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Der Auftrag

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21.01.2016
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Der Auftrag

In uns tobt ein Sturm. Ein nicht zu bändigendes Ungetüm, das fortwährend etwas erwartet, fordert, sich krümmt und windet und der Seele keine Ruhe schenkt. Der Wille nach mehr. Und wenn Caffee eines in den fünfunddreißig Jahren seines Lebens gelernt hatte, dann, dass man es nur mit Disziplin und Ausdauer zu einer gehobenen Lebensqualität und adäquaten Erfüllung seiner Bedürfnisse und Wünsche bringt. Und mit Skrupellosigkeit.
Abraham Caffee reckte bedächtig den Arm vor. Der Ärmel seines hauchfeinen Maßanzuges glitt herauf und er tippte mit dem Zeigefinger auf sein entblößtes Handgelenk. Der implantierte Chronometer leuchtete für einige Sekunden unter der Haut.
Schönheit, Intelligenz, Kaltblütigkeit. Für Caffee die drei Wege zum Erfolg. Auf ihn trafen alle drei Attribute zu. Einen flüchtigen Moment betrachtete er die Reflektion seines jugendlichen Gesichtes in der gigantischen Panoramascheibe der Raumstation. Dunkle Augen, dunkle Haare, gleichmäßige Züge. Ein sanftes Lächelns legte sich auf sein Gesicht und verschwand so plötzlich, wie er erschienen war.
Hinter der Sicherheitsscheibe brodelte Chipee. Obwohl fünftausend Kilometer entfernt, füllte der Gasgigant doch das gesamte Blickfeld. Zahlreiche Wirbelstürme rollten durch seine Atmosphäre, darunter sponnen gleißende Entladungen wirre Netze. Caffee wendete sich von der Panoramascheibe ab und schaute durch die Transithalle. Der staubige Boden war übersäht mit Fußabdrücken und Schleifspuren. Vor den nackten Stahlwänden befand sich eine Ansammlung von Ständen, auf denen Pfefferwodka, Tang-Krebse und faustgroßen Sandkäfer angeboten wurden. Es roch nach künstlichen Gewürzen, vermischt mit einem unterschwelligen Geruch von Algenkonzentraten und Pflanzenölen. Eine zu lange, zu dünne Chinesin mit einer Hornbrille, hinter deren Gläsern ungewöhnlich kleine, aber sehr wache Augen blitzten, bewegte sich auf ihn zu. Ihre Handrücken waren überzogen mit Brandarben. Sie blieb vor ihm stehen. Für einen Augenblick ruhten ihre Augen auf seinem Gesicht. Tiefe Falten zogen sich über ihre Wangen, als sie verschlagen lächelte und ihre wulstigen Lippen bewegte.
„Hallo Abe.“ Ihre Stimme wirkte so ölig wie ihr schwarzes Haar.

„Maylin.“
Caffee musterte die Abhörspezialistin, wie er es vor jedem ihrer gemeinsamen Aufträge tat. Doch er kratzte nur an der Oberfläche, ihr Innerstes blieb ihm wie immer verschlossen. Sie war eine freie Unternehmerin, ein Söldner der ersten Güte, so wie er. Man hatte ihnen einen fetten Köder hingeschmissen und sie hatten angebissen. Die Arbeit mit ihr war bislang immer zu seiner Zufriedenheit verlaufen. Menschlich näherkommen wollte er ihr nicht. Sie waren Arbeitskollegen, die einander respektierten.
„Du bist spät dran. Wir dachten schon, du würdest nicht kommen.“ Maylin schaute ihn ohne Regung an. „Warum muss das bei dir immer so spät werden? Du weißt, dass unsere Auftraggeber keine Fehler tolerieren.“
Caffee verengte die Augen. Er ließ seinen Blick durch die Halle schweifen. Irgendwo mussten sie sein, aber sie waren wie gewöhnlich nicht zu entdecken. Zumeist kamen die Aufträge über verschleierte Personen von Geheimdiensten zustande. Es waren Mafias, wie alle anderen auch. Sowohl was ihre Methoden anging, als auch ihre Ziele. Sie vermieden es, eigene Leute in brisante Angelegenheit zu verwickeln. Das Risiko der Zurückverfolgbarkeit war ihnen zu hoch. Aber sie hatten immer ein Team vor Ort, um die Abläufe zu überwachen und im Falle einer Aufdeckung Spuren und Zeugen zu beseitigen. Lief etwas schief, entschieden Andere über sein Weiterleben, das war das Geschäft und es wurde gut bezahlt.
„Deine Instruktionen und die virtuelle Station waren detailliert, ich bin bestens vorbereitet.“ Nur die totale Überwachung empfand Caffee in manchen Momenten als unangnehm. Maylin überwachte die Zielperson, vielleicht auch ihn, das wusste er nicht. Ihr Auftraggeber überwachte das komplette Team. Allein, in einem stillen Raum, hörte er seinen eigenen Atem, was ihn daran erinnerte, dass jede seiner Regungen mitgehört, aufgezeichnet und zur Auswertung übergeben wurde. Auch das Einschlafen fiel ihm schwer, was er schon mal mit ein wenig Alkohol kompensierte. Aber diese Blöße der Schwäche konnte er sich seinen Partnern gegenüber nicht leisten. Im privaten Leben würde er zu extremen Reaktionen neigen, wenn jemand derart in seine Intimsphäre eindrang.
Maylin wandte den Kopf zur Seite. Sie registrierte, dass sie weit abseits anderer Personen standen. Dann schaute sie zurück auf Caffee.
„Unsere Zielperson trifft in zwei Stunden ein. Sie ist weiblich und wird von einer Assistentin begleitet. Es gibt eine kleine Planänderung, dazu später. Wenn du mir bitte folgen würdest.“
Sie wandte sich ab und Caffees Blick fiel auf ihr knackiges Hinterteil. Es verwirrte ihn stets ein wenig, denn im Grunde genommen fand er Maylin abstoßend. Als Geschäftspartnerin war sie erste Wahl. Planung, fachliche Qualitäten, Zuverlässigkeit, daran gab es nichts auszusetzen. Emotionell war sie mehr als zugeknöpft und er hatte das Gefühl, dass das andere Geschlecht für sie so etwas wie einen Gang auf einer Speisekarte darstellte, den sie bestellte.
„Ich war noch nie am Ende des bewohnten Raumes“, raunte er trocken und hätte sich dafür auf die Zunge beißen können. Er wollte garantiert kein persönliches Gespräch mit dieser frostigen Frau beginnen.
„Die Tiefraumstation ist ein Relikt aus den Anfangszeiten der Expansion. Als man erkannte, dass ausserhalb des Besiedlungsraumes nichts Verwertbares mehr zu entdecken war, gaben die Konzerne sie auf. Sie dient noch als Knotenpunkt für die Minenarbeiter von den umliegenden Monden.“
Caffee vermied eine Antwort, während er Maylin folgte und seinen Blick immer wieder auf ihren Arschbacken richtete. Beim Verlassen der Transithalle passierten sie eine Gruppe von gedrungenen, stämmigen Männern. Hochschwerkraftgeborene, wahrscheinlich von Coxa oder Koro IV, nur wenige Lichtjahre entfernt. Caffee konnte sie riechen. Eine seltsame Mischung aus Schweiß, Diesel, Knoblauch und Fisch.
Das traurige Strandgut des Aufbruchs, dachte er. Mit dem verkümmerten Traum, reicher zu werden als in der kühnsten Phantasie. Mit jedem Jahr war ihr Traumbild blasser geworden. So, wie ihr rasch schwindendes, unbedeutsames Leben verblasste und sie sich nicht einmal mehr daran erinnerten, dass sie jemals solche Träume hatten.
Sie erreichten einen langen Gang, der an einer geätzten Glasscheibe endete. Die Wände waren mit rot meliertem Stoff ausgeschlagen, zu beiden Seiten unterbrochen von perlweißen Türen, deren Helligkeit in den Augen schmerzte. Caffee spürte einen weichen, nachgebenden Teppich unter seinen Schuhen.Gemessen an seinen ersten Eindrücken der Raumstation, am definitiv letzten Ende des menschlichen Lebensraumes, prunkte hier der pure Luxus. Welche Menschen mit gehobenen Ansprüchen mochte es hierher wohl verschlagen? Maylin zog eine Keycard durch ein Lesegerät. Caffee folgte ihr durch die geöffnete Tür mit der bronzebeschlagenen Zwölf in den Raum und erblickte Grisnam, der ihnen entgegen kam. Ein grobschlächtiger Mann mit buschigen Augenbrauen, dem man seine Kraft ansah, nicht aber seine Intelligenz und seine Schnelligkeit. Die Liste seiner Straftaten war lang und las sich wie eine Bestandsaufnahme menschlicher Gräueltaten. Eine ihrer Gemeinsamkeiten, auch wenn sie nie darüber sprachen. Die wirkliche Welt war nunmal hässlich und sie waren ein Teil davon. Caffee kannte das doppelte Gesicht des Menschen nur zu gut. Wie wütende Hunde zerrten die Machtgruppen an jedem Knochen, den auch noch ein anderes Maul begehrte. Menschlichkeit, dass war Futter für die Dummen und Armen. Die Masse der Menschen war nichts weiter als ein entbehrlicher und ersetzbarer Faktor. Es waren schließlich mehr als genug von ihnen vorhanden. Nichts weiter als Blut, Knochen und Muskeln.

Grisnams massige Oberschenkel und die absonderlich zu kurzen Beine wirkten grotesk unter seinem Anzug. Seine Augen schienen von einem selten blassen Grau. Er hob seine dichten Augenbrauen, schaute Maylin an, dann Caffee und nickte mit einem kurzen Lächeln.
„Du lässt wohl keinen Auftrag aus, Karl?“ Caffee hatte etwas gespürt, eine feine Unsicherheit, eine Distanz, wie sie für Grisnam unüblich war. Etwas, das ganz instinktiv sein Misstrauen erregte. Auf seine unterbewussten Regungen konnte er vertrauen, auf sein feines Gespür für Unlogik, sonst würde er schon lange nicht mehr atmen.
Grisnam zögerte einen Moment.
„War ein großzügiges Angebot“, erwiderte er. Seine Stimme klang hart und nüchtern. Er wandte sich ab, wie er es in dieser unscheinbaren, aber schroffen Form noch nie zuvor getan hatte. Caffee konnte es sich nicht erklären, aber es erhöhte sein Interesse und seine Aufmerksamkeit.
Maylin fischte eine Zigarette aus einer Schachtel Red Dust und zündete sie an. Sie zog daran bis ihre Wangen einfielen, um den Rauch in einer großen Wolke wieder auszustoßen, die ihren Kopf umhüllte.
„Deine Ausrüstung liegt dort drüben.“ Sie deutete mit der Zigarette zwischen den Fingern auf zwei Reisetaschen am anderen Ende des Raumes. Nun erst bemerkte Caffee einen dort an einem Tisch sitzenden, breitschultrigen jungen Mann, deutlich unter dreißig. Er hatte einen unauffälligen Haarschnitt und einen argwöhnischen, leeren Gesichtsausdruck. Caffee konnte die Anzahl der Abschüsse an seinem Gesicht ablesen. Einen langen Augenblick ruhten die Augen des Hitman auf Caffees Gesicht und studierten seine Züge. Caffee ignorierte die unterschwellige Bedrohung, die er ausstrahlte.
„Ein Service-Overall der Station, Kommunikation und eine universelle Keycard und eine Glock mit siebzehn Schuss“, fuhr Maylin fort.„Das daneben ist Anthony. Er wurde uns zugeteilt.“
„Zugeteilt? Von wem?“ Caffees Misstrauen war endgültig geweckt. Er wusste nicht viel über seine Partner. Sie waren Profis. Nach Beendigung eines Auftrages trennten sich ihre Wege wieder.
Caffee ging auf die Chinesin zu und blickte ihr scharf in die Augen.
„Niemand kann uns jemanden zuteilen. So haben wir noch nie gearbeitet. Welche Funktion hat er?“ Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Anthony sich erhob. Er empfand es als Bedrohung und als Bestätigung, dass mehr im Gange war, als nur ihr Auftrag. Nur Zentimeter von Maylin entfernt nahm er einen verstörenden Geruch bei ihr wahr, der Unbehagen in ihm ausbreitete. Es hatte Zeiten gegeben, die er nur allzu gern in seinem Gedächtnis begrub, die sich aber ohne Unterlass an die Oberfläche zurückwühlten, um zu brennen wie alte Narben. Die stinkenden Schlachthöfe in den Wohnvierteln seiner Jugend, die erbarmungslose Prügel in den verrottenden Jugendstrafanstalten auf Lalande Prime und die beißend riechenden Entzündungen, welche die Bisse der Feuerfliegen dort mit sich brachten.

Maylin wich keinen Millimeter zurück. In ihrem Blick lag kalte Abgebrühtheit.
„Mach keinen Aufstand, Abraham. Es ist ein Job wie jeder andere.“
Caffee schüttelte den Kopf.
„Wenn wir einen vierten Mitarbeiter benötigen, ist das Steiner. Du kannst die Bedingungen nicht einseitig ändern. Du hättest mich informieren müssen, bevor ich zusage.“ Er konnte sehen, wie es hinter Maylins Stirn arbeitete. Sie zuckte uninteressiert mit den Schultern.
„Ich habe es auch gerade erst erfahren. Sollen wir den Auftrag deshalb canceln?“
Caffee spürte, dass sie log und ihn unter Druck setzten wollte. Und sie war sich über seine Gedanken vollkomen im Klaren, auch das spürte er. Doch sie ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Grisnam schien das Gespräch zu ignorieren. Er war aber nicht der Typ, der sowas einfach hinnahm. Wusste Grisnam mehr als er?
„Zieht euch um, wir reden dann bei mir weiter, Appartment sieben.“ Maylin wandte sich ab und ließ Caffee einfach stehen.
„Karl, ich brauche noch deine Unterstützung“, zischte sie.
„Wer ist die Zielperson?“ rief Caffee ihr nach. Er stocherte im Dunkeln, aber alles sprach dafür, das ihm bewusst Informationen vorenthalten wurden. War er vielleicht ein Teil des Auftrages oder gar der Auftrag selbst? Caffee hielt es für unwahrscheinlich, drehte aber jeden Stein lieber dreimal um, bevor er seinen Hals in einer Schlinge wiederfand. Den Menschen war alles zuzutrauen, wenn es um ihre Vorteile ging, das wusste er nur zu genau. Und jeder war letztendlich das Werkzeug eines Anderen.
„Bei mir, Abraham“, sagte Maylin ohne sich umzudrehen. Sie verließ mit Karl den Raum.
Caffee schaute einen Augenblick auf Anthony, der neben dem Tisch mit den Taschen stand. Dann glitt sein Blick über das Mobiliar. Sie konnten ihn hören, wahrscheinlich sogar sehen. Wenn sie es auf ihn abgesehen hatten, war er deutlich im Nachtteil. Anthony griff nach einer der Reisetaschen, kam auf ihn zu und reichte sie ihm. Caffees Körper spannte sich. Er schaute Anthony forschend in die nichtssagenden Augen und unterließ es, nach der Tasche zu greifen.
„Wer ist die Zielperson, Kleiner? Du weißt es, genau wie die.“ Er bewegte den Kopf unmerklich zur Seite. "Sollst du mich töten?"
Anthony zeigte keine Regung. Er zögerte und schien keinen Entschluss fassen zu können. Dann senkte er die Tasche, ließ sie fallen und sprang auf Caffee zu. Anthony wollte mit einem Arm seinen Hals umschlingen und hinter ihn kommen. Er hatte schon mehreren Menschen das Genick gebrochen, ebenso wie Caffee. Er war vorbereitet und er war schnell. Sein Ellenbogen zertrümmerte dem Anstürmenden das Nasenbein und warf seinen Kopf nach hinten. Es stoppte ihn nur für eine Sekunde. Aber es lenkte ihn auch für eine Sekunde ab. Caffee hörte das Knacken des Kehlkopfes, als er ihn mit der Faust zerschlug. Er sprang zurück, um außer Reichweite zu kommen und seine nächste Aktion vorzubereiten. Anthony stand unbeweglich da. Er hatte die Augen aufgerissen und gab würgende Geräusche von sich. Er erstickte. Und er hatte nichts mehr zu verlieren. Sein zweiter Ansturm lief in einen weiteren Ellenbogenschlag, bei dem sein Schläfenbein zerplatzte. Blut und Gehirnflüssigkeit schossen ihm aus Nase und Ohren als er einknickte und auf den Rücken stürzte.

Caffees Augen wanderten über das Mobiliar. Sowohl Maylin als auch die Einsatzgruppe des Auftraggebers bekamen alles mit. Sie waren vielleicht schon auf dem Weg. Er kniete sich vor die Tasche und zog den Reissverschluss auf. Die Glock und das Magazin lagen unter einem blauen Service-Overall. Er schob das Magazin ein, entsicherte die Automatik und lud sie durch, als die Tür aufgestoßen wurde. Caffee hatte Glück. Der Mann in dem unauffälligen Anzug hatte ihn wohl nicht am Boden erwartet. Er musste seine Automatik nach unten richten, was ihm den Bruchteil einer Sekunde kostete. Caffee schoß ohne zu zielen. Der Mann zog mit aufgerissenem Mund den Bauch zurück, stieß die Schultern vor und blickte zu Boden. Er feuerte blindlinks, aber zu hoch. Dann sackte er auf die Knie und fiel vornüber.
Caffees Herz trommelte. Er riss die Waffe hoch und blickte wie gebannt auf die offene Tür. Drei Sekunden, vier Sekunden …, es schien nur ein einzelner Cleaner zu sein. Er sprang auf und rannte zur Tür. Caffees Kopf schoss ruckartig in den Gang, blickte nach rechts und links und zog wieder zurück. Er nahm lediglich einen verschwommenen Eindruck wahr, aber der Flur war leer. Mit erhobener Waffe trat er heraus und lief den Flur entlang. Er suchte Appartment sieben. Caffee wollte eine Antwort. Er musste wissen, was in Zukunft noch auf ihn zukommen könnte. Er blickte sich kurz um, als er die Tür gefunden hatte. Mit einem Tritt rammte er sie auf und ging mit erhobenener Waffe in den Raum. Maylin saß mit einem Kopfhörer vor einem Empfänger. Sie blickte auf und schaute ihn düster an. Karl, mit gespreizten Beinen auf einem Sofa sitzend, schaute sofort zu Boden.

„Warum ich?“ fragte Caffee und musterte Maylin. „Ich habe nicht viel Zeit. Du entscheidest dich für Leben oder Sterben.“
Maylin schluckte sichtbar, sagte aber nichts. Ihr Blick verharrte starr auf Caffees Gesicht.
Caffee lehnte die Tür an, ging einen Schritt vor und richtete die Waffe auf Maylins Gesicht. Sie kniff die Augen zusammen und blieb stumm. Er hob die Glock, richtete sie auf Grisnam und drückte ab. Grisnam hob erschrocken den Kopf. Er schaute Caffee erstaunt an und bewegte den offenen Mund, als wollte er etwas sagen. Dann sank sein Kopf zurück auf den Sofarücken. Seine geöffneten Augen blickten erstarrt zur Zimmerdecke. Maylin hatte sich umgeschaut und blickte entsetzt zurück auf Caffee. Zum ersten Mal nahm er eine starke Emotion bei ihr wahr.
„Die Abgeordnete Veronika van Vliet“, schoss es aus Maylin heraus. „Sie unterstützt den Widerstand hier draußen und trifft sich wahrscheinlich mit einem der Führer. Du hattest eine Affäre mit ihr.“
Caffee runzelte die Stirn. Er war gar nicht das Hauptziel. Jemand wollte nur einen plausiblen Abgang für van Vliet. Vielleicht verschaffte sie dem Widerstand zu viel Publicity, vielleicht wollte man eine Unterstützer- und Geldquelle abschneiden, wer weiß, das war nicht sein Problem. Ein arrangierter Selbstmord zog immer Spekulationen nach sich. Sie wären in ihr Appartment eingedrungen und Anthony hätte sie beide eliminiert. „Ihr wolltet es als Eifersuchtsdrama inszenieren, um der Presse das Maul zu stopfen?“
Maylin nahm langsam den Kopfhörer ab und legte ihn auf den Tisch vor sich.
„Wir erledigen Aufträge, das ist unser Geschäft. Für fünf Millionen hättest du mich auch liquidiert.“ Sie hatte ihre Ruhe zurückgewonnen und blickte Caffee ungerührt an.
Ja, wahrscheinlich, dachte er. Immerhin hatte sie fünf mal so viel bekommen wie er.
„Was willst du jetzt tun, mich aus Rachsucht eliminieren?“ fragte Maylin. „Das ist nicht dein Stil, Abe. Du kennst die Regeln so gut wie ich. Unsere Auftraggeber sind uns nicht bekannt. Wenn du die Raumstation verlässt und die Zielperson nicht warnst, hat sich die Angelegenheit für dich erledigt. Du bist doch bereits bezahlt worden, oder?“
Caffee verzog den Mund.
„Aufstehen“, sagte er barsch und hielt die Hand mit der Waffe näher an Maylins Gesicht. „Du wirst mich ein Stück begleiten.“
Maylin erhob sich, ging zur Tür und schaute durch den Spalt. Caffee setzte den Lauf der Waffe auf ihr Genick. Sie zog die Tür zurück, trat einen Schritt vor und blickte in beide Richtungen des Flurs.
„Wir sind allein.“
Caffee stieß Maylin gegen die Flurwand, schaute in den Gang und trat heraus. Er richtete die Glock auf Maylins Stirn. Sie schlug die Augen nieder.
„Das war dann wohl unserer letzter Job. Du solltest alle Informationen über mich löschen.“
„Natürlich.“ Ein feines Zittern lag in Maylins Stimme. Sie blickte weiterhin zum Boden.

Caffee glaubte ihr nicht, aber es spielte auch nicht wirklich eine Rolle. Mit erhobener Waffe lief er den Gang entlang. Hinter der ersten Biegung traf er auf eine Frau, die erstarrte und ihn entsetzt anschaute. Caffee ignorierte sie. Als er in belebtere Stationsbereiche kam, hielt er die Waffe unter der Kleidung verborgen. In der Öffentlichkeit würde der Geheimdienst nicht viel riskieren, das wusste er. Es gab immer noch Reste einer freien Presse und der Dienst kontrollierte nur einen Teil der Abgeordneten, auch wenn sie praktisch alle überwachten. Niemand durfte unangenehme Fragen stellen. Es durfte keine Beweise für kriminelle Aktivitäten geben. Trotzdem musterte Caffee jedes Gesicht, jede Bewegung, jeden Gegenstand. Doch auf dem Weg zu den Hangars traf er auf nichts Verdächtiges oder weiteren Widerstand. Er lief durch die Docking-Rampe und blickte er sich kurz um, bevor er die Aussenschleuse seines Schiffes entsperrte. Nach dem Schließen der Schleuse fiel die Anspannung von ihm ab. Adrenalin schoss wie eine heiße Welle durch seinen Körper. Mit weichen Knien lief er in die Kanzel, ließ sich in den Pilotenensitz fallen und legte die Waffe ab. Seine vibrierenden Hände entkoppelten und starteten das Schiff. Als er die Lichtgeschwindigkeit überschritten hatte, lehnte sich Caffee zurück, atmete tief durch und schloss die Augen.

 

Hallo Manlio,

danke fürs Lesen.

Ich bin nicht so begeistert von dem ersten Absatz. Der Wechsel uns -> er ist ein wenig verwirrend

Das habe ich korrigiert, war ein Bezugsfehler. Den Einstieg finde ich aufgrund der Aussage interessant und er zielt auf den Character des Killers ab.


Schönheit, Intelligenz, Kaltblütigkeit. Für Caffee die drei Wege zum Erfolg.
Wieder viele Infos. Außerdem: viele Substantive.

Ein Einblick in sein Denken. Drei Substantive? Übertreib nicht.

Caffee verengte die Augen.
Das schreibt man so?!

Jetzt bringst du mich aber ins Zweifeln, aber ich denke, ja.

Ich gebe zu, so richtig rein komme ich nicht in den Text, Rainer.

Das ist schade, ich habe mir aber viel Mühe gegeben.

Liebe Grüße

Rainer Hohn

 

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