Was ist neu

Serie Der dunkle Spiegel II

Seniors
Beitritt
08.07.2012
Beiträge
896
Zuletzt bearbeitet:

Der dunkle Spiegel II

Glass

Lenka Sýkora schirmte die Augen mit der flachen Hand und betrachtete das Gesicht des Kriegers. Gerüstet mit Helm, Kettenhemd, Schwert und Lanze starrte der heilige Ritter auf die Touristen herab, die an diesem Samstagvormittag im Sonnenlicht über den Prager Wenzelsplatz spazierten. Die Stadtführer bezeichneten die Statue als Symbol der Kraft und der Würde des böhmischen Herrschergeschlechts, doch Lenka erkannte im leeren Blick des Bronzereiters lediglich jene Verachtung, die Könige und Fürsten seit jeher den Nöten der Machtlosen entgegenbrachten.
"Ein Krieger, der slawische, lateinische und griechische Schriften lesen konnte", sagte eine Stimme, und Lenka fuhr herum.
"Eine Ausnahmepersönlichkeit seiner Zeit." Carl Sundberg war auf den ersten Blick keine besonders eindrucksvolle Erscheinung – ein Mann um die Fünfzig. Anzug, Hut und Mantel stellten seine Rüstung dar. Doch im Gegensatz zur ausdruckslosen Miene des heiligen Václav verrieten Sundbergs Züge einen hochaktiven und beweglichen Geist.
"Václav starb durch die Hand seines Bruders, wussten Sie das?", fragte er leutselig. "Er wurde in einen Hinterhalt gelockt und erschlagen ..."
Lenka zuckte fragend mit den Schultern. Sundberg setzte zu einer Erklärung an, doch dann überlegte er es sich anders und sagte: "Gehen wir einen Kaffee trinken."
Kurz darauf saßen sie sich in einem Straßencafé an den Ufern der Moldau gegenüber. "Wie ich höre, ist unser Lukáš ein glücklicher Mann", begann Sundberg, nachdem eine blonde Kellnerin auf hohen Absätzen ihre Bestellung entgegen genommen hatte.
Lenka lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und sah Sundberg herausfordernd an. "Es läuft alles nach Plan."
Sundberg lächelte. "Sicher, sicher … Ich hätte nur nicht gedacht, dass es so schnell geht."
Lenka wischte eine Haarsträhne aus der Stirn.
"Sie wollten, dass er mich fickt. Tak jo! Er fickt mich."
Die Kellnerin stöckelte heran, stellte ein Kännchen und zwei Tassen auf den Tisch. "Cokoli jiného?", fragte sie, und zu Lenkas Überraschung antwortete Sundberg auf Tschechisch: "Nein, vielen Dank. Wir haben alles."
Er rührte in seinem Kaffee und sagte dann nachdenklich: "Wir müssen sicher sein, dass es für ihn mehr ist als das. Der nächste Schritt ist heikel."
"Sie haben mir zugesagt, dass wir heute über Lisa sprechen werden", entgegnete Lenka.
"Oh, ja. Wie gedankenlos von mir", antwortete Sundberg, während Lenka ihn beobachtete.
"Lisa geht es gut. Die neue Tagesmutter ist phantastisch, die beiden verstehen sich großartig …"
"Ich sollte bei meinem Kind sein", unterbrach ihn Lenka. "Was ich hier tue, ist ganz und gar falsch."
Sundberg nahm einen Schluck und stellte die Tasse dann mit einer gezierten Geste ab. "Ja, es wäre wunderbar, wenn Sie jetzt bei Ihrer Tochter sein könnten", sagte er liebenswürdig. "Und Sie werden bald wieder bei ihr sein."
Lenka wusste, dass jede von Sundbergs Versprechungen einem gnadenlosen Kalkül entsprang, und dennoch durchströmte sie allein beim Gedanken an ein Wiedersehen mit Lisa ein Gefühl der Wärme und Vorfreude.
"Sie tun das alles hier für Ihre Tochter und für sich selbst, das haben wir doch schon besprochen", fuhr Sundberg fort. "Betrachten Sie es als kleine Geschäftsreise. In wenigen Wochen sind Sie wieder in Berlin, und dann nehmen Sie sich so lange frei, wie Sie wollen."
Lenka steckte sich eine Zigarette an, und nun rauchte sie, um das Gefühl der Anspannung zu lindern. Sundberg war bereits wieder zum geschäftlichen Teil ihrer Unterhaltung zurückgekehrt. Er sagte gerade: "Sie werden Lukáš einen USB-Stick geben. Das Programm auf diesem Stick wird das Netzwerk infizieren. Es installiert sich automatisch, das ist kein Problem. Sobald der Trojaner aktiviert wurde, ist Ihr Job getan, und Sie können nach Hause fliegen."
"Wie weit sind Sie in der anderen Sache?", fragte Lenka und fixierte Sundberg mit einem Blick, der ihm zeigte, dass jeder Versuch, das Thema zu umgehen, zwecklos war. Er lehnte sich zurück und lächelte nachsichtig.
"Hören Sie", sagte Lenka. "Es ist mir gleich, warum Sie tun, was Sie tun. Mir ist dieser geheime Krieg, den Sie da führen, völlig egal. Ich hatte Ihnen gesagt, aus welchen Gründen ich bei Ihnen mitmache …"
"Ich weiß", seufzte Sundberg. "Finanzielle Sicherheit für Ihre Tochter und Aufklärung des Todes Ihres Vaters."
Lenka beugte sich vor und zielte mit der Zigarettenspitze auf Sundberg. "Sie haben mir versprochen, dass Sie herausfinden, was damals geschah. Sollte ich den Eindruck bekommen, dass Sie mich täuschen wollen, bin ich raus."
Sundberg strich die Ärmel seines Sakkos glatt und sagte: "Sie hatten Recht. Es war kein Unfall. So viel wissen wir bereits."
Lenka starrte ihn betroffen an.
"Aber es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um über Ihren Vater zu reden. Sie haben hier eine Aufgabe zu erledigen, Lenka."
"Warum nennen Sie mich so? Sie wissen, dass das nicht mein Name ist."
"Er ist es seit drei Monaten, und Sie sollten sich endlich daran gewöhnen."
Lenka drückte den Rest der Zigarette aus und sagte schließlich: "Okay. Was tut dieses Programm, dieser Trojaner?"
Sundberg betrachtete sie einen Moment lang mit einem bedeutungsvollen Blick, dann sagte er: "Gehen wir ein Stück."
Nachdem sie bezahlt hatten, schlugen sie einen Weg entlang der Moldau ein. Am Westufer des Flusses standen die Platanen des Letna-Parks in Blüte und wehten süßen Duft herüber.
"Sie sind neu in unserem Beruf", sagte Sundberg. "Sie verstehen noch nicht, wie es läuft. Sie hätten gern so viele Hintergrundinformationen wie möglich, aber Wissen ist ein zweischneidiges Schwert."
"Wenn ich Lukáš dazu bringen soll, den USB-Stick zu benutzen, muss ich es wissen", beharrte Lenka.
"Das Schadprogramm auf dem Stick geht nach der Selbstextraktion in zwei Schritten vor", sagte Sundberg. "Zunächst orientiert es sich. Es eruiert, wo es sich befindet, also auf welcher Ebene des Systems. Anschließend wird es die Laborsoftware infiltrieren und gezielt sabotieren."
"Und was bedeutet das?"
"Die Jungs in diesem Labor kochen nicht einfach nur Chrystal Meth", sagte Sundberg. "Sie produzieren Glass, eine hochpotente, besonders reine Form. Dazu nutzen sie softwaregesteuertes Labor-Equipment, und das greifen wir an."
"Die werden die Software austauschen und weitermachen", erwiderte Lenka.
"Sie haben mich falsch verstanden", sagte Sundberg. "Es wird nicht einfach der Strom ausgehen. Die Fehler werden subtil sein. Der Produktionsprozess wird durch eine Serie von technischen Problemen immer wieder gestört werden."
"Warum lassen Sie das Labor nicht auffliegen?"
"Die Tschechen wollen weiter observieren, weil sie die Vertriebsketten noch nicht kennen. Sie überwachen die Computer und Telefone und hoffen, dass sie die Verbindungsleute der Mafia erwischen."
Sundberg räusperte sich, dann sagte er: "Und da ist noch etwas. Unsere Behörde hat nichts mit dem Fall zu tun."
Lenka sah ihn fragend an.
Sundberg lächelte. "Das ist ein Gefallen, den ich einem Freund schulde. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Sorgen Sie einfach dafür, dass Lukáš den Stick benutzt."
Lenka nickte. Dann fragte sie: "Und wie bringe ich ihn dazu? Haben Sie dafür auch einen Plan?"
"Darüber denke ich im Moment nach", erwiderte Sundberg. "Glauben Sie, dass er Sie liebt?"

Lukáš Šimánek trat aus der Schleuse, schloss die Tür und streifte die Handschuhe ab. Nachdem er aus dem Labor-Overall geklettert war und nun wieder Jeans und T-Shirt trug, schnellten seine Gedanken zurück zur letzten Nacht. Natürlich hatte es in der Vergangenheit Frauen gegeben, die Lukáš den Verstand aus dem Hirn vögelten. Doch was ihm jetzt widerfahren war, das konnte er nur als einen außerordentlichen Glücksfall betrachten.
Eine Frau wie Lenka kennenzulernen, dachte Lukáš, das passiert einem Mann nur ein Mal im Leben. Während er die Treppe zu seinem Büro hinaufeilte, sah er Lenka vor sich, wie sie ihn in der vergangenen Nacht mit diesem gespielt naiven Blick angesehen hatte: Wenn ein Mann ihr versprechen würde, zärtlich zu sein, würde sie es gern mal auf andere Weise versuchen. Mal etwas Neues ausprobieren … Oh, ja, Baby!, dachte Lukáš und stellte sich vor, wie er einen dieser Seidentangas, von denen sie scheinbar eine ganze Kollektion besaß, über Lenkas runden Hintern streifen würde. Doch es war nicht der Sex allein. Lukáš genoss jede Minute mit Lenka. Er genoss die Sommersprossen auf ihrem lächelnden Gesicht, den wippenden Pferdeschwanz, die widerspenstige Strähne, die sich einfach nicht hinter das Ohr verbannen ließ. Lukáš machte erstmals die Erfahrung, wie schön es sein konnte, mit einer Frau im Sonnenlicht spazieren zu gehen, zu reden und zu lachen. Lenka war nicht nur ein Image, keine dieser einfältigen Szene-Bitches, mit denen er sich bisher die Zeit vertrieben hatte.
Er betrat sein Büro, schloss die Tür hinter sich und warf einen Blick auf den Computerbildschirm, wo ein Diagnoseprogramm die Überwachung der Laborgeräte anzeigte. Lukáš klickte sich im Stehen durch ein paar Menüs und grunzte befriedigt. Dann machte er einige Schritte durch den Raum. Er hantierte im Küchenwinkel des Büros, füllte Wasser in den Elektrokocher und suchte im Wandschrank nach der Kaffebüchse. In diesem Augenblick schlug sein Handy an. Lukáš klappte es auf. Ratlos betrachtete er die Nummer auf dem Display. Er drückte eine Taste. "Ja. Hallo."
Vom ersten Wort an, das die Stimme am anderen Ende der Leitung zu ihm sprach, spürte Lukáš, dass er in Schwierigkeiten steckte: "Verrat – wie wird das bei euch bestraft?"
Lukáš hielt inne. Nach einem Moment der Verwirrung sagte er: "Wer spricht da?"
"Deine neue Freundin ist nicht sauber", sagte der Fremde am anderen Ende. Bevor Lukáš etwas erwidern konnte, fuhr er fort: "Lenka Sýkora ist ein Fake. Ich weiß nicht, für wen sie arbeitet, aber sie ist Fake. Sie kam erst vor drei Wochen nach Prag. Davor lebte sie in Berlin. Ihr Name ist Fake. Alles, was sie dir gesagt hat … Sie will über dich an das Glass rankommen. Lass dir was einfallen."
Nachdem der Fremde aufgelegt hatte, stand Lukáš wie betäubt mit dem Telefon in der Hand und starrte auf die verlassenen Industrieanlagen, die sich vor dem Fenster des Büros bis zum düsteren Waldrand erstreckten.

Was bedeutete es, einen Menschen zu hintergehen, sich seine Freundschaft, vielleicht sogar seine Liebe zu erschleichen, mit dem Vorsatz, ihn im Moment seiner größten Verletzlichkeit ans Messer zu liefern? Und änderte es dabei etwas, wenn dieser Mensch ein Verbrecher war, ein Drogenproduzent, ein Meth-Koch?
Lenka hatte in einer dreimonatigen Grundausbildung die Basislektionen eines Tiefenagenten erlernt - nicht, weil Sundberg gedachte, sie tatsächlich in das Herz der Finsternis zu entsenden, in die Zentrale des politischen Gegners, als Sekretärin eines Botschaftsangestellten oder als Geliebte eines Konzern-Vorstandsmitglieds, sondern um sie - wie er es nannte - ein wenig auf Linie zu bringen.
Was er damit meinte, wurde Lenka schnell klar: Methode war, was funktionierte. Sollte etwas schiefgehen, konnten die Verantwortlichen auf den höheren Ebenen durch Leugnen, Hinhalten, Infragestellen und andere Täuschungsmanöver so die Spur verwischen, dass am Ende die Skrupellosen den Sieg davontrugen. Das war jedenfalls Sundbergs Ansicht.
Und so erlernte Lenka die Kunst des Überlebens im Agentenmilieu als ein System perfider Tricks, die im Wesentlichen auf die Manipulation der Gefühle und Gedanken des Gegners abzielten und ein erhebliches Maß an Rücksichtslosigkeit und Härte voraussetzten.
Als Lenka jetzt Lukáš beobachtete, der an der Arbeitsplatte der Wohnküche stand und Wein karaffierte, fragte sie sich, ob sie über dieses Maß an Rücksichtslosigkeit und Härte verfügte oder sich lediglich etwas vorgemacht hatte, solange es nur darum ging, mit ihm zu flirten, ihn ins Bett zu bekommen und ihm die neue Freundin vorzuspielen.
Lukáš kam, die Karaffe in der Hand, herüber, trat an den Tisch und schenkte ein.
"Das ist ja ein wunderbares Menü", sagte Lenka. "Hast du das selbst gemacht?" In ihrem Lächeln lag die Andeutung eines Zweifels.
"Frischkäse, Flusslachs und Salat – ist ja kein Hexenwerk", sagte Lukáš fröhlich und setzte sich Lenka gegenüber.
Sie stießen an und tranken.
"Also dann, greif zu, und lass es dir schmecken", sagte Lukáš.
Während Lenka ein wenig grünen Salat auf ihren Teller schaufelte, erzählte Lukáš von dem Projekt, an dem er arbeitete. "Ich habe bisher nicht viel darüber gesprochen", sagte er, "weil sich Frauen, meiner Erfahrung nach, nicht so sehr für Chemie interessieren."
"Hm", sagte Lenka und kaute.
"Aber vielleicht ist das bei dir ja anders", fuhr Lukáš fort und betrachtete sie mit einem unbestimmbaren Lächeln.
Lenka wischte sich mit der Serviette die Lippen ab, nahm einen Schluck Wein und sagte: "Na, erzähl doch mal."
"Tja, also nach dem Abschluss meines Chemiestudiums an der Vysoká škola hier in Prag habe ich einen guten Job gesucht", begann Lukáš. "Da gab es nicht so viele Möglichkeiten, aber immerhin eine Sache, die sich vielversprechend anhörte."
"Aha", sagte Lenka und griff zum Brotkorb. Etwas in Lukáš Stimme hatte sie alarmiert, vielleicht war es auch die Situation, das selbstgemachte Abendessen – bisher hatte Lukáš sie stets in eines der teuren Prager Restaurants ausgeführt - oder die Tatsache, dass er über seinen Job sprechen wollte.
"Ja, ich hatte die Gelegenheit, etwas zu machen, das nicht nur lukrativ war, sondern mir auch die Möglichkeit bot, ein wirklich gutes Produkt zu entwickeln, etwas, das besser ist, als alles andere auf dem Markt."
"Klingt verlockend", sagte Lenka.
"Das war es auch. Die Sache hatte nur einen Haken."
Lenka griff erneut zum Glas und hoffte, Lukáš würde nicht bemerken, dass ihre Hand ein wenig zitterte.
"Ja, der Job war nicht ganz … legal", sagte Lukáš und betrachtete Lenka mit einem Blick, als schätze er die Wirkung seiner Worte ab.
"Du machst es aber spannend", sagte Lenka tapfer.
"Bei diesem Job bin ich mit Leuten zusammengekommen, mit Männern, die in puncto Loyalität keinen Spaß verstehen", sagte Lukáš.
Unter dem Tisch streifte Lenka lautlos ihre Pumps ab.
"Und eben weil diese Männer wirklich extrem reagieren können, falls es bei meiner Arbeit … Sicherheitsprobleme geben sollte, muss ich sehr vorsichtig sein. Verstehst du, was ich meine?"
"Ehrlich gesagt, nicht so ganz", erwiderte Lenka.
"Nimm doch vom Lachs", sagte Lukáš und kaute auf seiner Unterlippe. Lenka sah ihn fragend an, doch er blieb stumm. Nach einem Augenblick, in dem ihr Schweigen durch das Loft zitterte und von den Panoramafenstern zurückgeworfen wurde, zuckte Lukáš mit den Schultern und meinte: "Egal, lassen wir das."
In diesem Moment wusste Lenka, dass Lukáš sie töten wollte. Hätte jemand sie gefragt, woher sie das wusste, ob es irgendwelche Zeichen gab, Lenka hätte es nicht sagen können. Es war wie ein Gedanke, der ihrem Bewusstsein schlagartig die Wahrheit enthüllte.
"Ach verdammt", sagte Lukáš und wies mit dem Kinn auf die Karaffe. "Flusslachs und Rotwein – das passt ja überhaupt nicht. Ich hab noch einen Chardonnay im Regal."
Er warf seine Serviette auf den Tisch, erhob sich und machte ein paar Schritte zur Wohnküche hinüber, wo neben dem Kühlschrank das Weinregal stand. Während er Lenka den Rücken zudrehte und so tat, als suche er nach der richtigen Flasche, sagte er: "Ich habe hier einen aus Chile, der wird dich umhauen." Seine Hand langte in eines der unteren Fächer und ergriff die schwarze CZ Phantom.
Als er sich umdrehte, blickte er in die Mündung einer stupsnasigen Walther PPS. Lenka hatte sich an ihn herangeschlichen. Die Hand, mit der sie die kleine Pistole hielt, zitterte ein wenig, doch ihre Stimme war fest, als sie sagte: "Wir müssen uns unterhalten, Lukáš."

Über den verlassenen Fabrikhallen am Rande der Stadt lag noch das Zwielicht der Dämmerung, als Lukáš die Treppe zum Labor hinaufstieg. Čillík und Rösner, seine Mitarbeiter, würden in etwa dreißig Minuten eintreffen, um mit der Dienstagsschicht zu beginnen. Die zwei mit Sturmgewehren bewaffneten Männer der Sicherheitsgruppe, die ihm jetzt an der Tür zunickten, hielten sich permanent im Objekt auf.
Es war eine Nacht gewesen, die Lukáš sobald nicht vergessen würde. In dem Moment, als er sich dazu entschloss, seine auf der Hochschule für Chemie und Technik erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten dafür einzusetzen, das reinste Methamphetamin zu synthetisieren, das man bisher in der Republik gesehen hatte, war ihm zwar der Gedanke gekommen, dass zu diesem Leben auch das Durchladen von halbautomatischen Pistolen gehören könnte, möglicherweise sogar eine Schießerei inklusive Flucht vor der Polizei oder rivalisierenden Gangstern. Dass er allerdings irgendwann einer derartigen Kaskade widerstreitender Gefühle ausgesetzt sein würde, einem solch beunruhigenden Gemenge aus Ängsten, Hoffnungen und Zweifeln – das hatte er nicht vorhergesehen. Es schien, als wurde nun Realität, was er bisher nur für dramatischen Stoff aus Kino-Thrillern gehalten hatte.
Ja, Lenka hatte ihn getäuscht. Zumindest am Anfang. Doch dann kamen eben die echten Gefühle dazwischen, und nun mussten sie beide einen Weg da raus finden. Nach dem, was Lukáš durch den mysteriösen Anrufer erfahren hatte, überraschte es ihn nicht, dass Lenka für eine deutsche Gruppe mit Basis in Berlin arbeitete, die sich anschickte, die gesamte tschechische Produktion zu übernehmen. Weshalb sollten auch gerade die Deutschen den Tschechen den Markt überlassen, wo doch ein Großteil der hiesigen Jahresproduktion – immerhin mehr als zweitausend Kilogramm - in Deutschland verkauft wurde? Und obwohl die Deutschen – fleißig, wie man sie kennt – ihre Hausaufgaben gemacht hatten, fehlten ihnen noch ein paar Stücke des Puzzles, denn sie waren mit Verspätung ins Geschäft eingestiegen.
Das Spähprogramm auf dem USB-Stick, den Lenka ihm gestern gegeben hatte, würde einen Tag lang alle Produktionsphasen aufzeichnen – angefangen bei der Kondensation des Phenylacetons, der sogenannten P2P-Methode, bis hin zur katalytischen Hydrierung. Dass die Deutschen beim Herstellungsprozess sicher von einem ganz anderen Verfahren ausgingen - die meisten Meth-Produzenten kochten den Stoff mittlerweile durch Reduktion aus Ephedrin – und möglicherweise auch Schwierigkeiten haben würden, die nötigen Mengen an Phenylaceton für ihr eigenes Labor aufzutreiben, erfüllte Lukáš mit einer gewissen Genugtuung.
Doch worauf es ankam, und das war das Einzige, worauf es ankam, ließ sich in einer einzigen Zahl zusammenfassen - achthunderttausend. Diese Summe boten die Deutschen für ein komplettes Monitoring.
Lenka hatte ihn gefragt, wie lange er, legte man seine bisherigen Einnahmen zugrunde, für achthunderttausend Euro im Labor arbeiten würde. Vier Jahre lang, lautete die Antwort. Vier Jahre, die er sechs Tage pro Woche im Labor verbringen würde. Vier Jahre in permanenter Furcht, das Team könnte auffliegen. Vier Jahre, in denen er mit Lenka irgendwo anders ein neues Leben beginnen konnte.
Einem Mann mit seinen Qualitäten und Lenkas Verbindungen stand die Welt offen. Das große Zeitalter des Chrystal Meth war angebrochen. In Russland, China und den Vereinigten Staaten produzierte man Ice, Methaine, Zoom, Sugar, Jib, Crunk - oder wie die User vor Ort es auch nannten – in immer moderneren Laboratorien; Spezialisten wurden dringend benötigt. Und wenn jemand über Expertise auf dem Gebiet der P2P-Methode verfügte, dann war er es, Lukáš Šimánek.
In seinem Büro angekommen setzte er sich an den Schreibtisch und zog ein Päckchen Zigaretten aus der Jackentasche. Es war, als wollte er sich vergewissern, dass er nichts überstürzte. Noch einmal alles durchdenken. Nicht impulsiv handeln, sondern aus einer klaren Entscheidung heraus, unter Berücksichtigung der Fakten und Tatsachen. Während Lukáš rauchte, ging ihm die Frage durch den Kopf, worin das Risiko des geplanten Monitorings bestand. Weder seine Mitarbeiter noch die Männer, in deren Auftrag er kochte, würden etwas davon erfahren. Und ehe die Deutschen die Aufzeichnungen ausgewertet hatten, mochten Wochen oder sogar Monate vergehen.
Bis dahin hätte er sich bereits abgesetzt und gemeinsam mit Lenka die Suite eines Karibikhotels bezogen. Sie würden am Strand liegen, schwimmen gehen und unter Palmen Havanna Sunrise trinken. Doch was war es dann, das ihn so beunruhigte? Der Plan klang großartig, aber da war auch ein Zweifel, der sich störend wie eine dissonante Schwingung in seinen Gedanken ausbreitete: Konnte er Lenka vertrauen?
Als Lukáš den Stick in die USB-Buchse steckte, hatte er alle Bedenken niedergekämpft. Er hatte sich dafür entschieden, Lenkas Worten zu glauben. Er glaubte ihren grünen Augen, ihren glänzenden Lippen und der perfekten Linie ihrer Brüste. Er glaubte Lenkas Stimme, dem Geruch ihrer Haut und dem Klopfen ihres Herzens, als sie gestern Nacht schließlich im Bett gelandet waren – so als wäre der Moment, in dem Lenka eine Pistole auf ihn gerichtet hatte, nur eine Art bizarren Vorspiels gewesen. Lukáš tat das, was Millionen anderer Menschen ebenfalls Tag für Tag taten: Er glaubte, weil er glauben wollte.
Die ersten beiden Stunden der Dienstagsschicht arbeitete er gemeinsam mit Čillík und Rösner im Labor. Nachdem die Vorbereitungen für das Kochen abgeschlossen waren, suchte er das Büro auf, um am Computer einen Blick auf die Diagnosewerte zu werfen. Seine Anwesenheit im Labor war jetzt nicht mehr erforderlich. Zwei Mann genügten, um das Equipment zu bedienen.
Nur diesen einen Tag durchhalten, dachte er, danach beginnt ein anderes Leben. Während er sich erneut eine Zigarette ansteckte und die Bewegungen der Balkengrafiken auf dem Bildschirm beobachtete, die den molekularen Umbau von Phenylaceton und Methylamin zu N-Methylimin visualisierten, glitt sein Blick immer wieder hinab zum Stick in der USB-Buchse, an dessen Ende das blaue Licht einer Leuchtdiode verdächtig flackerte.
Das Summen seines Handys ließ ihn zusammenzucken. Rösner war dran. Er klang beunruhigt. "Lukáš, komm runter, irgendwas stimmt mit dem Druckzylinder nicht."
"Was ist denn los?", fragte Lukáš und sah auf den Bildschirm. "Die Werte sind doch in Ordnung."
"Ja, sehe ich auch, aber der Zylinder vibriert stark. Schau es dir an, dann entscheiden wir, ob wir abbrechen müssen."
Lukáš sprang auf, eilte hinab zur Schleuse, und nachdem er Overall und Schutzmaske angelegt hatte, betrat er das Labor. Ein schlimmer Verdacht erwachte in den hinteren Regionen seines Bewusstseins. Čillík und Rösner standen vor dem zwei Meter hohen Stahlzylinder, der im Sekundentakt unter heftigem Beben erschauerte. Von irgendwoher – ob aus dem Inneren des Tanks oder aus den Zuleitungen war ungewiss – ertönte ein alarmierendes Knirschen.
"Abschalten, sofort", sagte Lukáš. Čillík und Rösner sahen ihn an. In diesem Moment barst der Stahlzylinder und schleuderte eine Druckwelle durch das Labor. Die Explosion sprengte die Schotts aus der Schleuse, die Fenster des Gebäudes zersprangen, und das dumpfe Dröhnen der Detonation hallte vom Rand des Waldes wider.

Auf dem Arkonaplatz herrschte frühsommerliche Betriebsamkeit. Es war, als hätten sich alle jungen Mütter und Väter des Prenzlauer Bergs verabredet, um gemeinsam ihrem Nachwuchs beim Spielen auf der Wiese zuzuschauen. Lenka saß an einen Baum gelehnt im Gras und genoss das Gewimmel. Als ihr Telefon anschlug und sie auf dem Display las Teilnehmernummer unterdrückt, dachte sie sofort an Sundberg.
Er war ihren Fragen ausgewichen, als Lenka ihn auf Lukáš Verhalten an ihrem letzten Abend in Prag angesprochen hatte. Angeblich konnte er sich keinen Reim auf die Tatsache machen, dass Lukáš ihre Tarnung durchschaut hatte. Alles was Lenka von Sundberg zu hören bekam, waren Ausflüchte und ein Lob, das hohl klang: "Sie können sicher sein, dass wir die ganze Mission genau analysieren werden. Für Sie ist die Geschichte erst einmal abgeschlossen. Sie haben sich gut geschlagen. Nicht die Nerven verloren. Klug reagiert. Wirklich, sehr gut gemacht."
Doch als sie jetzt die Stimme des Anrufers hörte, ging ein Schauer über ihren Rücken. "Lukáš Šimánek ist tot." Einen Moment lang schwieg der Fremde, doch dann fuhr er fort, noch ehe Lenka etwas sagen konnte: "Ja, das ist ein Schock für Sie. Ich weiß ... Hören Sie mir genau zu. Ich habe eine Weile gebraucht, um herauszufinden, wer Sie sind. Ich habe versucht, Lukáš vor Ihnen zu warnen. Aber das war leider vergeblich. Zu diesem Zeitpunkt möchte ich Ihnen nur folgendes sagen: Sundberg ist nicht der Mann, für den Sie ihn halten. Wenn Sie klug sind, steigen Sie aus, solange Sie noch können."
Es knackte leise, und dann war die Verbindung tot. Lenka hielt noch immer das Telefon in der Hand. Weit entfernt sangen die Stimmen der spielenden Kinder.

 

Hallo Achillus,

der zweite Teil ist dir ebenso gelungen, du hält das Niveau hoch. Gestört hat mich ztw. (und auch nur etwas) die Nähe zu Breaking Bad, ferner, dass ich weiterhin nicht recht glauben kann, dass Sundberg so einen Rookie einsetzen würde. Andererseits läuft da ja eine inoffizielle Operation ..., hm.
Du deutest an, dass deine Heldin über Spezialfähigkeiten verfügt, auch wenn sie sich selbst vielleicht noch gar nicht darüber im Klaren ist - bin gespannt, ob du in den nächsten Teilen weiter darauf eingehen wirst.
Dass Lukáš jetzt so hin und weg von "Lenka" sein soll, dass er alle Warnlämpchen ausblendet, na ja, ich weiß nicht recht.
Aber ich habe das bereits zu deinem ersten Teil geschrieben: Es muss nicht immer alles 100 % glaubwürdig für mich sein, gilt gerade für Spannungs-/ Actionliteratur (-filme) (lese ich eigentlich eher selten, gebe ich zu). Bedenkt man, wie erfolgreich die Reihe um James Bond ist ...

Ich gehe deinen Text jetzt noch mal durch und schreibe mit, was mir sonst so auffällt:

Lenka Sýkora schirmte die Augen mit der flachen Hand und betrachtete das Gesicht des Kriegers.

Mir fehlt da ein ab. Der Duden kennt schirmen als schwaches Verb, gut, aber für mein Sprachgefühl fehlt es trotzdem. Ich bin da etwas hängengeblieben, gleich zu Beginn.
Ansonsten ist dir ein toller erster Absatz gelungen, finde ich.

Lenka zuckte fragend mit den Schultern. Sundberg setzte zu einer Erklärung an, doch dann überlegte er es sich anders ...

Ich finde, das hast du auch gut gemacht, wie du Arroganz andeutest, einen Klassenunterschied (in den Augen Sundbergs), zumindest habe ich das so rausgelesen. Leutselig ist mir da etwas zuviel des Guten, aber das ist Jammern auf hohem Niveau.

... und dennoch durchströmte sie allein beim Gedanken an ein Wiedersehen mit Lisa ein Gefühl der Wärme und Vorfreude ...

Das klingt beinahe nach entführter Tochter. So wirklich überzeugt mich das noch nicht. Klar, sie hat Angst, dass man ihr die Tochter wegnehmen könnte, aber ... ich weiß nicht. Ich fühle da einfach nicht mit.

... und dann nehmen Sie sich so[ ]lange frei, wie Sie wollen.

Würde ich auseinanderschreiben.

Lenka steckte sich eine Zigarette an, und nun rauchte sie, ohne dass es ihr Vergnügen bereitete, nur, um das Gefühl der Anspannung zu lindern.

Würde ich vereinfachen.

»Finanzielle Sicherheit für Ihre Tochter und Aufklärung des Todes Ihres Vaters.«

Ah, eine Krume aus dem letzten Teil (Tod des Vaters, Verhörzimmer, ...), ein neues Motiv, okay. Das Finanzielle wurde ja schon angeschnitten, aber Hauptmotiv ist doch die Angst, die Tochter zu verlieren oder will Sundberg das nur nicht aussprechen?

Unsere Behörde hat nichts mit dem Fall zu tun.

Noch ein Faden, man darf gespannt sein, ich wundere mich aber, dass "Lenka" das einfach so schluckt, die Gefahr die sie auf sich nimmt, für einen Gefallen?

Lenka war nicht nur ein Image, keine dieser einfältigen Szene-Bitches, mit denen er sich bisher die Zeit vertrieben hatte.

Ja, scheint ja eine ihrer Spezialfähigkeiten zu sein. Dass sie was vom Bumsgeschäft versteht, klar, liegt auf der Hand, aber sie kann offensichtlich mehr, Köpfe verdrehen - ich finde, das hätte mehr Raum verdient.
Dass sie später die Gefahr unbewusst wahrnimmt, ist eine andere Fähigkeit, die ihr bestimmt noch nützlich sein kann.

... und warf einen Blick auf den Computerbildschirm[,] wo ein Diagnoseprogramm die Überwachung der Laborgeräte anzeigte.

Komma

»Wer spricht da?«

Noch ein Faden. Ich bin gespannt, wie du das alles auflösen wirst.

... die im [W]esentlichen auf die Manipulation der Gefühle und Gedanken des Gegners abzielten ...

Großschreibung

Es schien, als wurde nun Realität, was er bisher nur für dramatischen Stoff aus Kino-Thrillern gehalten hatte.

Was sich sicher auch Walter gedacht haben wird. Da sind schon (zu?) viele Parallelen in dem Absatz drin.


Später, etwas zu viel Chemie, finde ich; dann der Kniff mit den Deutschen, den finde ich gut.

Der Schluss gefällt mir auch gut, du baust einen Cliffhanger, der neugierig macht, mich nicht unbefriedigt zurücklässt. Die Geschichte ist eine abgeschlossene.

Danke, Achillus, fürs Hochladen

hell

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Hell, schön, dass Du auch den zweiten Teil kommentiert hast. Ich fand es spannend, Deine Hinweise zu lesen.

Gestört hat mich ztw. (und auch nur etwas) die Nähe zu Breaking Bad, ferner, dass ich weiterhin nicht recht glauben kann, dass Sundberg so einen Rookie einsetzen würde.

Ja, diese thematische Nähe zu Breaking Bad, das kann man kritisieren. Andererseits gibt es x Erzählungen über die Cosa Nostra, den urbanen Haschisch-Anbau, die Jagd nach Serienmördern usw. Im Thriller-Genre tauchen periodisch immer wieder gewisse Themen auf, und wenn eine Geschichte kein Plagiat ist, finde ich das ganz okay, obwohl es eben kein Preis für Originalität gewinnen wird.

Die Mission ist als Test für Lenka gedacht, wie sich später herausstellt. Deshalb macht es im großen Bild dann schon Sinn finde ich.

Du deutest an, dass deine Heldin über Spezialfähigkeiten verfügt, auch wenn sie sich selbst vielleicht noch gar nicht darüber im Klaren ist - bin gespannt, ob du in den nächsten Teilen weiter darauf eingehen wirst.

Die Idee dahinter ist, dass Lenka ein Gespür für Gefahr hat, und dass diese Fähigkeit aus ihrem schwierigen Leben resultiert.

Dass Lukáš jetzt so hin und weg von "Lenka" sein soll, dass er alle Warnlämpchen ausblendet, na ja, ich weiß nicht recht.

Eine weitere Fähigkeit von Lenka. Ich stelle sie mir als eine Sirene vor, und bekanntlich mussten selbst Odysseus und Orpheus in die Trickkiste greifen, um nicht draufzugehen.

Aber ich habe das bereits zu deinem ersten Teil geschrieben: Es muss nicht immer alles 100 % glaubwürdig für mich sein, gilt gerade für Spannungs-/ Actionliteratur (-filme) (lese ich eigentlich eher selten, gebe ich zu). Bedenkt man, wie erfolgreich die Reihe um James Bond ist ...

Sehe ich auch so. Ich orientiere mich aber beim Schreiben an Autoren wie Frederick Forsyth und John le Carré, die ja sehr realistisch geschrieben haben. Das heißt, ich versuche langfristig schon, Glaubwürdigkeitsdefekte zu minimieren.

Ja, schirmen und leutselig – das sind vielleicht ein wenig veraltete Begriffe. Kommt daher, dass ich viele Klassiker der Thriller-Literatur lese. Mag sein, dass diese Worte aussterben, aber ich mag mich noch nicht davon trennen.

Das klingt beinahe nach entführter Tochter. So wirklich überzeugt mich das noch nicht. Klar, sie hat Angst, dass man ihr die Tochter wegnehmen könnte, aber ... ich weiß nicht. Ich fühle da einfach nicht mit.

Ah, eine Krume aus dem letzten Teil (Tod des Vaters, Verhörzimmer, ...), ein neues Motiv, okay. Das Finanzielle wurde ja schon angeschnitten, aber Hauptmotiv ist doch die Angst, die Tochter zu verlieren oder will Sundberg das nur nicht aussprechen?

Ab diesem Teil stehen sich Lenka und Sundberg als Angestellte und Chef gegenüber. Die Erpressungssache ist vom Tisch. Lenka arbeitet freiwillig für Sundberg, weil sie seinem Angebot nicht widerstehen konnte, denn er bietet ihr Perspektive, Sicherheit (Job im Staatsdienst) und Einkommen. Trotzdem zweifelt sie aber zeitweilig daran, glaubt, dass der Preis zu hoch sein könnte, denn sie muss ihre Tochter für längere Zeiten allein lassen.

Genau, wie Du es schreibst, ist jetzt noch ein neues Motiv dazugekommen: Lenka verpflichtet Sundberg, den Tod ihres Vaters aufzuklären.

Deine Hinweise zur Rechtschreibung und zur Straffung des Textes habe ich umgesetzt.

Noch ein Faden, man darf gespannt sein, ich wundere mich aber, dass "Lenka" das einfach so schluckt, die Gefahr die sie auf sich nimmt, für einen Gefallen?

Sundberg sagt Lenka, dass die Operation quasi eine Privatmission ist, und sie schluckt das. Vielleicht ist das besser nachzuvollziehen, wenn man bedenkt, dass für viele Menschen in den Ostblockstaaten Geheimdienst und Mafia ein und dasselbe waren bzw. sind. Aus westlicher Perspektive klingt das eigenartig, aber für Lenka ist es nicht verwunderlich, dass Sundberg als Geheimdienstler irgendwelche Privatinteressen verfolgt.

Ja, scheint ja eine ihrer Spezialfähigkeiten zu sein. Dass sie was vom Bumsgeschäft versteht, klar, liegt auf der Hand, aber sie kann offensichtlich mehr, Köpfe verdrehen - ich finde, das hätte mehr Raum verdient.

Wie gesagt, eine Sirene. Du hast aber völlig recht, das ist ein Aspekt, der es verdient, genauer beleuchtet zu werden. Wertvoller Hinweis.

Was sich sicher auch Walter gedacht haben wird. Da sind schon (zu?) viele Parallelen in dem Absatz drin.

Ja, ich verspreche, Mr.White wird nicht mehr vorkommen.

Später, etwas zu viel Chemie, finde ich; dann der Kniff mit den Deutschen, den finde ich gut.

Mit diesen fachspezifischen Details ist das immer so eine Gratwanderung. Macht man zu viel, wird’s schnell zäh, macht man zu wenig, fehlt das Authentische. Ich werde zukünftig den Mix im Auge behalten.

Der Schluss gefällt mir auch gut, du baust einen Cliffhanger, der neugierig macht, mich nicht unbefriedigt zurücklässt. Die Geschichte ist eine abgeschlossene.

Das hatte ich als Idee. Es ist immer frustrierend, wenn Cliffhanger die Story abwürgen – so wie bei Prometheus oder Die Tribute von Panem II

Hell, vielen Dank für Deine Zeit und Deinen Kommentar!

Beste Grüße
Achillus

 

Fazit: Für mich ist das große Problem bei dieser These, dass die Verwendung des Präteritums immer danach klingt, als wäre eine Aussage auf die Vergangenheit beschränkt. Sie verliert etwas von ihrem Anspruch, eine umfassende, zeitunabhängige Wahrheit zu sein. Trotz all dieser Einwände liebäugle ich aber damit, mich künftig an die Idee zu halten, denn es macht das Schreiben einfacher. Es wäre so toll, wenn diese simple Regel das Problem wirklich löst.
Hallo Achillus, ich nochmal.
Ich habe bisher immer konsequent alle allgemeingültigen Aussagen ins Präsens gesetzt (in Präteritumsgeschichten - sonst gibt es das Problem ja eh nicht). Und manchmal schraubt man dann rum und irgendwas klingt komisch und man fragt sich, ist das jetzt allgemeingültig. Hab mich da einfach manchmal schwer getan.
Ich hatte dir ja geschrieben, die Erklärung dieses bellelettre-Mannes ist tautologisch. Das heißt, eine wirkliche Erklärung, warum man auf keinen Fall ins Präsens schlüpfen sollte, gibt er nicht.
Schon allein daher werde ich für mein Teil aus seinen Aussagen sicherlich kein Dogma machen. Mir hat einfach gefallen, dass man ohne großes Nachdenken ganz individuell die Sache für sich entscheiden kann. Sich also gar nicht sklavisch an eine Regel halten muss, sondern ganz pragmatisch entscheidet, wie es angenehmer klingt.
Bis denn

 

Hallo Novak, sehe ich im Grunde auch so. Deshalb vielen Dank für Deinen Tipp.

Gruß Achillus

 

Lieber @Achillus

ein hervorragender Text. Ich bin beim Lesen nicht einmal gestolpert, habe sprachlich überhaupt nichts anzumerken. Sehr professionell, sehr spannend. Du erzeugst Kopfkino, ich bin nah an den Protagonisten, die Spannung ist greifbar.
Einfach toll!

Liebe Grüße und einen schönen Freitag,
Silvita

 

Hallo Silvita, vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich hatte immer vor, die Serie weiterzuentwickeln, aber dann gab es so viele andere, neue Projekte. Vielleicht greife ich das Ganze aber doch mal wieder auf.

Gruß Achillus

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom