Was ist neu

Der Besuch

MHS

Mitglied
Beitritt
06.09.2011
Beiträge
1

Der Besuch

Der Besuch

Es war einer dieser Abende nach einem verregneten Sommertag, den die Sonne noch mit ihren letzten Strahlen versuchte gnädig zu kaschieren. Ich hatte eine Flasche Chardonnay geöffnet, saß auf der Terrasse und zog die frische, warme Luft ein. Nach einer kurzen Weile gelang es mir die Gedanken von den Geschäften weg ins Nichts zu lenken. Eine Katze zog anschmiegend an meinen Beinen vorbei und die Welt war mit einem Mal irgendwie wunderbar. Plötzlich, als ob jemand ein Fenster öffnete, wurde mir kalt. Es war nicht zu erkennen woher diese Kälte kam, die Dämmerung hatte eingesetzt und die Sonne war noch halbrund in rot und gold zu erkennen. Es ging auch kein Wind.
Da stand auf einmal ein Geist vor mir. Ganz in grau, kaum zu erkennen, von weiblicher Gestalt mit langen Haaren. Für einen kurzen Moment erschrak ich, jedoch fühlte ich keine Angst. Als ich mir den Geist genauer ansah schien es mir, als ob ich ihn irgendwoher kenne. Ich hatte ihn schon einmal gesehen und jetzt stand er vor mir, wie eine dunkle, weit entfernte Erinnerung die nach langer Zeit des Vergessens wieder hervor zurück ins Licht des Bewußtseins getreten war und mit einem Mal fing die Erinnerung an zu wachsen, immer mehr Details tauchten auf und hefteten sich an die Erinnerung. Als ich sie kennenlernte war sie jung, sie war schön mit leuchtend blauen Augen und langem, engelsgleichem Haar. Ich erschrak, ich hatte dieses Mädchen einmal geliebt. Ich versuchte mich von der Erinnerung loszureißen, doch es gelang mir nicht, sie wuchs immer und immer weiter. Es war eine wundervolle Zeit gewesen, die sehr traurig endete, als sie mich wegen eines Anderen verließ. Von alledem war nicht mehr viel zu erkennen, in ihrem alten grauen Gesicht machte ich noch einen winzigen Rest des einstigen Lächelns aus, ihre Augen jedoch hatten jeglichen Glanz verloren und starrten grau und bohrend mich an. Sie beobachtete aufmerksam mein Gesicht und sie schien jeden Gedanken an meinem Mienenspiel ablesen zu können. Nach einer kleinen Ewigkeit begrüßte und umarmte sie mich mit einer vertrauten Herzlichkeit, die ich von einem Geist nicht erwartet hätte. Wir wechselten ein paar Belanglosigkeiten und schließlich lud sie mich ein Essen zu gehen und dann weiter zu reden. Ich war überrascht, dass Geister in Restaurants gehen, willigte jedoch aus Neugier ein, schraubte die Weinflasche zu und schon gingen wir los. Den gesamten Weg liefen wir schweigend nebeneinander her und mir fiel kein Thema ein, das die drückende Stille hätte beenden können. Sie führte mich durch die langsam in der Nacht versinkenden Straßen, die mir gänzlich unbekannt vorkamen. Wenige Minuten später tauchte ein schwach belichtetes Schild vor uns auf, dessen alte, kaum erkennbare Buchstaben den Namen des Restaurants „La Serenissima“ preisgaben. Wir gingen in das hölzern getäfelte Lokal, in dem außer uns nur noch ein altes Pärchen saß. Wir setzten uns an einen knarzenden Tisch in einer schummrigen Ecke. Eilfertig kam eine alte italienische Dame angehumpelt, die angesichts der Größe des Restaurants in Personalunion Kellner, Koch und Tellerwäscher war. Ihr schiefes Lächeln offenbarte den einzigen Zahn den sie im Mund hatte. Sie murmelte etwas schwer verständliches und ich vermutete, dass sie gefragt hatte ob wir beiden schon etwas trinken wollen und ich hatte recht. Der Geist verneinte und ich bestellte ein Glas Chianti. Mit dem Wein wurde auch die Karte gebracht und ich fing an zu blättern froh darüber das unwirkliche Wesen mir gegenüber eine Zeit lang nicht ansehen zu müssen. Ich schien mich in den schier endlosen Kolonnen von Fleisch-, Fisch- und Nudelgerichten zu verlieren. Dann stand plötzlich die Kellnerin wieder dicht neben mir und fragte, ob ich schon gewählt habe. Dieses Mal war ihre Stimme laut und deutlich, sodass ich aus der Karte hochschreckte und einen kurzen Moment kein Wort herausbrachte. Dann kamen mir die Worte „Tortellini al Gorgonzola“ über die Lippen. Der Geist verneinte wiederum. Geister gehen also in Restaurants, essen und trinken aber nichts. Jetzt brach sie das Schweigen und begann von früher zu erzählen, von dieser lang vergangenen Zeit, als wir uns geliebt hatten und im Schein der Kerze auf dem Tisch, die die alte Frau angezündet hatte schien es, als ob ihr fahles Haar wieder die strahlend blonde Farbe jener Zeit annahm von der sie gerade sprach. Sie sprach auf einmal mit einem lebendigen Ausdruck im Gesicht und die Worte kamen wie ein Fluß aus ihrem Mund und drangen in mich ein und ließen meine Erinnerung weiter wachsen. Ich fühlte etwas von der Liebe dieser Tage in mir hochsteigen und wollte etwas sagen, aber ich hatte keine Worte. So ließ ich sie reden. Dann hörte ich ein Tellerklappern, schon tauchte die Kellnerin, meinen Teller auf einer Hand balancierend, aus dem Dunkel auf und brachte ihn, mit letzter Kraft so schien es, auf unseren Tisch. Ich nahm das Besteck auf und sah den Teller mit den Tortellini, auf das Messer in seiner rechten Hand und plötzlich musste ich an den Schmerz denken, den ich damals erlebt hatte und mein Blick verfinsterte sich. Als ich das nächste Mal vom Teller aufblickte war das Blond wieder aus den Haaren des Geistes verschwunden, der immer noch ununterbrochen auf mich einredete. Ich sah wieder auf den Teller herab, spießte ein paar Tortellini mit der Gabel auf und sah wieder hoch. Wieder hatte sich der Geist verändert, seine Haut schien stark gealtert und verschrumpelt zu sein und sah furchtbar aus. Ich sah verschämt wieder zurück auf den Teller und nach der nächsten Gabel sah es aus als ob die degenerierte Haut sich langsam von ihrem Gesicht ablöste und herunterhing. Ich blickte schnell wieder weg und immer noch hörte ich ihre lebhafte, jugendliche Stimme. Ich hörte sie, aber ich verstand kein Wort mehr. Nun sah ich ununterbrochen auf den Teller und traute mich nicht mehr den Geist anzublicken. Als die letzte Tortellini vor mir lag, spürte ich noch einmal diese Kälte des offenen Fensters, die mich frösteln ließ. Nachdem ich noch eine ganze Zeit den leeren Teller angeschaut und der Frauenstimme gelauscht hatte, fasste ich allen meinen Mut zusammen und hob den Kopf. Was ich sah überraschte mich. Der Geist war weg, so schnell wie er gekommen war, war er wieder verschwunden. Ich atmete tief beruhigt durch und winkte der Kellnerin, um diesen grauenhaften Ort so schnell wie möglich verlassen zu können. Sie brachte mit ihrem Einzahnlächeln die Rechnung und schien überhaupt nicht überrascht zu sein mich allein an seinem Tisch vorzufinden. Ich griff nach meinem Portemonnaie, um die Rechnung zu begleichen, doch ich hatte es zu Hause vergessen.

 

Hallo MHS

Ich ordnete mir beim Lesen deine Geschichte den Tagträumen unter, bei der die Wahrnehmung ungewollt auf eine Irrealitätsebene verschobenen wird. Solche Wachträume artikulieren sich durch Ausdenken und Ausmalen von unwirklichen, gefürchteten oder gewünschten Situationen im Wachzustand. Vom Inhalt her ist sie also, bei psychischer Disposition, gar nicht so unwahrscheinlich.

Noch einige Hinweise, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Nach einer kurzen Weile gelang es mir[KOMMA] die Gedanken von den Geschäften weg ins Nichts zu lenken.

Das Nichts erscheint mir hier nicht die treffende Wortwahl. Ins Grüne, sofern dies auf die Umgebung zutrifft, oder in die Weite kommen deiner Intention vielleicht nahe. Es gibt ja Meditationstechniken, in denen angestrebt wird, das Denken zu einzudämmen. Aber dies trifft auf deinen Prot. hier ja nicht zu.

Als ich mir den Geist genauer ansah[KOMMA] schien es mir, als ob ich ihn irgendwoher kenne.

Ist es nun eine Frau? Ist dann hier nicht die weibliche Form sie angezeigt. Doch damit haben ja auch die Religiösen ihr Problem, ist der Heilige Geist nun männlich, weiblich oder nicht Zuordnungsbar? Die Juden haben es gelöst, bei ihnen ist der Heilige Geist weiblich (Ruach HaQodesh, übersetzt Heiliger Atem).

Eilfertig kam eine alte italienische Dame angehumpelt, die angesichts der Größe des Restaurants in Personalunion Kellner, Koch und Tellerwäscher war.

Eine Dame mit schiefem Lächeln und einem einzigen Zahn? Dies klingt mir verstärkt diskreditierend, mit Frau würde es wohl eher auf sachlicher Ebene bleiben.

Sie murmelte etwas schwer verständliches und ich vermutete, dass sie gefragt hatte[KOMMA] ob wir beiden schon etwas trinken wollen und ich hatte recht.

beide

Der Geist war weg, so schnell[KOMMA] wie er gekommen war, war er wieder verschwunden.

Gar so schnell dünkte mich dies jetzt aber nicht, immerhin eine Geschichte lang.

Nicht ungern gelesen, auch wenn aus meiner subjektiven Lesersicht etwas an Spannung und einem überraschenden Schluss mangelte.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo & herzlich willkommen hierorts,

lieber MHS,

Deine kleine Geschichte krankt an Allem, was einem zu Anfang einer schreibenden Karriere widerfahren kann – da ist der Schwulst (insbesonder funktionslose Beschreibungen, Adjektivitis, Phrasen, Füllsel usw.) und die Zeichensetzung, aber auch Unlogik - was bei einem (Tag)Traum nicht unbedingt stören müsste. Ich will das nur an den ersten Sätzen festmachen, da sonst der Kommentar länger würde als der Muttertext:

… und zog die frische, warme Luft ein.
Ziehen ist m. E. das falsche Verb.
Du ziehst die Luft weder an (sie ist eh da), noch zieht sie in Dich ein, wenn Du nicht atmest (die Haut allein schafft’s nicht); die Luft umgibt Dich, ob Du willst oder nicht, eines Tages selbst im Sarg, der ja i. d. S. kein luftleerer Raum, kein Vakuum an sich ist - und Maden brauchen auch'n bissken Luft ...
Ziehen hat auch mit dem Verb führen zu tun, was bei der Ertweiterung zum erziehen deutlich wird, und wer wollte von sich behaupten, er führe die Luft? Du atmest halt und wenn Du’s mal vergessen würdest, käme die Angst oder gar das Ersticken (selbst das Ertrinken ist eine besondere Form des Erstickungstodes).
Das Verb atmen ist nun wiederum vom Atem (religiös zum Odem erhöht) abgeleitet – im einfachsten Fall der Hauch, in seiner überragenden Bedeutung identisch mit der Seele.
Du willst aber sagen, dass Du mehr als nur (ein-)atmest: Du saugst die Luft ein wie der „Säugling“ die Muttermilch, was dann m. E. das korrekte Verb sei und es bedürfte nur den Austausch eines Buchstabens zur Korrektur:
… und sog die frische, warme Luft ein.

Nach einer kurzen Weile gelang es mirKOMMA die Gedanken von den Geschäften weg ins Nichts zu lenken.
Anakreon hat schon auf die Zeichensetzung ausführlicher hingewiesen.

Eine Katze zog anschmiegend an meinen Beinen vorbei und die Welt war mit einem Mal irgendwie wunderbar.
Du scheinst es mit dem Verb ziehen zu haben, erst wird die Luft gezogen, dann zieht eine Katze des Weges eher partizipreitend und weniger partizipierend.

Nun, Partizipien haben ihre Berechtigung, da werden Verben wie hier in diesem Falle [an]schmiegen zu Adjektiven. Aber das gibt’s doch schon im „an-/schmiegsam“, wodurch eine Wortschöpfung an sich entbehrlich wird, die zudem noch ein Verb (eben bei Dir: ziehen) mit sich führen muss. Es ginge auch ohne Verb-Partizp-Konstruktion.
Und da wir gerade dabei sind,

irgendwie
wirkt auch irgendwie entbehrlich, oder sagte der Satz in der gekürzten Form weniger aus, als Du aussagen wolltest?:
Eine Katze [zog / alternativ: schmiegte sich] an meinen Beinen vorbei und die Welt war mit einem Mal … wunderbar.

Dann kommt aber m. E. der Hammer:
Plötzlich, als ob jemand ein Fenster öffnete, wurde mir kalt.
Wirkt zunächst – durch den Konjunktiv – berechtigt – bis man Ort und Zeit berücksichtigt, welche den Konjunktiv „eigentlich“ entbehrlich machten.
Du sitzt – nach eigener Auskunft –
… auf der Terrasse …,
üblicherweise ein nicht-überdachter Platz in Erdgeschosshöhe, aber auch als Aussichtsplattform höher gelegen bis hin zur Dachterrasse. Wenn es da kälter wird, bedürfte es weniger des Fensters (das es wahrscheinlich eh nicht gibt, und wenn, dann am Gemäuer, statt an der freien Seite) als einer objektiven Temperatursenkung oder des als-ob des persönlichen Empfindens. Aber i. d. R. setzt die Dämmerung VOR dem Sonnenaufgang oder NACH dem Sonnenuntergang ein und kann – je nach geographischer Lage – bis nahezu einer Stunde (in Mitteleuropa bis zu 51 Minuten) dauern.
Beim Sonnenuntergang wird’s eh kühler. Deine Darstellung des Sonnenballs scheint mir da mehr als fragwürdig.

Ich bin von überzeugt, dass Du den Rest der Aufgabe, die Geschichte zu straffen & korrigieren, selbst bewältigen wirst (da sind wir Ruhrgebietler ganz schön eigen).

Schönen Gruß aus der Wiege der Ruhrindustrie an die Stadt, deren Namen a) der unbedarfte Amerikaner fürs Ruhrgebiet insgesamt verwendet und der b) für ein Bedürfnis steht, was mich noch auf Deinen nickname abschweifen lässt: Der Genitiv des Autokennzeichens Mülheim a. d. R.?

Friedel

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom