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Der Huhu
Klein, nicht besonders hübsch und etwas untersetzt. Das war Klaus. Hinzu kam, dass er nicht fliegen konnte, obwohl er Flügel besaß. Von seinen Mitschülern wurde er deshalb immer wieder gehänselt. In den Pausen, wenn die anderen Uhus stolz ihre Runden flogen und voreinander prahlten, wer am höchsten fliegen konnte, ging Klaus stets zu Fuß. Eine Tasse Kaffee war dabei sein treuer Begleiter. Er hoffte, dass er ihm irgendwann genügend Aufschwung geben würde, um abzuheben. Doch Klaus musste dadurch nur immer zügiger seine Runden gehen, weil er zur Toilette musste.
Da er die meiste Zeit seines Daseins auf dem Boden der Tatsachen verbrachte, bekam er vom Schuldirektor die Aufgabe, die Neuankömmlinge zu begrüßen. Klaus stand dafür winkend am Eingangstor. Mal tat er dies fröhlich, mal hysterisch, je nachdem wie schnell ihn die anderen sahen. Aufgrund seines wilden Winkens bekam Klaus mit der Zeit von seinen Mitschülern den Spitznamen „Huhu“.
Als der Herbst dieses Jahr Einzug hielt, trug der Wind nach und nach die Blätter zu Boden und die Sonne fing an, sich täglich etwas früher zu verabschieden. Klaus beschloss daher, morgens die Blätter vor der Schule zusammenzuharken, als unerwarteter Besuch auftauchte.
Eine hübsche junge Uhu-Dame. Sie musterte Klaus neugierig von oben bis unten und fragte: „Warum fliegst du nicht mit den anderen?“ Klaus‘ Kopfbehaarung plusterte sich vor Scham auf.
„Mir fehlt der richtige Antrieb. Ich habe es schon mit viel Kaffee versucht, aber es half nichts“, sagte er und schaute traurig zu Boden. Die Uhu-Dame lächelte und legte aufmunternd einen Flügel um seine Schultern:
„Ich habe eine Idee, die dir helfen könnte!“ Klaus schöpfte Hoffnung und lächelte. Gemeinsam gingen sie zur Cafeteria. Auf einem Schild stand dort in großen Buchstaben geschrieben: „Gericht des Tages: BOHNENSUPPE“. Beide schauten sich an und Klaus verstand hocherfreut:
„Ich denke, ich weiß, was du vorhast! Der Plan könnte funktionieren!“ Der Huhu griff tief in seine große Federbauchtasche und kramte etwas Kleingeld hervor. Nervös und freudig zugleich bestellte er zwei Portionen.
Gerade als die Uhu-Dame ihm anschließend hungrig einen Teller abnehmen wollte, sagte Klaus: „Oh nein, entschuldige! Die sind beide für mich. Ich überlasse jetzt nichts mehr dem Zufall.“ Während sie ihn verdutzt ansah, holte er tief Luft und schlürfte hastig die beiden Teller leer.
Mit gefülltem Bäuchlein und der Uhu-Dame neben sich, ging Klaus in den großen Pausenhof. Jetzt wollte er es wissen.
„Was schaust du so gespannt?“, fragte die Uhu-Dame.
„Ich warte auf den richtigen Moment“, entgegnete er ungeduldig. Sein Gegenüber runzelte die Stirn und fragte neugierig weiter:
„Was genau glaubst du denn, was passieren wird?“
Klaus überlegte kurz:
„Ich denke, es wird sich eine Art magischer Moment einstellen, bevor ich abhebe … wenn ich denn abhebe.“ Die Uhu-Dame lächelte ihn zuversichtlich an, ging aber vorsichtshalber ein paar Schritte rückwärts. Zu groß war ihre Angst vor der bevorstehenden Druckwelle, die Klaus urplötzlich in ihre Richtung produzieren könnte.
Der Huhu beugte leicht die Knie und breitete seine Flügel aus. Mit zugekniffenen Augen strahlte er eine unbändige Entschlossenheit aus. Das würde sein Moment werden. Klaus Magen begann zu rumoren. Der Klang erinnerte stark an eine Katze, die Ärger suchte. Gase sammelten sich zu einer großen Einheit in seinem Inneren. Sie wollten raus – wie eine Rakete in ihrer Startphase. Klaus hielt die Luft an, baute so viel Druck auf, wie er konnte, und furzte beherzt in sein Federkleid. Er hob ab.
Die Uhu-Dame zog sich aufgrund der starken Geruchsentwicklung, die diese Situation mit sich brachte, leise zurück. Ihr kamen die Tränen. Nicht nur vor Freude. Klaus bekam von alldem nichts mit. Er machte sich einen Spaß daraus, den Blättern, die kreuz und quer von den Bäumen segelten, im Flug auszuweichen. Sein Erfolgserlebnis verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Mitschülern. Sie flogen staunend um ihn herum und riefen:
„Der Huhu kann fliegen! Hallelujah, er kann es ja doch!“ Laut jauchzend vor Stolz flog Klaus noch viele Runden an diesem Tag.
Seither war er öfter in der Cafeteria.
Aber nur wenn es Bohnensuppe gab.