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Der Bruch
Der Abend unseres ersten großen Bruchs begann harmlos, niemand konnte ahnen das wir im laufe der Nacht die Grenze der Legalität überschreiten sollten.
Wir lungerten einmal mehr in Stefans gemütlicher Dachwohnung herum, der Ofen knisterte und die Nacht lag vor uns. Ferrit und mich zog es einmal mehr in Richtung Wald. Wir waren in dieser Hinsicht völlig falsch gepolt. Statt am Wochenende möglichst viele Stempel auf diversen Körperteilen zu sammeln bestand unsere Leidenschaft darin Nachts durch den Wald zu spazieren, zu diskutieren und natürlich ausdauernd merkwürdige Geräusche zu hören welche das baldige Ende unseres kurzen Lebens einleiten würden.
Stefan wollte saufen. Es war gut für uns solche normalen Freunde zu haben. Also entschlossen wir uns den Kampfvectra zu besteigen, versprachen Stefan einen sixpack von der Tanke und beschlossen als grobe Richtung das Paderborner Hochland anzusteuern. Wir waren 18, jung ... unerfahren und gefährlich leicht zu begeistern.
Der sixpack war leicht gekauft und ebenso leicht verlief die Diskussion im Wagen. In jener Zeit drängte sich mir auch zunehmend der Verdacht auf, dass im Grunde stets der Weg das Ziel bei uns war, ähnlich einer späteren Golfwerbung. Angestachelt von einem gerade gesehen Film planten wir den perfekten Banküberfall. Im Grunde erschien uns die Sache auf unkomplizierte Art und Weise durchführbar. Mit den richtigen Nerven und einem guten Plan sollte es keine Probleme geben, man brauchte halt einen Mann im Segelflieger der von oben das Geschehen überwachte und Straßentipps geben konnte ...
Der schwarze Vectra glitt mehr oder weniger lautlos durch die Nacht. Steffo´s Sixpack neigte sich dem Ende ... Auf unserer Tour kamen wir durch Schwaney, unter anderem weil Ferrit und ich hier gerne sentimentalen Gedanken an unserer ersten weiblichen Katastrophe nachhingen. Das Übel nahm seinen Lauf als wir an der Schützenhalle vorbeifuhren, davor waren einige Buden aufgebaut. Aus den Augenwinkeln, da waren Ferrit und ich uns relativ sicher hatten wir beobachtet, dass einer dieser Wagen aufgebrochen war, sprich die süße Pracht in der Auslage lag griffbereit. Die ersten Sekunden herrschte Stille im Auto, nur Stefans genüssliches Bäuerchen von der Rückbank war zu vernehmen. Ferrit und ich sahen uns an.
„Sag mal war der Wagen da eben offen?“
„Ich will jetzt nichts übertreiben, aber ich meine auch es gesehen zu haben!“
„Jungs ich will tanzen!“
Die nächste Kurve nahmen wir noch gelassen, dann noch ein Blick ...
„Ja und jetzt ... ?“
„Keine Ahnung, welcher Penner bricht den eine Wagen mit Süßigkeiten auf?“
„Weiß ich doch nicht“
„Und wenn wir jetzt ...?“
„Scheiße, das ist Diebstahl. Kennst das doch, kaum sind wir in der Nähe läuft alles schief. Und dann? Ist doch klar was die denken wer die Kiste aufgebrochen hat!“
„Hast recht“
Ruhe ... Ruhe
„Ich habe Hunger“
„Ich auch“
„Bier!“
„Sei ruhig Steffo, wir planen hier ein großes Ding!“
„Was ist los?“
„Lass uns doch erst mal vorbei fahren an der Bude, mal sehen was da wirklich Sache ist.“
Also den Wagen gedreht und langsam die Straße zurück.
„Jungs unauffällig verhalten, tut ja nicht Not das jeder diesen Wagen sieht mit drei Typen drin, es reicht schon das wir da vorbei fahren.“
Alles versuchte sich unauffällig zu verhalten. Steffo schaute sich hinten sogar misstrauisch um, allerdings hatte sein Alkoholspiegel auch bereits mutige Ausmaße angenommen.
„Jungs, ich wüsste nicht wer hier groß was sehen sollte. Ist halb zwei die pennen alle, außerdem fahren wir doch nur noch mal die Straße lang!“
Das war für uns vorne zuviel, mit so einer unprofessionellen Einstellung drohte der Coup zu platzen.
„Reiß dich zusammen Steffo, wenn das hier schief geht sitzen wir morgen in der Zelle, bei Wasser und Brot. Willst du das? WILLST DU DAS?!“
Stefan verhielt sich glücklicherweise einsichtig. Sonst hätte unsere Teamstruktur hier erste Risse bekommen.
„Ist ok, ich behalte die Rückfront im Auge“
„Und nicht auffällig rüber schaun gleich, ... einfach ganz normal lang fahren!“
Natürlich klebten wir alle an der Scheibe, sobald wir an der Bude vorbeiglitten, ich als Fahrer vielleicht sogar etwas zu sehr. Jedenfalls so sehr, dass ich einen endgegenkommenden Wagen übersah. Stefo brüllte von hinten
„KRAUSE! Was machst du denn? Schau mal auf die Straße Mensch!“
Ich rieß den Wagen rum.
„WAS denn? Ich denke die pennen hier alle du Klugscheißer!“
Ferrit griff ein, er hatte begriffen das wir als Team arbeiten mussten.
„Ruhig Jungs, wir müssen das professionell angehen. Also ich schlage vor, wir stellen den Wagen an einer dunklen Ecke ab und erkunden die Lage mal zu Fuß!“
Das erschien uns beiden ein sinnvoller Vorschlag. Einigermaßen schnell einigten wir uns auf eine dunkle Ecke.
Also, alle Mann raus und einfach mal die Strasse runter. Vor allem galt es Abstand von der Bude zu halten. Mal sehen ob sich da was tut, ... nur mal sehen ... Kann ja sein die Ersttäter halten sich selbst noch in der Umgebung auf. Es hieß ja auch, dass Verbrecher immer zum Ort des Geschehens zurückkehren.
Wir schlenderten also die Straße lang.
„Sagt mal Jungs ...“
„Steffo halt die Klappe, willst du das ganze Kaff wecken?“
„Wasser und Brot, Wasser und Brot“, murmelte Ferrit.
Wir arbeiteten uns also wortlos voran. Auf der anderen Straßenseite schlichen wir vorbei. Mit unterdrückten Stimmen tauschten wir uns aus.
„Das Ding ist an der Seite offen“
„Kommt man da den rein?“
„Wer will den da groß rein? Man, so was muss schnell gehen, jeder greift rein, packt sich die Taschen voll und ab“
„Männer können wir das an einem schallgeschützteren Ort besprechen?“
„Mein Bier ist alle“
„Deine Sauferei bringt uns noch alle in den Knast Steffo“
„Wohin wollen wir eigentlich abhauen?“
Das erschien allerdings eine berechtigte Frage.
„Keine Ahnung. Ist kalt draußen, lass uns mal zum Wagen zurück!“
Also alle Mann wieder zum Objekt zurück.
„Lass uns doch erst mal gegenüber der Bude Stellung beziehen, die Umgebung observieren. Sehen ob sich was tut“
Ferrit und ich nickten nachdenklich, alles klar. Ich startete den Wagen, wir fuhren die Strasse erneut lang. Gegenüber des Platzes fanden wir eine kleine Strasse in die wir uns stellten und den Platz beobachteten.
Leider war unsere Geduld bei Beobachtungen noch nie sonderlich ausgeprägt gewesen.
„Sollen wir mal eben zur Tanke was zu knabbern holen?“
„... und Bier.“
„Männer wir planen hier einen Bruch in eine Süßigkeitenbude, da kaufe ich doch nicht vorher Süßkram, reißt euch zusammen!“
Jetzt waren wir doch alle etwas nervös, so hart an der grenze des legalen.
Klar war, die Sache muss schnell ablaufen. Hin und weg.
„Wohin hauen wir ab?“
„Am besten wir nehmen den Wagen, sonst ist doch scheiße wenn wir weg laufen und dann zum Auto zurück müssen!“
Klang logisch, außerdem konnte man mit dem Wagen schnell viel Boden gut machen, was bei einer Flucht immer von Vorteil ist.
„Ich fahr den Fluchtwagen!“ ertönte es von hinten.
„Wer fährt?“
„Jungs gibt es bei der Bude auch Bier?“
„Scheiße Steffo, du hast doch gesehen was da lag, Gummitiere und so was, eben Süßigkeiten“
Ferrit analysierte die Lage mit Kalkül.
„Das Ding müssen wir drehen Benni, da draußen braucht man einen klaren Kopf, Steffo flippt uns da aus. Außerdem ist er der beste Fahrer von uns!“
Stefan grölte direkt von hinten: „Ja sicha, ich fahre die Fluchtkarre!“
Mir war etwas mulmig, war ja schließlich mein Wagen und so logisch sich die Sachlage laut Ferrit auch darstellte, mein Blick in den Rückspiegel verhieß nichts gutes. Nüchtern war Stefo jedenfalls nicht. Aber der beste Fahrer, dass musste auch ich zugeben.
„Steffo aber nur zwei Strassen weiter, dann wechseln wir!“
„Jungs wir arbeiten schon fast eine stunde an der Kiste, lass uns mal zum aktiven Teil schreiten.“
Kalt arbeitete Ferrit die Spinne den Plan weiter aus, „Also klar ist, wir gehen dahin. Packen uns die Taschen voll und hauen dann beide ab, keiner läuft vorher. Außer bei Gefahr!“
„Klar“
„Klar?“
„Ja sicher, ist das klar!“
Die Nervosität begann nun merklich zuzunehmen.
„Wir schnappen nur vorne aus den ersten Kisten ein paar Sachen. Hände voll und weg, keine großen Aktionen!“
„Klar“
„Klar?“
„Lass den scheiß, .. ist klar“
„Stefo?“
„STEFO?“
„Jungs ich werd müde!“
„Scheiße scheiße, das geht schief, komm jetzt. Fahrertausch!“
Alle verließen das Fahrzeug. Stefo ging kurz in den Busch zum Wasser lassen, Ferrit rannte etwas planlos um den Wagen und ich zupfte nervös an meinen Schnürsenkeln herum.
In dem Moment als Stefan am Steuer saß, überquerten Ferrit und ich die Strasse und näherten uns langsam der Bude. Meine Knie fühlten sich erstaunlich weich an. Irgendwas sagt mir, das es gar nicht gut gehen konnte.
Kurz vor der Bude erblickte ich, dass etwas weiter hinten einige dieser großen Herzen hangen. Das wäre natürlich geil! Zu der Zeit lief gerade meine Beziehung mit Mechthild auf Hochtouren, wir waren 4 Monate zusammen und so ein Herz ist natürlich der schmalzige Liebesbeweis schlechthin. Da gab es kein überlegen, ich hechtete in die Bude, von hinten hörte ich noch Ferrits unterdrücktes schreien.
„KRAUSE, scheiße! Was soll das? Nur die Auslage, nur die Auslage, ... scheiße“
„Ich muss an die Herzen Ferrit, die Herzen...“
Ich kroch über die Auslage in die tiefen des Wagens, bis nur noch meine Füße aus der Bude ragten und griff blindlings in die Ware. Durch meinen Körper war die einzige Lichtquelle versperrt, was die Lage erschwerte.
„Scheiße Krause, das gerät außer Kontrolle!“
Stefo kurbelte derweil das Fenster runter und steckte den kopf raus, brüllte über die ganze Straße
„Was macht ihr den für scheiß? Zieh Krause da raus!“
Ferrit zurrte an meinen Beinen, meine Hände grabschten und bekamen etwas lebkuchenähnliches zu fassen was ich mitrieß.“
Kaum aus der engen Bude befreit, krallte ich mit beiden Armen mein Herz an mich und rannte im sprint Richtung Wagen.
„KRAUSE! KRAUSE! Verdammt, laufen nur bei Gefahr! Ferrit schaute kurz, griff dann dreimal in die Auslage und rannte anschließen auch los. Ich schmieß mich auf die Rückbank.
„Katastrophe Jungs“, war Stephans einziger Kommentar.
Ferrit stürzte sich auf den Beifahrersitz und wurde direkt reingepresst als Stephan den Wagen beschleunigte. Gefährlich nah am Busch vorbei aber immerhin.
Wir preschten die Straße endlang auf einen Feldweg, Stehfan drückte das Gaspedal voll durch.
„Stefo halt die karre an!“
„Was?“
„Du sollst anhalten, halt an!“
„Was? Warum? Wir sind auf der Flucht, da hält man doch nicht an!“
„Scheiße, fahr rechts ran, ist doch keiner da“
„Nein“
„Doch“
„Doch“
Wiederwillig lenkte Stefo den Wagen an den Straßenrand.
„Also bei der nächsten Flucht fahre ich nicht, ich muss den Job auch ausführen können“
„Warum bist du weg gerannt Krause?“
„Keine Ahnung“
„Keine Ahnung?“
„Mir erschien die Sache zu heiß zu werden“
„Verdammt, wir hatten einen klaren Plan!“
Puh, allgemeines durchatmen. Fenster auf und Luft rein
„He Ferrit kann ich auch mal eine von den Gummischlangen haben?
„Ganz großes Tennis Jungs!“
Gut das wir nicht so normal waren wie der Rest unserer Altersgenossen und die Abende im OX verbrachten.