The Incredible Holg schrieb:
gebt doch dem lieben Eddoward eine Chance ... Hier ist ja jetzt eine Menge Kritik auf ihn eingeprasselt, die sich vor allem auf die Zugänglichkeit oder Interpretierbarkeit seiner Geschichte bezieht.
Holg hat natürlich vollkommen recht.
Und weil meine bisherigen Beiträge zu diesem Text außer Sarkasmus nicht viel zu bieten hatten, möchte ich jetzt noch was Konstruktives beitragen.
Wenn ein Text so beginnt:
Eines Nachmittags ging P.
… denke ich als als Leser natürlich automatisch daran:
Jemand mußte Josef K. … bzw.
Als Gregor Samsa eines Morgens …
Und wenn dann der Autor als momentane Lektüre obendrein Kafka angibt, gehe ich mit entsprechenden Erwartungen an den Text. Auch entsprechenden Erwartungen bezüglich der Sprache.
Aber gerade an der hapert es hier für mein Gefühl an allen Ecken und Enden. Was du selber, Eddoward, vielleicht als unprätentiösen, lakonischen Stil empfindest, wirkt auf mich großteils nur unpräzise und, sorry, geradezu lieblos hingeschrieben.
Über die Anmerkungen von Asterix hinaus möchte ich dir noch ein paar Stellen zeigen, die (für mein Lese- und Stilempfinden) einfach nicht gut geschrieben sind:
Eines Nachmittags ging P. vor die Türe, um den Briefkasten wie an einem gewöhnlichen Tage zu öffnen. Er zog sich also Schuhe an, ging seinen wohlgepflegten Garten entlang, um schließlich das Ziel seiner Reise zu erreichen. Nachdem er sich vor den Kasten gestellt hatte, öffnete er das Tor zur Ungewissheit. Es war ungewöhnlich, denn nicht wie an einem anderen Tage war der Kasten gut gefüllt, sondern er war lediglich mit einem weißen Blatt bestückt. Der Mann wendete dieses Blatt mehrmals, ohne auch nur einen leisen Schimmer zu haben, um was es sich hätte handeln können. Das Blatt war auch nicht mit Hinweisen versehen, man konnte höchstens am oberen Rand "Der Antrag" lesen. So schloss der Mann den Kasten, nahm den Antrag mit, und ohne zu wissen, welchem Zweck er dienen sollte, begann er ihn auszufüllen.
ging, ging entlang
Ich kann mir nicht vorstellen, dass du dich aufgrund stilistischer Erwägungen für diese Wortwiederholung innerhalb zweier Zeilen entschieden hast. Falls doch, gefällt sie mir trotzdem nicht. Noch dazu, weil das Verb „
entlanggehen“ ein anderes Bild in mir hervorruft, als von dir vermutlich beabsichtigt. Wenn P. den Garten entlang geht, sehe ich ihn automatisch außerhalb des Gartens, bzw ganz am Rand gehen. Und die Kürze des Textes verleitet mich natürlich, in jeder auffälligen Formulierung, in jeder auffälligen Wortwahl nach einer zusätzlichen Bedeutungsebene zu suchen.
Hätte ich z.B. das gelesen:
… durchquerte den Garten, um …
hätte ich mir keine weiteren Gedanken darüber gemacht.
Auch die Formulierung „um den Briefkasten zu öffnen“. finde ich als Beschreibung dafür, dass P. (wie jeden Tag) schlicht seine Post holen will, seltsam verklausuliert.
Vergleichbar mit: P. ging wie jeden Morgen ins Badezimmer, um die Zahnpastatube zu öffnen.
Verstehst du, was ich meine?
um schließlich das Ziel seiner Reise zu erreichen.
Auch so eine Formulierung. (Die ja auch andere Komms eigenartig fanden.) Weil sie derart aufgesetzt klingt, suche ich automatisch einen darin verborgenen Hintersinn.
Nachdem er sich vor den Kasten gestellt hatte,
Und das ist einfach nur ein vollkommen unnötiger Satz. Aus dem vorigen Satz weiß ich ja schon, dass P. den Postkasten erreicht hat. Und ich gehe nicht davon aus, dass er vor dem Kasten, was weiß ich, sich hingesetzt hat oder davor herumhampelt.
öffnete er
Schon wieder ein Verb, das ich nur zwei Zeilen weiter oben gerade gelesen habe.
Na ja, und dann kommt innerhalb von nur drei Zeilen das:
Es war ungewöhnlich, … war der Kasten … er war … Das Blatt war
Nö. Das ist nicht stilistisch raffiniert, sondern einfach nur unbedachte, unkreative Wortwahl.
ohne auch nur einen leisen Schimmer zu haben, um was es sich hätte handeln können.
Warum hier diese komplizierte Konjunktivkonstruktion?
P. hat doch eindeutig und definitiv keine Ahnung, worum es sich bei dem Zettel handelt.
man konnte
Warum nicht P.?
Eddoward schrieb:
Ich habe es mir auch gewiss nicht einfach bei der Geschichte gemacht,
[...] ich erarbeite also meine Texte nicht nebenbei, da hinter liegt eine tiefgründige Arbeit.
Ich will dir gerne glauben, Eddoward, dass du dir viele tiefsinnige Gedanken zum Text gemacht hast.
Gleichzeitig unterstelle ich dir aber auch, dass du in die sprachliche Gestaltung einfach zu wenig Arbeit hineingesteckt hast.
Und gerade bei so einer Miniatur halte ich es für eine unabdingbare Voraussetzung, dass wirklich jedes Wort und jede Formulierung passt. Erst dann kann und will ich mich als Leser auf die Suche nach einem eventuellen Subtext machen.
offshore