Der Deutsche Paß
Neulich war ich im Kaufhaus.
Als ich mich zur Genüge umgesehen hatte, beschloß ich, meinen Gedanken, der mir schon ziemlich lange durch den Kopf ging, in die Tat umzusetzen.
Schließlich hatte ich ja lange genug gezögert und es war Zeit, diesem sinnlosen Warten ein Ende zu setzen. Ich machte mich also gemächlich auf den Weg, den Erfüllungsort zu erreichen. Dabei verspürte ich ein Kribbeln und ein Jucken innerhalb und außerhalb meines Körpers. Ich begann, unsicher zu werden. Während ich kurz anhielt, um tief Luft zu holen und mir die Schweißperlen von der Stirn abzuwischen, wurde ich von einer Person angerempelt, die sich ohne zu entschuldigen sofort wieder vom Tatort entfernt hatte. Blitzartig kontrollierte ich zuerst meine Westentasche, tastete dann meine Jackenbrusttasche ab: Gott sei Dank!
Alles war noch an seinem Platz! Erleichtert setzte ich meinen Weg fort, ohne mir weitere Gedanken über diese grobe Person zu machen.
Endlich war ich am Bestimmungsort angekommen. Jetzt durfte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Ruckartig kontrollierte ich erneut meine Taschen und machte mich anschließend aktionsfertig. Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir: "Darf ich Ihnen helfen?" Die Stimme des Mannes ließ mich völlig auffahren. "Danke, aber ich bediene mich gerne selbst." Hatte man mein Vorhaben am Ende etwa doch noch erkannt? War ich so unvorsichtig und auffällig gewesen? Oder wollte man mir nur wieder zuvorkommen?
"Ich bin nämlich leidenschaftlicher Türk - " Ehe ich ausreden konnte, umklammerte mich der Mann heftig und ließ mir wenig Bewegungsfreiheit zu. Gleichzeitig schrie er nach der Verkäuferin an der Theke, sie solle Alarm schlagen. Die junge Dame an der Kasse reagierte sofort. Eine heulende Sirene war jetzt im ganzen Kaufhaus wahrzunehmen. Verwundert über den Vorfall, versuchte ich mich loszureißen. Die Verwunderung schlug alsbald in Ärger um, als der Mann nicht nachgeben wollte und zu allem Überfluß ihm noch ein weiterer Herr zu Hilfe eilte. Schon bald traf auch die Polizei ein, die mich nun auf einen Wink des zweiten Mannes in Gewahrsam nahm. Ohne mich etwas sagen zu lassen, zerrten mich zwei Beamte ins Polizeiauto und beförderten mich schließlich aufs Revier.
Dort stellte sich heraus, einer der Männer sei der Kaufhausdetektiv gewesen und der andere der Geschäftsführer. Er habe mich nur von einer Straftat abhalten wollen, gab der Detektiv zu seiner Entschuldigung bekannt. Auf meine Frage hin, was er mir zur Last legen wolle, bekräftigte er seine Position damit, ich habe ihm mitgeteilt, ich würde mich gerne selbst bedienen, da ich Türke sei. Somit sei ein Delikt nicht auszuschließen gewesen.
Überzeugt davon, rechtens gehandelt zu haben, wartete er auf Zustimmung seitens der Beamten. Die Polizei konnte ihm nur beipflichten und warf mir tadelnde Blicke zu.
Verblüfft erstarrten sie, als ich meinen Deutschen Paß herausnahm und ihn auf das Pult legte. "Wenn Sie mich hätten ausreden lassen, hätten Sie gemerkt, daß ich Ihnen nur mitteilen wollte, daß ich leidenschaftlich gern Türkischen Honig esse und mich in ihr Kaufhaus begab, um mich damit reichlich zu bedecken. Schließlich haben Sie es ja nicht alle Tage im Angebot!"
Nachdem nun die Unstimmigkeiten beseitigt worden waren und der Geschäftsführer sowie der Detektiv mehrmals um Entschuldigung gebeten hatten, sah ich von einer Anzeige ab, zumal mir der Geschäftsführer eine Freihauslieferung von nur dem besten Türkischen Honig auf Lebenszeit fest zusprach.
[Beitrag editiert von: Hendek am 10.01.2002 um 13:25]