Was ist neu

Der Hunger hinter dem Schweigen.

Status
Keine weiteren Kommentare möglich.
Seniors
Beitritt
26.10.2001
Beiträge
1.572
Zuletzt bearbeitet:

Der Hunger hinter dem Schweigen.

Der Hunger hinter dem Schweigen.+edit. Version

Der Hunger hinter dem Schweigen.

Die große Stadt sog sie alle in ihren Wirbel aus Hoffnung und Enttäuschung hinab. Alle die suchenden, resignierten, die übermütigen und verzagten, die gleichgültigen wie auch die wachen Menschen, sie trieben planlos vor sich her in der Dunkelheit der sternenklaren, kalten Frühlingsnächte, wurden hineingesaugt in das warme, laute Getümmel der Bars und Bistros.
Hier durften sie sein, was immer sie waren oder zu sein vorgaben, denn niemand würde es in diesem Reigen der Unterschiedlichkeiten bemerken, und wenn, dann bliebe immer noch genügend Raum, sich zurückzuziehen, oder zumindest, um sich anderen Dingen hinzugeben ohne dass das als Flucht vor einer Verbindlichkeit ausgelegt werden könnte.
So ging auch er an jenem Abend in die Stadt.
Er hatte sich sorgfältig zurechtgemacht, einen passenden Duft angelegt, die Haare mit Stylingschaum aufgepeppt und ein kleines Lederbändchen mit einem winzigen, silbernen Delfin und einem Haifischzahn um den Hals gelegt.
Alles waren wohldurchdachte Signale an einen noch unbekannten Menschen, dem er heute Nacht zu begegnen hoffte.
Nach dieser anstrengenden Woche gedachte er sich mit einem Abendessen zu belohnen und wählte dafür ein Restaurant, an welchem er immer auf dem Weg zu seiner Stammkneipe vorbeikam, dort aber noch nie gegessen hatte. Das von ihm gewählte Hirschragout schmeckte ausgezeichnet.
Es schmeckte ein bisschen herb, aber doch mit jenem edlen Anklang von Rotwein und einer Spur Wachholder, geschmeidig in den weichen Geschmack von Sahne gebettet.
Ein alter Whiskey aus den Lowlands rundete diesen Genuss ab.
Der erste Teil seines Hungers war gestillt.
Als er wieder durch die klare Kälte jener Märznacht ging, den Mantelkragen hochgeschlagen, beschloss er, auch einmal wieder in all jenen Bars vorbeizuschauen, in die er schon lange nicht mehr gegangen war – einfach nur so, einfach um zu sehen, ob er vielleicht etwas neues, anderes entdecken würde.
Er ging in die Kneipen hinein, schaute sich um, entdeckte aber nichts, was sein Interesse hätte wecken können und verließ die fremden Räume wieder, bevor ihn jemand wirklich wahrnehmen konnte.
Letztenendes landete er doch wieder in einer seiner Stammkneipen, entdeckte einen freien Platz am Tresen, fragte ein dort lesendes Mädchen ob einer der zwei Barhocker neben ihr noch frei sei, setzte sich hin und bestellte ein Bier.
Sie schenkte ihm ein Lächeln, schaute ihn kurz, wie ihm schien prüfend an, lächelte nochmals, fast so, als würde sie ihn wiedererkennen und wandte sich erneut ihrem Buch zu.
Sie las in einem Buch, welches in einer ihm unbekannten Sprache verfasst und mit Abbildungen griechischer Gottheiten versehen war.
Dann kam ihr Begleiter und setzte sich zwischen sie.
Bald schon entspann sich ein Gespräch über die Gleichgewichte des Lebens, über den Sinn des Bösen in der Welt, über die Gründe, sich weiter zu entwickeln, über die Notwendigkeit der schmerzlichen Erfahrungen.
„Sei mal ehrlich, verändert dich das Glück, oder der Schmerz?“ Wollte er von ihrem Begleiter wissen.
„Welchen Grund gibt es denn, sich im Zustande des Glücklichseins verändern zu wollen? Das ist doch der Zustand, nach dem man schon so lange gesucht hat, also möchte man jene Momente so lange auskosten, wie nur irgend möglich. Wenn du aber nicht glücklich bist, strebst du danach, diesen unglücklichen Zustand in einen Moment des Glücks zu verwandeln. Nur deshalb suchst du weiter und nur deshalb bewegst du dich und lernst.“
Er hatte zwar zu ihrem Begleiter gesprochen, aber sie dabei angeschaut.
Sie nickte eifrig und schaute ihm dabei tief in die Augen.
Ihr inneres Strahlen erfasste ihn mit ungewohnter Intensität.
Es war, als würde ihm ein Schwall kalten Wassers über sein Haupt gegossen - er war hellwach, alle seine Sinne geschärft aber schon hub sein Gegenüber zu einer Erwiderung an und sie zog sich und ihr Strahlen wieder zurück, gleich einer Wolke, welche den Strahlenden Mond verdeckt. Der Begleiter begann in ungewohnter Vehemenz über all das Böse auf der Welt zu sprechen und offenbarte dabei seine Schwächen.
„ Kann es sein, dass dir gerade das Herz brennt?“ fragte er den Begleiter.
Dieser sah in fassungslos an und nickt stumm.
Sie reckte sich zeitgleich in die Höhe und klatschte in die Hände.“ Ja, ja, genau, das ist es!“ rief sie aus und trug mit diesem Ausbruch zur steigenden Verwirrung ihres Begleiters bei.
„Wie meinst du das?“ fragte er schließlich. „Woran siehst du das?“
Die beiden sahen ihn erwartungsvoll an. Bedächtig trank er einen Schluck Bier, leerte das Glas vollständig, drehte sich zum Barkeeper um und bestellte ein frisches Bier.
Die gespannte Neugier wurde fast greifbar, die Geräusche und die Musik schienen sich von ihnen zu entfernen.
Ein eigenes, kleines Dreieruniversum war entstanden.
„Nun“ hub er schließlich zu reden an; „Du möchtest doch so gerne gut sein und die Welt im Sinne des guten verändern, aber in dir brodelt doch so viel Wut und Enttäuschung, dass sie die Tat des guten in dir überdeckt und somit fast unmöglich macht, weil du glaubst, gleichs mit gleichem vergelten zu dürfen.
In deinem festen Willen, ein guter Mensch zu sein, vergisst du, dich auch deiner dunklen, wütenden, zerstörerischen Seite zuzuwenden und deren Kraft durch die Erkenntnis ihres Ursprungs und durch die Anerkenntnis ihrer Wirkungsweisen in eine positive Wirkungsbahn umzulenken. Du bist in dir nicht ganz, denn du kennst und akzeptierst deine dunklen Seiten nicht wirklich. Deshalb bist du nicht glücklich. Du kannst es gar nicht sein, denn du läufst wie eine Bombe durchs Leben die jede Sekunde explodieren kann, die Lunte in dir hat den Sprengstoff deiner negierten Ängste und Negativa fast erreicht. Alles was dich von deinem Ziel scheinbar abhält, wird sofort von dir hinweggesprengt, du hast keine innere Ruhe das Schöne zu erkennen und zu genießen. Du fühlst es, kannst aber nichts daran ändern, das erzeugt neue Angst und neue Wut in dir und deshalb brennt dein Herz.“
Der Begleiter schaute ihn noch irritierter an. Sein Blick wandte sich ihr zu, als sie erneut aufsprang und fast schon jubelnd ausrief“: Ja genau, das habe ich ihm auch schon gesagt!“
„Sag es anders“ bat er und wendete sein Gesicht erneut in seine Richtung.
„ Ich glaube zu verstehen was du mir damit sagen willst, aber ich begreife es noch nicht richtig.“
„Ich wollte dir sagen, dass ich deutlich zu spüren glaube, dass du in dir gespalten bist und deshalb immer wieder explodierst. Damit machst du dir aber das Leben schwer und auch das Leben derer, die dich auf deinem Weg begleiten wollen, denn du verstehst ja oft selber nicht, woher all die Wut in dir kommt, die sich da gewaltsam ihre Bahn bricht, ohne dass du sie kontrollieren könntest. Das macht dir zu schaffen, weil du es nicht verstehst und keinen Ausweg siehst.“
Daraufhin starrte der so Angesprochene blicklos auf einen Imaginären Punkt im Raum.
Mit einem Mal beugte sie sich über den Tresen, streifte sein Gesicht mit ihrer ausgestreckten Hand und sagte:
“ Ich möchte dich küssen.“
Er war erfreut und überrascht zugleich. Verwirrt stellte er fest, dass Ihre Zunge sich einen Weg ins innere seines Mundes suchte.
Ihre Blicke in den seinen verschränkt, löste sie ihren Mund von seinem Gesicht und lehnte sich zurück.
Ihr Begleiter lächelte etwas hilflos. Dann erhob er sein Glas, nur um irgendwas zu tun und prostete ihnen zu.
„Was ist das eigentlich für eine Sprache, in der das Buch geschrieben ist?“ fragte er in den wiederkehrenden Kneipenlärm hinein.
„Litauisch“ antwortete sie, lächelte, und wandte sich, so, als sei das ihr Stichwort gewesen, wieder ihrer Lektüre zu.
Er trank erneut.
Der Begleiter unterbrach seinen starren Blick, mit welchem er in sich versunken eine Stelle der gegenüberliegenden Wand fixiert hatte, um sich ihm erneut zuzuwenden und die Frage: „ Was ist denn verkehrt daran, wenn ich mich über das herrschende Elend und die Ungerechtigkeit empöre?“ zu stellen.
„Vielleicht die Form in welcher du es tust?“ Antwortete er prompt.
„Empörung über einen Missstand ist sicherlich gut und notwendig. Aber die Form der Empörung entscheidet darüber, ob du dich ins Recht, oder ins Unrecht begibst und damit deine Empörung entweder wertvoll und sinnvoll im Sinne einer Tätigen Konsequenz oder zu etwas negativem, deine berechtigte Empörung entwertendem machst.“
„Ich bin aber schon immer sehr aufbrausend gewesen, und ich fand es immer richtig so.“ Entgegnete er fast schon hastig und leerte sein Glas mit einem gewaltigen Schluck. Dann versuchte er, seinem eindringlichen Blick standzuhalten der von der Frage; „ Ist das wirklich so? Ich meine, dass es auch heute noch für dich in Ordnung ist, wenn du dich aufregst und durch deine Aggressivität Türen zuwirfst, die du lieber offen gehalten hättest“ begleitet wurde.
Sie schaute aufmerksam von ihrem Buch auf und betrachtete erst ihren Begleiter mit einem nachdenklichen Blick um ihn anschließend erneut mit unergründlicher Tiefe anzuschauen und wiederum geheimnisvoll zu lächeln.
Dann stand er auf, um in den Keller zur Toilette zu gehen.
Als er wieder herauskam, stand sie vor der Türe auf dem Flur.
Lächelnd.
Begehrenswert.
Mit den Worten“ Ich will dich“ schlang sie ihre Arme um ihn und begann ihn voller Glut zu küssen.
Sie zog sich ein Stück an ihm empor und umklammerte mit ihren Beinen die seinen, brachte ihr Geschlecht vor seins und rieb sich voll Verlangen an ihm.
Er wuchs ihr entgegen.
Menschen gingen an ihnen vorbei.
Nichts war wichtig.
Sie war da, in seinen Armen.
Ein Zittern durchdrang sie beide.
„ Ich will dich, aber es geht nicht“ sagte sie leise und löste sich von ihm.
„ Ich weiß, es ist nicht schlimm“ entgegnete er und strich ihr zärtlich durchs Haar, während er sie bewundernd anschaute.
So schön, so jung, so voller Leben, und dennoch hatte ihr Blick etwas unendlich trauriges an sich.
Er zog sie in Richtung Treppe.
„ Ich will dich wirklich“ flüsterte sie und presste sich erneut an ihn, nahm seine Hand, legte sie auf ihre Brust unterhalb ihres Pullis und erschauerte als er begann mit fiebrigem Verlangen ihre warme, duftende Brust zu küssen.
„ Aber es geht nicht“ sagte er schließlich und befreite sich sanft aus ihren Armen.
„Danke für diesen schönen Augenblick“ sagte er, küsste sie nochmals zärtlich auf die Stirn, nahm sie bei der Hand und wollte die Treppe emporsteigen.
„ Augenblick. Ich muss auch mal“ lachte sie, ging auf die Damentoilette zu, trat ein und schloss die Türe hinter sich.
Wieder an seinem Platz angekommen, nickte er dem Begleiter zu, trank einen großen Schluck Bier und zündete sich mit bebenden Fingern eine Zigarette an.
Als sie wiederkam griff er in seine Tasche, holte Bleistift und Zeichenblock heraus und begann sie zu zeichnen, während sie sich angeregt mit ihrem Begleiter unterhielt.
Immer wieder sah sie ihm zwischendurch ruhig, mit tiefem Blick in die Augen.
Er beendete die Zeichnung, legte sie ihr zur Begutachtung vor, nahm den Block wieder an sich und schrieb darunter: „ Der vergebliche Versuch, dich einzufangen“, unterschrieb das Bild, riss es vom Block und reichte es ihr wortlos.
Sie betrachtete es lange.
Ihr Begleiter starrte unverwandt auf eine unbestimmte Stelle im Raum.
Dann endlich faltete sie die Zeichnung zusammen und legte sie sorgsam zwischen die Seiten ihres Buches.
Nun ergriff sie den auf dem Tresen liegenden Bleistift und begann etwas auf den Rand einer Zeitung zu schreiben, welche vor ihrem Begleiter auf dem Tresen lag.
Der Begleiter las es, während sie schrieb und nickte dann unmerklich.
Sie schob es, nachdem sie mit Schreiben geendet hatte zu ihm hinüber und er las: „Der Kuss ist vorbei, für immer.“
Er sah auf, direkt in ihre Augen, fand so etwas wie Bedauern in ihrem Blick und nickte langsam.
Dann stand er auf, um zu bezahlen, packte Block und Bleistift ein, zog seinen Mantel an, klopfte dem Begleiter auf die Schulter und gab ihr einen letzten behutsamen, zärtlichen Kuss.
Ihre Hand streifte sein Bein, bevor er ging.
In der Kühle der Nacht fühlte er erneut den Hunger hinter dem Schweigen.

 

Hi Lord

Vielleicht wäre als Titel "der Hunger hinter dem Reden" eindeutiger.
Das Problem an deiner Geschichte ist meiner Ansicht nach, dass sie einerseits zu philosophisch ist, um Alltag zu sein und andererseits die Moral in die Richtung „Weniger Philosophieren, mehr leben“ zu gehen scheint. Diese Zweiteilung in hochgestochene, philosophische Dialoge und auf der anderen Seite eine Art Liebesgeschichte außenrum tut meiner Ansicht nach der Lesbarkeit nicht gut. Stark fand ich die Szenen ohne unterbrechende Dialoge, besonders der letzte Teil hat mir sehr gut gefallen. Aber die Abhandlungen über das Glück kommen mir allzu moralisch und gezwungen daher, nebenbei wird dadurch der Prot unweigerlich karikiert, da er sozusagen sich selbst widerlegt.

Auch ist das Spannungsfeld nicht stark genug, die Reden des Prot wirken teilweise überheblich und die unterwürfige Reaktion des Begleiters stört von vornherein. Davon abgesehen hatte ich manchmal Probleme, die beiden Männer auseinanderzuhalten.
Vielleicht bin ich auch einfach zu müde :)

aber schon hub sein Gegenüber zu einer Erwiderung an und sie zog sich und ihr Strahlen wieder zurück

wer braucht denn sowas wie „hub an“, wenn er ein paar Worte weiter was wie „sie zog sich und ihr Strahlen wieder zurück“ bringen kann? Weniger ist oft mehr, Thomas Mann ist tot.
Wie gesagt, wenn die Dialoge etwas leichtfüßiger wären, hätte die Story meiner Meinung nach durchaus Potential.

Gruß
wolkenkind

 

Hallo Wolkenkind.
Es ist mal wieder so eine meiner Geschichten, die das Leben schrieb und ich habe abgeschrieben. Ich hatte dabei vielleicht nicht den "großen Literarischen Wurf" im Auge, sondern den Alltag, wie er halt auch passiert einzufangen und meine Schlüsse daraus zu ziehen... mag sein, dass Thomas Mann tot ist, leider, aber dafür lebt der Lord mit seinem mittlerweile berüchtigten
" altmodischen" Lord - Stil.
Ich danke Dir aber fürs lesen und fürs kommentieren.
Es ist nicht auszuschließen, dass ich da noch editiere, aber da sich der Verlauf dieser nicht mal anderthalb Stunden genauso abgespielt hat, wollte ich weder dazudichten, noch weglassen. Es ist schlicht so passiert... dem muss man auch in der "Literatur" manchmal versuchen Rechnung zu tragen.Deshalb steht es auch in "Alltag"
Gruss
Lord

 

Nachtrag.
Von wegen zu philosophisch und hochgestochen:
Es ist schon erstaunlich, welche Wendungen manchmal Alltagsgespräche nehmen können... ich bin immer öfter geneigt, den Alltag so zu beschreiben wie er passiert, nicht, wie man ihn gerne schriftstellerisch geglättet und mundgerecht seviert lesen möchte.
letztlich soll das ganze ja auch zum Denken anregen...was da jeder für sich mitnimmt, bleibt ihm überlassen... Das ganze war zumindest MEIN Fazit
von etwas geschehenem, keine fiktive Bastelei...
Lord;) :D

 

Liebes Brüderchen,

es ist nur so, dass Wolkenkind genau das geschrieben hat in seiner Kritik als habe es meine Gedanken lesen können. Treffender hätt ich es nicht schreiben können.

Deine Geschichte ist ja nicht schlecht, durchaus nicht, jedoch es geht hier doch nicht um einen Tatsachenbericht, sondern um eine Botschaft, die du geben möchtest. Was hindert dich daran, Fiktives hinzuzufügen, um die Geschichte spannender und runder und aussagekräftiger zu machen?
Doch eigentlich nichts, oder? Brüderchen nun solltes du dir nicht selbst im Weg stehen.


Lieben Gruss vom Schwesterchen :kuss:

 

Hallo Lord,

für mich hat der Text in so manch einer seiner Passagen einen Erzählstil, den ich auch in für mich nicht fremden Märchen vorgefunden zu haben glaubte. Soviel dazu.

Es ist für mich eher ein Text, der im philosophischen Bereich einzuordnen wäre. Teilweise hat er Tiefgang, den du jedoch nicht konsequent durchzuhalten vermagst.

Er gefällt wohl, bezaubert jedoch nicht.

Liebe Grüße an dich, Lord - Aqua

 

*seufz* ich seh´schon, ich muss mich nochmal dransetzen...
Danke soweit für eure Mühe...
Lord

 

Hey, Brüderchen *tröst* nimm's nicht so schwer. Du schaffst das, das weiß ich genau, weil du nämlich schon brillante Texte hier gepostet hast. *kopfhochunddurch*

Und lass dir Zeit, mein Lieber, denn manchesmal ist es besser, wenn man etwas Abstand zu seiner Geschichte findet. Es gelingt einem besser, es wie ein neutral von aussen Kommender zu betrachten.
Und eines möchte ich noch zum Abschluß unbedingt sagen: deine Geschichte ist keineswegs schlecht!

Bussi Schwesterchen

 

Hallo Lord Arion,

also das „hub“ hat mich auch gestört, Du solltest durchgängig entweder `altmodisch´ oder `modern´ schreiben, so wirkt es unentschlossen.(Wobei `modern´ wohl eher dem Text entspricht.
Natürlich kann man nicht viel dagegen sagen, wenn Du sagst, es sei so gewesen. Da der Text aber keine Reportage ist, urteilt der Leser einfach `vom Blatt weg´. So gesehen ist die Motivationslage des Mädchens für mich nicht nachvollziehbar, und die Diskussion wirkt konstruiert, reden die Leute wirklich so?
So manch kleine Bilder, wie das vom Essen, sind durchaus gut getroffen.

Tschüß... Woltochinon

 

Danke, ihr beiden... das macht Mut.
Ja, die gefühlslage des mädchens...sie bleibt ein geheimnis für mich... es ist aber auch bei Ihr wohl der Hunger hinter dem schweigen... sie hat fast die ganze Zeit nur zugehört...und dann nach Gutdünken gehandelt ohne weiter nachzudenken... das wird es wohl gewesen sein...
Seid sicher, dass ich für eure Anregungen dankbar bin und sie versuche umzusetzen... aber wie Schwesterchen sagt...ich brauch n bissel Abstand dazu...
Lord

 

Hallo Lord Arion
Abstand zu oder von den Dingen ist fast immer gut...
aber manchmal auch nicht.
waldfee

 

Der Hunger hinter dem Schweigen. (Editierte Version)


Die Nacht zog sie alle in ihren Bann.
Die Stadt lockte sie alle zu sich und sie kamen wie die Motten zum Licht.
So unterschiedlich sie auch waren, aus welchen Gründen sie auch in die Stadt gingen, es war wie ein mächtiger Sog, der sie alle vereinte.
So ging es auch mir an jenem Abend.
Ich hatte das unbestimmte Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich heute Zuhause bleiben würde.
Ich duschte und rasierte mich sorgfältig, legte einen Duft an, von dem ich hoffte, er würde einer mir noch unbekannten Nase gefallen, legte mein Lederbändchen mit dem kleinen silbernen Delfin und dem Haifischzahn um und ging in die Stadt.
Zuerst wollte ich etwas essen gehen, um dann gestärkt der weiteren Dinge zu harren, die da auf mich zukommen mochten.
Ich entschied mich für Hirschragout mit Waldpilz-Sahne-Rotweinsoße, dazu einen kräftigen Rotwein und rundete das Ganze mit einem Singlemalt-Lowland-Whiskey ab.
Entgegen meiner üblichen Gewohnheiten begann ich auch einmal wieder in all jene Kneipen und Bars zu schauen, an denen ich sonst immer vorbeizugehen pflegte.
Ich ging jeweils hinein, schaute mich um, sah aber nichts, was mein Interesse erregt hätte und verließ die Lokalitäten wieder, bevor man mich richtig wahrnehmen konnte.
Zu guter Letzt landete ich doch wieder in der "SonderBar“ meiner Stammkneipe, erspähte zwei freie Plätze am Tresen und fragte das Mädchen, welches lesend neben diesen zwei Plätzen saß, ob einer der Barhocker frei wäre.
Sie schaute kurz auf, lächelte, nickte bejahend und wandte sich dann wieder ihrer Lektüre zu.
Nachdem ich mich gesetzt und ein Bier bestellt hatte, schaute ich mich um. Ich entdeckte nur wenige bekannte Gesichter und begann daraufhin verstohlen das Mädchen zu beobachten.
Sie hatte ein gleichmäßig sanftes Gesicht, braune Augen, welche durch ihre kurzen, schwarzen Haare gut zur Geltung gebracht wurden. Dann fiel mein Blick auf das Buch, in welchem sie las.
Lateinische Buchstaben, aber in einer mir unbekannten Sprache.
Es musste etwas mit Geschichte oder Kunstgeschichte zu tun haben, denn das Buch war mit antiken Göttinnen illustriert.
Ich muss wohl etwas zu intensiv geschaut haben, denn sie hob ihren Blick vom Buch und schaute mir offen und direkt in die Augen. Ich fühlte mich ein wenig wie ein ertappter Sünder, sprach sie auf das Buch an, und fragte sie, in welcher Sprache es denn verfasst sei. Sie begann wieder auf ihre nette Art zu lächeln und gab zur Antwort: „Litauisch“. Dann kam Ihr Begleiter von der Toilette zurück.
Ich glaubte ihn schon vorher hier gesehen zu haben, war mir aber nicht ganz sicher, ob mir das in angenehmer Erinnerung war, denn etwas an seinem Gesicht kam mir fast unangenehm bekannt vor.
Das ist sowieso so eine Schwäche von mir. Gesichter und Ereignisse merke ich mir gut, Namen dagegen vergesse ich fast sofort wieder.
Ich fragte die beiden nach ihren Namen, nur um sie sofort wieder im Orkus meines Hirns zu verlieren.
Dann entspann sich ein Gespräch zwischen ihm und mir.
Ich vermag nicht zu sagen, welche Teufel uns da geritten haben, aber wir landeten schnell bei dem guten alten Hamlet-Thema: „sein, oder nicht sein“ dem Sinn des Lebens überhaupt und dem ganzen Kram.
Sie hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu.
Er und ich gaben uns redlich Mühe, gedanklich zu brillieren. Zwei Gockel auf dem Mist.
Aufgeplustert, in die Brust geworfen, mit den Schillernden Schwänzen unserer Gedankenkonstrukte Werbung treibend. Natürlich hätte ich ihn mir meilenweit weg ins hinterste Timbuktu gewünscht, aber hier saß er nun mal... und ich vermute mal, dass es ihm mit mir nicht großartig anders ging, aber hier saß ich nun mal und wir mussten die Form wahren. Selbstredend taten wir beide unser bestes, eigentlich SIE anzusprechen, während wir den Anschein aufrecht erhielten, uns angeregt zu unterhalten und das alles wunderbar zu finden.
Ich denke im nachhinein, dass sie das alles von Anfang an durchschaute, es aber nichtsdestotrotz prickelnd fand.

Wir waren mittlerweile bei der Frage angelangt in wiefern das Leben und das Universum durch Gleichgewicht bestimmt wird, über den Sinn des „Bösen“ in der Welt, als Gegengewicht zum „Guten“, und darüber, dass es ohne diese Gegensätzlichkeit zu einem Kräfteparadoxon kommen müsste, sprich: wenn es keine Gegensätzlichkeiten gäbe, sich die herrschenden Kräfte egalisieren müssten.
Ich machte das an einer gewagten (und äußerst einseitigen, fast manipulativen)Theorie fest.
„ Schau mal,“ sagte ich. „ Was beeinflusst einen Menschen mehr oder bringt ihn dazu, sich zu verändern. Glück, oder Schmerz?“ Sie schaute mich aufmerksam an und ich fuhr fort, ohne ihm die Chance zu geben, etwas darauf zu erwidern. „Es gibt doch im Zustand des Glücklichseins keinerlei Grund, sich, oder den glücklichen Zustand verändern zu wollen, denn man IST glücklich und das ist gut so. Nach diesem Glück hast du doch schon so lange gesucht, nun hast du es endlich erreicht und die Stagnation des Handelns oder der Suche nach Veränderung setzt nun ein. Bist du dagegen unglücklich, wirst du doch durch diesen Zustand des nicht- glücklich- seins auf die Suche getrieben. Ergo, du veränderst deine Lebensumstände und dadurch auch dich und dein Leben.“
Er schwieg und starrte auf die gegenüberliegende Wand.
Sie hingegen nickte eifrig und strahlte mich an.
Ich fühlte mich gigantisch!
Dann kam der Konter seinerseits.
Er sagte“: Aber was kann das Gute auf der Welt ausrichten, wenn das Böse so mächtig und so omnipräsent ist?
Für mich bedeutet das doch letztenendes nur, dass ich, wenn ich versuche gut zu sein, andauernd der Arsch bin und eine reingesemmelt kriege. Deshalb vergelte ich lieber gleiches mit gleichem, oder bin lieber derjenige, der zuerst zuschlägt. Präventiv sozusagen.“
Er hatte nun mir gegenüber den Nachteil, dass er sich deutlichere Blößen im Gespräch gab. Er konnte seine Aggressionen nicht gut genug verbergen und somit den Anschein eines souveränen Gegenübers nicht lange aufrecht erhalten.
Wie die Schlange eine Maus anschaut, bevor sie zuschnappt, fixierte ich ihn und legte ihn mir argumentativ zum Verspeisen zurecht. Nachdem wir mit unseren Gläsern angestoßen hatten und tranken, fragte ich ihn unvermittelt: „ Sag mal, kann es sein, dass dir gerade das Herz brennt?“ ( Billig, billig, aber gut.)
Touche´!
Sie sprang vom Stuhl auf, klatschte in die Hände wie ein Kind und rief: „Ja, genau das ist es!“
Er schaute mich fast schon entsetzt an, und fragte unsicher: „Wie meinst du das? Wie kannst du das denn sehen?“
Ich hatte mit einem Mal alle Zeit der Welt.
Beide sahen mich nun voll gespannter Erwartung an.
Der Raum um uns herum verdichtete sich zu einem eigenen, kleinen Dreieruniversum in dessen Mitte nichts mehr von außen hereinzudringen schien. Die Musik und die Gespräche der anderen Gäste waren fast vollständig ausgeblendet.
„ Du nimmst für dich in Anspruch gut zu sein. Gleichzeitig benutzt du mit größter Selbstverständlichkeit die Waffen des Bösen, weil du ja der Auffassung bist, gleiches mit gleichem vergelten zu dürfen. Da du aber zuviel über dich weißt um dich noch auf Unwissenheit deinem Inneren gegenüber herausreden zu können, kollidiert das Wollen mit dem tatsächlichen Handeln in dir. Du siehst es, du spürst es, du weißt, dass das nicht das Richtige ist, was du tust und wie du es tust, siehst aber keinen anderen Ausweg. Deine Wut und deine Enttäuschung in dir brennen so stark und du sehnst dich so nach Frieden und Liebe, dass es schmerzt, aber du lässt keinen Frieden zu. Weder in dir, noch um dich herum. Du siehst doch nur noch Feinde. Du glaubst doch, dich immer nur verteidigen zu müssen. Deshalb brennt dein Herz.“

Er schaute mich fragend an. „ Kannst du das noch genauer sagen?“
„ Ich versuch`s.“ Entgegnete ich und bestellte mir noch ein Bier.
„ Ich habe den Eindruck, dass du in dir gespalten bist und diese Spaltung verhindert, dass du deinem heißersehnten Ziel nach Frieden und Liebe, nach Sicherheit und Geborgenheit näher kommst. Solange du selber wie eine tickende Zeitbombe durchs Leben läufst, die jeden Moment dir und deiner Umwelt um die Ohren fliegen kann, solange wirst du keinen Ort auf der Welt finden können an dem du dich sicher fühlen kannst. Weder sicher vor der Welt, noch sicher vor dir selbst.
Das spürt auch deine Umgebung und der Teufelskreis aus dem du herauswillst schließt sich wieder.
Ist es nicht so, dass du dein eigenes, explosives, also im besten Sinne gefährliches und un- sicheres Verhalten auch jedem anderen unterstellst, der dir begegnet? Warum auch nicht. Du traust dir selbst nicht über den Weg, wie also solltest du anderen trauen können?
Schließlich verbirgst du deinen inneren Zwist ja geschickt vor den anderen und denkst deshalb logischerweise, wenn ich das mache, ( und ich bin ja der Gute), dann machen das auch die anderen so, ( denn das müssen ja die bösen sein) also Vorsicht!
Deshalb findest du eher den Konflikt, als die Harmonie. Deshalb herrscht bei dir auch in der Liebe Krieg.“

Er starrt wiederum blicklos auf einen imaginären Punkt auf der gegenüberliegenden Wand und zog wortlos an seiner Zigarette.
Mit einem Mal beugte sie sich zu mir hinüber, berührte meine Wange mit der Innenfläche ihrer Hand und sagte: „ Ich möchte dich küssen.“
Ich war für einen Moment erstaunt und das Erstaunen wechselte in Verblüffung, als sich Ihre Zunge einen Weg ins Innere meines Mundes suchte. Es war erregend, sie zu spüren und zu schmecken. Sie schmeckte nach einer Mischung aus Bier, Zigarette und einem ganz schwachen Hauch Schnittlauch aber keinesfalls unangenehm.
Dann zog sie sich genauso plötzlich zurück wie sie sich auf mich zubewegt hatte, lächelte mich an und vertiefte sich, so, als ob nichts gewesen sei, wieder in ihrem Buch.

Mit einem kurzen Ruck, so als risse er sich von etwas los, stellte er mir die nächste Frage.
„ Was ist denn verkehrt daran, dass ich mich über das schlechte auf der Welt empöre und wütend darüber bin und versuche, es zu bekämpfen?“
„ Im Prinzip nichts.“ Antwortete ich. „Aber vielleicht ist die Art und Weise wie du das machst nicht angemessen und verkehrt so dein gutes Bestreben in das Gegenteil.“
„Aber ich war schon immer so, ich meine, aufbrausend und unbeherrscht und ich fand es immer ganz Ok. so.“ Entgegnete er prompt.
„ Na, aber warst du denn glücklich dabei, wenn du immer nur Zoff um dich rum hattest? Zumindest nehme ich das jetzt mal an, denn jemand der ständig aufbraust und sich angegriffen fühlt, selbst wenn der andere nur seine Meinung sagt, ohne dich direkt angreifen zu wollen erkennst du das nicht und schlägst um dich. Zumindest sagtest du das vorhin über dich selber. Wie also sollte da Frieden in dir herrschen, oder du dich sicher fühlen können? Das ist es doch, was ich die ganze Zeit meine.“
„Da ist was dran.“ Meinte er schließlich und schaute langsam von mir zu ihr hinüber. Fragend wie mir schien.
Sie wiederum streichelte ihm über den Kopf, und sah zuerst ihn, dann mich nachdenklich an.
Dann begann sie leise zu lächeln.
Das Bier hatte inzwischen seine Wirkung gezeitigt, und ich erhob mich von meinem Hocker, um auf die Toilette zu gehen.
Während ich dann so am Pissoir stand, fragte ich mich, ob ich nicht zu weit gegangen war. Was gab mir denn die Berechtigung, ihn so zu analysieren, meinem Gedankendiktat auszusetzen, ihn vor ihren Augen zu demontieren und bloßzustellen?
„Aber er wollte es doch so“ erteilte ich mir selber die Absolution, schüttelte ab, und wusch mir die Hände in Unschuld.
Als ich die Toilette verlies stand sie mit verschränkten Armen lächelnd an die Wand vor der Herrentoilette gelehnt da und schaute mich erwartungsvoll lächelnd an.
Wie magnetisiert bewegte ich mich auf sie zu und nahm sie in meine Arme.
Sie schlang mir ihre Arme um den Hals, zog sich ein Stück weit an mir empor und begann mich wie selbstverständlich gierig zu küssen.
Ich wuchs ihr entgegen.
Wie verdurstende hingen wir ineinander verschlungen in dem schmalen Flur an die Wand gelehnt und achteten nicht mehr auf das, was um uns herum geschah.
„Ich will dich“ flüsterte sie mir ins Ohr während sie begann ihre Scham an meinem Schwanz zu reiben.
Es knisterte. Alles in mir war Strom und Begehren.
„Ich will dich,“ flüsterte sie nochmals und fügte dann hinzu": aber es geht nicht.“
Dann, um eine Antwort meinerseits nicht zuzulassen, küsste sie mich erneut und noch gieriger als vorher.
Sie nahm meine rechte Hand in die ihre und führte sie unter ihr T-Shirt um sie auf ihre kleine, feste Brust zu legen.
Während ich die Form ihrer Brust genussvoll erkundete bewegte sich ihre Hand zwischen meine Beine und begann die dort entstandene Beule zu massieren.
„Es geht nicht“ sagte sie nochmals, und schaute mich traurig an, ohne jedoch ihre Hand von meinem Geschlecht zu nehmen. „Ich weiß, aber es ist nicht schlimm, nur sehr schade.“ Entgegnete ich leise und strich ihr sanft mit beiden Händen durch ihr strubbeliges Haar.
Ich wollte mich schon von ihr zurückziehen, als sie sich erneut an mir emporzog und mich mit beiden Beinen fest umklammert hielt.
Nun schwebte Ihre Brust direkt vor meinem Gesicht und ich konnte nicht anders, als mit Zähnen, Lippen und Zunge zu genießen und Genuss zu bereiten.
Dann setzte mein Verstand wieder ein.
Ich löste mich von ihr, ließ sie sanft wieder auf den Boden der Tatsachen herabgleiten und wollte mich zur Treppe wenden, mit den Worten: „Du hast recht, es geht nicht, aber es war sehr schön“.
Sie lachte, entzog sich mir völlig und sagte: „Warte, ich muss aber auch mal“ gab mir einen Kuss und verschwand in der Damentoilette. Mit noch vor Erregung zittrigen Beinen ging ich die Treppe hinauf, setzte mich wortlos auf meinen Platz und trank mein Bier mit wenigen, großen Zügen leer.

Dann kam sie zurück, gab ihrem Begleiter einen Kuss, und wandte sich erneut ihrem Buch zu, ganz so, als sei eben überhaupt nichts passiert. Ich musste etwas tun, aber ich hatte keine Lust mehr zum Reden. Dem Begleiter schien auch nicht danach zu sein, denn er fixierte mit abwesendem Blick die gegenüberliegende Wand.
Ich entnahm meiner Tasche einen kleinen Zeichnblock und einen Bleistift und begann sie zu skizzieren.
Als ich damit fertig war, riss ich das Blatt heraus, schrieb darunter: „ Der vergebliche Versuch, dich einzufangen“ und gab es ihr.
Sie betrachtete es lange.
Dann faltete sie die kleine Zeichnung sorgfältig in der Hälfte zusammen und legte sie zwischen die Seiten ihres Buches. Dies getan, ergriff sie meinen Bleistift, nahm die Zeitung die neben ihr auf dem Tresen lag und schrieb etwas darauf. Dann schob sie es mir zu und ich las: „Der Kuss ist vorbei. Für immer.“
Ich nickte.
Alles war gesagt. Es war Zeit zum Gehen.
Ich bezahlte, packte meinen Block und den Stift ein, zog meinen Mantel an und verabschiedete mich mit einem unsicheren Lächeln. Ich war nicht Sieger, aber es war auch keine Flucht.
Es war einfach so, wie es war.
Er schien erleichtert zu sein, mich endlich loszuwerden.
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange, und fasste mir nochmals fordernd, aber zärtlich zwischen die Beine.

Draußen, in der Kühle der Nacht, spürte ich ihn wieder einmal.
Den Altbekannten, den Engvertrauten...
... Den Hunger hinter dem Schweigen

 

Hallo Lord,

vielleicht die erste Geschichte, die ich von dir lese. Dafür aber eine, die meine Erwartung von dir, eine unmittelbare Begebenheit aus dem Leben erzählt zu bekommen, auf Anhieb gleich voll bestätigt.

Ich beziehe mich jetzt mal nur auf die, offensichtlich gekürzte, zweite Fassung.

Was mir so auffiel: Du beginnst Deinen Text mit sehr allgemeinen Äußerungen eines damit offensichtlich allwissenden Erzählers ("Die Nacht zog sie alle in ihren Bann.", [...] lockte sie alle... usf.), ohne jedoch jemals wieder zu dieser Erzählform zurückzukehren. Es mag zwar verführerisch sein, einführend deduktiv vom Allgemeinen aus zu beginnen um ein paar Zeilen weiter (bis zum Schluss) mit dem konkreten, einzelnen Schicksal weiterzumachen. Neben der Inkonsequenz der Erzählform (distanzierter, unbeteiligter Erzähler oder involvierter Ich-Erzähler) stellt sich hier aber die Frage, was die ersten drei Zeilen denn nun mit dem Rest der Erzählung gemeinsam haben sollen. Eine Rechtfertigung für die (anfänglichen) Handlungen des Protagonisten? Weshalb? Begibt sich dieser wirklich nach draußen, weil "die Nacht" ihn "in ihren Bann" zieht? Weil "ein mächtiger Sog" sie alle vereinte? Woher will der Ich-Erzähler das wissen? Oder haben wir es hier wohl eher mit zwei Erzählern zu tun, die sich gleich zu Beginn einander die Hand reichen, während der erste auch schon gleich wieder ausgedient hat?

Kurz gesagt: Der Bruch in der dritten, bzw. noch deutlicher in der vierten Zeile (da sie mit "Ich" beginnt) finde ich aus genannten Gründen einfach zu hart. Die Einführung ist aus meiner Sicht deplatziert und unpersönlich.

Den Absatz "Das ist sowieso eine Schwäche von mir..." würde ich ungedingt herausnehmen. Stell Dir mal die Frage: Bringt diese Feststellung, das der Ich-Erzähler sich nach eigener Einschätzung keine Namen merken kann (na, wie ungewöhnlich... :rolleyes: ) die Handlung voran? Spielt es in diesem Kontext, wo sich sowieso keiner kennt - ob mit oder ohne Namensgedächtnis - irgendeine Rolle?

Die Stelle, an der der Kontrahent des Streitgesprächs entgegnet, er wäre "aufbrausend" und "ungestüm" und fände das auch noch "ganz Ok so" (!) kommt überzogen konstruiert rüber. Man möchte ja meinen, der Ich-Erzähler stellt diesen ganz vorsätzlich - das heißt, im Gegensatz zur tatsächlichen Begebenheit - in ein, zu seinen Gunsten, schlechtes Licht, um das Mädchen, deren Begleiter er ja zu sein scheint, von diesem loszubekommen und an sich zu bringen.

Als belebend empfand ich die gelegentlich eingeworfenen, metaphorischen Umschreibungen im Text, wie die "zwei Gockel auf dem Mist", die "schillernden Schwänze" oder die "tickende Zeitbombe", die der Handlung eine zusätzliche Erzählebene verleihen. Auch, wenn es in jedem Fall nur bei einem kurzen Aufblitzen dieser bleibt.

Im Gegensatz zu wolkenkind's Einschätzung meine ich Deinen gewählten Titel "Der Hunger hinter dem Schweigen" anstelle von "...Reden" sicher besser gewählt. Im Grunde genommen schweigen sie doch alle: die philosphischen Ausführungen bleiben eher Randbemerkung, ähneln eher einer Fußnote, werden als Mittel zum Zweck instrumentalisiert. Sie bleiben niemandem im Gedächtnis haften.
Vielleicht ging es auch dem Mädchen gar nicht so sehr um die gewählten Worte des Erzählers, sondern um so mehr um sein souveränes Auftreten, seine Stärke, die er in dieser so schnell vorüberziehenden Zeit unter Beweis stellen konnte. Vielleicht ist sie auch die alleinige Siegerin dieser Begebenheit, wenn man überhaupt welche zu nennen vermag, da sie den größten Mut aufbrachte - ohne dabei jedoch zu stürzen. Vielleicht hat sie genauso wie eine der Göttinnen in ihrem kleinen Buch gehandelt, denen immer nur eine ganz kurze Begegnung mit den Menschen vergönnt ist, bis sie kurz darauf wieder in unbekannte Ferne verschwinden müssen? In ihr eigenes, innere und verschlossene Reich?


Alles in allem ein Text, der mich zumindest nachdenklich stimmte, da er seine Geheimnisse für sich bewahrt, anstelle sie offen zu legen.


lieben gruß an dich,
die ratte

 

Freut mich, Philo, ich werde die von dir angesprochenen Stellen nochmals überdenken. Danke für deine Gedanken, ich denke, bis Ingolstadt hab ich ihn so weit, dass er auch mir 100% gefällt.
lieber Gruß
Der Lord

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Lord!

eigentlich ollt ich Dir shcon viel früher scheiben, hab den Text einige Male gelesen, aber ich habe keinen Anfang gefunden, für mein Feedback...
Philo hat da was gesagt, das sich ziemlich mit meinem Empfinden überschneidet. Dass der Titel nämlich sehr gut gewählt ist, mit dem Schweigen. Auch ich habe es so empfunden, dass das, was gesagt wird, eigentlich keine Rolle spielt...ausser, dass der Prot selbstsicher auftritt, auch ein Stückweit arrogant und selbstherrlich. Und dies aber selbst auch weiß.
Die Handlungen des Mädchens nachzuvollzeihen fällt mir nicht ganz einfach... eben weil so vieles ungesagt bleibt. Alles bleibt in der Schwebe. Nach was Hunger? Nach Vertrautheit? Erfolg? Liebe?

Stilistisch finde ich den Text sehr gelungen, flüssige ausgeformte Sätze. Den Wechsel vom objektiven Erzähler zum Ich habe ich nicht als störend empfunden.
Schön wirken auch die kleinen Details, das Zurechmachen am Anfang und das Essen, das genaue Beobachten insgesamt.
Such mihc lässt dieser Text sehr nachdenklich zurück.

Im Vergleich zur ersten Version finde ich ihn ein ganzes Stück ausgefeilter, und in der ich-Perspektive gewinnt er noch ein ganzes Stück.

liebe Grüße
Anne

 

@Maus

eigentlich ollt ich Dir shcon viel früher scheiben, ..

Such mihc lässt dieser Text...

Maus, dein origineller Schreibstil ist wirklich einmalig! Da gibt's immer was zu lachen. :thumbsup: :lol:

Aber gib's zu, das sind in Wahrheit verschlüsselte Botschaften, was? Komm schon.. Kannst mir doch nix vormachen, Mensch! hehe... :D


Mal noch ganz im Ernst:

Alles bleibt in der Schwebe. Nach was Hunger? Nach Vertrautheit? Erfolg? Liebe?
Erfolg..? Neee.. Kommt über meinen Eindruck nicht in Frage. Dann würde sie wohl auch eher ein Buch über BWL oder sowas (:D) als über Göttinnen auf Litauisch in der Hand halten! Oder?
Oder war das nur ne Tarnung und sie kann gar kein Litauisch, wollte vielmehr nur ihre Ruhe hinter dem Buch haben..? *grübel* :confused:

 

Naja, Philo, ehrlich gesagt, das würde Sinn machen, ein Buch ist letztlich auch nur ein instrument( wie ne Gitarre) um sich darin, oder dahinter zurückziehen zu können, und nur aufzutauchen, wenn es einem beliebt... danke für diesen Gedankengang.
Auf was es ihr ankam??? ich weiß es nicht, oftmals ist so eine Sexuelle Spontaneität etwas, mit dem man seinedes verdrängen kann, für eine kleine Weile.
Danke für´s Lesen, Maus, Danke, Philo.
Lieber Gruß
Lord

 

hallo Lord,
Für einen Sonntagmorgen, an dem man noch nicht ausgeschlafen ist, ist die Geschichte durch die ewig langen Sätze nicht gerade leichte Kost. Sie erfordert ziemliche Konzentration und die ist dem leser eben nicht immer gegeben. Wenn so etwas gleich zu Beginn einer geschichte steht, wird dem Leser die Motaivation genommen weiter zu lesen.
Ich weiß nicht ob deine Zielgruppe nur die "konzentrierten" Leser sind, oder ob du auch für Menschen schreibst, die sich einfach nur berieseln lassen wollen.
Hervorzuheben sind deine Beschreibungen. Wie du das Aussehen des lesenden Mädchen beschreibst ist bestechend. Kurz, prägnant aber trotzdem bildhaft.
Zudem finde ich, dass du dich etwas zusehr in der beschreibung des "balzgespräches" verlierst. Hier würde die Kürze und Prägnanz der beschreibung genau so passen.
Das gleiche was ich zu deiner Beschreibung des "Balzgespräches" anführte, gilt auch für die Erklärungen die du in deiner geschichte, dem Balzpartner gibst. Erstens sind sie nicht einfach zu verstehen und zweitens finden sie fast kein Ende. Was dazu führt, das man wieder leicht die Lust am lesen verliert.
Zudem stören etwas die Klammersätze und deine Hervorhebung durch Großschreibung. Du kannst so gut Stimmung erzeugen. Versuche mal einen Weg zu finden, die wörtliche Betonung hervorzuheben ohen typografische Mittel zu verwenden. Das wird auch der Leseeignung der Geschichte gut tun.
Was mich auch noch stört, ist, dass du obwohl du so einen hervorragenden Erzählstil besitzt, das Wort "Schwanz" verwendest. Hier fehlt mir auch die Umschreibung, die dir eigen ist.
Aber jetzt zu dem Plott selbst.
Irgendwie hatte ich die Ganze zeit den Eindruck, als diskutierten da nicht zwei Gockel die um die Gunst einer Henne streiten, sondern dass Innere Böse, mit dem Inneren Guten.
Denn in jedem Menschen steckt der Wirklich Gute und der Wirklich Böse.
Das hat mich dann auch bekräftigt, als du die "fastliebesscene" mit der Lesenden beschrieben hast.
Dass Innere Gute, lässt sich vom Inneren Bösen leiten und tut beinahe das, was falsch wäre. Zwar angetrieben von Gelüsten, doch driftet er ab.
Das er dabei so gut wie kein schlechtes Gewissen zeigt, ist der Beweis für mich, Das das Gute dem Bösen nicht zu weit entfernt scheint.
Oh mann, solch philosophischen Weisheiten in aller herrgottsfrühe. Ich glaube ich brauch nen Frühschoppen ;).
Im Großen und Ganzen gefällt mir die Geschichte sehr gut. Die Punkte die man meiner Meinung nach überarbeiten könnte habe ich dir genannt.
Ob du es tust bleibt natürlich dir selbst überlassen.
Ich kritisiere nur, korrigieren oder besserwissen überlasse ich anderen.

Nix für ungut
Henna

 

Moin, Henna. Danke für die Mühe, ich hoffe, die verdiente Maß Weisse hat inzwischen den Weg in deine Kehle gefunden.
Du weißt, dass ich stets dankbar für derlei Kritiken bin, ich werde sie beherzigen, denn schließlich suche ich stets nach dem Möglichen Optimum.
Vielleicht habe ich heute noch die Muße dazu... schließlich ist es draußen grau...
danke. Lord

 
Status
Keine weiteren Kommentare möglich.

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom