriffe zu nennen – sind in die Umgangssprache eingedrungen, Allgemeingut geworden.
Nicht ohne Grund verleiht ihm die Stadt Frankfurt 1930 den Goethe-Preis, da das Kuratorium „den umwälzenden Wirkungen der von [Freud] geschaffenen neuen Forschungsformen auf die gestaltenden Kräfte unserer Zeit“ einen hohen Wert beimisst. „In streng naturwissenschaftlicher Methode, zugleich in kühner Deutung der von Dichtern geprägten Gleichnisse hat [Freuds] Forschung einen Zugang zu den Triebkräften der Seele gebahnt und dadurch die Möglichkeit geschaffen, Entstehen und Aufbau vieler Kulturformen in ihrer Wurzel zu verstehen und Krankheiten zu heilen, zu denen die ärztliche Kunst bisher den Schlüssel nicht besaß. [Seine] Psychologie hat aber nicht nur die ärztliche Wissenschaft, sondern auch die Vorstellungen der Künstler und Seelsorger, der Geschichtsschreiber und Erzieher aufgewühlt und bereichert.“ (X, S. 289)
Im Folgenden sei die letzte Veröffentlichung zu seinen Lebzeiten besprochen, der ca. 240 Seiten starke, 1939 in Amsterdam erschienene Mann Moses und die monotheistische Religion: Drei Abhandlungen, in dem er seine sozialpsychologischen Schriften über Ursprünge gesellschaftlicher Organisation wie Totem und Tabu (1912 f.) und Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921) u. a. fortsetzt und ergänzt, seine Theorien insgesamt anwendet, konkretisiert und auslebt, wissenschaftliche Grenzen überschreitet und sprengt.
Das mag der einen oder dem andern nicht sonderlich aktuell erscheinen. Gleichwohl sollte kein Europäer erstaunt darüber sein, dass Religion(en) und Nation(en) Konstrukte sind – wie Literatur auch.
Wer etwas zum modernen Israel lesen will, der nehme zur Hand Shlomo Sand, Die Erfindung des jüdischen Volkes, Berlin 2010, ca. 510 Seiten, und / oder Steffen Hagemann, Israel – Wissen was stimmt, Freiburg 2010, ca. 130 Seiten.
Wie kommt nun ein aufgeklärter und zudem irreligiöser Mensch dazu, sich mit einem Religionsstifter und Volksgründer zu befassen?
Für Freud ist es zunächst die Neigung zur Kunst: Während des ersten Aufenthalts in Rom im September 1901 ist bereits Mose ins Leben des Neurologen und Psychiaters getreten. Zum Moses des Michelangelo veröffentlicht er 1914 und 1927 seine Gedanken. Bis zu den Arbeiten zu der Gestalt des Religionsstifters und Volksgründers wird freilich noch ein Jahrzehnt vergehen. Erst mit dem totalitären Wahnwitz wird Freud zu einem Bruder Parzivals auf der Suche nach dem Gral: Sommer 1934 ist ein erster Entwurf fertig, den nennt er Der Mann Moses, ein historischer Roman – tatsächlich wäre er zugleich ein Kriminalroman zu nennen, wird doch neben der Suche nach dem Gral von Mord und Totschlag erzählt.
Obwohl er sich auf den aktuellen Stand der Forschung berufen kann, zweifelt Freud an der Stichhaltigkeit seiner Argumente und sorgt sich um die Reaktion von Regierung und katholischer Kirche in Österreich. Anzunehmen ist, dass er immer wieder am Text Änderungen anbringt, bis einzelne Teile („Abhandlungen“) 1937 f. in Zeitschriften veröffentlicht werden. Nicht nur diese aneinandergereihten Veröffentlichungen, sondern auch die politischen Wirren der Zeit wirken sich auf den Aufbau des Romanes aus - was zwangsläufig zu Rekapitulationen führen muss, sich aber auch in einer Analyse des „Antisemitismus’“ niederschlägt. Der freilich ist schon einiges vor der erwähnten Italienreise in sein Leben getreten: Als Freud während der Arbeit an der Traumdeutung sich einer Italienreise erinnert – ob es die o. g. ist, vermag ich nicht zu sagen -, fällt ihm ein übermächtiges Jugenderlebnis ein: „Ich mochte zehn oder zwölf Jahre gewesen sein, als mein Vater begann, mich auf seine Spaziergänge mitzunehmen und mir in Gesprächen seine Ansichten über die Dinge dieser Welt zu eröffnen. So erzählte er mir einmal, um mir zu zeigen, in wie viel bessere Zeiten ich gekommen sei als er: Als ich ein junger Mensch war, bin ich in deinem Geburtsort am Samstag in der Straße spazierengegangen, schön gekleidet, mit einer neuen Pelzmütze auf dem Kopf. Da kommt ein Christ daher, haut mit einem Schlag die Mütze in den Kot und ruft dabei: Jud, herunter vom Trottoir! »Und was hast du getan?« Ich bin auf den Fahrweg gegangen und habe die Mütze aufgehoben, war die gelassene Antwort. Das schien mir nicht heldenhaft von dem großen starken Mann, der mich Kleinen an der Hand führte.“ [(II, S. 208) Anm.: 1919 erweitert Freud die Traumdeutung um einen Traum Bismarcks, in dem Mose auch seinen Auftritt hat, vgl. ebd., S. 371 ff.]
»Mama, ich habe dich so lieb; wenn du einmal stirbst, lasse
ich dich ausstopfen und stelle dich hier im Zimmer auf, damit
ich dich immer, immer sehen kann.«
S. Freud
Wegen seiner jüdischen Abstammung muss Freud 1938 seine Heimat verlassen. Noch im Exil in London schreibt er an einer dritten, der letzten Abhandlung zu seinem historischen Kriminalroman. Dem Roman könnte die Vorrede zur hebräischen Ausgabe von Totem und Tabu aus dem Dezember 1930 vorangestellt werden: „Keiner der Leser dieses Buches wird sich so leicht in die Gefühlslage des Autors versetzen können, der die heilige Sprache nicht versteht, der väterlichen Religion - wie jeder anderen - völlig entfremdet ist, an nationalistischen Idealen nicht teilnehmen kann und doch die Zugehörigkeit zu seinem Volk nie verleugnet hat, seine Eigenart als jüdisch empfindet und sie nicht anders wünscht. Fragte man ihn: Was ist an dir noch jüdisch, wenn du alle diese Gemeinsamkeiten mit deinen Volksgenossen aufgegeben hast?, so würde er [Freud also] antworten: Noch sehr viel, wahrscheinlich die Hauptsache. Aber dieses Wesentliche könnte er gegenwärtig nicht in klare Worte fassen. Es wird sicherlich später einmal wissenschaftlicher Einsicht zugänglich sein. / ... Ein Buch überdies, das den Ursprung von Religion und Sittlichkeit behandelt, aber keinen jüdischen Standpunkt kennt, keine Einschränkung zugunsten des Judentums macht. Aber der Autor hofft, sich mit seinen Lesern in der Überzeugung zu treffen, daß die voraussetzungslose Wissenschaft dem Geist des neuen Judentums nicht fremd bleiben kann.“ (IX, S. 293) Tatsächlich aber beginnt der Roman im Vorgriff auf seine einleitende und zugleich entscheidende Hypothese mit einer Entschuldigung: „Einem Volkstum den Mann abzusprechen, den es als den größten unter seinen Söhnen rühmt, ist nichts, was man gern oder leichthin unternehmen wird, zumal wenn man selbst diesem Volke angehört. Aber man wird sich durch kein Beispiel bewegen lassen, die Wahrheit zugunsten vermeintlicher nationaler Interessen zurückzusetzen, und man darf ja auch von der Klärung eines Sachverhalts einen Gewinn für unsere Einsicht erwarten“ (IX, S. 459), um sofort anzuecken!
Erstes Interesse an der Person Mose weckt der Name und ein Bruch zur biblischen
Darstellung: warum sollte eine ägyptische Prinzessin einen im Nil ausgesetzten Jungen einen hebräischen Namen geben? Steht nicht schon das Kästchen für den Mutterleib und die Wasser des Nil fürs Fruchtwasser?
Der Name Mose ist Bestandteil ägyptischer Namen wie etwa dem des Tuthmosis / Thutmose und bedeutet nichts weiter als „Kind“ [in dem genannten Namen also „Kind des Thoth“, dem ibisköpfigen Gott der Schreibkunst und Wissenschaft]. Warum sollte jemand, der einen ägyptischen Namen trägt, zu einer Zeit, da Namen noch nicht Schall und Rauch sind, nicht auch Ägypter sein? [Freilich muss hier darauf hingewiesen werden, dass der Begriff des Pharao für den altägyptischen Königstitel Pir-o („Großes Haus“) ein hebräisches Lehnwort ist.]
„Ein Held ist, wer sich mutig gegen seinen Vater erhoben und ihn am Ende siegreich überwunden hat.“ (IX, S. 463) Zudem wird die Herkunft des Helden, wie er sich in orientalischen und griechischen genealogischen Mythen darstellt [Sohn, der den Thron streitig machen wird, wird ausgesetzt und bei niedrigerer Familie aufgezogen; letzter und jüngster dieser Reihe wäre Romulus, der bekannteste wahrscheinlich Ödipus], vom Kopf auf die Füße gestellt: „In der Form, in der die Mosessage uns heute vorliegt, bleibt sie in bemerkenswerter Weise hinter ihren geheimen Absichten zurück. Wenn Moses kein Königssprosse ist, so kann ihn die Sage nicht zum Helden stempeln; wenn er ein Judenkind bleibt, hat sie nichts zu seiner Erhöhung getan. Nur ein Stückchen des ganzen Mythus bleibt wirksam, die Versicherung, daß das Kind starken äußeren Gewalten zum Trotz sich erhalten hat, und diesen Zug hat denn auch die Kindheitsgeschichte Jesu wiederholt, in der König Herodes die Rolle des Pharao übernimmt“ [(IX, S. 465); Herodes der Große (4 v. Chr. +), vor dem die Flucht nun NACH Ägypten erfolgt, womit wir gänzlich in Mythologie und Aberglaube eintauchen: „Io“, Tochter eines griechischen Flussgottes, war Priesterin der Hera. Zeus, lockerer Geselle, der er ist, nahm die Priesterin zur Geliebten, was wiederum Eifersucht bei der olympischen Chefin erregt. Die Priesterin floh nach Ägypten. Nach griechischer Auffassung wird Io als „Isis“ verehrt. Die jedoch personifiziert den Thron Ägyptens – was schon die historischen Verdrehungen offenbart - wird also einiges älter sein, als die Hellenen sich träumen lassen. Als Gemahl des Osiris wird sie Mutter des Horus.
Was das soll?, fragt sich der geneigte Leser wieder; nun: Das Horuskind taucht alljährlich zur Wintersonnenwende im Abendland in jedem ordentlichen Wohnzimmer auf, steht auf oder bei jedem Altar und wird in Krippenspielen verherrlicht. Mit dem Horuskind wird Isis Vorbild für Madonnen Darstellungen, heißt nun nicht mehr Isis oder Io, sondern „Maria“ und ist nichts anderes als ein Überbleibsel einer Muttergottheit …]
Gleichwohl: Freuds Analyse ergibt letztlich: „Moses ist ein – wahrscheinlich vornehmer – Ägypter, der durch die Sage zum Juden gemacht werden soll. Und das wäre unser Resultat! Die Aussetzung im Wasser war an ihrer richtigen Stelle; um sich der neuen Tendenz zu fügen, mußte ihre Absicht, nicht ohne Gewaltsamkeit, umgebogen werden; aus einer Preisgabe wurde sie zum Mittel der Rettung. / Die Abweichung der Mosessage von allen anderen ihrer Art konnte aber auf eine Besonderheit der Mosesgeschichte zurückgeführt werden. Während sonst ein Held sich im Laufe seines Lebens über seine niedrigen Anfänge erhebt, begann das Heldenleben des Mannes Moses damit, daß er von seiner Höhe herabstieg, sich herabließ zu den Kindern Israels.“ (IX, S. 466) Was uns allen - nicht nur Freud - vorgeworfen werden kann, trifft auf den Mythos selber zu: das je Passende (nicht nur) aus den Mythen herauszuziehen und es den eigenen Interessen anzupassen und zurechtzubiegen.
Gemeinhin wählt ein Volk einen seiner Volksgenossen zum Führer. Wie also kommt es dazu, dass ein Mann, dem alle „Weisheit Ägyptens“ zugeschrieben wird, sich zum politischen Führer und Religionsstifter von Hebräern aufschwingt, die sicherlich eine eigene Religion ausüben? [Als Hebräer wurde wahrscheinlich im gesamten alten Orient eine soziale Schicht aus Unfreien bezeichnet, die sich als Lohnarbeiter oder Söldner verdingen mussten.] Denn wenn Mose ein Ägypter ist, wird er auch die ägyptische Religion weitergegeben haben, die ist aber über Jahrtausende weder eine mono- noch auch nur eine henotheistische Religion und wimmelt von mancherlei abergläubischem Zeug.
Doch gibt es eine Ausnahme, die freilich für Ägypten Episode geblieben ist [und im Auftritt der Hyksos ein Vorspiel hat, denn immer schon kommen nomadisierende Schafhirten – auch Jakob und hernach Josef und seine Brüder? - in Notzeiten ins Land „Gosen“, dem östl. Nildelta, und werden geduldet, können sich, da Arbeitskräfte immer gebraucht werden, auch ansiedeln. Vor 1650 aber okkupieren „aus dem Osten“ die „Hyksos“ („Herrscher fremder Länder“) Ägypten, um nun selbst im Norden eine eigene Dynastie zu begründen und Oberägypten für hundert Jahre tributpflichtig zu halten, bis von dorther mit der 18. Dynastie die Befreiung und Wiedervereinigung zum Neuen Reich beginnt. Die Fremdherrschaft ist eine Kränkung, die mehr als 14 Jahrhunderte später Manetho in seiner ägyptischen Geschichte die Zahl der fremden Truppen mit „240.000 Schwerbewaffneten“ maßlos übertreiben lässt, denn mit den Eroberern, die einfach militärisch besser als die Ägypter organisiert und ausgerüstet sind - der Kriegeradel hat das Sagen, Panzer und Helm werden im gesamten Orient eingeführt, vor allem aber der Streitwagen – kommen auch Amoriter und Kanaaniter ins Land ...]
In eben dieser der 18. Dynastie – mit der Ägypten zur Weltmacht aufsteigt – versucht Amen-hotep (Amenophis) IV. den traditionellen Polytheismus durch eine monotheistische, einheitliche Staatsreligion zu ersetzen, in deren Mittelpunkt allein die Sonne steht, repräsentiert durch Aton. Der König nennt sich nun Echnaton („Ikhnaton“), widersteht den Versuchungen magischen Denkens und verwirft die Illusion eines Lebens nach dem Tod. Die Kraft der Sonne wird als Quell allen Lebens erkannt. Echnaton „rühmt sich seiner Freude an der Schöpfung und seines Lebens in Maat (Wahrheit und Gerechtigkeit).“ (IX, S. 508) Durch die wenigen auf uns gekommenen Kunstwerke dieser Jahre [~ 1362 – 1346; Daten abweichend von Freud, wie gelegentlich auch die Namensschreibungen] wissen wir um moderne, naturalistisch und expressionistisch anmutende Züge, etwa, wenn wir heute noch fasziniert die Kalksteinbüste der Nofretete, der Frau des Echnaton bewundern. Von dem einen Gott aber gibt es kein persönliches Bild, wie es den andern Göttern Ägyptens zugestanden war: er wird allein durch die Sonnenscheibe symbolisiert. Mit dem Monotheismus geht auch die polytheistische Toleranz gegenüber andern Göttern verloren und sicherlich wird er keine Volksreligion gewesen sein, dafür schlägt nach dem Tode des Echnaton das Pendel zu rasch wieder zurück und unser Mann Mose wäre nun ein Geächteter, wäre er nicht energischer als Echnaton an die Aufgabe gegangen, sich sein eigenes Volk zu schaffen und ihm SEINE Religion zu bringen. Freud sucht – bei eingestandner eigener Inkompetenz – den Schluss übers jüdische Glaubensbekenntnis: „»Schema Jisroel Adonai Elohenu Adonai Echod.« Wenn der Name des ägyptischen Aton (oder Atum) nicht nur zufällig an das hebräische Wort Adonai und den syrischen Gottesnamen Adonis anklingt, sondern infolge urzeitlicher Sprach- und Sinngemeinschaft, so könnte man jene jüdische Formel übersetzen: »Höre Israel, unser Gott // Aton (Adonai) ist ein einziger Gott.«“ (IX, S. 475 f.)
Als weiteres entscheidendes Indiz, dass Mose Ägypter sei, findet sich in der biblischen Darstellung, dass er »schwer von Sprache« gewesen sei, dass er also eines Dolmetschers bedurfte, des Leviten Aaron – sicherlich nicht wie dort behauptet gegenüber Pharao, sondern gegen das von ihm auserwählte Volk.
Freud zählt als weiteren Beleg neben der Absage an allen Totenkult - die konsequent angewendet ein Leben nach dem Tod und somit die Unsterblichkeit der Seele ausschließt – die Beschneidung auf. Steht jene in schroffem Gegensatz zur ägyptischen Anschauung, wonach der ermordete Osiris geradezu mächtiger ist als seine lebendigen Kollegen, so ist diese eine ägyptische Volkssitte / Unsitte, welche die Kinder Israels zwar nicht zu Ägyptern macht, wohl aber immer an die Knechtschaft erinnern soll. „Wenn wir hören, daß Moses sein Volk »heiligte« durch die Einführung der Sitte der Beschneidung, so verstehen wir jetzt den tiefen Sinn dieser Behauptung. Die Beschneidung ist der symbolische Ersatz der Kastration, die der Urvater einst aus der Fülle seiner Machtvollkommenheit über die Söhne verhängt hatte, und wer dies Symbol annahm, zeigte damit, daß er bereit war, sich dem Willen des Vaters zu unterwerfen, auch wenn er ihm das schmerzlichste Opfer auferlegte.“ (IX, S. 567) Hier bekommen dann die Urväter nicht nur fürs „gelobte“ Land ihre ideologische Funktion, sondern vor allem mit der Versuchung des Abraham (vgl. 1. Mose 22), mit dem die Herkunft der Beschneidung geleugnet wird.
[An dieser Stelle nun bringt mich der autobiografische Abschied vom Himmel des Hamed Abdel-Samad in der Schilderung der Beschneidung von älterer Schwester und des Siebenjährigen, vor allem aber sein Hinweis zur altägyptischen Herkunft der Beschneidung mitsamt ihrer Herkunftssage durch die Mutter des kleinen Hamed zu folgender Deutung der Genesis hinsichtlich der Versuchung Abrahams und des Bundes mit Gott. Denn ist es nicht so, dass dieser Mythos buchstäblich genommen die Saat zum Anti-Judaismus – wie ich den Antisemitismus richtigerweise bezeichnen will - legt? Heißt es doch in 1. Mose 22, dass Gott Abraham auf die Probe stellen wollte mit der Aufforderung, den Sohn zu nehmen, mit Betonung und der Apposition auf „deinen einzigen“ und der näheren Bestimmung im Relativsatz „der dir ans Herz gewachsen ist“, um ihn an einem bestimmbaren Ort „als Brandopfer“ darzubringen. Da zu der Zeit Abraham vielleicht senil gewesen ist, scheinen die Autoren des Wortes Gottes dem alten Herrn auch noch Demenz zu unterstellen, indem sie das Opfer konkret benennen und - lügen.
Doch zunächst müssen wir uns erinnern: Abram („Vater ist groß“) ist bis ins hohe Alter hinein kinderlos geblieben, dass ein immer wieder gegebenes göttliches Versprechen von der zahlreichen Nachkommenschaft – was sich im Namen A. spiegelt - wie Hohn klingen muss. Doch Sara(i), sein Weib hat eine ÄGYPTISCHE, kinderlose Sklavin, Hagar geheißen. Die Autoren berichten, dass Sarai Hagar ihrem Manne überlassen hätte – was unter patriarchalischen Verhältnissen nur als Schönfärberei angesehen werden kann, denn wann hätte jemand schon aus vorgeschichtlicher Zeit vom Institut der Leihmutterschaft im gegenseitigen Einverständnis von Mann und Weib vernommen? Denn tatsächlich gebiert Hagar dem Abram im 86. Jahr seines Lebens einen Sohn, den sie Ismael („Gott hört“) nennen und dem – kann es jemand verwundern? - eine zahlreiche Nachkommenschaft zugesagt wird. (1. Mose 16; angeblich blickt Hagar anschließend überheblich auf ihre kinderlose Herrin und wird dafür buchstäblich in die Wüste geschickt.) Nun zeigen zwischenzeitlich die Autoren Sinn für Dramatik und feine Ironie mit dem bittern Ende Sodom und Gomorrhas!, bevor Sara im 100. Jahr des Abram - nun mit dem Ehrentitel Abraham („Vater vieler Völker“) versehen - den Isaak („Er (Gott) lacht“) gebiert (1. Mose 21). Was gäbe es da zu lachen? Da gibt’s nichts zu lachen! Denn kehren wir an den Ausgangspunkt zurück, auf dass man sich den Schock für den greisen Eltern vorstelle, als das Brandopfer verlangt wird! Vor allem aber die Frage, die der kleine Isaak seinem Vater auf dem Weg zur Opferstätte gestellt haben soll: „Feuer und Holz haben wir, aber wo ist das Lamm für das Opfer?“ / „Gott wird schon für ein Opferlamm sorgen“, soll die lapidare Antwort sein. Da sollte selbst ein 14-Jähriger wie Ismael und der geneigte Leser im Opfer die Täuschung als Grundmuster jeden Tausches erkennen.
Denn die Geschichte fährt fort, dass die Autoren mit geradezu mathematisch ein-eindeutiger Deutlichkeit durch den Herrn, seinem Gott, dem Abraham Einhalt gebieten lassen, gleichgültig, ob das Opfer zu gering wäre oder das Messer stumpf, die Begründung lautet deutlich „Du warst bereit, mir sogar deinen EINZIGEN Sohn zu opfern“ (1 Mose 22 - ein Modell für den realisierten Opfertod am Kreuz, von dem die Autoren nichts wissen können, mehr als ein halbes Jahrtausend vor diesem Ereignis) und der heißt Ismael - bis zu dessen 14. Jahr, von da an ist weder er noch sein Halbbruder so recht ein einziger. Auf die zugesagte Belohnung warten freilich heute noch die Nachkommen dessen, der auf Gott hört und erst recht die Kinder und Enkelgenerationen des Ismael und des Isaak. Die Autoren liefern aber das Modell für den Bruderzwist aus dem Tausch des Rechtes der Erstgeburt in der nächsten Generation … Nackter Betrug!, denn wo Gleichheit herrscht, lacht kein Gewinn! Von scheinbar Gleichen werden wechselseitig Leistungen übertragen, die aber nur gleichwertig erscheinen, keineswegs gleichwertig sind. Im idealen Falle glaubt jeder, ein Schnäppchen gemacht zu haben, schätzt er doch die eingetauschte Leistung höher ein als die, die er weggibt. So ist dem ganzen immer auch eine religiöse Dimension zuzusprechen, und in der Tat: bereits das erste und älteste Opfer ist bloße Ware. Denn auch der Gott, der versucht, wird betrogen, dem das Opfer gilt, wenn das Ungenießbare - Gedärm und Knochen - geopfert wird. Wär’s denn nicht allzu blöde, Genießbares in Rauch und Qualm aufgehen zu lassen, statt es selbst zu genießen? Der Gott könnte ja gestörten Sinnes sein wie der süchtige Raucher: es muss stinken, Rauch entwickeln, brennen! Für den Gott bleibt’s beim Nullsummenspiel. Das spiegelt sich noch in der Sprache: Das Verb tauschen geht zurück aufs mhd. tuschen, dem „unwahr reden, lügnerisch versichern, anführen“, was seine Nähe zum tiuschen (nhd.: täuschen) nicht verleugnet. „Die heute allein übliche Bedeutung ‚Waren oder dergleichen auswechseln, gegen etwas anderes geben’, in der das Verb zuerst im 15. Jh. bezeugt ist, hat sich demnach aus ‚unwahr reden, in betrügerischer Absicht aufschwatzen’ entwickelt“, was mit der „Präfixbildung vertauschen“ zum „‚irrtümlich oder unabsichtlich auswechseln’“ führt und von dort zurück zum mhd. vertuschen (Zur Etymologie vgl. Duden Bd. 7, S. 839 f.). Ismael aber gilt als Stammvater aller Beduinen.
Doch kehren wir zurück zu Sigmund Freud!]
Welche Zeit wäre für den Auszug aus Ägypten, das Nomadentum und die Einwanderung oder – je nach Standpunkt – Besetzung des gelobten Landes anzusetzen?
Freud erkennt richtigerweise für den Auszug die anarchische Zeit nach dem ketzerischen König als optimal, aber vorm Staatsstreich des Haremhab [~ 1330], mit dem die innere und also alte Ordnung wiederhergestellt wird. M. E. würde ein Auszug aus Ägypten zur Zeit Ramses I. [~ ab 1305] durch die starken Ramessiden erschwert. Gegenüber den von Freud vermuteten Daten (~ 1350) rücken die hier genannten den Zeitpunkt des Auszuges um eine Generation näher an die gemeinhin geschätzte Zeit heran, die mit 1250 ~ 1225 als nahezu unmöglich angesehen werden darf, fiele sie doch in die Regierung Ramses II., des bedeutendsten Herrschers der 19. Dynastie überhaupt. Zudem schlägt doch bereits 1219 Merenptah („Merneptah“) die Seevölker zurück und lässt sich auf einer Stele „des Sieges über Isiraal (Israel) und der Verwüstung ihrer Saaten“ rühmen (IX, S. 497 f.). Ramses III. hinwiederum siedelt um 1180 geschlagene Seevölker in der Küstenregion Kanaans an. Diese Geschlagenen sind als Pelischtim [Philister, die nicht erst durch Heine zu Spießbürgern werden] alttestamentarisch bezeugt und sprechen ursprünglich mit indoeuropäischer Zunge. Als sie sich ins Landesinnere ausbreiten wollen, kommt es zu erbitterten Kämpfen mit Volksstämmen, die durch Saul und David politisch geeinigt werden können. Die Römer werden das alte Kanaan später „Land der Philister“ [sprich: Palästina] nennen.
[In seinem Beitrag vom 14.01.11 weist Setnemides darauf hin, dass „die Zeit des Auszuges aus Ägypten … heute geologisch datierbar [ist], die Qualen, die über Ägypten hereinbrechen, sind durch den Ausbruch des Vulkans von Santorin verursacht, …“, was Freud zwar nicht ausdrücklich benennt, sondern in einer umfangreichen Fußnote (IX, S. 495) mit dem Untergang der alten minoischen Kultur und dem Ende der Muttergottheit (welche die natürlich Katastrophe ebenso wenig verhindern konnte wie das Eindringen mykenischer Eroberer) und deren Ersatz durchs Patriarchat. Es ist auch die Zeit, die in den Epen des Homer besungen wird, und da lässt sich nicht ausschließen, dass auch hier „Seevölker“ die treibenden Kräfte sind: Troja zählt zum Einflussgebiet der Hethiter, deren Macht mit den Völkerverschiebungen zerrinnt. Aber viel bedeutender erscheint mir der Brauch unter Seevölkern zu sein, statt aufwendiger und blutiger Schlachten Einzelkämpfer zu bestimmen, die in einer Art „Gottesurteil“ unnötiges Blutvergießen vermeiden sollte. Zwei Beispiele fallen mir auf Anhieb ein: der Zweikampf Achill - ein Halbgott, der darum durch einen Gott gefällt werden muss - gegen einen Prinzen, Hektor - und weit weg hiervon ein Schafhirte gegen einen übermächtigen (Berufs-)Krieger: David gegen Goliath.]
Die Zeit der Wüstenwanderung wird gemeinhin als Zeit der Herrschaft des Mose’ angesehen. In der Zeit vermischt man sich mit arabischen Stämmen (zB Midianiter) und übernimmt deren Gottheit(en) wie etwa den Vulkangott JHWH, ist aber auch andern Göttern nicht abgeneigt. Das Volk gibt sich störrisch und widerspenstig, es kommt zu blutigen Auseinandersetzungen. Die Episode des goldenen Kalbes ist in der biblischen Darstellung eine „geschickte Wendung“, weil Mose selbst das Gesetz bricht, indem er die Gesetzestafeln in seinem Jähzorn zerbricht –
ein Motiv, den Religionsstifter und Volksgründer und -führer zu erschlagen? Überraschend verweist Freud auch auf Goethe, der schon auf eine Tötung des Mose durch sein Judenvolk (IX, S. 537) hingewiesen hat, ohne dass Freud am Aufsatz Israel in der Wüste die negative Charakterisierung des Mose erkennen will, wenn es da summarisch heißt „und wir müßten uns sehr irren, wenn nicht Josua und Kaleb die seit einigen Jahren ertragene Regentschaft eines beschränkten Mannes zu endigen und ihn so vielen Unglücklichen, die er vorausgeschickt, nachzusenden für gut gefunden hätten, um der Sache ein Ende zu machen und mit Ernst sich in den Besitz des ganzen rechten Jordanufers und des darin gelegenen Landes zu setzen.“
Für Freud eine Wiederholung des Vatermordes der Urhorde aus Totem und Tabu!, bei den Propheten – Freud nennt in Anlehnung an Ernst Sellin ausdrücklich Hosea (IX, S. 486) – lassen dunkle Stellen auf eine Tradition schließen, dass der Religionsstifter erschlagen wurde, was nunmehr in Widerspruch zur ursprünglichen Religionsstiftung und deren Absage an ein Leben nach dem Tod die Hoffnung auf die Wiederkehr des Mose begründet und den messianischen Glauben erzeugt. „Die Stimmen der Propheten wurden nicht müde zu verkünden, daß der Gott Zeremoniell und Opferdienst verschmähe und nur fordere, daß man an ihn glaube und ein Leben in Wahrheit und Gerechtigkeit führe“ (IX, S. 513) , eben die Maat des Echnaton. Es ist die prophetische Bewegung, welche die Erinnerung hoch hält, [aber erst im Exil werden die unterschiedlichen Traditionen vereinheitlicht und zu literarischen Sammelwerken, kurz: zur Buchreligion, die sich nach 538 durchsetzt – wobei Hosea der dunkelste und zugleich der hellste Text ist, indem er die Geschichte verdichtet: „Ich bin aber der HERR, dein Gott, aus Ägyptenland her; und du solltest ja keinen andern Gott kennen denn mich und keinen Heiland als allein mich. / Jakob mußte fliehen in das Land Syrien, und Israel mußte um ein Weib dienen, und um ein Weib mußte er hüten. Aber hernach führte der HERR Israel aus Ägypten durch einen Propheten und ließ ihn hüten durch einen Propheten. Nun aber erzürnt ihn Ephraim durch seine Götzen; darum wird ihr Blut über sie kommen, und ihr HERR wird ihnen vergelten ihre Schmach, die sie ihm antun. / Was soll ich dir tun, Ephraim? was soll ich dir tun, Juda? Denn eure Liebe ist wie eine Morgenwolke und wie ein Tau, der frühmorgens vergeht. Darum schlage ich sie durch die Propheten … Denn ich habe Lust an der Liebe, und nicht am Opfer, und an der Erkenntnis Gottes, und nicht am Brandopfer.“ (Hosea 6,4 ff., 12,13 ff. und 13,4)
Die These eines Totschlags an Mose wird durch eine alttestamentarische Stelle bestärkt, auf die ich während der Lektüre Maarten 't Hart geradezu gestoßen werde: Exodus 4,24: "Und als er [Mose]unterwegs in der Herberge war [auf dem Weg nach Ägypten], kam ihm der HERR entgegen und wollte ihn töten." Sollte ein anderer statt des Ägypters Mose vor Pharao getreten sein mit der Forderung, das Volk Israel ziehen zu lassen? Die nächsten beiden Verse verfinstern den gerade zitierten um einiges und Parodieren die Versuchung Abraham: "Da nahm Zippora [die Frau des Mose] einen Stein und beschnitt ihrem Sohn die Vorhaut und rührte ihm seine Füße an und sprach: Du bist mir ein Blutbräutigam. Da ließ er [Gott] von ihm [Mose] ab." (2. Mose 4, 25 f.) Eine Deutung wäre, dass Mose den Ägypter abgelegt und sich den Sitten des Volkes Midian (einer Gebirgslandschaft im Nordwesten der arabischen Halbinsel) angepasst hat. Dort ist die Beschneidung unbekannt, wird die Beschneidung erst mit dem Islam eingeführt! Gott ein Korinthenkacker, der pingelig gleich einem Buchhalter darüber wacht, dass sein Gesetz eingehalten werde, Soll & Haben ausgeglichen werden?]
Setzt der Mythos die „heilige“ Zahl 40 für die Wüstenjahre an, so kann getrost von wenigstens drei Generationen ausgegangen werden [Beginn nach dem Tod des Echnaton 1346, aber vor 1305 (Ramses I.), wahrscheinlicher aber noch vor 1330 (Putsch des Haremhab); Beginn der Einwanderung in Kanaan und Vermischung mit der Vorbevölkerung vor 1219 (Sieg des Merenptah). Muss ich darauf hinweisen, dass Goethe in den bereits zitierten Noten und Abhandlungen zum West-östlichen Diwan unter einem fähigen Heer- und Volksführer mit Akribie eine Wanderzeit von zwo Jahren berechnet? Hätte er uns da nicht gleich einen andern Mose machen sollen?]
Mit der Geschichte des goldenen Kalbes sei ein Exkurs zum Moses des Michelangelo (X, S. 195 ff.) erlaubt: Der Mose der Tradition ist leidenschaftlich und jähzornig – was vielen Großen der Geschichte zugesprochen wird. Im „heiligen“ Zorn hat er einen Ägypter erschlagen, muss deshalb fliehen. In eben einem solchen Affekt zerschmettert er die Gesetzestafeln, die SEIN Gott selbst beschrieben hat!, obwohl der Charakter des Mose eher dem des Vulkangottes JHWH gleicht. „Aber Michelangelo hat an das Grabdenkmal des Papstes [Julius II.] einen anderen Moses hingesetzt, welcher dem historischen oder traditionellen Moses überlegen ist. Er hat das Motiv der zerbrochenen Gesetzestafeln umgearbeitet, er läßt sie nicht durch den Zorn Moses' zerbrechen, sondern diesen Zorn durch die Drohung, daß sie zerbrechen könnten, beschwichtigen oder wenigstens auf dem Wege zur Handlung hemmen. Damit hat er etwas Neues, Übermenschliches in die Figur des Moses gelegt, und die gewaltige Körpermasse und kraftstrotzende Muskulatur der Gestalt wird nur zum leiblichen Ausdrucksmittel für die höchste psychische Leistung, die einem Menschen möglich ist, für das Niederringen der eigenen Leidenschaft zugunsten und im Auftrage einer Bestimmung, der man sich geweiht hat.“ (X, S. 217) In einem Nachtrag von 1927 weist Freud auf einen in der Beziehung buchstäblichen Vorläufer des Michelangelo hin: Nikolaus („Nicholas“) von Verdun [der Dreikönigsschrein zu Köln dürfte sein bekanntestes Werk sein] hat auch einen sitzenden Mose dargestellt [wenn auch nur 23 cm hoch], der „als Vorstufe jener Stellung supponiert wird, in welcher wir jetzt den Moses des Michelangelo erstarrt sehen. / Ein Blick auf die beistehende Abbildung läßt den Hauptunterschied der beiden, durch mehr als drei Jahrhunderte getrennten Darstellungen erkennen. Der Moses des lothringischen Künstlers hält die Tafeln mit seiner linken Hand bei ihrem oberen Rand und stützt sie auf sein Knie; überträgt man die Tafeln auf die andere Seite und vertraut sie dem rechten Arm an, so hat man die Ausgangssituation für den Moses des Michelangelo hergestellt. Wenn meine Auffassung der Geste des In-den-Bart-Greifens zulässig ist, so gibt uns der Moses aus dem Jahre 1180 // einen Moment aus dem Sturm der Leidenschaften wieder, die Statue in S.*Pietro in Vincoli aber die Ruhe nach dem Sturme.“ (X, S. 221 f.)
„Wenn man der erklärte Liebling des gefürchteten Vaters ist,
braucht man sich über die Eifersucht der Geschwister nicht
zu verwundern, und wozu diese Eifersucht führen kann, zeigt
sehr schön die jüdische Sage von Josef und seinen Brüdern.“
S. Freud
Nichts wird vergessen und nach einer Latenzzeit kommt das Verdrängte wieder hervor. So wie ich ein Leben lang auf keinen Fall werden wollte wie mein Vater – was mir durchaus nicht misslungen ist -, so stelle ich doch mit dem Alter ohne gebührend zu erschrecken Ähnlichkeit fest. So haben auch die Kinder Israels immer wieder die Idee des Monotheismus verdrängt. „Aber aus dem jüdischen Volk erhoben sich immer wieder Männer, die die verblassende Tradition auffrischten, die Mahnungen und Anforderungen Moses' erneuerten und nicht rasteten, ehe das Verlorene wiederhergestellt war. In der stetigen Bemühung von Jahrhunderten und endlich durch zwei große Reformen, die eine vor, die andere nach dem babylonischen Exil, vollzog sich die Verwandlung des Volksgottes Jahve in den Gott, dessen Verehrung Moses den Juden aufgedrängt hatte.“ (IX, S. 557)
Als bedeutsamste unter allen Vorschriften erscheint das Verbot, sich ein Bild von Gott zu machen. Man verehrt, was man nicht sieht und was zudem keinen Namen kennt, was „eine Zurücksetzung der sinnlichen Wahrnehmung gegen eine abstrakt zu nennende Vorstellung, einen Triumph der Geistigkeit über die Sinnlichkeit, strenggenommen einen Triebverzicht mit seinen psychologisch notwendigen Folgen“ bedeutet. Der Geist siegt über den Körper. Man entscheidet sich „gegen die direkte Sinneswahrnehmung zu Gunsten der sogenannten höheren intellektuellen Prozesse“ und dieser Gott wird „zum Ideal ethischer Vollkommenheit erhoben“ (IX, S. 559 und 563 f.)
Gilt der Sündenfall dem Juden als Vorgeschichte zum Gottesbund mit dem auserwählten Volk, weil mit dem Verstoß gegen das Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen, alle Kultur beginnt, indem man sich von der bewusstlosen Reproduktion des natürlichen Lebens losreißt, so wird dem Christen hingegen von der Ursünde erzählt, die erst mit der Kreuzigung getilgt würde. Sollte darum die „Sohnesreligion“ gegenüber der „Vaterreligion“, sprich: Christentum gegen Judentum Fort- und Weiterentwicklung bedeuten?
Freud (IX, S. 534 ff.) erkennt richtig in Paulus – einem latinisierten Juden - den eigentlichen Begründer der Sohnesreligion, der das Schuldbewusstsein aufgreift als „Erbsünde“, als wäre der Tod dadurch in die Welt gekommen! Freud setzt sie mit dem Mord am Vater gleich, weshalb auch ein Sohn geopfert werden muss, der somit der Definition des Helden entspricht. Der Vater tritt hinterm Sohn zurück, ist tot. Im Abendmahl wiederholt sich die Totemmahlzeit, wenn der Gläubige Blut und Fleisch des Heilands sich einverleibt und „kommuniziert“. Der Fortschritt („Erfolg“?) des Paulus liegt zum einen darin, dass mit ihm die Stammesreligion allen Menschen zugänglich und zugleich zum andern die Beschneidung abgeschafft wird.
Gleichzeitig bedeutet der Fortschritt aber auch Regression, wenn die Höhe der Vergeistigung der Vaterreligion nicht eingehalten werden kann. Denn um erfolgreich zu sein, übernimmt man Riten der bekehrten Völker, stellt gar die Muttergottheit wieder her [vgl. die Geschichte Isis-Io-Maria] und übernimmt das Personal des Polytheismus wenn auch in niederer Position und nach deutschem Steuerrecht in haushaltsnaher Beschäfigung [Teufel, Engel, Heilige, arme Seelen und Minijobber u. a.]. Aberglaube und Magie feiern rüstig Urständ bis hin zu Auferstehung und ewigem Leben, was nicht allein für die Sohnesreligion, sondern auch für deren Geschwisterchen gilt. Erneut triumphieren die Ammonpriester über Echnaton, die mosaische Religion wird zum „Fossil“.
„Nur ein Teil des jüdischen Volkes nahm die neue Lehre an. Jene, die sich dessen weigerten, heißen noch heute Juden. Sie sind durch diese Scheidung noch schärfer von den anderen abgesondert als vorher. Sie mußten von der neuen Religionsgemeinschaft … den Vorwurf hören, daß sie Gott gemordet haben. Unverkürzt würde dieser Vorwurf lauten: »Sie wollen es nicht wahrhaben, daß sie Gott gemordet haben, während wir es zugeben und von dieser Schuld gereinigt worden sind.« Man sieht dann leicht ein, wieviel Wahrheit hinter diesem Vorwurf steckt. … Sie haben damit gewissermaßen eine tragische Schuld auf sich geladen; man hat sie dafür schwer büßen lassen.“ (IX, S. 581)
Unterm Eindruck des Kriegsausbruchs (zum Folgenden Zeitgemäßes über Krieg und Tod, Bd. IX, S. 33 ff., insbesondere S. 49 ff.) ertappt Freud 1915 das Verhältnis des modernen Menschen zum Tod als unaufrichtig. Selbst wenn wir ihn als „natürlich, unableugbar und unvermeidlich“ ansehn, benehmen wir uns, als wäre es anders, schieben ihn beiseite und versuchen ihn tot zu schweigen. Sicher, der eigene Tod erscheint unvorstellbar, wir schau’n nur zu. „So konnte in der psychoanalytischen Schule der Ausspruch gewagt werden: im Grund glaube niemand an seinen eigenen Tod oder, was dasselbe ist: im Unbewußten sei jeder von uns von seiner Unsterblichkeit überzeugt“, allein Kinder setzten sich über Vermeidungsstrategien, den Tod zu nennen, hinweg; „sie drohen einander ungescheut mit den Chancen des Sterbens und bringen es auch zustande, einer geliebten Person dergleichen ins Gesicht zu sagen, wie z. B.; »Liebe Mama, wenn du leider gestorben sein wirst, werde ich dies oder jenes.«“ (IX, S. 49) Sofern wir nicht berufsmäßig mit Todesfällen zu tun haben, wird der einzelne Tod eher als zufällig angesehen, eine Häufung als schrecklich empfunden. Dem Verstorbenen wird nur gutes nachgesagt, Kritik verstummt einstweilen. „Die Rücksicht auf den Toten, deren er doch nicht mehr bedarf, steht uns über der Wahrheit, den meisten von uns gewiß auch über der Rücksicht für den Lebenden.“ (IX, S. 50) Die konventionelle Einstellung werde im Falle des Todes einer uns nahestehenden Person durch den völligen Zusammenbruch ergänzt – weil „Hoffnungen, Ansprüche, Genüsse“ mit begraben werden – als stürben wir mit, sind untröstlich und „weigern uns, den Verlorenen zu ersetzen“ und haben doch ambivalente Gefühle, insofern jeder Andere uns auch fremd bleibt, stände er uns auch noch so nah. Da sind wir nicht anders als die Vorfahren in der Urhorde, die den Tod „als Aufhebung des Lebens“ zwar ernst nehmen, ihn aber zugleich zu einem Nichts herabdrücken [, was Epikur bereits auf die Formel bringt, seien wir, wäre er nicht; sei er, so wir nicht]. Aber schon der frühe Vorfahr lässt auf Kompromisse sich ein: selbst für sich, nicht nur dem Feind, gesteht er den Tod ein, bestreitet aber die Vernichtung des Lebens, indem das Individuum in Leib und Seele zerlegt wird. Erinnerung an Verstorbene wird grundlegend für die Fiktion anderer Lebensformen und die Idee eines Lebens nach dem Tod. Der Religion gelingt es gar, diese Vorstellung vom Leben als erstrebenswerter als das wirkliche Leben anzusehn. Es wird als Vorbereitung fürs Leben nach dem Tod abgewertet und das Leben selbst somit insgesamt entwertet. Das wirkliche Leben wird zur Spekulation an der Börse und im Tempel.
Gleichwohl: An der Leiche des geliebten Menschen entsteht Ethik und zwar mit dem wichtigsten Gebot überhaupt: Du sollst nicht morden! „Es war als Reaktion gegen die hinter der Trauer versteckte Haßbefriedigung am geliebten Toten gewonnen worden und wurde allmählich auf den ungeliebten Fremden und endlich auch auf den Feind ausgedehnt.“ (IX, S. 55) Aber alle Geister, ob gut oder bös, bleiben nichts anderes als phantastische Ausgeburt des Gewissens. Der Urmensch lebt munter in unserm Unbewußten fort.
„Wenn Gottes Sohn sein Leben opfern musste, um die Menschheit von der Erbsünde zu erlösen, so muß nach der Regel der Talion, der Vergeltung durch Gleiches, diese Sünde eine Tötung, ein Mord gewesen sein. Nur dies konnte zu seiner Sühne // das Opfer eines Lebens erfordern. Und wenn die Erbsünde ein Verschulden gegen Gott-Vater war, so muß das älteste Verbrechen der Menschheit ein Vatermord gewesen sein, die Tötung des Urvaters der primitiven Menschenhorde, dessen Erinnerungsbild später zur Gottheit verklärt wurde.“ (IX, S. 52 f.)
Nach dem Schwarzen Freitag von 1929 zeigt sich jedoch die kleinbürgerliche Seele Freuds, wenn er behauptet: „Das Gebot »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« ist die stärkste Abwehr der menschlichen Aggression und ein ausgezeichnetes Beispiel für das unpsychologische Vorgehen des Kultur-Über-Ichs. Das Gebot ist undurchführbar; eine so großartige Inflation der Liebe kann nur deren Wert herabsetzen, nicht die Not beseitigen. Die Kultur vernachlässigt all das; sie mahnt nur, je schwerer die Befolgung der Vorschrift ist, desto verdienstvoller ist sie. Allein wer in der gegenwärtigen Kultur eine solche Vorschrift einhält, setzt sich nur in Nachteil gegen den, der sich über sie hinaussetzt. Wie gewaltig muß das Kulturhindernis der Aggression sein, wenn die Abwehr derselben ebenso unglücklich machen kann wie die Aggression selbst!“ (Das Unbehagen in der Kultur (1929 f.), Bd. IX, S. 268)
Freud selbst scheint nicht vom Fortschreiten der Geistigkeit und der Sublimierung überzeugt zu sein, die er selbst vor der erstgenannten Schilderung des Kreuzigungstodes als Motiv des Judenhasses – für den sich seit 1879 der falsche und zudem rassistische Begriff „Antisemitismus“ eingebürgert hat – in der „Ablehnung von Magie und Mystik, die Anregung zu Fortschritten in der Geistigkeit, die Aufforderung zu Sublimierungen, wie das Volk durch den Besitz der Wahrheit beseligt, überwältigt vom Bewußtsein der Auserwähltheit, zur Hochschätzung des Intellektuellen und zur Betonung des Ethischen gelangte und wie die traurigen Schicksale, die realen Enttäuschungen dieses Volkes alle diese Tendenzen verstärken konnten“ (IX, S. 534) benennt. Kurz: der Anti-Judaismus wird in seiner Hauptsache als ein Antiintellektualismus erkannt.
Es ist kaum zu glauben, dass Freud den Begriff der Nächstenliebe aus dem Gebot »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« mit der Libido gleichzusetzen scheint. Der das Gebot formuliert hat, dachte sicherlich weniger an Sexualität als an Solidarität. Im resignierenden „solange sich die Tugend nicht schon auf Erden lohnt, wird die Ethik vergeblich predigen“ (IX, S. 268) schwingt wenig Hoffnung mit und erst recht der Verlust von Utopie. Gegen die Resignation und auch wider o. g. zitierten Standpunkt des Olympiers erhebt sich ein von Freud ebenso geachteter Dichter, der den Mose und die „Freiheitsliebe Israels“ mit ganz andern Augen sieht, wenn er schreibt, dass es wahrhaftig „keinen Sozialisten [gibt], der terroristischer wäre als unser Herr und Heiland, und bereits Moses war ein solcher Sozialist, obgleich er, als ein praktischer Mann, bestehende Gebräuche, namentlich in bezug auf das Eigentum, nur umzumodeln suchte. Ja, statt mit dem Unmöglichen zu ringen, statt die Abschaffung des Eigentums tollköpfig zu dekretieren, erstrebte Moses nur die Moralisation desselben, er suchte das Eigentum in Einklang zu bringen mit der Sittlichkeit, mit dem wahren Vernunftrecht, und solches bewirkte er durch die Einführung des Jubeljahrs, wo jedes alienierte Erbgut, welches bei einem ackerbauenden Volke immer Grundbesitz war, an den ursprünglichen Eigentümer verfiel, gleichviel in welcher Weise dasselbe veräußert worden. Diese Institution bildet den entschiedensten Gegensatz zu der »Verjährung« bei den Römern, wo nach Ablauf einer gewissen Zeit der faktische Besitzer eines Gutes von dem legitimen Eigentümer nicht mehr zur Rückgabe gezwungen werden kann, wenn letzterer nicht zu beweisen vermag, während jener Zeit eine solche Restitution in gehöriger Form begehrt zu haben. Diese letzte Bedingnis ließ der Chicane offnes Feld, zumal in einem Staate, wo Despotismus und Jurisprudenz blühte und dem ungerechten Besitzer alle Mittel der Abschreckung, besonders dem Armen gegenüber, der die Streitkosten nicht erschwingen kann, zu Gebote stehn. Der Römer war zugleich Soldat und Advokat, und das Fremdgut, das er mit dem Schwerte erbeutet, wußte er durch Zungendrescherei zu verteidigen. Nur ein Volk von Räubern und Kasuisten konnte die Proskription, die Verjährung, erfinden und dieselbe konsakrieren in jenem abscheulichsten Buche, welches die Bibel des Teufels genannt werden kann, im Codex des römischen Zivilrechts, der leider noch jetzt herrschend ist.
Ich habe oben von der Verwandtschaft gesprochen, welche zwischen Juden und Germanen, die ich einst »die beiden Völker der Sittlichkeit« nannte, stattfindet, und in dieser Beziehung erwähne ich auch als einen merkwürdigen Zug den ethischen Unwillen, womit das alte deutsche Recht die Verjährung stigmatisiert; in dem Munde des niedersächsischen Bauers lebt noch heute das rührend schöne Wort: »hundert Jahr Unrecht machen nicht ein Jahr Recht«. Die mosaische Gesetzgebung protestiert noch entschiedener durch die Institution des Jubeljahrs.
Moses wollte das Eigentum nicht abschaffen, er wollte vielmehr, daß jeder dessen besäße, damit niemand durch Armut ein Knecht mit knechtischer Gesinnung sei. Freiheit war immer des großen Emanzipators letzter Gedanke, und dieser atmet und flammt in allen seinen Gesetzen, die den Pauperismus betreffen. Die Sklaverei selbst haßte er über alle Maßen, schier ingrimmig, aber auch diese Unmenschlichkeit konnte er nicht ganz vernichten, sie wurzelte noch zu sehr im Leben jener Urzeit, und er mußte sich darauf beschränken, das Schicksal der Sklaven gesetzlich zu mildern, den Loskauf zu erleichtern und die Dienstzeit zu beschränken. Wollte aber ein Sklave, den das Gesetz endlich befreite, durchaus nicht das Haus des Herren verlassen, so befahlMoses, daß der unverbesserliche servile Lump mit dem Ohr an den Türpfosten des herrschaftlichen Hauses angenagelt würde, und nach dieser
schimpflichen Ausstellung war er verdammt, auf Lebenszeit zu dienen. O Moses, unser Lehrer, Mosche Rabenu, hoher Bekämpfer der Knechtschaft, reiche mir Hammer und Nägel, damit ich unsre gemütlichen Sklaven in schwarzrotgoldner Livree mit ihren langen Ohren festnagle an das Brandenburger Tor!“ (Heinrich Heine. Sämtliche Schriften, Bd. VI, S. 487f.) Man verwechsele mir nicht das hebräische Jobeljahr mit dem Kindskram des apostolischen Jubeljahrs, wenn alle 25 Jahre die Goldene Pforte geöffnet wird: nach Levitikus 25, 8 ff. sind nach sieben mal sieben Sabbatjahren Sklaven frei und Schulden zu erlassen. Ähnliches gelang m. W. nur dem Solon, als der 594 zu Athen die Schuldknechtschaft abschaffte durch „Lastenabschüttelung“, so etwas wie ein geordnetes Insolvenzverfahren, das noch von Aristoteles für wichtiger gehalten wurde als die Verfassung Athens.
Nachtrag zum gestrigen (3. 8. 2019) Beitrag:
Genau ein altes "daß" war zu korrigieren -
alle anderen in den wörtl. Zitaten bleiben
erhalten.