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Der Gedankenleseapparat

Monster-WG
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07.01.2018
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Der Gedankenleseapparat

Mama erwartete mich in der Tür, als ich von der Schule nach Hause kam. Ich sprintete die letzten Meter über den Gartenweg.
„Was ist denn?“, fragte ich, nachdem ich eingetreten war.
Sie legte einen Finger an die Lippen und drückte die Tür hinter mir ins Schloss. Sie winkte mich in die Küche. Durch die Jalousien fielen einige Streifen Sonnenlicht auf den blanken Küchentisch.
Ich ließ mich auf der Treppe nieder und zog meine Schuhe aus. „Was ist denn?“, wiederholte ich.
„Ist das Auto noch da?“, zischte sie. Sie setzte sich neben mich auf die Treppe, flüsterte mir ins Ohr: „Das schwarze Auto. Es stand den ganzen Tag vor dem Haus.“
„Ich habe nicht darauf geachtet“, sagte ich und drehte den Kopf weg. Ihr heißer Atem an meinem Ohr und ihr bohrender Blick ließen mich schaudern. „Ich muss Hausaufgaben machen.“ Ich schnappte meinen Rucksack und floh die Treppe hinauf.
Sie folgte mir auf mein Zimmer und spähte aus dem Fenster, das zur Straße hinausging. Kopfschüttelnd zog sie die Vorhänge zu.
„Die sind immer noch da“, sagte sie mit einem Zittern in der Stimme. „Die sollen dich nicht sehen.“
Ich ging zum Fenster und spähte durch den Schlitz im Vorhang. Vor dem Haus parkte ein schwarzer BMW. Die hinteren Scheiben waren getönt, vorne saß niemand. Das Kennzeichen war von außerhalb.
„Der parkt nur“, sagte ich. „Bestimmt haben die Nachbarn Besuch.“
„Nein, nein. Gestern ist das gleiche Auto die ganze Zeit neben der Tram hergefahren“, entgegnete Mama und nickte heftig mit dem Kopf. „Die beobachten mich.“
„Wer sind denn die?“
„Was weiß ich?“ Sie warf die Hände in die Luft, ließ sie jedoch sofort wieder sinken. Dann wurde ihr Gesichtsausdruck weich, und sie strich mir über die Wange. Ich wehrte ihre Hand ab. „Ich möchte dich da nicht hineinziehen“, sagte sie. „Lass nur die Vorhänge zu, okay?“
„Okay“, murmelte ich.
Leise schloss sie die Tür hinter sich.

Am nächsten Tag ging Mama nicht zur Arbeit. Sie sagte, sie sei krank. Ich versprach, einkaufen zu gehen, obgleich sie mich wieder und wieder beschwor, vorsichtig zu sein. Als ich sie fragte, wovor ich mich denn in Acht nehmen sollte, antwortete sie: „Man weiß ja nie so genau. Sei einfach vorsichtig.“
Zu meiner Erleichterung stand der BMW nicht mehr vor dem Haus. Ich hatte Unterricht bis zum Nachmittag, danach kaufte ich ein. In unserer Straße angekommen, schaute ich mir die Autos an, die vor dem Haus standen.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte ein roter Fiat Panda. Und der schwarze Peugeot unserer Nachbarin. Heute kam es mir so vor, als sähe ich den Peugeot zum ersten Mal. Ich überquerte noch einmal die Straße, betrachtete das Auto aus der Nähe. Das Sonnenlicht ließ den schwarzen Lack in vielfarbige Partikel zerspringen. Es war ein älteres Modell, aber es war wohl kürzlich in der Waschstraße gewesen. Alles an ihm sah harmlos und gewöhnlich aus.
Was tat ich hier eigentlich? Detektiv spielen? Wofür denn? Ich wandte mich von dem Auto ab.
Ich ging den Gartenweg hinauf zu dem alten Haus mit dem schiefen Dach, in das Mama und ich nach der Scheidung eingezogen waren. Oma hatte hier bis zu ihrem Tod gewohnt. Mama und Papa wollten das Haus eigentlich verkaufen, doch nach der Scheidung war Mama froh, einen Ort zum Leben zu haben. Das dachte ich zumindest damals. Heute aber kämpfte sie. Sie kämpfte einen ausweglosen Kampf gegen den Schimmel und die Mäuse.
Mama empfing mich wie am vorherigen Tag in der Tür. Sie winkte mich direkt in die Küche. „Also?“, fragte sie, während ich die Einkaufstasche auf den Tisch stellte.
„Ich habe keine Bio-Eier bekommen. Ich habe Freiland gekauft.“
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Hast du etwas Verdächtiges beobachtet?“
Ich runzelte die Stirn, betrachtete ihr schmales Gesicht. Sie trug immer noch ihren Schlafanzug. „Was meinst du?“, fragte ich. In meiner Magengrube kribbelte es.
„Die schwarzen Autos?“
„Ja, das Auto von Frau Schicker steht vor ihrem Haus“, antwortete ich und versuchte, möglichst beiläufig mit den Achseln zu zucken.
„Hast du das Kennzeichen?“
„Nein?“ Ohne dass ich es beabsichtigt hatte, klang meine Antwort wie eine Frage. In Mamas Augen flackerte es.
„Kannst du mir einen Gefallen tun, Ole?“, fragte sie. Sie strich sich eine wirre Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Klar“, sagte ich, „immer.“
„Ich kann nicht aus dem Haus gehen“, erklärte sie, „aber ich darf die Männer nicht aus den Augen lassen. Also, könntest du …“
„Die Männer?“, unterbrach ich sie.
Sie starrte mich irritiert an, blinzelte, dann fuhr sie fort: „Könntest du mir die Kennzeichen von allen schwarzen Autos aufschreiben, die du in der Straße siehst?“
Ich holte tief Luft. „Warum?“
„Es ist wichtig“, antwortete sie mit einem milden Lächeln. „Ich will dir nicht mehr sagen. Je weniger du weißt, desto sicherer bist du. Du musst mir einfach vertrauen.“
Ich starrte sie an, als könnten ihre Züge mir verraten, was sie nicht sagen wollte. Auf ihrer Stirn hatte sich eine neue Falte gebildet. „Okay“, murmelte ich schließlich.

Am Donnerstag kam ich erst abends nach Hause. Die Sonne warf vor mir einen langen Schatten auf den warmen Asphalt. Vor der Hecke am Grundstück schräg gegenüber parkte ein schwarzer Corsa. Seine Seiten waren schlammig, und auf der Heckscheibe lag eine Staubschicht. Ich blieb stehen. Nicht, um das Kennzeichen zu fotografieren. Der Corsa sah freundlich aus mit dem schrägen Kühlergrill. Er sah aus, als grinste er. Ich schlenderte zum Heck des Wagens und zeichnete mit dem Finger einen Smiley in den Staub.
„Ole!“, rief plötzlich eine Stimme. Leise, als wollte sie gar nicht rufen.
Mama lehnte sich auf der anderen Straßenseite über die geschlossene Gartenpforte. Ich ließ die Schultern hängen. In meiner Magengrube regte sich ein seltsames Gefühl, als hockte dort ein kleines Tier, das aus seinem Nachmittagsschlaf erwachte.
Ich lief zur Gartenpforte. Mama sah nicht bloß bleich aus. Im goldenen Licht der Abendsonne wirkte ihre Haut durchscheinend. Als wäre sie ein Gespenst. Ihre Augen waren gerötet, und einzelne Haarsträhnen hingen lose aus ihrem Pferdeschwanz.
„Hey, Mama“, sagte ich.
„Komm ins Haus.“ Sie öffnete die Gartenpforte für mich.
„Hast du geweint?“, fragte ich. „Was ist passiert?“
„Wo warst du den ganzen Tag?“, entgegnete sie, ihre Stimme bebte.
„Am See. Mit Johann und so …“ Ich überlegte. Das Rumoren in meinem Bauch war stärker geworden. „Ich dachte … Du sagst doch, ich sei erwachsen und müsste mich nicht bei jeder Kleinigkeit abmelden. Warum hast du mich nicht angerufen?“
Sie ging vor mir her zur Haustür. Ihre Hände flatterten wie kleine Vögel, und ihre Schultern zuckten. Sie gestikulierte, ohne etwas zu sagen.
Es war meine Schuld. Die ganze Zeit, während ich mir am See die Sonne auf den Bauch scheinen ließ, saß sie zu Hause und sorgte sich.
„Mama, es tut mir leid“, sagte ich, als sie an der Haustür stehen blieb.
Sie strich sich durch das Haar, wodurch sich noch mehr Strähnen aus ihrer Frisur lösten. „Könntest du aufschließen? Ich habe vergessen, den Schlüssel mit rauszunehmen.“
Ich kramte in meiner Hosentasche.
„Hallo, Julianne.“
Ich drehte mich um und erblickte Frau Schicker, die mit ihrem Cockerspaniel an der Gartenpforte stehengeblieben war. Ich fragte mich, was sie wohl sah. Meine bleiche, verheulte Mutter mit ihrem zerzausten Haar und mich mit der Schuld und einem Sonnenbrand auf dem Gesicht.
„Hallo“, sagte ich.
Mama nahm mir den Schlüssel aus der Hand, schloss auf, huschte ins Dunkel des Flurs. Ich folgte ihr. Im Haus war es kühl.
Mama zog die Tür zu. „Ole“, sagte sie ernst. Im Zwielicht sah sie anders aus. Nicht abgekämpft, viel entschlossener. „Das ist eine besondere Situation. Ich möchte nicht, dass du unnötige Ausflüge unternimmst. Ich möchte immer wissen, wo du gerade bist. Ist das klar?“
„Warum?“, fragte ich. „Wegen der Autos?“
„Natürlich nicht wegen der Autos!“, fuhr sie mich plötzlich an. „Wegen den Männern!“ Sie machte eine Pause, presste zwei zittrige Finger gegen ihre Schläfen. „Du hast doch bestimmt Hausaufgaben zu erledigen.“
Ich wartete, gab ihr die Gelegenheit, sich dafür zu entschuldigen, mich angeschrien zu haben. „Klar“, seufzte ich schließlich. Ich schob mich an ihr vorbei. In der Küche schleuderte ich meine Schuhe von den Füßen und trampelte die Treppe hinauf. Ich knallte die Zimmertür ins Schloss. In der vorwurfsvollen Stille des Hauses war das Donnern eine Wohltat.
Die Vorhänge im Zimmer waren immer noch zugezogen. Ich öffnete sie und riss das Fenster auf, ließ die warme Sommerluft hineinströmen. Einen Moment stand ich reglos im Luftzug, zwang mich, ruhig zu atmen. Vergeblich versuchte ich, meinen Kiefer zu lockern. Das flaue Gefühl in meiner Magengegend blieb.
Ich setzte mich auf die Fensterbank. Es fühlte sich gefährlich an, der Straße den Rücken zuzukehren, doch ich hielt es aus. Das waren nur Mamas Befürchtungen. Nicht meine.
Ich zog mein Handy aus der Hosentasche. Samuel hatte mir geschrieben. Er wusste Bescheid, ihm hatte ich alles erzählt. Er kannte sich aus mit Politik, legte sich im Unterricht mit unserer Politiklehrerin an, sprach mit lauter Stimme und hochrotem Kopf. Wenn mir einer sagen konnte, was wirklich vor sich ging, dann er.
Du solltest das ernst nehmen. Habe dir ein paar Links rausgesucht. Bitte informier dich. Es folgte eine lange Liste mit Links, eine Nachrichtenflut.
Ich ließ meinen Daumen über dem ersten Link schweben, horchte in mich hinein. Wollte ich mich damit beschäftigen? Dann dachte ich daran, wie Samuel während eines Referats über Geheimdienste gesprochen hatte, die Privatpersonen in der ganzen Welt abhörten, sein Stand fest, seine Stimme klar. Niemand riss sich darum, Referate zu halten. Niemand außer Samuel. Er sagte, es sei ihm wichtig, uns aufzuwecken.
Ich öffnete den ersten Link und begann zu lesen.

Ich spürte die Hitze auf der Motorhaube des Chevrolets, als ich meine Hand wenige Zentimeter darüber hielt. Der dunkelblaue Lack sog das Sonnenlicht förmlich auf. Ich fotografierte das Kennzeichen. Das Fahrzeug war hier im Landkreis zugelassen. Ein amerikanisches Auto.
Gestern verbrachte ich die ganze Nacht damit zu lesen, was Samuel mir geschickt hatte. Unzählige Zeitungsartikel und Augenzeugenberichte. Danach recherchierte ich weiter. Heute fotografierte ich nicht nur die schwarzen Autos. Und nicht nur die Kennzeichen. Ab jetzt würde ich alles, was sich vor unserem Haus bewegte, sorgfältig dokumentieren.
Ich schlich um den Chevrolet herum und spähte durch das Beifahrerfenster. Ein Kaffeebecher in der Halterung zwischen Fahrer- und Beifahrersitz. Eine Sonnenbrille auf dem Armaturenbrett. Vom Rückspiegel hing eine Schnur mit durchsichtigen Glasperlen daran. Auf dem Beifahrersitz lagen mehrere gelbe Mappen. Die oberste war beschriftet: Mind Reading 1.
Eine Weile starrte ich auf die schwarzen Lettern. Sie verschwammen kurz vor meinen Augen, tanzten umher. Mühsam fing ich mich. Ich fotografierte durch das Beifahrerfenster.
Mein Herz schlug wie wild. Ich richtete mich auf und entfernte mich rasch einige Schritte von dem Auto. Nicht, dass mich jemand sah, als ich ins Innere des Fahrzeugs starrte. Nicht, dass mich der Besitzer erwischte.
Unsere Gartenpforte neben dem zerzausten Ginster war nur noch wenige Meter entfernt. Ich ging darauf zu, während ich das Foto auf meinem Handy betrachtete. Die dicken, geraden Buchstaben waren deutlich zu erkennen. Gedanken lesen.
Ich riss den Kopf hoch, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung auf unserem Gartenweg wahrnahm. Ein Mann öffnete die Gartenpforte. Er war kräftig gebaut und trug ein weißes Hemd und dunkle Jeans. Sein Haar war rabenschwarz. Über seiner Schulter hing eine Umhängetasche. Er trat auf die Straße und zog die Pforte hinter sich zu.
Im Vorbeigehen nickte er mir zu. Dann stieg er in den Chevrolet.
Wie erstarrt blickte ich ihm nach, als er in dem bulligen Auto davonfuhr. In meinem Kopf summten die Gedanken wie in einem Bienenstock. Was hatte der Typ bei uns gewollt? Was hatte es mit der Mappe auf sich? Mit Mind Reading 1?
Samuel hatte recht. Ich hätte nicht über Mama lachen dürfen.
Nachdem das Auto auf die Hauptstraße eingebogen war, rannte ich zum Haus. Ich klingelte und schloss gleichzeitig auf. Klingelte Mama herbei. Sie öffnete gerade die Windfangtür, als ich die Haustür hinter mir zufallen ließ.
„Ole?“, fragte sie. „Wieso klingelst du?“
„Was wollte der Typ?“, brachte ich hervor.
„Hat er dich gesehen?“
„Ich war gerade an der Pforte.“
Sie atmete aus. „Hat er dich angesprochen?“
„Nein. Was wollte er? Wer war das?“
„Das ist nicht wichtig.“
„Mama!“, protestierte ich. „Du kannst mich da nicht einfach außen vorlassen. Guck, was ich in seinem Auto gesehen habe.“ Ich hielt ihr mein Handy hin.
Sie starrte eine Weile darauf. „Oh“, murmelte sie.
„Denkst du, er ist vom Geheimdienst?“
„Vom Geheimdienst?“
„Von der … von der CIA. Diese Mappe sieht ganz schön offiziell aus.“
„Von der CIA?“ Ihre Augen waren unendlich müde. „Wie kommst du darauf?“
„Ich habe recherchiert“, erklärte ich. Meine Wangen glühten, und die Worte sprudelten nur so aus mir heraus: „Ich habe einen Kumpel, der sich damit auskennt. Ich glaube, wir sind da einer riesigen Sache auf der Spur. Ich habe mir alle Autos in der Straße genau angeschaut und auch reingeguckt. Also, was wollte der Typ?“
Wir schauten einander an. Ich schwankte auf dem Fußballen, wartete auf ihre Antwort. Sie sah mitgenommen aus, verletzt. Was der Typ wohl mit ihr gemacht hatte? Ich traute mich nicht, zu fragen.
Schließlich seufzte sie. Sie ging vor mir her in die Küche. Freitags kochte sie immer, und der Tisch war schon gedeckt.
„Mama?“ Ich setzte mich auf meinen Platz. Neben meinem Teller lag ein Stoß Papier. Als ich ihn beiseiteschieben wollte, fiel mir auf, dass es sich um die Fotos von den Kennzeichen handelte.
Während Mama energisch mit einem Schneebesen in einem Topf rührte, betrachtete ich die Fotos. Kennzeichen um Kennzeichen, die meisten aus dem Landkreis. Die meisten wiederholten sich. Das Auto von Frau Schicker hatte ich jeden Tag fotografiert. Mama wollte die Fotos trotzdem haben. Sie hatte das jeweilige Datum auf die Rückseite geschrieben.
Plötzlich fiel mir zwischen den Fotos ein Zettel auf, der nicht bedruckt war. Als ich darüberstrich, blieben Spuren aus Graphit auf meinen Fingerkuppen zurück. Es war eine Bleistiftzeichnung, und ich erkannte mühelos Mamas weiche Strichführung. Wir zeichneten gemeinsam, seit ich einen Stift halten konnte. Ich würde ihren Stil überall erkennen.
Die Zeichnung zeigte einen Kasten, dunkel schattiert. Aus den Seiten ragten verdrehte Antennen wie die Fühler eines seltsamen Insekts. Auf der Vorderseite prangte ein achteckiges Symbol mit verschlungenen Linien darin.
„Was ist das?“, fragte ich und hielt das Blatt hoch.
Mama wandte sich vom Herd ab. Augenblicklich verfinsterte sich ihre Miene. Mit zwei Schritten war sie bei mir und entriss mir die Zettel. Einige segelten zu Boden. Doch als ich aufstand, um ihr zu helfen, wehrte sie meine Hände ab.
„Lass das!“ Sie warf die Zettel auf die Anrichte neben dem Herd und drehte sich zu mir um, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Kein Wühlen in meinen Sachen, keine Recherchen, keine Ausflüge! Haben wir uns verstanden? Das ist gefährlich!“
„Mama …“ Ich hob die Schultern. „Bitte, ich will dir helfen.“
„Nein, willst du nicht. Schlag dir das aus dem Kopf!“
Ich öffnete den Mund und wollte etwas sagen. Doch mein Kopf war wie leergefegt. Ich klappte den Mund wieder zu.
Es gab Kartoffeln mit Soße, in der noch mehlige Klumpen von der Kochmischung schwammen. Die Beilage schien Mama vergessen zu haben. Wir kauten schweigend auf den kaum gekochten Kartoffeln.

In der Nacht konnte ich nicht schlafen. Das Tier in meiner Magengrube war wieder erwacht. Solche Magenkrämpfe hatte ich zuletzt gehabt, als ich gelauscht hatte, wie Mama und Papa sich jeden Abend stritten. Genauso wie damals warf ich mich in meinem Bett herum, bis das Laken nassgeschwitzt war. Ich strampelte die Bettdecke von mir und lag unbedeckt auf dem Rücken, starrte zur Decke.
Anders als damals durchbrachen keine streitenden Stimmen die Stille der Nacht. Lediglich das Zischen in den Leitungen und das Knacken im Gebälk. Das alte Haus lebte. Mama pflegte zu sagen, dass es viele Geschichten zu erzählen hätte und deshalb diese Laute von sich gäbe. Wir müssten nur seine Sprache lernen.
Die grünen Ziffern meines Radioweckers zeigten 01:18. Ich wälzte mich auf den Bauch. Mein Kopfkissen roch nach Schweiß.
Das Bild von dem seltsamen Kasten flackerte vor meinem inneren Auge auf. Es schien sich in meine Netzhaut eingebrannt zu haben. Wann immer ich die Augen schloss, sah ich es vor mir. Die insektenhaften Antennen, das verschlungene Symbol. Wenn ich nur wüsste, was es damit auf sich hatte. Wenn ich nur die Möglichkeit hätte, Mama zu helfen.
Schließlich stand ich auf und ging zur Toilette. Ich hatte zwar keine große Hoffnung, dadurch die Bauchschmerzen beruhigen zu können, doch einen Versuch war es wert. Ich schlich über den Flur zum Badezimmer. Vor Mamas Schlafzimmertür blieb ich stehen. Sie stand offen.
„Mama?“, flüsterte ich in die Dunkelheit.
Keine Antwort.
Ich machte einen Schritt ins Zimmer. Ihr Bett war zerwühlt und verlassen. Mama konnte oft nicht schlafen, seit wir hier wohnten. Die uralte Stimme des Hauses wühlte sie auf. In diesen schlaflosen Nächten schaute sie fern, und ich konnte die Geräusche bis hinauf in mein Zimmer hören. Heute jedoch durchbrach nur das Raunen des Hauses die Stille.
Ein Zittern ergriff mich. Was, wenn ihr etwas zugestoßen war?
Ich lief die Treppe hinunter. „Mama?“, flüsterte ich auf dem Treppenabsatz, hoffte, das bläuliche Flackern des Fernsehers durch die angelehnte Wohnzimmertür zu sehen. Was ich stattdessen erblickte, ließ mich straucheln.
Am anderen Ende der Küche stand eine Tür geöffnet, die sonst immer verschlossen war. Dahinter herrschte gähnende Dunkelheit. Die Kellertür.
Seit Jahren hatte ich mich nicht in den Keller getraut, und Mama ging es genauso. Vier Räume mit niedriger Decke, in denen das Licht nicht funktionierte. Ohne Taschenlampe war man dort unten blind. Oma hatte Gerümpel aus einem ganzen Leben darin angehäuft. Sie hatte sich in den labyrinthartigen Gängen aus Bücherregalen und Schränken ausgekannt. Als ich klein war, hatte sie mir manchmal einige ihrer Schätze gezeigt. Einen Degen aus einer Zeit noch vor dem Zweiten Weltkrieg, eine Pappschachtel mit Fotos von ihrem Vater, der ein Nazi gewesen war, ein vergilbter Fächer, den Opa aus China mitgebracht hatte, eine Truhe voller alter Kleider. In diesem Keller war alles verborgen, was Oma je besessen hatte. Verborgen in einem Reich aus tiefen Schatten, plötzlichen Luftzügen und rätselhaften Bewegungen.
Als Mama und ich nach der Scheidung in Omas Haus einzogen, wagte einer der Umzugshelfer einen Blick in den Keller. Er kehrte kopfschüttelnd zurück und sagte, wir müssten dringend etwas gegen den Schimmel unternehmen. Seitdem blieb die Kellertür verschlossen.
Einen Moment stand ich wie angewurzelt auf der vorletzten Treppenstufe. Ich wollte umdrehen, zurück in mein Bett und mir die Decke über den Kopf ziehen. Doch ich konnte mich nicht bewegen. Ich starrte in die Schwärze des Kellers. Mama hatte die Tür sicher nicht geöffnet. Jemand war im Haus.
Ich schluckte heftig. Mein Mund fühlte sich staubtrocken an.
Ich musste mich jetzt bewegen. Ich musste etwas tun. Darum bemüht, kein Geräusch zu verursachen, stieg ich die letzten beiden Stufen hinunter. Die Küchenfliesen waren eiskalt unter meinen bloßen Füßen. Ich wandte den Blick nicht von der undurchdringlichen Dunkelheit hinter der Kellertür, während ich mich in Richtung Telefon schob, das auf der Anrichte stand.
Beinahe hätte ich aufgeschrien, als die Schwärze plötzlich von einem weißen Lichtstrahl durchschnitten wurde. Ich hechtete zur Anrichte und schnappte mir den ersten Gegenstand, der mir in die Hände fiel – das Brotmesser. Schritte auf der Kellertreppe, eine dunkle Silhouette hinter dem Licht der Taschenlampe.
Ich bewegte mich auf das Licht zu. Meine Hände schwitzig, rutschig am Messergriff.
Das Licht fiel direkt auf mich. Ein Schrei. Mamas Stimme.
Hinter dem Lichtstrahl kam ihre Gestalt zum Vorschein. Sie trug ihre Hose für die Gartenarbeit und schwarze Handschuhe. Auf ihrem weißen Top waren graue Flecken.
„Scheiße.“ Ich ließ das Messer sinken. Ich musste mich an der Anrichte abstützen. Mit einem Mal schien mich sämtliche Kraft zu verlassen. Mein Herz raste, und schwarze Sternchen tanzten vor meinen Augen. Das Tier in meinem Magen brüllte schmerzerfüllt auf.
„Was machst du denn?“, fragte Mama mit aufgerissenen Augen.
„Was machst du denn im Keller?“, gab ich zurück. „Du hast mich zu Tode erschreckt!“
Sie reckte das Kinn. „Ich suche etwas. Jetzt leg das Messer weg. Was willst du damit?“
Ich schob das Messer von mir. „Was suchst du denn? Da ist doch nur … Zeug.“ Zeug von Oma. Zeug, um das wir einen großen Bogen machten.
„Das ist egal.“
Ich wollte sie schütteln, wollte sie anschreien, sie fragen, warum sie mich nicht einweihte, warum sie mir nichts zutraute. Aber ich kannte die Antwort schon. Die Antwort war immer gleich: Es ist besser, wenn du nichts weißt.
„Ich hasse dich“, sagte ich.
„Ole.“ Sie schaltete die Taschenlampe aus, ließ uns im Zwielicht zurück. „Es tut mir leid.“
Ich zuckte die Achseln. Beinahe wünschte ich mir, dass sie mich zurückrief, als ich mich abwandte und die Treppe hinaufstieg. Aber sie blieb stumm. Ich rollte mich in meinem Bett zusammen.
Lange Zeit fand ich keinen Schlaf. Ich lag bewegungslos da und versuchte, die Geschichten zu entschlüsseln, die das Haus zu erzählen hatte. Irgendwann übermannte mich die Müdigkeit. In meinem Traum tastete ich mich durch den muffigen Keller. Auf einem Schrank erblickte ich einen dunkelbraunen Kasten. Durch seine verdrehten Antennen sendete er Signale durch das Haus, ein geheimnisvolles Flüstern, das uns den Verstand raubte.

Die Hitze lag drückend über unserer Straße. Während ich im Supermarkt Tütensuppen und Tiefkühlpizzen in meinen Einkaufskorb geworfen hatte, hatten sich schwarze Wolken am Horizont aufgetürmt. Auf dem Nachhauseweg sehnte ich den Regen förmlich herbei.
Trotz der samstäglichen Hitze war die Straße nicht völlig ausgestorben. Vor unserem Grundstück stand ein Mann in einem roten Polohemd. Er hielt eine Kamera in der Hand.
Ich blieb mitten auf der Straße stehen. Nur wenige Meter entfernt parkte der Chevrolet. In der Hosentasche ballte ich eine Hand zur Faust, bevor ich mich wieder in Bewegung setzte, meine Schritte beschleunigte. Ich lief direkt auf den Mann zu.
„Hey!“, brüllte ich, obwohl uns noch mindestens zehn Meter trennte. „Hey! Was machen Sie da?“
Er drehte sich um, ließ die Kamera sinken. Ich kam vor ihm zu stehen. Faust immer noch in der Hosentasche. Er schob sich die Sonnenbrille ins Haar. Seine Augen waren moosgrün.
„Hallo“, sagte er. „Bist du der Sohn von Julianne Becker?“ Sein Deutsch war glatt, fehlerfrei, aber nicht makellos. Seinen Akzent konnte ich nicht genau einordnen, ich tippte allerdings auf Britisch … oder Amerikanisch.
Mir war schwindelig. Ich brauchte einige Sekunden, bis ich eine Erwiderung gefunden hatte. „Was machen Sie hier? Sie können doch nicht einfach filmen!“
Er streckte eine Hand aus, die ich mechanisch ergriff. „Ninian Reid“, stellte er sich mit einem breiten Lächeln vor. „Darf ich dir ein paar Fragen stellen?“
Ich hielt seine Hand eine Sekunde länger fest als angemessen. Eigentlich nur, um zu zeigen, dass ich keine Angst vor ihm hatte. Dabei fiel mein Blick auf das Tattoo an der Innenseite seines rechten Arms. Ein achteckiges Symbol mit verschlungenen Linien darin, eingestochen in roter Tinte.
Einen Moment starrte ich darauf, das Blut rauschte in meinen Ohren, wummerte durch meinen Schädel. Dann ließ ich seine Hand los, begegnete seinem Blick.
„Was wollen Sie?“
„Hat deine Mutter schon angefangen, den Gedankenleseapparat zu suchen?“
Mein Puls ging schlagartig hoch, steigerte sich von einem diffusen Wummern zu einem wilden Pochen. Es fühlte sich an, als spränge mir das Herz aus der Brust. Er wusste Bescheid. Er wusste sogar mehr als ich. „Was?“, fragte ich.
„Du weißt doch sicher davon“, sagte er.
„Von mir erfahren Sie nichts“, stieß ich hervor. Ich versuchte, wütend zu klingen, doch meine Stimme hörte sich lediglich schrill an. „Verschwinden Sie.“
Er seufzte. „Also willst du nicht mit mir sprechen?“
„Nein.“ Ich verschränkte die Arme vor der Brust, plusterte mich auf. Ich war größer als er, aber er sah kräftiger aus. „Lassen Sie mich in Ruhe“, fuhr ich ihn an.
„Okay.“ Er zuckte die Achseln. Er reichte mir ein weißes Kärtchen. Ich war zu aufgeregt, um es mir anzuschauen, doch ich nahm es automatisch entgegen. „Ruf mich an, wenn du deine Meinung änderst.“ Mit diesen Worten kehrte er zu seinem Auto zurück.
Ich wartete zitternd, bis der Chevrolet auf die Hauptstraße eingebogen war. Danach stürzte ich über den Gartenweg zum Haus, als wäre der Teufel hinter mir her. Ich bekam den Schlüssel fast nicht ins Schloss, so sehr bebten meine Hände. Hinter mir warf ich die Tür zu, schloss ab und legte sogar die Kette vor.
„Mama!“, brüllte ich. „Mama!“ Ich stürmte in die Küche. Mir wurde beinahe schwarz vor Augen, als ich sah, dass die Tür zum Keller wieder offenstand. Dahinter führten schmale Treppenstufen in das Reich von Omas zurückgelassenem Leben. Ich hatte das Gefühl, die unheilvollen Signale spüren zu können, die das Ding aus der Dunkelheit nach oben sendete. Ich rang nach Luft.
Mama kam die Treppe hinaufgerannt, reine Panik in ihren Augen. „Ole? Was ist passiert?“
„Der Typ …“ Ich streckte ihr das weiße Kärtchen hin. „Er war wieder da. Er wollte mich ausfragen.“
„Oh mein Gott.“ Sie ignorierte die Karte, nahm stattdessen mich in den Arm, drückte mich fest an sich. Ihr Körper fühlte sich zerbrechlich an.
„Ich habe ihm nichts erzählt“, sagte ich mit dem Gesicht an ihrem vertraut duftenden Haar. „Aber er kommt bestimmt wieder.“
Ich löste mich aus Mamas Umarmung und schaute sie einen Moment lang einfach nur an. Sie trug die gleiche Kleidung wie in der vergangenen Nacht. Ihre Wangen waren gerötet, und sie zitterte genauso sehr wie ich.
„Ein Gedankenleseapparat?“, fragte ich. „Das ist es, was sie haben wollen?“
„Ich wollte dich nur beschützen“, sagte sie.
„Hast du noch eine Taschenlampe?“ Mein Herz flatterte beim Gedanken daran, unter die Erde in Omas Reich zu gehen. Ich bemühte mich, ruhig zu atmen.
Ein Lächeln stahl sich auf Mamas Lippen. Sie nickte.
Wir holten beide tief Luft, als wollten wir von einer Klippe springen, bevor wir hinunter in den Keller stiegen.

 

"Die Paranoia ist der Schatten der Erkenntnis."
Adorno/Horkheimer: Dialektik der Aufklärung​

Hm, vllt. lieg ich falsch,

liebe Maria,

denn schon allein zu glauben, dass man beobachtet und abgehört werde, kann den Keim zum Verfolgungswahn legen, umso erstaunlicher als die modernen Kommunikationssysteme ihre Sammelwut nur selten ausgebremst bekommen oder ein Geheimnis daraus machen und Mutter und Sohn in der Geschichte dennoch Handy und PC nutzen. Da passen dann die hollywoodwürdigen schwarzen Wagen und die schwarzgekleideten, i. d. R. auch noch behüteten Männer, die dann auch noch durch den Nachbarn verstärkt werden. IM halt ...

Im Grunde leben wir immer noch im Dorf mit seiner sozialen Kontrolle. Nur dass man im Dorf seinen Nachbarn kennt ...

Das Gehirn muss unheimlich schnell arbeiten, um Gedanken und unser kommunikatives Handeln zu steuern und die Hirnscans der Neurobiologie stehen noch am Anfang, dass die titelgebende Maschine einstweilen Fiktion und im Keller bleibt ...

Aber eines ist sicher, wie wir aus unserer eigenen Geschichte wissen: Verfolgungswahn ist ansteckend.

Zwo Kleinigkeiten

Warum hier

..., entgegnete Mama und nickte wie zur Bekräftigung heftig mit dem Kopf, sodass ihr dunkler Pferdeschwanz in wilde Bewegung versetzt wurde.
die umständliche Passiv-Konstruktion, wenn der Pferdeschwanz doch "hin und her wedeln/schwingen" kann?

Hier

„Nein“, antwortete ich und fragte mich, ob all dies Dinge waren, die Mama getan hatte, als sie noch mit Papa zusammengelebt hatte.
kannstu m. E. gefahrlos ein Hilfsverb einsparen "als sie noch mit Papa zusammenlebte" ist Aufklärung genug über die Zeitenfolge.

Obwohl es zum Thema Angst sich befremdlich anhören mag -
gern gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Maria

Du bist mir durch deine Kommentare positiv aufgefallen, also habe ich mir vorgenommen, deine nächste Geschichte zu kommentieren. Ich sag vor allem was zum Stil. Der wirkt auf mich sehr sauber, zu sauber vielleicht, zu ordentlich und aufgeräumt. Ich hoffe, diesen vagen Eindruck an konkreten Beispielen etwas fassbarer zu machen. Dabei werde ich vor allem drei Bereiche ansprechen: 1. logische Verknüpfungen. 2. Adverbien, vor allem auch bei Redebegleitungen. 3. unnötige Erklärungen.

Mama erwartete mich schon in der Tür, als ich von der Schule nach Hause kam. Ich sprintete die letzten Meter über den Gartenweg.

entbehrlich

Mit einer hektischen Handbewegung winkte sie mich in die Küche.

Ist natürlich nicht falsch. Aber winkt man nicht immer mit einer Handbewegung? Das ist so eine typische Wendung, die verhindern soll, dass zwei Sätze hintereinander mit dem Subjekt beginnen. Generell glaube ich, dass dir Variation wichtig ist, aber zuweilen wird das zumindest für mich zu deutlich spürbar.

Die Jalousien vor dem Fenster waren heruntergelassen, sodass nur einige Streifen Sonnenlicht auf den blanken Küchentisch fielen.

Klingt etwas umständlich. Du hast schon oben einen Satz im PQP, der mit «war» gebildet ist. Im Zweifelsfall eh besser aktiv: «Mutter hatte die Jalousien heruntergelassen».

Die Jalousien vor dem Fenster waren heruntergelassen, sodass nur einige Streifen Sonnenlicht auf den blanken Küchentisch fielen.

Hier hole ich etwas aus. Du schreibst flüssig und es ist nicht einfach, zu bestimmen, wo du noch was rausholen könntest. Das hier wäre ein möglicher Punkt: Du hast die Tendenz, deine Sätze mit logischen Partikeln zu verknüpfen. A setzt sich hin, um x zu tun. Die Jalousien sind geschlossen, sodass y der Fall ist. Irgendwo habe ich gelesen, dass du im Studium steckst und du wirst wahrscheinlich massenweise wissenschaftliche Texte lesen und einige selbst schreiben. Das merkt man, behaupte ich jetzt mal.
Ich hatte ebenfalls Mühe, mich in diesem Punkt umzustellen, ich habe bis vor wenigen Jahren ausschliesslich akademische Texte verfasst, und da bemüht man sich eben um Klarheit und macht logische Beziehungen zwischen den Sätzen explizit. Aber literarische Texte werden im Schnitt dichter und atmosphärischer, wenn man darauf verzichtet. Ich rate dir, mal damit zu experimentieren. Manchmal braucht es natürlich die logischen Verknüpfungen.
«Die Jalousien waren heruntergelassen, nur einige Streifen Sonnenlicht fielen auf den blanken Küchentisch.»
Das Bild gefällt mir übrigens gut.

„Was ist denn?“, wiederholte ich meine Frage. Ich ließ mich auf der Treppe nieder, um meine Schuhe auszuziehen. Mama benahm sich häufig seltsam. Ich war daran gewöhnt.

Welche Funktion haben diese beiden Sätze? Dass sie sich die Schuhe auszieht, ist ja nicht derart aussergewöhnlich, dass eine Erklärung nötig wird. Mich stört halt, dass du hier den Begriff «seltsam» verwendest, um die Szene, die du gerade schilderst, zu kommentieren, einzufärben. Ist nicht nötig.

„Ich habe nicht darauf geachtet“, sagte ich und drehte den Kopf weg. Ihr Atem an meinem Ohr war mir unangenehm.

Warum? Wonach riecht der Atem? Ist er heiss? Statt einer expliziten Bewertung (die bereits durch das Wegdrehen des Kopfes ausgedrückt ist) hätte ich hier viel lieber einen Sinneseindruck. Das würde mich viel stärker ins Geschehen hineinziehen, ich könnte die Bewertung dann auch besser nachvollziehen. Hier muss ich sie einfach akzeptieren, zur Kenntnis nehmen.

„Ich muss Hausaufgaben machen“, erklärte ich, schnappte mir meinen Rucksack und stieg die Treppe hinauf.

entbehrlich

„Die sind immer noch da“, sagte sie mit einem Zittern in der Stimme. „Schlimm genug, dass sie dich gesehen haben, als du nach Hause gekommen bist. Sie sollen dich nicht den ganzen Tag beobachten.“

Das ist mir zu differenziert, zu analytisch. «Die sind immer noch da. Die sollen dich nicht sehen.» Punkt.


„Nein, nein. Gestern auf dem Weg zur Arbeit ist so ein schwarzes Auto die ganze Zeit neben der Tram hergefahren“,

Hier vielleicht: «genau so ein Auto.» Ich dachte nämlich: «Na und?», als ich das las. «Wo ist der Zusammenhang?»

und nickte wie zur Bekräftigung heftig mit dem Kopf, sodass ihr dunkler Pferdeschwanz in wilde Bewegung versetzt wurde.

Gefällt mir gar nicht, sehr umständlich formuliert. Finde das passende Verb! :)

„Genau so eins. Die beobachten mich.“

Und hier dafür nur der zweite Satz.

Das klang nicht mehr nach ihren üblichen Beobachtungen vom Streit der Nachbarn mit ihrer Tochter.

Sperrig, so ein Satz fast ohne Verben.

Gesichtsausdruck wurde plötzlich weich

Hast du wenige Zeilen vorher schon. Würde ich streichen.

Reflexartig wehrte ich ihre Hand ab.

Du magst Adverbien. Behutsam, vorsichtig, leise, vage … Achte mal systematisch darauf, ob es die immer braucht.

„Okay“, murmelte ich, doch ich gruselte mich. Etwas stimmte nicht.

Drei Varianten. 1. Die von dir gewählte. 2. Den letzten Satz könnte man streichen. 3. Man könnte den letzten Satz streichen und das Gruseln auch noch. Also nur: «Okay», murmelte ich. Ich votiere für die dritte Version. Jeder Leser, der auch nur ein wenig von der Stimmung mitbekommen hat, die inzwischen herrscht, weiss, dass das nur halbherzig gesagt ist. Das entfaltet unkommentiert einfach eine viel bessere Wirkung.

Als ich sie fragte, wovor ich mich denn in Acht nehmen sollte, antwortete sie vage, man wüsste ja nie so genau.

Unnötig erklärend.

In unserer Straße angekommen, schaute ich mir die Autos an, die vor dem Haus standen. Bis zu ihrem Tod hatte Oma hier gewohnt.

Das ist spannend. Zwar ist das letzte Substantiv des ersten Satzes «Haus». Aber dennoch lenkst du den Blick des Lesers auf die Autos. Ich lese dann, dass die Oma in den Autos gewohnt hat. Also, nicht wirklich. Aber ich stocke im Lesefluss, weil sich mein Gehirn neu orientieren muss, und empfinde den Übergang zwischen den beiden Sätzen als zu hart.

„Und?“, fragte sie lauernd

Wieder so ein Adverb, hier als Redebegleitung. Schau, dass die direkte Rede die Stimmung trägt und solche Adverbien überflüssig macht.

während ich die Einkaufstasche auf dem Tisch abstellte.

Das klingt etwas schief, auch wegen des Dativs. Weshalb nicht einfach: «auf den Tisch stellte»?

„Was meinst du?“, erkundigte ich mich.

Ich gehöre zu den «Sagen-Fragen-Puristen» und mir ist klar, dass es dazu andere Meinungen gibt. Aber sich bei der Mutter erkundigen, was sie meint? Ich weiss nicht. Einfach: «fragte ich»

„Ja, das Auto von Frau Schicker steht vor ihrem Haus“, antwortete ich und versuchte, möglichst beiläufig die Achseln zu zucken. Dabei kam mir dieses Gespräch alles andere als beiläufig vor.

Welche Überraschung! ;) Streichen.

„Okay“, murmelte ich schließlich ratlos, denn sie war meine Mutter. Wie sollte ich ihr nicht vertrauen?

Je ein weiteres Beispiel zu den Themen Adverbien, logische Verknüpfung und unnötige Erklärung.

Die nächsten Tage blieb Mama zu Hause, behauptete, sie sei krank, und verließ kaum ihr Zimmer.

Der Satz ist fast identisch mit dem ersten Satz eines der vorhergehenden Abschnitte.

Ich fotografierte alle schwarzen Autos in unserer Straße und schickte sie ihr per Mail.

Es würde den Autohandel revolutionieren, wenn das möglich wäre. :D

So, mir läuft etwas die Zeit davon. Wenn ich dazu komme, werde ich den zweiten Teil auch noch kommentieren. Ich hoffe, meine Anmerkungen helfen dir weiter.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Hallo, Friedrichard

Welche Freude, dass Du auch hier vorbeischaust. Und wieder einmal so ein erhellend zu lesender Kommentar.

Das Gehirn muss unheimlich schnell arbeiten, um Gedanken und unser kommunikatives Handeln zu steuern und die Hirnscans der Neurobiologie stehen noch am Anfang, dass die titelgebende Maschine einstweilen Fiktion und im Keller bleibt ...

Über dieses Thema haben der gute Tanghai und ich (dem ich an dieser Stelle auch nochmal danken muss für eben jene Diskussionen) vorige Woche schon diskutiert, als wir uns gemeinsam den Kopf über diese Geschichte zerbrochen haben. Tatsächlich ist der Gedankenleseapparat, von welcher Seite ich ihn auch betrachte, Fiktion, wie Du sagst. Oder eben: im Keller, wo sich dann Vergangenheit und Zukunft begegnen.

Im Grunde leben wir immer noch im Dorf mit seiner sozialen Kontrolle. Nur dass man im Dorf seinen Nachbarn kennt ...

Bei Deinem Kommentar ist mir wie Schuppen von den Augen gefallen, was mir selbst als Digital Native überhaupt nicht klargeworden ist, während ich noch geschrieben habe. Der Einfluss der modernen Medien auf Verschwörungsglauben, bedingt durch Echokammern und wegfallende Gatekeeper, war mir wohl bewusst, ich hatte sie jedoch nie bewusst hier eingearbeitet. Umso schöner, an diesem Punkt angelangt zu sein, wo meine unterbewussten Annahmen sich von selbst mit meiner Geschichte verknüpfen.

Zwo Kleinigkeiten

Habe ich sofort korrigiert. Ich hoffe, es trägt zum Lesefluss bei.

Vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich freue mich, dass Du wieder zu mir zurückkehrst, wo ich an die Reiche von Kerzen und Chaos noch das Reich der Paranoia angebaut habe, in der Ferne sichtbar - hoffentlich - die Grenze zum Reich des Fantastischen. Dein Kommentar hat mich trotz einer Radfahrt ohne Handschuhe und steif gefrorener Finger zum Lächeln gebracht.

Hallo, Peeperkorn

Ich freue mich so sehr, dass Du bei mir vorbeischaust. Denn Deine Kritik erschien mir erst gegensätzlich zu allem, was ich bisher zu meinem Stil gehört habe, je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass Du lediglich analytischer herausgearbeitet hast, was andere schon angedeutet haben.

Ich sag vor allem was zum Stil. Der wirkt auf mich sehr sauber, zu sauber vielleicht, zu ordentlich und aufgeräumt. Ich hoffe, diesen vagen Eindruck an konkreten Beispielen etwas fassbarer zu machen. Dabei werde ich vor allem drei Bereiche ansprechen: 1. logische Verknüpfungen. 2. Adverbien, vor allem auch bei Redebegleitungen. 3. unnötige Erklärungen.

Ich zitiere Dich nochmal, weil ich so begeistert bin, wie Du das übergreifende Problem so klar benennst, dass ich dem sogar richtige Handlungsanweisungen entnehmen kann, die ich auf alles übertragen kann, was ich schreibe.

Bei meinen vorherigen Geschichten bekam ich häufiger zu hören, mein Stil sei umständlich, es sei mir offenbar unmöglich, mich prägnant auszudrücken. Umso überraschter war ich zunächst, hier zu lesen, mein Stil sei zu klar. Klingt das doch erst gegensätzlich, wird mir beim Lesen Deiner Anmerkungen deutlich, dass dies tatsächlich Facetten desselben Problems sind, zeigt sich doch bei Deinen einzelnen Anmerkungen, dass ich auf viele Dinge verzichten sollte, die ich selbst in meiner Kurzsichtigkeit nie hinterfragt habe.

Und, wie gesagt, mir wird jetzt Vieles klarer, einfach, weil Du es geschafft hast, all diese Punkte zusammenzufassen und klar zu benennen, sodass ich endlich weiß, wo ich ansetzen muss. Vielen, vielen Dank dafür. Das ist wirklich so nützlich für mich.

Ein kleines Schmankerl zum Abschluss:

Es würde den Autohandel revolutionieren, wenn das möglich wäre.

Tjaja. Die Sache mit den Pronomen. Immer wieder ein großer Spaß.

Deine Korrekturen habe ich jetzt noch nicht eingearbeitet, da auch mir gerade die Zeit davonläuft. Wird auf jeden Fall gemacht. Wenn Du Lust hast, weiterzulesen, freut es mich natürlich sehr.

Ich hoffe, meine Anmerkungen helfen dir weiter.

Du hast mich aber auch schon so sehr erleuchtet und so umfassend kommentiert, den Text derart sorgfältig seziert, dass Du mir auf jeden Fall schon geholfen hast, egal ob Du jetzt nochmal weiterliest oder nicht. Vielen Dank.

Viele Grüße,
Maria

 
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Hallo TeddyMaria,
ich denke auch, dass du manche erklärende Sätze streichen könntest. Trau dem Leser mehr zu.
Mir hat gut gefallen, wie sich Oles Haltung gegenüber den Verrücktheiten seiner Mutter von Verwunderung über Wut und Angst bis hin zu Verbundenheit entwickelt. Oles Mutter, sowie das alte Haus, finde ich anschaulich beschrieben.
Zu Ole:

„Ole!“, rief sie leise.
Bis zu dieser Stelle dachte ich, dein Ich-Erzähler wäre ein Mädchen. Ich kann dir gar nicht sagen, warum mein Hirn das dachte. Aber es gab, soweit ich es gesehen habe, auch keinen Hinweis zum Geschlecht. Das könntest du früher einführen, damit sich der Leser ein Bild zur Figur machen kann.

Soweit ich wusste, beherrschte Mama lediglich Deutsch und ein rudimentäres Englisch.
Bei diesem Satz stutzte ich über seine Ausdrucksweise, die mir für ein Kind unpassend erscheint. Das Telefonat mit seinem Vater zeigt mir auch einen ca. 9-Jährigen.(?)

Ich war größer als er, aber er sah kräftiger aus.
Hier wuchs Ole dann plötzlich gut 60cm.


Ich glaube mir hätte deine Geschichte noch besser ohne den Mann im Park gefallen. Das Ole seine Mutter unterstützt und mit ihr gemeinsam den Keller durchforstet, ohne dass es eine reell existierende Spionagebedrohung gibt, fände ich noch stärker für das Mutter-Sohn-Konstrukt.
Edit: Den Typen mit dem Linien-Symbol-Tattoo finde ich nicht schlecht. Nur erwarte ich dann, dass da die Geschichte erst richtig los geht, du diese ominöse Organisation und deren Aktionen ausführlicher behandelst. Wenn du nicht vorhast, das zu erweitern, empfehle ich dir seine Figur zu streichen und die Gefahr nur in der Fantasie der Mutter zu belassen.

Spannende Geschichte. Gern gelesen.
Viele Grüße
wegen

 

Hallo TeddyMaria!

Die Mutter deines Protagonisten ist offensichtlich irgendwie psychisch gestört.
Dein Protagonist ist Ole. Ich möchte mit ihm mitfiebern. Die bedrohliche Situation hast du dafür geschaffen. Was mir zu wenig gezeigt wird, sind Oles Reaktionen darauf, sein Innerstes, seine Emotionen.
Wenn man fast bis zur vierten Leerzeile liest, ist Ole permanent verwundert und verwirrt, aber mehr auch nicht, da ist auch keine Steigerung in seiner Reaktion auf die Situation.
Am Ende des vierten Absatzes ist er dann auch verängsigt.
=> Übrigens, verwundert, verwirrt, verängstigt, das steht alles wortwörtlich so im Text, das ist also Tell. Nicht gut. Oles Reaktionen musst du zeigen, wenn der Leser mitfiebern soll.

"Die ganze vergangene Woche hatte sich die Angst zu einem immer fester werdenden Knoten in meiner Magengegend verschlungen."
=> Reines Tell. Du brauchst Show. Lass den Leser zusehen, wie Ole sich im Bett herumwirft, wie er aufs Klo muss, weil es in seinem Magen rumort und er Durchfall bekommt, oder Verstopfung - weißt du, was ich meine?

"ich schließlich aufstand und zur Tür schlich"
=> Ja, das und das folgende ist Show. Was mir hier aber noch fehlt, ist Oles Innerstes. Man kann deinem Ole zwar von außen zugucken, aber man kann nicht mitfiebern, weil du sein Innerstes so gut wie gar nicht zeigst.

Schließlich setzt sich Ole mit seinem Vater in Verbindung. Das kommt mir wie ein Bruch in der Geschichte vor. Weil der Vater bisher überhaupt nicht erwähnt wurde. Somit war er für mich nicht existent. Es gibt ja viele Mutter-Kinder-Familien, wo der Vater absolut nicht mehr präsent/relevant ist.

Und als der Vater dann sagt: "Deine Mutter ist verrückt", da hat mich das noch mehr rausgeworfen. Wenn ihre Verrücktheit in der Familie schon längst bekannt ist, dann passt für mich der ganze Aufbau nicht mehr. Am Anfang wäre dann kaum mehr als ein Schulterzucken Oles angebracht. "Mutter benimmt sich verrückt? Na und, das macht sie doch immer."
Falls die Verrücktheit nur dem Vater bekannt ist, aber nicht Ole, müsste Ole in diesem Telefongespräch viel heftiger reagieren. "Wie kannst du so was sagen?" oder "Du weißt, dass Mama verrückt ist, aber du lässt mich bei dieser Verrückten leben?"

Das Ende der Geschichte wird dann skurill. Der nächste Bruch. Du hast das Stichwort "Alltag" gesetzt! Das soll Alltag sein? Nee, jetzt fühle ich mich veräppelt.

Hättest du nur "Seltsam" gesetzt, hätte ich mich nicht veräppelt gefühlt, aber ich hätte den Gedankenleseapparat ernst genommen. Was die "Pointe" versaut hätte.

=> Ich sehe das als ein Problem der Idee. Die Idee ist ja, den Leser am Ende zu veräppeln, nicht? Ich, Autorin, tue die ganze Zeit so, als wäre die Geschichte in der Realität angesiedelt, woraus folgt, dass die Mutter paranoid ist, aber das Ende sagt dann: Ätsch, war keine Realität! Der Gedankenleseapparat (ein Phantasieprodukt) ist wirklich.
Nee, das mag ich gar nicht!

Grüße,
Chris

 
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Hallo TeddyMaria!

Ich bin nicht so ganz glücklich mit der Geschichte. Sprachlich ist sie gut, da hab ich nichts auszusetzen. Es geht mir um die Story und um die Art, wie deine Figuren manchmal handeln. Ich hab die Vorkommentare übrigens nicht gelesen, mach ich aus Prinzip nicht, ich habe das Gefühl, man lässt sich zu sehr davon vereinnahmen manchmal.

Ohne spoilern zu wollen: Die Wendung zum Schluss fand ich gut und da kam wieder Fahrt auf in deiner Geschichte. In den 3/4 davor ist leider in jeder Szene genau das passiert, was ich als Leser erwartet habe. Schon als die Mutter das erste Mal an der Tür steht und sagt, Autos beschatten sie, dachte ich: Paranoide Schizophrenie. Die Krankheit wurde in den letzten 20 Jahren in Film und Buch ja wirklich "ausgeschlachtet", dementsprechend hab ich gleich viele Bilder und Erwartungen zu diesem Thema. Das Problem ist: Alles, was ich erwartet habe, ist genau so eingetroffen. Die Mutter zieht sich zurück, vor den PC. Sie klebt alles voller Fotos. Sie streicht die Wände komisch. Ich finde, das sind leider alles Klischees von Schizophrenie, und selbst, wenn ich an diesem Punkt der Story nicht weiß, ob sie es denn jetzt ist oder nicht, muss ich leider sagen, langweilt das auf eine Art, dass das so passiert wie ich es erwarte. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, dass ich das so frei heraus sage, aber es ist mein ehrlicher Eindruck. Gute Dramaturige funktioniert - meiner Meinung nach - so, dass man eine gewisse Erwartungshaltung des Publikums aufgreift (hier: Publikum denkt bei erster Mutter-vor-Haus-Szene: Schizophrenie), und die dann auf eine Art bricht, in eine neue, unvorhergesehene Richtung lenkt. Wenn alles so eintrifft, wie ich es als Leser erwarte, langweile ich mich schnell.

Das geht so weiter bis kurz vor Schluss. Die Wendung fand ich gut, und als sie in den Keller gehen, wird es erst richtig spannend, finde ich, und ich frage mich: Wieso brauchte es all die Schizophrenie-oder-nicht-Szenen in 3/4 des Textes davor?

Ein weiterer Kritikpunkt ist das Verhalten deiner Figuren. Ich finde, sie handeln oft so, dass ich dahinter zwar die Intention des Autors erkenne, ihre Handlungen aber unorganisch und so wirken, als handeln sie bloß wegen der Geschichte und nicht aus ihrem eigenen Interesse heraus so.
Beispiel die Mutter. Wieso streicht sie die Wände rot? Aus was für einer Motivation heraus tut sie das? Oder wieso hängt sie die Bilder an die Wand, die Fotos? Macht sie das, um ein weiteres Schizophrenie-Klischee zu erfüllen, oder was denkt sie sich dabei? Sowas musst du wissen, als Autor, weswegen deine Figuren handeln, wie sie handeln, denn dann schaffen sie den Sprung von fiktiven Figuren zu wahren Menschen im Kopf der Leser. Wieso sammelt sie die Fotos nicht in einem kleinen Ordner, den sie unterm Kopfkissen versteckt? Würde doch viel mehr Sinn ergeben für sie, weil ihre Recherchearbeiten dann nicht für jeden (auch die vermeindlichen Verfolger) einsehbar wären. Aber das wäre halt schlecht für die Geschichte, weil du es dann nicht aus den Augen des Sohnes heraus zeigen könntest - und deswegen sehe ich hier wieder mehr die Intention des Autors als die der Figur.

Die Frage war nur: Was sollte ich bis dahin tun? So wie jetzt konnte es nicht weitergehen. Mama fürchtete um ihr Leben, und auch ich fürchtete mich.
Hier sehe ich eine Ungereimtheit in der Geschichte, hinter der ich den Autor vermute und der mir deine Figur etwas unauthentisch macht, weil sie so unorganisch handelt. Wenn ich mich ganz in die Figur hineinversetze, dann denke ich mir: Er hat doch Freunde. Wieso erzählt er seinen Freunden nicht davon? Er war doch mit ihnen am See. Die Freunde haben Eltern, so ein Junge müsste doch auch Kontakt zu anderen Erwachsenen - zumindest losen Kontakt - haben, an die er sich wenden könnte. Ich hatte einen Mitschüler, ein Rumäne, ohne Verwandtschaft in Deutschland außer seine Mutter. Irgendwann wurde sie tatsächlich schizophren, und er hat sich dann an den Klassenlehrer gewandt (er war schon volljährig, Abijahr), aber der konnte ihm helfen und hat ihn an weitere Beratungsstellen usw. weitergeleitet, damit er eine Wohnung bekam und weg von seiner Mutter kam. Also, hier ist mir das ein wenig zu gewollt, auch wenn es vllt spitzfindig aussehen mag verhindern solche kleinen Ungereimtheiten und unorganischen Entscheidungen manchmal, eine Figur wirklich lebendig werden zu lassen.

Er streckte eine Hand aus, die ich mechanisch ergriff. „Ninian Reid“, stellte er sich mit einem breiten Lächeln vor. „Ich habe deiner Mutter eine Mail geschrieben, aber sie hat mir nicht geantwortet. Also dachte ich, ich unterhalte mich mal mit dir.“
Würde das ein Geheimagent o.ä. wirklich tun? Sich einfach mal so mit der Tochter unterhalten bzw. sie nach dem Gerät fragen? Fühlt sich irgendwie schief an, ehrlich gesagt so, als ob der Autor dem Prot einfach noch zeigen will, dass die Mutter nicht irre ist. Also, irgendwie unnatürlich und gewollt, nimm es mir nicht übel.


„Okay“, murmelte ich, doch ich gruselte mich. Etwas stimmte nicht.
Letzten Satz könntest du streichen - dass etwas nicht stimmt, weiß der Leser spätestens an dieser Stelle.

„Hey, Papa“, sagte ich, als er endlich abhob. Meine Stimme klang erbärmlich.
„Hi, mein Großer. Schön, dass du mal wieder anrufst. Was gibt’s?“
Ah krass. Ich dachte wirklich, der Erzähler sei eine Sie.


Nimm meine Kritik nicht persönlich und versuche sie ganz rational zu sehen. Ist nur mein persönlicher Eindruck. Nimm dir mit, was du für richtig hältst, und wenn du mit manchen Punkten nicht so viel anfangen kannst, ist das auch nicht schlimm. Ich hoffe jedenfalls, dir weitergeholfen zu haben.

Alles Beste
zigga

 

Hallo TeddyMaria,
Deine Geschichte konnte mich fesseln. Vor allem das Skurrile, dann der klare Stil. Trotzdem blieben mir am Ende viele Fragen. Vor allem empfinde ich, dass die Geschichte weitergehen sollte.
Ich liste jetzt auf, was ich an Problemen und Fragen habe.
Warum wird die Autonummer nicht sofort notiert?
Die Automarken wechseln von BMW, Mercedes, Amerikanische Marken. Das ist wohl mit ein Hinweis auf die Verrücktheit der Mutter? Da bekam ich den Eindruck, dass Ole, den ich trotz des Namens bis zum Telefonat mit dem Vater für ein Mädchen hielt, auch ein bisschen von der Verrücktheit hat.
Alle Autos sind schwarz. Das Böse im Schwarzen. Eine mögliche Erklärung wäre, dass die Mutter ein schizophrenes Erlebnis mit was Schwarzem hatte.
Als nächstes bleibt das Rätsel über die neue, unbekannte Sprache. Hier hätte ich erwartet, dass Ole seinen Vater danach fragt.
Als der Fremde im Park auftaucht und nach dem Gedankenleseapparat frägt, bekommt die Geschichte eine Wendung in Richtung Realität.
Realität oder Schizophrenie? Das bleibt offen. Vielleicht ist ein zweiter Teil geplant?
Also, bis auf diese Fragen hat mir die Geschichte gefallen.
Viele Grüsse
Fugu

 

Hallo Maria,

ich weiß, kritisieren ist so viel einfacher, als selber schreiben. Trotzdem gebe ich dir ein unverblümtes Feedback und hoffe, dass es dich nicht vor den Kopf stößt, sondern dir weiterhilft. Bitte versteh´ das nicht falsch. Aber aus unserem Hin- und Hergeschreibe habe ich entnommen, dass du auch ein Freundin klarer Worte bist.

Grundsätzlich finde ich viele Formulierungen nicht kongruent mit dem Erleben und Formulierungsvermögen des kindlichen Ich-Erzählers. Ich fände es glaubhafter, wenn die Sprache einfacher wäre.

Mama erwartete mich schon in der Tür, als ich von der Schule nach Hause kam
wie wär´s mit: "Als ich von der Schule nach Hause kam, stand Mama hinter der angelehnten Tür."

Ich ließ mich auf der Treppe nieder
"Ich setzte mich unten auf die Treppe, um ..."

Mit einer hektischen Handbewegung winkte sie mich in die Küche.
vielleicht:
"Mit einer hektischen Handbewegung lenkte oder dirigierte sie mich in die Küche."

Ihr Blick war unerträglich neugierig
ev. bohrend?

Das Kennzeichen war von außerhalb.
Stolper. "Laut Kennzeichen kamen sie nicht von hier."?

Mama empfing mich wie am vorherigen Tag schon in der Tür
"Mama wartete wieder hinter der angelehnten Tür."

denn sie war meine Mutter. Wie sollte ich ihr nicht vertrauen?
überflüssig

rudimentäres Englisch
denkt so ein Kind?

Aus einem primitiven Reflex heraus
"Ich wollte nur noch weg ..."?

Beim Gedanken an den Keller erschauderte ich
"... bekam ich es mit der Angst."

ihres vorgereckten Kinns, ihrer energisch glitzernden Augen blieb mir das Lachen im Halse stecken
So denken Erwachsene aufgrund ihrer Erfahrung

verspürte plötzlich ein drängendes Bedürfnis nach seiner sterilen Junggesellenwohnung
Erwachsenensprech

Seinen Akzent konnte ich nicht genau einordnen, ich tippte allerdings auf Britisch … oder Amerikanisch.
Kann das ein Kind so genau einschätzen?

Ich war größer als er, aber er sah kräftiger aus.
Wie alt ist er? Ich dachte max. ein Pubertierchen?

Ich wusste, was sie eigentlich sagen wollte. Sie hatte Angst, dass ich sie verlassen würde.
zu reflektiert für einen Teenager?

Auf seiner Vorderseite prangte ein achteckiges Symbol mit verschlungenen Linien darin
Die obersten Hemdknöpfe standen offen, sodass ich die Tätowierung auf seinem Schlüsselbein sehen konnte. Ein achteckiges Symbol mit verschlungenen Linien darin.
Wenn der Opa das Teil alleine erfunden und anschließend im Keller versteckt hat, kann der Ami kaum das selbe Symbol als Tattoo haben?

Der Twist mit dem Ami, der die Story vom Gedankenlesegerät bestätigt, gefällt mir irgendwie. Ich hätte es nur interessanter gefunden, wenn bis dahin in der Schwebe geblieben wäre, ob die Mutter tatsächlich paranoid ist. Spätestens durch das Telefonat mit dem Vater ist es das nicht mehr.

Wenn das Alter des Prots klarer wäre, würde das der Einschätzung helfen. Ein fast Erwachsener nennt seine Mutter in seinem Bericht nicht Mama. Und ein jüngerer Teen ist selten größer als ein erwachsener Mann.

Bevor das untergeht: Ich liebe Geschichten, in denen die Grenze zum Unwahrscheinlichen/ Übersinnlichen angekratzt oder leicht überschritten wird. Oder wenn ich es als Leser nicht genau weiß. Deshalb bin ich sehr gespannt, was du weiter daraus machst.

Liebe Grüße und nichts für ungut,
linktofink

 

Liebe Gemeinde,

Das wird – wahrscheinlich auch wegen des sehr zahlreichen Feedbacks (vielen, vielen Dank dafür) - einer der längsten Kommentare, die ich je geschrieben habe. Also fasse ich die Essenz kurz hier oben zusammen.

Trotz der Vielfalt der Kommentare kann ich sie letztendlich zu einem kohärenten Bild zusammenfügen. Wie jedem anderen Menschen gefällt mir das sehr. Dass wir immer überall nach Kohärenz suchen, ist ja auch der Grund, weshalb wir alle so gerne an Verschwörungen glauben wollen. ;)

Ich kann hier inhaltlich zwei wesentliche Probleme erkennen, an denen ich arbeiten muss und werde.

Erstens: Viele von euch können sich den Prot nicht richtig vorstellen. Das ist tragisch, weil er in meinem Kopf so lebendig ist. Ich werde versuchen, dafür Sorge zu tragen, dass er auch in euren Köpfen lebendig werden kann.

Zweitens: Ich habe die Geschichte auf dem Höhepunkt des Spannungsbogens beendet. Das ist in der Vorarbeit schon einigen Korrekturlesenden aufgefallen, ich habe es jedoch nicht weiter beachtet. Jetzt wird mir klar, wie weitreichend dieser Fehler ist. Ich werde den Höhepunkt in die Mitte verlegen und Ole aktiver auftreten lassen. Das wird weitreichende Konsequenzen für die Handlung haben. Wie weitreichend, das kann ich jetzt noch nicht absehen.

Da ich mich auf keinen Fall wieder so verheddern will wie in „Chaosfahrt“, werde ich mir dafür die angemessene Menge Zeit nehmen. Mindestens eine Woche. Mehr, wenn es erforderlich sein sollte. Bitte habt Geduld mit mir. Ich bin letzten Endes trotz Ehrgeiz und Hyperaktivität und meiner Begeisterung für dieses Forum immer noch ein Neuling. Und das merke ich auch hier wieder.

Hallo, wegen

Ich freue mich, dass Du vorbeischaust. Nach der Episode bei „Chaosfahrt“ dachte ich eigentlich, Dich als Leser verloren zu haben. Ich bedanke mich für die zweite Chance und hoffe, ich enttäusche Dich nicht.

Mir hat gut gefallen, wie sich Oles Haltung gegenüber den Verrücktheiten seiner Mutter von Verwunderung über Wut und Angst bis hin zu Verbundenheit entwickelt. Oles Mutter, sowie das alte Haus, finde ich anschaulich beschrieben.

Und dass Dir die Beziehungsentwicklung, Mutter und Haus gefallen haben, freut mich sehr. Da man damit hier ja oft sparsam umgeht, sauge ich jedes noch so kleine Lob weg wie nichts. Und das ist ja sogar ein ziemlich großes Lob, schließlich sind das ja wesentliche Bestandteile der Geschichte, praktisch ihr Grundgerüst. Vielen Dank für diese Freude am heutigen Tag.

Bis zu dieser Stelle dachte ich, dein Ich-Erzähler wäre ein Mädchen. Ich kann dir gar nicht sagen, warum mein Hirn das dachte. Aber es gab, soweit ich es gesehen habe, auch keinen Hinweis zum Geschlecht.

Und was für ein Super-GAU! Ole ist eine Figur, die mir so klar vor Augen steht wie kaum eine andere, die ich je geschrieben habe. Umso furchtbarer, dass er Dir so völlig unklar war. Das darf nicht passieren, nicht einem einzigen Leser. Dies ist bereits die zweite Version von „Der Gedankenleseapparat“. In der ersten Version hat Oles Mutter sich ganz zu Anfang über seine Pubertät lustig gemacht, und er hat in der zweiten Szene mit einem Kumpel den Tag vor der Konsole verbracht – was Neunjährige heutzutage vielleicht auch tun, zu den Kindern von heute habe ich ein wenig den Anschluss verloren. Das habe ich gestrichen, weil es sehr viel Tell und sehr viel Klischee war. Ich dachte eigentlich, ich hätte ein wenig Erwachsensein in den Dialogen schon rübergebracht, andererseits ist Ole dafür vielleicht auch einfach zu passiv, als dass das richtig auskommen würde. Ich überlege mir etwas und werde die Woche mit Überarbeitungen zubringen. Da muss was passieren. Ich hoffe, ich finde eine Lösung, und sage Dir Bescheid, sobald ich daran geschraubt habe.

Wenn du nicht vorhast, das zu erweitern, empfehle ich dir seine Figur zu streichen und die Gefahr nur in der Fantasie der Mutter zu belassen.

Was Reid angeht, bin ich mir nicht so sicher. Ich hatte von Anfang an vor, etwas wirklich Seltsames geschehen zu lassen. Nach „Chaosfahrt“ hat mir mal jemand geraten, das Hauptsymptom meiner Geschichte zu identifizieren. Hier gibt es zwei Symptome: Co-Wahn und Mutter-Sohn-Beziehung. Beides ist spannend. Ich habe mich aber entschieden, als Hauptsymptom Co-Wahn zu identifizieren. Reid erfüllt für mich nicht die Funktion, Ole ins Wanken zu bringen, sondern auch, den Leser ins Wanken zu bringen. Co-Wahn ist ein Konzept, das vielen super abstrakt vorkommt: „Wie verrückt, dass ein psychisch gesunder Mensch einem psychotischen Wahn aufsitzt!“ Daran wollte ich den Leser teilhaben lassen. Ist natürlich blöd, wenn die Begegnung wie billige Effekthascherei wirkt. Ich werde die Begegnung weiter nach vorne verlegen und Ole selbst in das Verschwörungsdenken seiner Mutter involvieren. Das könnte cool werden, denke ich.

Hallo, Chris Stone

Schön, dass Du vorbeischaust.

Du hast das Stichwort "Alltag" gesetzt! Das soll Alltag sein? Nee, jetzt fühle ich mich veräppelt.

Kommen wir zuerst zu den Tags. Die haben mir schon eine Woche vor dem Hochladen Bauchschmerzen bereitet. Am liebsten hätte ich „Alltag“ und „Fantasy“ getaggt, habe mich dann aber dagegen entschieden, weil ich zu dem Schluss gekommen bin, dass diese Kategorien sich gegenseitig ausschließen. Ich war ja begeisterte Leserin von Contemporary Fantasy (jetzt lese ich nur noch Sci-Fi, aber das ist eine andere Geschichte). Ich habe mir beim Lesen häufig einen Spaß daraus gemacht, eine Realitätsprüfung vorzunehmen, also nach Indizien zu suchen, dass der Prot vielleicht einfach nur komplett verrückt ist und sich alles Fantastische in seinem Kopf abspielt. Das alles macht das Taggen so schwierig, und das war mir auch bewusst. Ich kann Deine Reaktion vollkommen nachempfinden. Ich werde „Alltag“ jetzt erstmal entfernen und nur „Seltsam“ stehen lassen. Meine Ratlosigkeit bleibt aber. Wenn Du diesbezüglich einen Rat für mich hast, freue ich mich sehr.

Übrigens, verwundert, verwirrt, verängstigt, das steht alles wortwörtlich so im Text, das ist also Tell. Nicht gut. Oles Reaktionen musst du zeigen, wenn der Leser mitfiebern soll.

Mit der „Show, don’t tell“-Sache habe ich immer noch Schwierigkeiten. Erst vor zwei Monaten wurde ich das erste Mal darin unterrichtet, und es verlangt mir immer noch sehr viel ab. Und Du hast recht: Ich habe mich im Zuge meiner Suche nach dem „Show“ wahrscheinlich unangemessen stark emotional von meinem Prot entfernt, weil ich ehrlich gesagt momentan keine genaue Vorstellung davon habe, wie man das Innerste zeigen soll. Aber ein paar Vorschläge hast Du ja schon gemacht. Vielen Dank dafür. Ich setze mich nochmal dran.

Wenn man fast bis zur vierten Leerzeile liest, ist Ole permanent verwundert und verwirrt, aber mehr auch nicht, da ist auch keine Steigerung in seiner Reaktion auf die Situation.

Ich habe überlegt, ob man Oles Entwicklung in Beziehung zu seiner Mutter und ihren Wahnvorstellungen nicht besser herausarbeiten kann, wenn er von Anfang involvierter ist, von ihr mehr einbezogen wird, selbst im Internet surft, Dinge über Geheimbünde liest, sich seine eigenen Gedanken macht. Seine Verwirrung und die kaum vorhandene Entwicklung sehe ich jetzt auch. Er ist sehr, sehr passiv. Das ist offensichtlich ein Problem. Vielen Dank fürs Augenöffnen! Auch darüber werde ich mir Gedanken machen.

Und als der Vater dann sagt: "Deine Mutter ist verrückt", da hat mich das noch mehr rausgeworfen. Wenn ihre Verrücktheit in der Familie schon längst bekannt ist, dann passt für mich der ganze Aufbau nicht mehr.

Dass die Mutter zuvor schon psychotische Schübe hatte, beziehungsweise normalerweise schon etwas verschroben ist, was den Vater zu derartigen Äußerungen bewegen könnte, habe ich versucht, vorher anzudeuten. Tatsächlich gab es dieses Schulterzucken, von dem Du schreibst, in der allerersten Version sogar. Ich werde mir in der Überarbeitung Mühe geben, dies deutlicher zu machen. Wahrscheinlich hast Du aber auch recht, dass die Reaktion des Vaters unangemessen ist. Ich werde ihn im gleichen Zuge ein wenig zurückschrauben.

Wow, ich merke gerade, wie wahnsinnig viel ich Deinem Kommentar abgewinnen konnte. Vielen, vielen Dank. Das wird mich deutlich voranbringen. Hat mich sehr gefreut, dass Du reingeschaut hast.

Hallo, zigga

Nimm meine Kritik nicht persönlich und versuche sie ganz rational zu sehen. Ist nur mein persönlicher Eindruck. Nimm dir mit, was du für richtig hältst, und wenn du mit manchen Punkten nicht so viel anfangen kannst, ist das auch nicht schlimm. Ich hoffe jedenfalls, dir weitergeholfen zu haben.

Bitte entschuldige Dich nicht für Kritik. Ich bin viel Schlimmeres gewohnt und habe ein dickes Fell. Ich bin ja schon froh, dass es Dir sprachlich gefällt. Für mich bedeutet das schon einen großen Fortschritt. Vor zwei Monaten bin ich hier sprachlich und inhaltlich glatt durchgefallen. Jetzt fühle ich mich zwar ins Schwanken versetzt, stehe aber noch. Ich merke auch, dass Deine Kritik konstruktiv ist und mir weiterhilft. Nichts daran empfinde ich als beleidigend.

Ich finde, das sind leider alles Klischees von Schizophrenie, und selbst, wenn ich an diesem Punkt der Story nicht weiß, ob sie es denn jetzt ist oder nicht, muss ich leider sagen, langweilt das auf eine Art, dass das so passiert wie ich es erwarte.

Dass Du hier Klischees siehst, tut mir weh. Das ist ein Problem, denn natürlich will ich das nicht tun. Tatsächlich habe ich kaum einen Gedanken an Schizophrenie verschwendet. Verschwörungsglauben tritt auch bei gesunden Menschen in einem überraschenden Ausmaß auf. Darauf sollte der Fokus eigentlich liegen. :(

Sowas musst du wissen, als Autor, weswegen deine Figuren handeln, wie sie handeln, denn dann schaffen sie den Sprung von fiktiven Figuren zu wahren Menschen im Kopf der Leser.

Deine Hinweise sind sehr nützlich für mich. Ich liebe meine Charaktere, nehme mir aber häufig wenig Zeit für sie. Das liegt daran, dass ich sie meistens erst im Verlaufe der Handlung richtig entwickle. Problem, ich weiß. Umso besser, dass Du mir direkt gute Hinweise gibst, wie ich dafür sorgen kann, dass sie sich „organisch“ verhalten.

Die Wendung fand ich gut, und als sie in den Keller gehen, wird es erst richtig spannend, finde ich, und ich frage mich: Wieso brauchte es all die Schizophrenie-oder-nicht-Szenen in 3/4 des Textes davor?

Und wie so oft liegt die Lösung im Problem. Der Twist hat Dir gefallen, das freut mich außerordentlich. Mir gefällt, dass sich dies wie ein roter Faden durch alle Kommentare hier zieht, sodass ich das zu einem sinnvollen Bild zusammenfügen kann: Ich werde die rätselhafte Begegnung deutlich weiter nach vorne rücken und Oles eigenes Engagement in dieser Sache erhöhen. Überarbeitung kommt nächste Woche (hoffentlich). Sobald er und der Leser glauben können, dass eine reale Bedrohung existiert, erledigt sich ja auch die Frage, warum er sich keine Hilfe sucht.

Ich hatte eigentlich versucht zu schreiben, dass Oles Mutter ihn sehr konsequent von der Außenwelt isoliert. Auch das könnte ein Hilfesuchen hinauszögern. Da habe ich den Fokus aber mal wieder verloren (das ist ein altes Problem von mir). Ich denke aber auch, dass von der Erkenntnis: „Irgendwas ist komisch“, bis zu dem Zeitpunkt, an dem man sich Hilfe sucht und einräumt, dass eine nahestehende Person offenbar jeglichen Bezug zur Realität verloren hat, durchaus Zeit vergehen kann, möglicherweise mehr als anderthalb Wochen. Dies ist ja leider immer noch ein häufig tabuisiertes Thema.

Ah krass. Ich dachte wirklich, der Erzähler sei eine Sie.

Das ist einigen Vorrednern auch schon passiert. Großes Problem! Ich arbeite dran.

Vielen Dank für Deine so umgänglich und freundlich formulierte Kritik. Ich werde die der seltsamen Begegnung vorausgehenden Szenen eindampfen und Ole aktiver auftreten lassen. Das löst dann hoffentlich schon einige der Probleme, die Du mit der Handlung hast.

Hallo, Fugusan

Deine Geschichte konnte mich fesseln. Vor allem das Skurrile, dann der klare Stil.

Es freut mich sehr, dass Du Spaß hattest. Der gehört schließlich auch dazu. Dass Dir gerade die klare Sprache gefällt, lässt mich zwar aufgrund vorheriger Kommentare etwas ratlos zurück, aber das macht nichts. Es freut mich nämlich trotzdem.

Deine Fragen möchte ich an dieser Stelle nicht im Detail beantworten. Das soll schließlich die Geschichte tun. Ich setze mich nächste Woche dran und werde versuchen, Dich beim eventuellen nächsten Lesen (wenn Du dann noch Lust hast) nicht ebenfalls mit Fragen zurückzulassen.

Vor allem empfinde ich, dass die Geschichte weitergehen sollte.

Du bist nicht der Erste, der mir zurückmeldet, dass es am Ende gerade erst richtig losgeht. Tatsächlich ist mir schon vor einiger Zeit aufgefallen, dass der Faden der Spannung von mir an seinem Zenit abgeschnitten wurde. Jetzt weiß ich auch, dass das nicht gut ist. Ich werde die rätselhafte Begegnung weiter an den Anfang packen und Ole aktiver auftreten lassen.

Ole, den ich trotz des Namens bis zum Telefonat mit dem Vater für ein Mädchen hielt,

Das Problem hatten viele. Ärgert mich wirklich sehr. Ich arbeite dran, versprochen.

Ich danke Dir sehr für Deinen Besuch. Deine Fragen helfen mir tatsächlich weiter, stoßen sie mich doch mit der Nase auf Dinge, die ich nie hinterfragt habe: Was bedeutet das Schwarz? Wieso sind die Autos so unterschiedlich? (Die Inspiration habe ich tatsächlich einem anschaulichen Beispiel einer Dozentin von mir entnommen und es kaum abgewandelt (ich hoffe, sie hat es sich nur ausgedacht und keinen realen Fall gewählt)). Das bringt einen Stein ins Rollen. Ich denke darüber nach. Vielen Dank dafür.

Hallo, linktofink

Vielen Dank für Deinen Besuch. Hat mich sehr gefreut. Und bitte entschuldige Dich nicht für konstruktives Feedback. Dazu gibt es keinerlei Grund.

Deine sprachlichen Hinweise sehe ich als Manifestation eines Problems, das viele Leute hatten: Ich habe Dir nicht klargemacht, wer der Prot ist. Er ist mit seiner Mutter eng verbunden, irgendwie abhängig von Dir, aber er ist auch beinahe erwachsen.

Wenn der Opa das Teil alleine erfunden und anschließend im Keller versteckt hat, kann der Ami kaum das selbe Symbol als Tattoo haben?

Du weißt ja überhaupt nicht, ob der Opa den Gedankenleseapparat im Keller versteckt hat. Selbst wenn, weißt Du auch nicht, ob das Symbol da wirklich drauf ist. Du kennst nur die Zeichnung. Und Du weißt nicht, wie derjenige, der die Zeichnung angefertigt hat, auf dieses Symbol gekommen ist. Alles, was Du tust, ist selbst Annahmen zu machen. Das gefällt mir. Denk da noch ein bisschen weiter.

Wenn das Alter des Prots klarer wäre, würde das der Einschätzung helfen. Ein fast Erwachsener nennt seine Mutter in seinem Bericht nicht Mama. Und ein jüngerer Teen ist selten größer als ein erwachsener Mann.

Hier möchte ich Dir klar widersprechen. Ich bin älter als Ole, und in meiner Familie sprechen wir so übereinander. Meine Eltern sagen mir: „Oma hat angerufen. Sie meinte, dass …“ Ich sage zu meiner Schwester: „Das hat Mama mir alles schon erzählt.“ Du hast recht damit, dass ich das außerhalb meiner Familie selten tun würde. Aber was sind die Alternativen? „Meine Mutter“? Sehr umständlich. „Julianne“? Das ist so distanziert. Ole und seine Mutter stehen sich extrem nahe.

Viele Grüße,
Maria

 

Hallo TeddyMaria!

"Meine Ratlosigkeit bleibt aber."
=> Ja, das ist schwierig. Für mich ist das Problem, dass ich nicht weiß, was genau du erzählen willst, vom Thema/Genre her.
Eine in der Realität angesiedelte Geschichte nach dem Motto "Nur weil man paranoid ist, heißt das ja nicht, dass man nicht wirklich verfolgt wird."
Oder eine Geschichte, die in der (Contempory-)Fantasy angesiedelt ist, wo Zeitmaschinen oder eben Gedankenleseapparate möglich sind.

Nachdem ich all deine Antworten auf die Komms gelesen habe, schließe ich darauf, dass du realistisch erzählen willst, dein Thema dabei aber der "Co-Wahn" ist. Der Gedankenleseapparat ist nicht wirklich; Ole übernimmt die Wahnvorstellungen seiner Mutter und bildet sich selbst (etwas dazu Passendes) ein.
=> WOW!
=> Okay, dabei kann ich dir nicht helfen, dir nicht raten. Das Thema ist wahnsinnig toll. Aber das umsetzen? Das verlangt schon ziemlich gute schreiberische Fähigheiten. Und Fachwissen natürlich.

Na ja, mal sehen, was du aus deiner Geschichte noch machst. Sag Bescheid, wenn du mit der Überarbeitung fertig bist.

Grüße,
Chris

 

Hey, Chris Stone


Mein Lieblingswort. Und das mal von jemand anderem. :D Wow, ich bin gerade selbst voll elektrisiert.

Okay, dabei kann ich dir nicht helfen, dir nicht raten. Das Thema ist wahnsinnig toll. Aber das umsetzen? Das verlangt schon ziemlich gute schreiberische Fähigheiten. Und Fachwissen natürlich.

V.a., dass Du sagst, dass Du das prinzipiell gut findest. Das gibt mir gerade einen irrsinnigen Aufwind. Ja, Du sagst im gleichen Abschnitt, dass es schwierig ist. Ich weiß nicht, ob meine schreiberischen Fähigkeiten dazu ausreichen. Grundlagenwissen und Zugang zu Fachwissen habe ich auf jeden Fall, und mir wurde hier häufig versichert, dass ich das Schreiben lernen kann. Dafür bin ich ja auch hier. Ich merke gerade, dass ich wohl dazu neige, mir extrem ehrgeizige Ziele zu stecken - aber richtig neu ist mir diese Information über mich selbst nicht. :) Es wird wahrscheinlich aufgrund meiner mangelnden Erfahrung kein Meisterwerk, aber ...

Na ja, mal sehen, was du aus deiner Geschichte noch machst. Sag Bescheid, wenn du mit der Überarbeitung fertig bist.

Ich habe viele wertvolle Hinweise bekommen und werde mir jetzt noch viel, viel, viel, viel mehr Mühe geben. Ich kann versprechen, dass es einige Tage, möglicherweise Wochen, dauert, aber ich kann auch versprechen, dass ich sofort Bescheid sage, wenn ich etwas gerissen habe.

Nach Deinem ersten Kommentar dachte ich eigentlich, dass Du meine Intention sowieso hassen wirst. Dass Du es nicht tust, freut mich umso mehr. Du wirst wieder Signale aus dem Keller hören. ;) Diesmal hoffentlich auch mit Oles Innerstem.

Viele Grüße,
Maria

 

Hallo TeddyMaria,

Klugscheißeralarm :D

Die obersten Hemdknöpfe standen offen, sodass ich die Tätowierung auf seinem Schlüsselbein sehen konnte.
Das Schlüsselbein ist der Knochen zwischen Hals und Schulter. Was du sehen kannst, wenn die obersten Hemdknöpfe offen sind, ist das Brustbein.

Lieber Gruß, Andreas

 

Hallo, linktofink

Klugscheißeralarm

Ich habe jetzt kurz die Augen verdreht, aber selbstverständlich hast Du recht. Wenn wir nicht auf eine präzise Ausdrucksweise achten, wer soll es dann noch tun?

Von Anatomie habe ich leider wenig Ahnung (ich kann die wichtigsten Alltagsdinge benennen (Mund, Augen, Zähne, ... ;) )), also vielen Dank für den Hinweis.

Viele Grüße,
Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo TeddyMaria

Ach man.
Da schiebt man seinen Kommentar einmal nur zwei Tage auf, weil man weg muss, und dann ist schon alles gesagt, was man doch eigentlich so gerne bemeckern wollte.:(
Na gut, dann geht's eben schnell.

weil sie krank war. „...,
aber Sinah sagt (...)“
Ich würde die wörtliche Rede erst in der nächsten Zeile beginnen, so sieht das komisch aus.
(So, in dieser kurzgefassten, zitierten Art sieht es noch komischer aus, aber du weißt ja, was ich meine.)

hektische Flecken auf den Wangen.
Das Wort hektische passt für mich nicht so ganz. Was soll man sich überhaupt darunter vorstellen? Haben die Flecken keine Zeit und rennen deswegen schnell und unfreundlich auf ihren Wangen hin und her?
(Natürlich weiß ich, was damit eigentlich gemeint ist.)
Ich würde da vielleicht eher so eine klassische Beschreibung wie rot verwanden.

das klingt unglaublich
Weiß nicht. Unglaublich beschreibt für mich eher etwas unfassbar positives, nicht etwas, was man nicht glauben kann. Das Wort, das ich dafür verwenden würde wäre unglaubwürdig.

Zum Großteil des Rests will ich mich nicht mehr äußern, weil darüber schon so viel gesagt wurde, aber vielleicht noch zu einem Punkt: Dass du quasi beim Höhepunkt abbrichst, wie du selbst gesagt hast.

Für mich war das leider noch gar kein Höhepunkt. Ich habe erwartet, dass da noch viel mehr passiert.
Gut, dein Zielthema war "Co-Wahn", da passt das vielleicht nicht so ganz, mit dem Rest, den ich mir da dazugedichtet habe, aber so wurde der Spannungsbogen für mein Empfinden schon ziemlich früh (am Anfang) abgebrochen. Tut mir leid, das so sagen zu müssen.

Mehr habe ich erstmal nicht zu sagen, also mache ich jetzt mal Schluss.
Hoffe, mein Kommentar bringt dir irgendwas.

Viele Grüße,
Anna

 

Hallo, annami

Da schiebt man seinen Kommentar einmal nur zwei Tage auf, weil man weg muss, und dann ist schon alles gesagt, was man doch eigentlich so gerne bemeckern wollte.

Na ja, nicht so schlimm. Ich freue mich trotzdem, dass Du bei mir vorbeischaust. Zu Details hatten sich ja tatsächlich bisher nicht allzu viele Leute geäußert, von daher bringst Du hier ja noch etwas Neues rein, und das ist natürlich nützlich für mich.

Gut, dein Zielthema war "Co-Wahn", da passt das vielleicht nicht so ganz, mit dem Rest, den ich mir da dazugedichtet habe, aber so wurde der Spannungsbogen für mein Empfinden schon ziemlich früh (am Anfang) abgebrochen. Tut mir leid, das so sagen zu müssen.

Also erstmal: Bitte entschuldige Dich doch nicht für angemessen formulierte Kritik. :) Obendrein würde mich eigentlich interessieren, was Du gedacht hast, worauf es hinausläuft. Wenn Du Lust hast, Dich noch einmal zu äußern. Das könnte mir helfen, weitere Schwachstellen zu finden und zu eliminieren. Klingt auf jeden Fall, als hättest Du irgendeinen falschen Eindruck gewonnen.

Ich freue mich auf jeden Fall über Dein Feedback.

Viele Grüße,
Maria

 

Ufff ... Lust hab ich schon, aber das ist nicht so einfach.

Ich neige dazu, wenn mich irgendeine Geschichte am Ende nicht befriedigt, stundenlang darüber nachzgrübeln. Dabei komme ich dann zu so vielen Anregungen, Ideen und Schlüssen, dass ich nicht mehr wirklich weiß, was ich am Anfang oder beim Lesen konkret dazu gedacht habe.

Und wenn sich so sechs, sieben mögliche Handlungsstränge durch meinen Kopf schlängeln, dann kommt am Ende meistens immer das gleiche heraus: ein überdimensionaler Knoten.
Den zu entwirren, um dann nochmal was wirklich konstruktives zum Inhalt schreiben zu können, schaffe ich in den meisten Fällen nicht, oder zumindest nicht vollständig und zufriedenstellend. Ich werde mir aber morgen ganz viel Mühe geben, vielleicht kriege ich den Wirrwarr in meinem Kopf doch noch irgendwie geglättet.

(Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum ich bis jetzt noch keine Geschichte hier gepostet habe. Ich hab er eine Idee, dann denk ich mir viel zu viel Zeugs drumrum, bis ich die eigentliche Idee vergessen habe, alles als Schrott definiere und das ganze in die Tonne trete. Daran muss ich arbeiten.)

Also, ich melde mich vermutlich in den nächsten Tagen noch mal und beantworte dir die Frage.

Viele Grüße,
Anna

 

Hallo, annami

Ich freue mich über Deine Antwort.

Das Problem habe ich in der Form selten, denke ich, allerdings habe ich auch schon Geschichten in die Tonne treten müssen, weil mir plötzlich aufgefallen ist, dass es viel zu viele Handlungsstränge und (demzufolge) auch viel zu viele Plotholes gab.

Für diese Geschichte hier habe ich jetzt ein großes Worksheet mit allen Szenen, die ich mir theoretisch vorstellen könnte, angelegt. Die bringe ich dann in eine sinnvolle Reihenfolge, schreibe einen sehr kurzen Handlungsabriss und trete dann nochmal einen Schritt zurück. Ich habe gestern schon eine ganz neue Handlung aufgebaut, eine Probeszene geschrieben und das Ganze sofort wieder verworfen, habe aber das Gefühl, dass die Methode eigentlich ganz gut funktioniert, weil sie mir einen guten Überblick gibt über alles, was machbar wäre. Deshalb erzähle ich Dir das. Vielleicht ist das ja auch für Dich beim Schreiben hilfreich.

Ich dachte nur, wenn Du jetzt Stellen im Text findest, wo Du sagst: "Das hat für mich ganz klar dies und jenes bedeutet!" Dann würde mich das auf jeden Fall sehr stark interessieren. ;) Wenn Du es ansonsten nicht schaffst, den Knoten in Bezug auf Deine Geschichte zu entwirren, kann ich damit leben. Das ist ja irgendwie meine Aufgabe, denn Du sagst, dass passiert, wenn Dich die Handlung nicht zufriedenstellt.

Uha, jetzt fällt mir auf, dass ich so was auch habe, es jedoch meistens als positiv erachte. Geschichten mit lückenhafter Handlung führen bei mir manchmal zu tausend eigenen Ideen. So wurde auch diese hier eigentlich durch eine andere Geschichte, die ich hier gelesen habe, inspiriert. Das ist nicht gut für die Geschichten dieser anderen Person (weil diese ja eine sehr lückenhafte Handlung haben) - aber gut für mich. :)

Ich werde versuchen, Dich in der nächsten Version zufriedenzustellen.

Viele Grüße,
Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Maria

Ich freue mich, dass mein Kommentar bei dir offenbar gut angekommen ist. Ich habe den Eindruck, dass es jetzt gar nicht mehr viel bringt, wenn ich zweite Hälfte auf dieselbe Art durcharbeite, weil du das, was ich geschrieben habe, auch für dich auf den Punkt gebracht hast und für die Überarbeitung des ganzen Textes nutzen kannst.

Daher widme ich meinen zweiten Kommentar einem anderen Thema:

Mit der „Show, don’t tell“-Sache habe ich immer noch Schwierigkeiten. Erst vor zwei Monaten wurde ich das erste Mal darin unterrichtet, und es verlangt mir immer noch sehr viel ab. Und Du hast recht: Ich habe mich im Zuge meiner Suche nach dem „Show“ wahrscheinlich unangemessen stark emotional von meinem Prot entfernt, weil ich ehrlich gesagt momentan keine genaue Vorstellung davon habe, wie man das Innerste zeigen soll.

Das ist für mich weiterhin eines der grossen Probleme des Erzählens. Man lernt, szenisch zu erzählen, entwickelt Handlungsabläufe, um das, was man erzählen möchte, zu zeigen. Und plötzlich weiss man nicht mehr, wie man Innenleben gestalten soll. Dein Text ist m.E. exemplarisch dafür. Auf der Handlungsebene Show, auf der Ebene des Innenlebens aber Tell.

Hier ein paar Überlegungen, die vielleicht helfen können.

1 Tell ist nicht immer schlecht, um Innenleben zu zeigen
2 Gib deinen Protagonisten Raum und Zeit, Innenleben zu entfalten.
3 Übersetze Innenleben in Gesten
4 Übersetze Innenleben in körperliche Reaktionen
5 Übersetze Gefühle in Gedanken
6 Übersetze Innenleben in Beobachtungen und Sinneseindrücke
7 Spiegle das Innenleben an der äusseren Wirklichkeit

Punkt 2 bedeutet, dass man einen Protagonisten auch mal alleine sein lässt. Er legt sich aufs Bett, starrt an die Decke und dann z.B. 5 oder 6.

Punkt 3 und 4 ist das Übliche. Wenn man sich ausschliesslich darauf verlässt, wird ein Text aber schnell mal eintönig. Unendlich viele Gesten gibt es halt auch wieder nicht. Und einen Protagonisten in Schweiss ausbrechen zu lassen, ist genau so abgedroschen, wie wenn man einfach sagt, er hat Angst. Dennoch oftmals das praktischste Mittel und häufig verwendet.

Punkt 5. Der Protagonist steht am Abgrund. Er hat Angst. Statt aber zu schreiben, er hat Angst, kannst du die Gedanken schildern, die er hat und die ihm Angst machen. Wie tief ist der Abgrund wohl? Würde mein Schädel beim Aufprall platzen? Sowas.

Punkt 6 könnte für dich sehr wichtig sein. Dein Text ist in wesentlicher Hinsicht unsinnlich. Du hast wenige konkrete Beschreibungen drin. Die Autos sind schwarz. Punkt. Wie aber nimmt Ole sie wahr? Wenn du es schaffst, uns die Autos durch die Augen Oles sehen zu lassen, sie so zu beschreiben, dass sie für uns bedrohlich wirken, brauchst du gar nicht mehr zu sagen, wie Ole sich fühlt. Dasselbe gilt für die Art und Weise, wie Ole seine Mutter wahrnimmt.
Ich persönlich glaube, das ist der entscheidende Punkt, Innenleben permanent zu zeigen. Indem man die Welt durch die Perspektive des Prots beschreibt, sie gewissermassen emotional einfärbt. Geht es einem Prot schlecht, dann riecht er Pisse, wenn er eine Toilette betritt. Geht es ihm gut, riecht er den Dufterfrischer, den Hauch von Zitrone.

Damit verknüpft ist Punkt 7. Zum Beispiel: Du lässt deine Geschichte bei drückender Hitze spielen, solange sich eine Situation zuspitzt und der Protagonist bedrückt ist. Kurz vor der Auflösung, bevor der Protagoist "explodiert", lässt du dann das Gewitter kommen. Das ist jetzt gar plump, aber es geht ja nur ums Prinzip.


Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hey, Peeperkorn

Und ich muss mich wieder so sehr bei Dir bedanken.

Ich habe den Eindruck, dass es jetzt gar nicht mehr viel bringt, wenn ich zweite Hälfte auf dieselbe Art durcharbeite, weil du das, was ich geschrieben habe, auch für dich auf den Punkt gebracht hast und für die Überarbeitung des ganzen Textes nutzen kannst.

Es ist beeindruckend, wie Du wieder genau die Stelle rausziehst, mit der Du mir am meisten helfen kannst. Tatsächlich ist es ja so, dass ich die Geschichte beinahe neu schreiben werde. Deshalb ist ein detailliertes Durcharbeiten zwar cool, weil ich mehr Beispiele bekomme für das, was Du meinst - aber Du hast es ja bereits so gut erklärt, dass ich es auf jede Situation übertragen könnte.

Und dass Du mir beim Show hilfst, ist wirklich sehr nützlich für mich. Ich sehe jetzt plötzlich genau, was mein Problem ist. In der psychologischen Gesprächsführung betrachten wir stets diese Ebenen: Verhalten, Gedanken, Körperreaktionen, Gefühle. Den meisten Leuten fällt es leicht, ihr Verhalten zu benennen. Zu Gedanken und Körperreaktionen lassen sie sich ohne Schwierigkeiten hinführen. Aber auf die Gefühlsebene zu gelangen, ist eine hohe Kunst - und da muss ich immer wieder hin, denn dort liegen die Ansatzpunkte für die Probleme. Ich habe gelernt, die Leute dahin zu führen, dass sie erkennen und sagen können: "Ich bin wütend." "Ich bin enttäuscht." "Ich bin traurig."

1 Tell ist nicht immer schlecht, um Innenleben zu zeigen
2 Gib deinen Protagonisten Raum und Zeit, Innenleben zu entfalten.
3 Übersetze Innenleben in Gesten
4 Übersetze Innenleben in körperliche Reaktionen
5 Übersetze Gefühle in Gedanken
6 Übersetze Innenleben in Beobachtungen und Sinneseindrücke
7 Spiegle das Innenleben an der äusseren Wirklichkeit

Jetzt erkenne ich aber, dass es beim Schreiben genau andersherum ist. Ich kenne die Gefühle meines Prots und könnte sie explizit benennen. Damit man mitfühlt, ist es aber wichtig, raufzugehen auf die höheren Ebenen, hin zu Verhalten, Gedanken und Körperreaktionen - weil das die Ebenen sind, auf der sich Gefühle manifestieren. Das ist absurd, und gleichzeitig ergibt es so viel Sinn.

Also, Du hast mich erleuchtet. Ich sehe jetzt, warum ich das Problem habe, das ich habe (ich habe einfach völlig andere Annahmen gemacht und bin die Sache aus einer völlig anderen Perspektive angegangen) und wie ich es lösen kann. Dass es all diese Ebenen gibt, war mir klar. Ich hatte sie nur immer anders priorisiert.

Auch der Hinweis mit der sinnlichen Erfahrbarkeit der Welt ist gut und richtig. Ich habe lange Jahre meine Zeit mit Romanen verschwendet und versuche jetzt immer, mich so kurz wie möglich zu fassen. Dabei treffe ich wohl häufig falsche Entscheidungen.

Meine Güte! Das ist fantastisch. Es gibt noch so viel zu lernen. Also, ich setze mich jetzt wieder an mein Worksheet.

Viele Grüße,
Maria

 

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